18 - Preis der Lüge

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Alles, was wir hören, ist eine Meinung – keine Tatsache

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Alles, was wir hören, ist eine Meinung – keine Tatsache. Und alles, was wir sehen, ist eine Perspektive – keine Wahrheit.
- Marcus Aurelius -

 ICH HABE MICH SO sehr daran gewöhnt, mit Silas morgens zur Schule und nachmittags wieder nach Hause zu gehen, dass es sich falsch anfühlt, den Weg zur Schule alleine anzutreten

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 ICH HABE MICH SO sehr daran gewöhnt, mit Silas morgens zur Schule und nachmittags wieder nach Hause zu gehen, dass es sich falsch anfühlt, den Weg zur Schule alleine anzutreten. Statt seinen Erzählungen zu lauschen, dröhnt leise Musik aus den Kopfhörern in mein Ohr und versucht, mich mitzureißen. Meine Gedanken sind allerdings ganz woanders.

Silas hat heute einen Zahnarzttermin, was irgendwie auch logisch ist. Also dass wir nicht jeden Tag zur Schule gehen konnten. Auf kurz oder lang wäre einer von uns krank geworden, seltsam fühlt es sich trotzdem an. Silas ist ein fester Bestandteil meiner Tagesroutine geworden, genauso wie die besorgten Blicke, die ich morgens Theodosia zuwerfe und die entschuldigenden Blicke meiner Mutter.

Seit dem Abend, an dem sie beschlossen haben, mich zu einem Seelenklempner zu schicken, habe ich sie kaum auch nur angesehen. Es ist meine eigene Art von Strafe, selbst wenn sie meine Mutter ist und wahrscheinlich nur das Beste für mich möchte.

Dem irrationalen Teil von mir ist es egal, der ist wütend. Dieser Teil ist beleidigt und hat das Gefühl, für kaputt gehalten zu werden. Warum macht mich das so sauer? Ich weiß, dass mit mir längst nicht alles in Ordnung ist, dass der Schmerz meine Sicht auf die Dinge, auf das Leben und vor allem auf mich selbst geändert hat.

Und trotzdem hat es sich so qualvoll angefühlt, zu sehen, dass nicht nur ich so denke. Dass es nicht mein eigener kaputter Verstand ist, der sich das ausgedacht hat, sondern dass auch meine Familie mich längst aufgegeben hat. Dass sie aufgehört haben, mich heilen zu wollen, weil sie es schlichtweg nicht können und es sich eingestehen mussten.

Sie sind wie ein Pflaster, das versucht hat, die Blutung einer Schusswunde zu stoppen. Schier unmöglich, erst recht, wenn die Kugel meine Schuld ist, abgefeuert mit der Waffe des Todes, die so schwergewichtig in meiner Hand wiegt.

Violet hat sie das Leben geraubt – ein Schuss mitten ins Herz.

Mich hindert sie nur am Weiterlaufen, hindert mich daran, meinen Weg fortzusetzen – ein Schuss ins Bein.

LOVE LETTERS TO A STRANGERWhere stories live. Discover now