Teil 17

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Xayra

Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen sogar dann glauben zu können, wenn man weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde.
- Henry Louis Mencken

Ich platziere  vier Steine auf die Ecken der grossen Karte, damit sie sich nicht gleich wieder zusammenrollt. Konzentriert studiere ich sie noch einmal und gehe zum x-ten Mal meinen Plan durch.
Es sollte eigentlich alles funktionieren. Es muss funktionieren.
Ich fische die kleine, silberne Taschenuhr aus meinem Reisebeutel und werfe einen Blick auf die Uhrzeit. Eigentlich sollte zumindest Drake schon da sein... Ungeduldig sehe ich im Wald umher.
Wo ist er?
Plötzlich sehe ich etwas Schwarzes zwischen den Bäumen aufblitzen.
Könnte das Drake sein?
Sicherheitshalber ziehe ich meinen Dolch unter meinem dunklen Umhang hervor und mache mich bereit, fall es sich doch nicht um den goldäugigen Prinzen handelt. Aufmerksam verfolge ich die Gestallt mit dem schwarzen Umhang. Von der Statur her, denke ich, dass es sich um einen Mann handelt. Er scheint sich mir zu nähern, doch noch immer kann ich nicht erkennen, um wen genau es sich handelt.
Einige Minuten später tritt die grosse, wahrscheinlich männliche Person zwischen den Bäumen heraus, auf die Lichtung. Immer noch durch seinen Umhang verhüllt, bleibt er stehen.
„Gib dich zu erkennen!" fordere ich ihn auf, bereit mich jederzeit zu verteidigen oder ihn anzugreifen.
„Immer mit der Ruhe, Xay." meint eine mir sehr vertraute Stimme lachend, bevor er sich die Kapuze vom Kopf zieht.
„Du bist spät." bemerke ich trocken, aber dennoch mit einem leichten Lächeln. Einige Sekunden später hat er mich auch schon in seine starken Arme gezogen.
„Ich wurde aufgehalten." gibt er als Entschuldigung an.
„Du wirst immer aufgehalten, Floyd."
Er lacht nur laut auf und verwuschelt mir die Haare, bevor er sich endlich wieder von mir löst. Genervt versuche ich, die nun in alle Himmelsrichtungen abstehenden Strähnen, wieder zu bändigen.
„Also Xay, was für eine Mission hast du heute für mich?" fragt Floyd und reibt sich dabei voller Vorfreude die Hände aneinander.
„Wir sind noch nicht vollständig. Ich werde alles erklären, sobald alle anwesend sind." Enttäuscht seufzt er auf und lässt sich auf den Waldboden fallen. „Na dann warten wir eben." sagt er, schliesst seine Augen und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
So ist Floyd nunmal. Am liebsten würde er gleich losstürmen und sich kopfüber in einen Kampf stürzen, doch genau so gut, kann er auch geduldig zurücklehnen, warten und sich an einen Plan halten. Deshalb mag ich es, mit ihm zusammenzuarbeiten.
„Ich werde mal nach den anderen Ausschau halten." informiere ich den blondhaarigen Mann, der gemütlich am Boden liegt. Er nickt kurz und ich laufe in den Wald.
Es dauert nicht lange und da sah ich auch schon einen roten Umhang zwischen den Bäumen und zudem höre ich jemanden fröhlich pfeifen.
Das ist definitiv Drake!
Wie konnte ich Floyd jemals auch nur für eine Sekunde mit ihm verwechseln?
Meine Mundwinkel zucken ein wenig nach oben, als ich an den unverbesserlichen Prinzen denke. Kaum steht er endlich vor mir, mit seinem selbstbewussten Grinsen und seiner viel zu auffälligen Kleidung, verspüre ich wieder diese Gefühle, die ich immer habe, wenn ich an ihn denke, ihn sehe oder etwas über ihn höre.
„Guten Abend, mein Sonnenschein." begrüsst er mich grinsend und kommt noch ein paar Schritte auf mich zu. Als er dann endlich in Reichweite war, ziehe ich ihn ohne zu überlegen an mich ran und küsse ihn auf den Mund. Er zögert keinen Augenblick, um den leidenschaftlichen Kuss zu erwidern. Es für diesen Moment, gibt es nur noch uns beide. Er legt all seine Sehnsucht und sein Verlangen in diesen Kuss, genau so wie ich auch. Erstaunt stelle ich fest, dass ich ihn wirklich vermisst habe. Ihn, seine feurigen Berührungen und alles, was damit verbunden ist.
Als wir uns dann nach einer Weile schweratmend wieder voneinander lösen, meint Drake amüsiert: „Da hat sich wohl jemand nach mir gesehnt." Ich verdrehe als Antwort nur die Augen und küsse ihn nochmals, um ihn zum Schweigen zu bringen.
„Definitiv vermisst." murmelt er leise gegen meine Lippen, nur dieses Mal bin ich mir nicht sicher, ob er immer noch von mir spricht.
Etwas widerwillig, aber dennoch bestimmt löse ich mich ein paar Minuten später komplett von ihm und winde mich aus seinen Armen.
„Wir haben eine Mission und wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren." verkünde ich und deute ihm, mir zu folgen. Ich laufe voraus und er mir hinterher.
Es dauerte nicht lange, bis wir die Lichtung erreichen, bei der ich Floyd zurück gelassen habe. Er ist nicht mehr alleine. Neben Floyd, der immer noch am Boden liegt, stehen nun auch noch eine schwarzhaarige Frau und ein weiterer blonder Mann.
„Harry, Margret schön euch zu sehen." begrüsse ich die Neuankömmlinge lächelnd.
„Wieso wirfst du ihnen nicht vor, dass sie zu spät sind?" fragt Floyd empört. Er richtet sich auf und klopf sich den Schmutz von der Kleidung.
„Im Gegensatz zu dir, sind wir eigentlich nie zu spät." erklärt ihm Margret mein Verhalten.
„Pff, wir müssen ja nicht gleich Erbsen zählen." erwidert er und verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust.
Dann sieht er das erste Mal in meine Richtung .
Sofort ist er wieder komplett ernst und zieht ein Schwert aus seiner Rückenscheide. Bereit zum Angriff.
Margret, die Floyd zuerst nur verwirrt ansieht, geht ebenfalls augenblicklich in eine Angriffshaltung über, als sie den dunkelhaarigen Mann hinter mir sieht. Nur Harry steht immer noch gelassen neben den beiden anderen und beobachtet das Geschehen aufmerksam.
„Pass auf hinter dir!" ruft mir Margret warnend zu.
„Keine Sorge, er ist auf unserer Seite." versuche ich meine Freunde zu beruhigen, was jedoch keine grosse Wirkung zeigt.
„Das ist der Prinz, Xay!" Sagt Floyd verständnislos, weshalb um Himmelswillen ich Drake Beaufort nicht auf der Stelle erledige.
Ich beisse mir auf die Unterlippe, um einen frustrierten Schrei zu unterdrücken. Wieso zum Teufel bemerkt jeder, ausser ich, gleich auf Anhieb, dass er der verfluchte Prinz ist?!
„Ich weiss Floyd, aber er ist unser Verbündeter."
„Der Prinz?!" fragt er irritiert.
„Ja, der Prinz." antwortet ihm Drake mit einem Grinsen.
„Schweig! Ich spreche nicht mit dir Prinzchen." befiehlt ihm Floyd aufgebracht.
„Wow... okay. Wenn mich jemand Prinz nennt, ist das schon ziemlich nervig, aber Prinzchen?" Drake macht eine Geste, als ob er erbrechen müsste.
„Nur so, damit ich das auch wirklich recht verstehe, er ist unser Verbündeter?" fragt Margret verwirrt nach.
„Ja."  bestätige ich.
„Ah, okay na dann..." sagt sie schulterzuckend und gibt ihre Angriffsposition auf. Floyd hat sein Schwert noch nicht wieder gesenkt und sieht misstrauisch zu Drake. „Entspann dich, Floyd. Wir dürfen keine Zeit verlieren." sage ich und laufe zusammen mit Drake an meiner Seite zur Karte, die ich zuvor auf einem Stein ausgebreitet habe.
„Ich behalte dich im Auge, Prinzchen." versichert Floyd Drake, als dieser an im vorbei geht.
„Nenn mich noch einmal Prinzchen und ich sorge dafür, dass du bald keine Augen mehr hast." droht Drake und zieht zwei Metallstangen unter seinem Umhang hervor.
„Versuchs doch!" fordert ihn Floyd heraus und fügt zum Schluss noch ein „Prinzchen." hinzu, wobei er jede Silbe einzeln betont.
Bevor die beiden Männer jedoch aufeinander losgehen können, stellt sich Harry zwischen sie. „Wir haben eine Mission." erinnert er sie und deutet dann auf mich. Danke, Harry. Wenigstens ein männliches Wesen ist vernünftig.
„Das ist noch nicht zu Ende." Verspricht Drake, woraufhin ihm Floyd zustimmt.
Als sich endlich alle um den Stein mit der Karte versammelt haben, beginne ich damit, die Situation zu erklären: „Ich weiss nicht, ob ihr es mitbekommen habt, aber Gestern wurden beinahe die Hälfte aller Rebellen festgenommen und hier her ins Gefängnis von Derraia gebracht."
So wie ich Harry kenne, weiss er bereits darüber bescheid, für alle anderen scheinen meine Informationen neu zu sein.
„So wie es aussieht, sollen beinahe alle morgen gehängt werden." fahre ich fort.
„Moment... sollte zwischen Festnahme und Todesstrafe nicht noch ein Gerichtsverfahren stattfinden?" fragt Margret woraufhin Drake antwortet: „Für den König haben Rebellen oder generell Menschen, die gegen ihn sind, ihr Recht auf Gerechtigkeit verwehrt."
„Ah, wenn das so ist." Sie nickt verstehend und deutet mir weiterzuerzählen.
„Mein Vater plant eine Rettungsaktion in drei Tagen, da er denkt, die Hinrichtungen finden erst in einer Woche statt-"
„Wieso hast du ihm nicht einfach gesagt, dass sie bereits Morgen stattfinden?" will Margret wissen.
„Ich habe es ihm gesagt, doch da die ein paar andere einige Beweise haben, die dafür sprechen, dass der Termin erst in einer Woche ist, will er mir nicht zuhören." beantworte ich ihre Frage geduldig.
„Aber woher weisst du denn, dass die Rebellen Morgen gehängt werden sollen?" fragt Margret, nun noch verwirrter als zuvor.
„Ich habe meine Quellen im Palast."
„Aber woher wissen dann die ande-"
„Ich weiss es nicht." antworte ich, noch bevor sie die Frage zu Ende gestellt hat.
„Tatsache ist, dass mehrere Leute meinen davon Vater überzeugt haben, dass die Hinrichtungen erst in einer Woche sind. Daher will er nichts überstürzen und erst in drei Tagen die Gefangen retten. Nur wird es dann schon zu spät sein."
„Hast du schon mal daran gedacht, dass deine Informanten dich falsch informiert haben, Xay?" Kam dieses Mal ausnahmsweise keine Frage von Margret, sondern von Floyd.
„Ja, aber nehmen wir mal an, dass sie doch richtig sind und was dann?" Frage ich.
„Dann wären alle bereits tot, noch bevor der Rebellenführer einen Plan für die Befreiung fertiggestellt hat." antwortet Floyd mit einer düsterer Miene.
„Deshalb habe ich euch hierher gebeten. Nur wir alle zusammen, können diese Menschen vor ihrem sicheren Tod retten."
Meine vier Verbündete nicken verstehend und ich bin fest davon überzeugt, dass diese vier Menschen bis zum Ende alles geben, um diese Mission erfolgreich zu erledigen.
„Aber warte, wie konnten so viele Rebellen auf einmal entdeck und verhaftet werden?" fragt Margret wieder. Ich kenne sie nun schon mein ganzes Leben lang und bisher bin ich niemanden, der so viele Fragen stellt wie diese schwarzhaarige, junge Frau.
„Ganz einfach." sage ich, ohne zu zögern, „Wir haben offensichtlich einen Verräter in unseren Reihen."
Bei diesen Worten richten sich Floyd, Margrets und Harrys Blicke wie automatisch auf Drake.
Dieser schüttelte kurz perplex den Kopf, so als ob er mit den Gedanken gerade irgendwo anders war und verwirrt feststellen muss, dass nun die ganze Aufmerksamkeit auf ihm liegt.

Etwas kürzer als sonst, aber ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen.
Was denkt ihr, wer ist der Verräter?

Nur noch zwei Wochen und dann habe ich hoffentlich bestanden und endlich alles hinter mir! Von da an hoffe ich auch wieder mehr Zeit zum schreiben zu finden. 😘

XayraWhere stories live. Discover now