Kapitel 10

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Louis brachte den schlafenden Harry in die Hütte und betrachtete dessen Gesicht. Er fand keine Makel, alles an ihm war perfekt und einzelne Locken klebten an seiner Stirn. Jetzt sah er so friedlich aus wie noch nie, er lächelte leicht im Schlaf. Wie gerne würde Louis wissen, was Harry in dem Moment gerade dachte, aber natürlich ging das nicht. Er legte ihn ins Bett und deckte ihn zu. Einmal noch strich er über das glatte Gesicht und nahm dann die zerstörten Bretter der Hütte, um sie gegen neue zu ersetzen. Ich habe es kaputt gemacht, also mache ich es auch wieder weg!, war seine Devise und er dachte über sein vergangenes Leben nach, während er den Schaden behob. Es war eine eintönige Arbeit und die Gedanken kreisten nur so um verschiedene Themen. Wie es wohl seiner Familie ging und was sie gerade taten. Wobei er sich eigentlich nicht darüber fragen müsste, denn sie hatten ihn abgewiesen. Keine Familie zu haben, keine Liebe oder Zuversicht zu bekommen, ist hart, und das bekam Louis jetzt zu spüren. Sein Herz schmerzte und mit einem Mal hatte er keine Lust mehr, weiterzuarbeiten, obwohl er es eigentlich tun müsste. Er ließ sich an der Wand hinabgleiten und stützte den Kopf in die Hände. Er wusste nicht weiter. Was sollte er denn jetzt tun? Zu seiner Familie gehen und die Wahrheit sagen? Sie würden ihn nur noch dämlicher anmachen und verachten, also lohnte es sich nicht. Er wollte unbedingt mit Harry leben, wollte mit ihm alt werden und glücklich sein. Aber an seiner Familie hatte er schon immer gehangen. Er dachte an den Streit zurück, der ihn innerlich so auffraß und seinen Selbsterhaltungstrieb schwächte.

Flashback

"Mum, Dad, ich bin schwul." Erst sagte keiner etwas, doch dann blickte Lou auf und sah in das entsetzte Gesicht seiner Mutter. Kurz darauf lief sein Vater knallrot an und seine Pulsader schwoll an. Lou wusste, was gleich kommen würde, und machte sich so klein wie möglich. Der erste Schlag landete an seiner Wange, der zweite in seiner Magengrube und die anderen nahm er gar nicht mehr wahr. "Du wagst es?! Was bist du für ein Schwuchtel! Nichtsnutz! Du bist es nicht wert, geliebt zu werden!" Seine Mutter war die einzige, letzte Hoffnung für Lou. In seinen Augen schimmerten Tränen und seine Mutter sagte nichts. Sie wusste ganz genau, dass ihr Sohn jetzt auf sie zählte. Sie begegnete seinem hilfesuchenden Blick und schüttelte den Kopf. Als Lou das sah und begriff, dass keiner hinter ihm stand, wurde sein Blick leer und es schien so, als spürte er die Schläge und Schreie von Lou gar nicht mehr. Das Einzige, was er tat, war, in die Augen seiner Mom zu blicken. Pure Enttäuschung spiegelte sich darin, Schmerz, Leid, zerbrochene Hoffnung. Seine  Mutter wollte ihn in den Arm nehmen und alles dafür tun, ihn wieder für sich zu gewinnen, doch Lou stand humpelnd auf und robbte aus dem Raum. Sein Vater hatte sich noch immer nicht beruhigt und lief im Wohnzimmer auf und ab. Louis fühlte nichts als Schmerz. Schmerz darüber, dass sie es nicht verstanden, nicht billigten. Was konnte er dafür? Warum konnte er nicht normal sein, so wie andere? Warum? Mittlerweile liefen einzelne Tränen seine Wangen hinunter und es wurden immer mehr. Aus Zehn wurden Tausend, aus Tausend Millionen. Immer mehr, bis er nichts mehr sah, alles war verschwommen. Kurzerhand nahm er eine Tasche und schmiss das Nötigste hinein. Er würde nicht länger hier bleiben, niemals! Wenn seine Familie so war, brauchte er sie nicht. Punkt. Ein paar Schluchzer kamen über seine Lippen, doch er war sich sicher, dass es niemanden interessieren würde. Zumindest von seiner Mutter hatte er mehr erwartet als Abweisung. Immer war sie diejenige gewesen, die ihn getröstet und liebevoll behandelt hatte, im Gegensatz zu seinem Vater. Aber er hatte die Hoffnung aufgegeben und würde nie wieder ein Stückchen davon wiederbekommen.

Flashback Ende

Louis spielte das Nächstgeschehene nochmals vor seinem inneren Auge ab. Wie er runtergelaufen war, nichts gesagt hatte, sondern einfach rausgelaufen war. Er hatte noch die Schreie seiner Mutter gehört und ihr viel Glück gewunschen, obwohl er enttäuscht war. Immerhin liebte er seine Mutter noch und wollte ihr nicht einfach den Rücken zukehren. Als Louis wieder in der Realität ankam, spürte er einen Blick auf ihm und sah auf. Ihm begegneten zwei strahlend grüne Augen, in denen er sofort versank wie in einem See. Bloß dass es kein See sondern ein Dschungel war. Ein wunderschöner Dschungel, mit vielen Grünpflanzen und Leben. Ein Lächeln stahl sich wie von selbst auf das Gesicht des Älteren und auch auf Harrys Gesicht war ein kleines Grinsen zu erkennen. "Haz?" Der Angesprochene hob eine Augenbraue und sagte nichts. "Wie geht es dir?" Harry lächelte und klopfte neben sich aufs Bett. "Komm her, dann gehts mir schon besser." Sofort kam Louis ins Bett und kuschelte sich eng an Harry. Als er den Kopf auf seine Brust legen wollte, stöhnte Harry auf und erschrocken zog er seinen Kopf wieder zurück. Er hatte ganz vergessen, dass Harry verletzt war. Seine Augen wurden riesig und er klopfte sich auf die Stirn. "T - tut mir leid ... ich wollte nicht ... " Sanft legte Harry dem traurigen Jungen einen Finger auf die Lippen. "Es ist okay, Lou. Ich erlebe das nicht zum ersten Mal." Lou´s Blick wurde weicher und jetzt darauf bedacht, ihm nicht wehzutun, legte er sich genau gegenüber von Harry. "Lou?", fing nun Harry an. "Hmm?" Louis war ganz damit beschäftigt, den Schönling vor sich zu beobachten. Louis erwartete, dass er weitersprach, doch stattdessen kam er ihm immer näher. Er spürte den heißen Atem von Harry auf seinem Gesicht und schloss die Augen. Harry überbrückte den letzten Abstand zwischen ihnen und als Lou´s Lippen auf seine trafen, erlebte er das schönste Gefühl, das er bisher gehabt hatte. Ihre Münder bewegten sich synchron zueinander und beide lächelten in den Kuss hinein. Ihnen wurde bewusst, dass das erst der erste, berühmte Kuss war und beide merkten, wie sehr sie einander liebten. Nichts konnte sie jetzt noch aufhalten, bis Harry den Blutgeschmack aus Lou´s Mund erkannte und sein Magen knurrte. Widerwillig löste Harry sich von Lou, der nur dämlich grinste. "Hat da jemand Hunger?" Bevor Harry etwas sagen konnte, war Lou aufgestanden und öffnete die Tür. "Ich bring dir was mit!" "Aber Lou -" "Nichts aber! Du bleibst hier liegen, verstanden?" Harry nickte nur und legte den Kopf in das weiche Kissen, als Lou die Tür schloss und ihm etwas "mitbrachte". Ob es ein Tier oder ein Mench war, wusste er nicht. Er hoffte auf das Erste, denn er wollte nicht schon wieder ein Menschenleben wegen dem Monster in ihm zerstören.

Flying high to vampire LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt