Dark Guardian

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„WAS hast du getan, James?" fragte meine Mom lautstark, so dass ich es selbst im Nebenraum hören konnte.

Mein Vater stammelte irgendetwas, das ich nicht verstand.

Dann knallte eine Tür.

Schritte, die den Flur entlang eilten.

Eine Stimme, die hastig ins Telefon sprach.

Mom.

Ich konnte nur „Jessie" verstehen.

Mom rief scheinbar Onkel Jessie an, dass er zu uns kommen solle.

Ich öffnete leise die Zimmertür einen Spalt breit, so dass ich mit einem Auge hindurch sehen und meine Mom mit ihrem Handy am Ohr telefonieren sah. Sie lief den Flur auf und ab, so dass ich hastig die Tür wieder anlehnte, aber nicht verschloss.

„Jessie, bitte komm schnell! Beeil dich!" hörte ich Mom sagen.

Anschließend hörte ich, wie meine Mom den Flur in Richtung Küche verließ und nicht zu Dad in das Wohnzimmer ging.

Wieso hatten sie sich gestritten? Und wieso sollte Onkel Jessie, der eigentlich gar nicht mein richtiger Onkel, sondern der beste Freund meines Dads war, so dringend herkommen?

Es verging eine Weile, in der es sehr ruhig in einem Teil unserer Wohnung war. Dad blieb im Wohnzimmer, während Mom in der Küche wild mit den Töpfen und Pfannen klapperte, aber nach Essen roch es nicht. Zoe und ich blieben in unserem Zimmer, sie spielte und ich beobachtete das Geschehen in der Wohnung vom Türspalt aus bis es an der Tür läutete und Onkel Jessie den Flur betrat.

Er sah gut aus mit seiner schlanken Gestalt, seinen dunklen leicht lockigen schulterlangen Haaren und seinen saphirblauen Augen. Ich mochte ihn schon, seit ich denken konnte. Ehe ich aus der Zimmertür treten und Jessie begrüßen konnte, hatte er mich bereits erblickt und lächelte mich an. Ein bezauberndes Lächeln, das mein 12-jähriges kleines Herz zum Schmelzen brachte...

Doch dieser schöne Augenblick währte nicht lang, denn mein Dad kam aus dem Wohnzimmer gestürzt und verschwand mit Mom und Jessie in der Küche. Die Küchentür wurde geschlossen und ich konnte nichts mehr von ihrem Gespräch mithören.

Außerdem begann Zoe mich zu nerven, damit ich mit ihr spiele, so dass ich mich nicht zur Küchentür schleichen und heimlich lauschen konnte.

Aber ich wusste, dass irgendetwas schlimmes geschehen war, sonst hätte Mom Onkel Jessie nicht zu uns gerufen.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Onkel Jessie verließ die Küche, gefolgt von Mom, die übereifrig ins Schlafzimmer eilte und dort nach irgendetwas suchte. Mein Dad saß hingegen wie erstarrt und deprimiert am Küchentisch und flüsterte immer wieder:

„Ich wollte das nicht! Ich wollte nicht, dass das passiert!"

Jessie kam zu Zoe und mir ins Zimmer und erklärte uns in kurzen Worten, dass wir gleich einen Ausflug mit unseren Eltern und ihm machen würden. Doch wohin es gehen sollte, verriet er uns nicht.

Irgendwie machte mich die ganze Situation sehr nervös, so dass ich nach Zoe's Hand griff.

„Onkel Jessie, was ist passiert?"

„Das kann ich dir nicht erzählen."

„Bitte, Onkel Jessie! Ich merke doch, dass irgendetwas passiert ist und Dad damit zu tun hat."

Jessie schüttelte den Kopf. Ich sah ihm an, dass er gern mehr gesagt hätte, aber er durfte sicher von Mom aus nicht. Resigniert gab ich auf und senkte meinen Kopf. Jessie hockte sich vor mich hin, hob meinen Kopf mit seiner Hand unter meinem Kinn sacht an und sah mir direkt in die Augen.

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