Zwei

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Ruby hatte zwei Jobs. Die reichten nicht aus, um das ganze Geld zusammenzukratzen. Vielleicht hätte auch drei nicht gereicht, aber mehr als zwei hatte sie nicht bekommen. 

Ihre Mutter war einmal Verkäuferin in einem Geschäft gewesen. Das Geschäft ging bankrott und sie fand keine Arbeit mehr. Ihr Vater war bis zu einer Schießerei, die sein Rückenmark zerstörte, Polizist gewesen.

Ruby und ihre Schwester Agata waren die einzigen Einnahmequellen der Familie. Agata verkaufte selbstgemachten Schmuck auf dem Markt. Ruby war Kellnerin in einem Café und einem Restaurant.

Das Café war das einzige weit und breit. Es stand schon seit Jahren am Rande der Existenz. In diesem Viertel gab es nicht viele Leute, die sich einen Espresso leisten konnten. 

Es lag auf der Hauptstraße in Richtung Innenstadt. Die Besitzerin, eine Frau Mitte Dreißig namens Marie, war bereits am Verkaufstresen. 

"Morgen, Marie.", rief Ruby im Vorbeigehen, während sie ihre Schürze holte. "Guten Morgen, Ruby. Wie geht es deiner Familie?"

"Alles bestens.", log sie. Sie wollte vor ihrer Arbeitgeberin keine Schwäche zeigen. "Gut, denn ich muss dir etwas sagen."

So ernst hatte sie in den letzten drei Jahren nie geklungen. 

"Was ist los?" Marie trat etwas näher, als wollte sie nicht, dass die Gäste ihr Gespräch mitbekamen. 

"Ruby, es tut mir leid, aber ich werde dich entlassen müssen." "Was!? Nein! Nein! Nein! NEIN!!! Marie, das kannst du mir nicht antun, ich brauche das Geld!"

"Ich weiß, aber die Einnahmen sinken mit jedem Tag. Ich kann mir keine Angestellte mehr leisten."

Eigentlich wollte Ruby wütend werden, aber erst da wurde ihr bewusst, dass es Maria genauso ging wie ihr und ihrer Familie.

Sie stand ebenfalls am Rande ihrer Existenz und würde ihr Café bald schließen müssen. Dann gab es nichts mehr, wovon sie leben konnte. 

"Das ist nicht gerecht.", flüsterte sie wie in Trance. Maria seufzte. "Es tut mir wirklich leid. Du warst immer so fleißig und-" "Nein, das meinte ich nicht. Marie, überleg doch mal. Jeder von uns kann gerade so überleben. Und 20 Meilen die Straße rauf schlürfen sie Champagner in 5-Sterne-Hotels und betrachten uns wie Ungeziefer."

Marie lachte freudlos auf. "Ich weiß, aber was willst du machen? Wir haben zumindest noch die Freiheit zu entscheiden, womit wir unser Geld verdienen. Die Gesetzte werden jedes Jahr strenger."

Ruby verschränkte die Arme. "Ach, die Freiheit schenken sie uns, aber Mittel zum Überleben lassen sie uns nicht!" Wutentbrannt warf sie ihre Schürze auf den Boden.

"Das kann so nicht weitergehen!!!", rief sie, während sie aus dem Café stürmte. 

"Tu bitte nichts Unüberlegtes.", hörte sie noch Maria sagen, eher sie die gewohnten Motorengeräusche umfingen.

Robin Hood (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt