1. Kapitel

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„Hab ich es dir doch gesagt, er faulenzt hier wie auf dem Präsentierteller und träumt vor sich hin", flüsterte Bruder Tomo und stieß seinen Freund neben sich an. Die Beiden hatten sich in den Gebüschen vor der Burgmauer versteckt und blickten etwas ärgerlich auf ihren Anführer.
„Der hat Nerven. Gestern erst haben wir die Kutsche der Prinzessin überfallen und ihre Männer suchen uns jetzt im ganzen Wald. Früher oder später kommen sie zurück und dann sind wir ihnen ausgeliefert", jammerte Little Ryon ängstlich und seine Augen wanderten nervös nach allen Seiten. Er rechnete anscheinend wirklich mit einem Überfall aus dem Hinterhalt.
Torin Hood hingegen schien völlig entspannt, lag auf einem großen flachen Felsen und kaute an einem Grashalm. Sein grüner Hut war tief in seine Stirn gezogen, was sehr lässig aussah und dabei die langen blonden Stirnfransen verbarg, die sonst zumeist ein Auge des großen Mannes bedeckten.
„Was macht er da? Warum geht er um Himmelswillen nicht in Deckung?" zischte Ryon ungeduldig.
„Wenn du endlich mal deine Klappe halten würdest, wüsstest du längst den Grund dafür." Der etwas beleibtere Bruder Tomo zeigte zum Turm hinauf. Dort kreisten Schwalben in schwindelnder Höhe, um die Zinnen des alten Gemäuers und jagten nach Insekten für ihren Nachwuchs.
„Oh, ... du meinst er wird uns ein Abendessen schießen?" kam die Frage, die dem Gefährten einen Schlag auf den Hinterkopf bescherte.
„Nein! Du sollst nicht denken, Kleiner. Nur hören, ... verstehst du? Hören!" Beleidigt rückte der Geschlagene zur Seite und tat wie ihm geheißen. Er spitzte die Ohren und vernahm einen leisen Gesang. Dieser kam eindeutig aus den Gemächern der hohen Gesellschaft und war in der Tat lieblich anzuhören. Kräftig aber weich und einfühlsam, facettenreich in allen Tönen, ob hoch oder tief, es war einfach eine Wohltat für die Sinne. Eine Zeit lang lauschten sie entzückt und der Pater erklärte:
„Jede freie Minute schleicht er um die Burgmauern, um vielleicht einmal einen Blick auf den Verursacher erhaschen zu können, doch bis jetzt hatte er anscheinend noch kein Glück. Auf jeden Fall ist er nicht das erste Mal hier ..."
„Aber, aber ... gleich zum letzten Mal", stotterte der Ängstliche und hielt sich vor Schreck die Augen zu. Bruder Tomo reagierte aber sofort, spannte einen Pfeil in seinen Bogen und zielte auf die Wache, die im Mauervorsprung erschienen war. Doch hatte er noch nicht losgelassen, stürzte der Mann in der Rüstung in den Graben. Der blonde Held war schneller gewesen und auch wenn er sehr abwesend und gelangweilt mit seinen großen verschlafenen Augen wirkte, sah und hörte er alles um sich, schneller und besser als ein Fuchs.
Ein großer Tumult entstand und plötzlich hörte man eine krächzende Frauenstimme schreien:
„Was zum Teufel ist hier los!"
Unser Held stellte sich in Pose, hob den Hut kurz, zum Groß vom Kopf und deutete eine Verbeugung an.
„Du schon wieder?! Reicht dir mein Gold und die Edelsteine nicht?" Die füllige Dame stemmte wütend die Hände in die nicht erkennbaren Hüften und funkelte zu dem höflichen Störenfried hinunter. „Was willst du noch?" Wollte sie energisch wissen. Der blonde Held räusperte sich lautstark und erhob seine tiefe Stimme.
„Meine sehr verehrte, wunderhübsche Prinzessin, Johanna. Ich hoffe doch, sie wissen, dass ich ihre Schätze nicht für mich beanspruche. Nein, ich lege keinen Wert auf Münzen oder Geschmeide", klärte er sie auf und lächelte keck. Die Angesprochene kniff die Augen zusammen, schien kurz zu überlegen und begann schüchtern ihr langes gekräuseltes Haar in ihren Fingern zu drehen. Sie fühlte sich geschmeichelt, war Torin Hood doch ein wirklich, wirklich gutaussehender junger, kräftiger Mann ... Doch dann verfinsterte sich ihr Blick wieder und ihr Gesicht färbte sich rot vor Zorn.
„Du, .... Falscher Halunke, du kannst mit deinem Scharm vielleicht jede andere täuschen, aber ich lasse keinen Landstreicher in mein Bett!"
„Wah?! Nein, nicht doch, verehrte Dame! Nie im Leben ... würde ich es wagen, ... als Dieb ... und Nichtsnutz ... in ihre Gemächer einzudringen, ... niemals", verteidigte er sich unbeholfen, kam jedoch gleich zu seinem eigentlichen Wunsch. „Ich bitte sie lediglich um ihre Dienstmagd", meinte er also freundlich. Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
„Welche Magd?" Der Blonde überlegte:
„Hm, ... die ... singende?"
„Ha! Mein Mädchen für alles? Niemals! Maid Mori chan bleibt bei mir!" schimpfte sie triumphierend. „Wer kocht, unterrichtet und singt für mich? Wer verarztet meine Wachen und tröstet mich, wenn grausame Ganoven meine Reichtümer stehlen? Vergiss es! Nur über meine Leiche!" Und dann rief sie nach ihrer Armee und Torin blieb nichts anderes übrig, als das Weite zu suchen. Für heute musste er sich geschlagen geben, aber wer den Helden kennt, weiß das er nicht so schnell aufgibt...

Torin Hood (Toruka)Where stories live. Discover now