Chapter 10: "One Direction, nicht Reflection."

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Mittwoch, 06.06.2012

Eleanor



Konzentriert suchte ich die Regale im Supermarkt nach der richtigen Backmischung für den Pizzaboden ab. Meine Eltern würden heute aus ihrem zweimonatigen Urlaub in Frankreich wiederkommen und ganz die gute Tochter wollte ich etwas zu Essen machen. So als Begrüßungsgeschenk.

Und es war eigentlich eine Zumutung, dass ich dies tun wollte, denn meine Kochkünste ließen zu wünschen übrig. Deswegen auch die Fertigmischung. Außerdem betete ich schon seit gestern Abend zu Gott, dass mir nichts anbrennen würde. Wenigstens heute nicht.

Gedankenverloren zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche, als ich spürte, wie es vibrierte und öffnete die neue Nachricht.


Guten Morgen...Nachmittag? In London müsste es jetzt so gegen vier sein, oder?
Viel Erfolg beim Backen. Ich hoffe, du fackelst das Haus deiner Eltern nicht ab. :P
Ich denke an dich.
xx Louis



Schmunzelnd las ich mir noch ein zweites Mal den Text durch. Louis und der Rest der Band waren vor sechs Tagen nach Amerika geflogen, um die restlichen Termine nachzuholen. Seither schrieben wir täglich...naja, sofern die Zeitverschiebung uns die Möglichkeit dazu gab.

Ich drückte auf eine Taste, damit ich ihm antworten konnte, doch soweit kam es gar nicht erst, weil genau in diesem Moment mein Handy zu klingeln begann und mir Grams ruft an entgegenleuchtete.

„Hey Grams, was gibt's?", begrüßte ich sie lächelnd und platzierte mein Telefon zwischen Schulter und Kopf, damit ich etwas umständlich nach der richtigen Packung mit der Backmischung greifen konnte.

„Eleanor, Kindchen! Wieso hast du mir nicht erzählt, dass du einen Freund hast?" Ich hörte den anklagenden Unterton aus ihrer Stimme heraus und zog verwirrt meine Augenbrauen zusammen, ehe ich weiter durch die Gänge im Supermarkt schlenderte.

„Ähm, weil ich keinen Freund habe?", antwortete ich und steuerte die Gemüseabteilung an.

„Und wieso steht es dann hier ganz groß in der Zeitung? Ich werde doch meine Enkelin auf einem Bild wiedererkennen! Übrigens ist der junge Mann an deiner Seite wirklich hinreißend. Ist es der aus dem Fernseher? Gottchen, ihr seid so-"

„Stopp! Ab Zeitung bin ich nicht mehr mitgekommen", unterbracht ich sie überfordert und blieb mitten im Gang stehen, sprang aber einem Mann aus dem Weg, der mit seinem Einkaufswagen an mir vorbei wollte.

„Seit wann liest du die RISE?", fragte ich leicht panisch und meine Augen weiteten sich.

„Die was? Nein, nein. Deine Eltern haben mir doch letztens zum Geburtstag ein Abo für eine Zeitschrift bestellt, wo alles drinnen steht, was momentan im Trend ist. Deine Mutter ist doch so begeistert davon und seitdem bekomme ich jeden Montag diese Zeitschrift. Allerdings habe ich nie damit gerechnet, dass meine Enkelin darin zu sehen sein wird. Ich bin gespannt, was Patricia und Phillip dazu sagen werden", plapperte sie weiter. Mittlerweile war ich komplett erstarrt und ich schaffte es noch gerade so mein Handy mit meinen Fingern fester zu umklammern, ansonsten wäre es vor lauter Schreck auf den Boden gefallen.

„Mum und Dad?", piepste ich leise vor mich hin und ehe ich mich versah, trugen mich meine Füße zu der Kasse, damit ich das, was ich in den Händen hielt, schnell bezahlen konnte.

„Natürlich. Eleanor, du weißt doch, dass deine Mutter auch dieses Abo hat", erklärte sie verständnislos und ich ließ die Waren rücksichtslos auf das Band fallen, was mir strafende Blicke der Kassiererin einbrachte, aber das war mir egal.

„Ich muss auflegen, Grams", murmelte ich und sah die auffordernd die Kassiererin an, die in einem gemächlichen Tempo die Lebensmittel, die ich bis zu dem Anruf hatte auswählen können, über das Scangerät zog.

Dann gab halt eine einfache Pizza Margherita.


***


Fluchend bog ich in die Straße ein, in der das Haus meiner Eltern stand. Es hatte angefangen zu regnen. Nicht sehr stark, aber trotzdem hatte ich mir die Kapuze meiner Jacke aufsetzten müssen und eilte nun den Gehweg entlang, in der Hoffnung, dass meine Eltern noch nicht zu Hause waren.

Sobald der Briefkasten in meinem Blickfeld erschien, verschmälerten sich meine Schritte um noch einen Grad und als ich an dem Aluminiumgehäuse ankam, kramte ich in meiner Tasche nach dem Schlüsselbund, an dem sich alle Schlüssel, die zum Grundstück und Haus meiner Eltern gehörten, befanden. Doch als ich endlich den passenden gefunden hatte und hektisch den Kasten öffnen wollte, musste ich entsetzt feststellen, dass er leer war.

„Suchst du das hier?" Ich fuhr herum und sah meine Mum im Türrahmen stehen und mit einer Zeitschrift herrumwedeln. Die Zeitschrift.

Mit erschrockener Miene sah ich das Papier in ihren Händen an und dann in ihr anklagendes und gleichzeitig fragendes Gesicht. Ich schluckte einmal kurz und straffte meine Schultern, ehe ich mich an einem Lächeln versuchte, um meine Unsicherheit zu überspielen. Ich war zu langsam gewesen und nun wussten meine Eltern aus der Zeitung über mich und Louis Bescheid. Scheiße.

„Hey Mum!", begrüßte ich sie euphorisch und überbrückte die letzten Meter, um sie kurz zu umarmen und einen Kuss auf die Wange zu drücken. Zu meinem Missfallen, veränderte sich ihr Gesichtsausruck jedoch nicht, sondern wurde fordernder.

„Eleanor Jane Calder. Kannst du mir mal verraten, was du in der Zeit getrieben hast, während wir nicht im Land waren?!"

„Jetzt lass sie doch erst mal reinkommen, Patricia. Sie wird ja ganz nass" Eine große Hand legte sich auf die schmale Schulter meiner Mutter, die einmal schnaubte und dann einen Schritt zur Seite trat, sodass ich auch noch meinen Dad in die Arme schließen konnte.

„Hallo, Maus", murmelte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, was ich vorsichtig schmunzelnd kommentierte, denn zu einem richtigen Lächeln war ich im Moment nicht in der Stimmung. Dafür spürte ich die drängenden Blicke meiner Mutter zu sehr im Rücken.

„Wohnzimmer. Jetzt" Ich zuckte kaum merklich bei dem Tonfall von Mums Worten zusammen. Okay, sie war wirklich sehr wütend. Dad tätschelte mir einmal kurz die Schulter und schob mich dann in die Richtung in die der ausgestreckte Arm meiner Mutter zeigte.

Mit hängendem Kopf ließ ich mich in das Sofa fallen, Mum und Dad setzten sich mir gegenüber auf die Couch. Mir war etwas mulmig zumute, denn diese Szene erinnerte mich daran, wie ich meinen Eltern beigebracht hatte, dass ich ausziehen wollte. Mum hatte mich genauso misstrauisch und skeptisch angesehen, wohingegen mein Dad eher gespannt und neugierig wirkte. So war das schon immer gewesen.

Meine Mum war eine typische Businessfrau. Sie blieb realistisch, wog immer das für und wider ab und hatte immer eine Lösung parat. In ihrem Job als Immobilienmaklerin ging sie voll auf und sie war wirklich stolz auf mich, als ich ihr von meinen Plänen Politik und Soziologie zu studieren erzählt hatte.

Dad war da schon anders. Ihm ging nichts über seine Familie. Meistens stürzte er sich unüberlegt in ein Abenteuer und dachte nicht viel über die Auswirkungen nach. Auch war er kein Mensch, der sich Vorurteile bildete. Er hörte lieber erst mal zu und anschließend konnte man mit ihm alles genau ausdiskutieren. Man merkte eindeutig, dass er der Sohn von Grams war.

Es war erstaunlich, wie passend der Spruch „Gegensätze ziehen sich an" auf meine Eltern zutraf. Ich denke Dad half meine Mum öfters dabei Dinge etwas lockerer anzugehen, wohingegen sie etwas Ordnung in sein dauerherrschendes Chaos brachte.

„Also?" Mum brachte mich dazu wieder an das eigentliche Problem zu denken und schulbewusst starrte ich die Zeitung, die auf dem Couchtisch lag, an. Das Bild von mir und Louis war in der unteren Ecke des Titelbildes zu sehen, daneben eine Schlagzeige und die Seitenzahl.

„Eleanor, stimmt es, was in der Zeitung steht?", fragte mein Dad vorsichtig, als ich nicht sofort antwortete. Was stand denn in der Zeitung? Dass Louis und ich ein Paar sind. Nein, das definitiv nicht. Das Louis und das fremde Mädchen möglicherweise Gefühle füreinander hegten. Ja...ja, das könnte zutreffen.

„Ähm", murmelte ich und setzte mich etwas aufrechter hin. Ich verschränkte die Finger in meinem Schoß und überlegte, wie ich das jetzt am besten erklären sollte. Auch wenn man es definitiv nicht vergleichen konnte, meinte ich zu wissen, wie Louis sich gefühlte hatte, bevor er sich in seinem Interview zu uns geäußert hatte. Zu uns.

„Am besten von vorn. Louis kam eines Abends ins Café und wir sind ins Gespräch gekommen. Er hat mich nach meiner Nummer gefragt, die ich ihm nach ein wenig zögern gegeben habe. Wir haben dann ein wenig geschrieben und uns auch getroffen. Beim letzten Mal ist es halt zu den Fotos gekommen. Naja, ist nun mal so, wenn man berühmt ist. Ich denke wir hätten vorsichtiger sein sollen", erklärte ich alles in Kurzfassung und seufzte leise.

Mein Dad räusperte sich und fuhr sich dann einmal durch die kurzen, dunkelbraunen Haare. Mums Augen hatten sich ein wenig verengt und waren auf die Zeitschrift gerichtet.

„Was ist das zwischen euch?", fragte sie dann und sah mich forschend an, was mich erneut zum Seufzen brachte. Ich lehnte mich in dem Sessel zurück.

„Wenn ich das nur wüsste. Ich meine, Louis ist wirklich toll und ich kann nicht glauben, wie gut ich mich mit ihm verstehe und irgendwie mag ich ihn auch wirklich sehr", brummte ich vor mich hin und fang wieder nervös an mit meinen Fingern zu spielen. Das war doch eigentlich zum Lachen, dass ich mich hier wegen meinen Gefühlen äußern musste.

„Und wie sieht er das?", fragte Dad und ich zuckte mit den Schultern, bevor ich auf meine Finger sah, die einander umschlangen, dann wieder freigaben und anschließend wieder verschränkt wurden.

„Keine Ahnung, kann ich in Louis' Kopf gucken?"

„Und wenn er dich nur ausnutzt?" Ungläubig sah ich meine Mutter an, die wirklich diese Vermutung aufgestellt hatte. Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein kurzes Kichern über die Lippen kam, ehe ich belustigt den Kopf schüttelte.

„Er soll mich ausnutzen? Mum, ich glaube du bist die einzige, die diese Theorie aufstellt, wenn man diese Bilder sieht. Ich denke eher, dass die ganze Welt denkt, dass ich es bei ihm tue, wegen seinem Erfolg, was aber wirklich überhaupt nicht der Fall ist. Louis ist ein ganz normaler Mensch, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und damit einfach nur sehr erfolgreich ist." Mittlerweile hatte sich meine Belustigung in einen leichten Zorn gewandelt, denn meine Mutter sah immer noch nicht danach aus, dass sie das Thema jetzt endlich sein lassen würde. Oder mir wenigstens glaubte.

„Ich will nicht, dass du durch One Reflection so der Öffentlichkeit ausgesetzt wirst! Es wäre einfach nicht gut für dich"

„One Direction, nicht Reflection."

Erstaunt sah ich zu meinem Vater, der Mum berichtigt hatte, bevor ich überhaupt den Mund öffnen konnte, um dies zu tun beziehungsweise mich über ihre Aussage zu beschweren. Es wäre nicht gut für mich? Warum wäre es nicht gut für mich, wenn ich endlich mal jemanden gefunden hatte, den ich wirklich sehr mochte. Diese paar Presseartikel waren jetzt wirklich kein Problem dabei.

„Ich werde ganz sicher nicht den Kontakt zu Louis abbrechen!", beschwerte ich mich entrüstet und meine Mutter setzte an, um erneut etwas zu sagen, aber mein Vater hob die Hand und begann dann selbst zu sprechen.

„Das wollen wir doch auch gar nicht. Elli, sei einfach nur vorsichtig, okay?" Langsam nickte ich meinem Vater zu und erhob mich dann aus dem Sessel. Meine Mutter hatte ihren Blick abgewandt und starrte wieder die Zeitschrift an, Dad stand ebenfalls auf und schloss mich kurz in seine Arme.

„Sie kriegt sich wieder ein", flüsterte er mir ganz leise ins Ohr und ich nickte, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. Wirklich daran glauben konnte ich jedoch nicht.


***


   Abends hatte ich es mir auf meine Couch gemütlich gemacht. Es war schon ziemlich spät, aber mich störte es nicht weiter. Da wir nächste Woche unsere Semesterabschlussarbeit schreiben mussten und ich ziemlich sicher in diesem Thema war, machte ich mir nicht allzu große Sorgen wegen Lernen. Und dank  dieser Arbeit fiel außerdem der Unterricht aus.


   Nach dem Gespräch mit meinen Eltern war ich relativ schnell gegangen. Ich war nicht zum Essen geblieben, hatte ihnen einfach meine Einkäufe überreicht und hatte dann mit den Worten, ich müsse noch was erledigen, das Haus verlassen. Ich hatte aber nichts zu erledigen. Stattdessen saß ich nun schon seit Stunden in meiner Wohnung, las zwischendurch in meinem Politikbuch, surfte ein wenig im Internet und vertrieb mir anderwärtig die Zeit, aber eigentlich machte ich mir die ganze Zeit Gedanken darüber, wie es Louis ging und ob er an mich dachte. Tatsächlich fiel mir erst jetzt ein, dass Louis noch auf eine Antwort von mir wartete, weswegen ich nach meinem Handy griff. Sehr zu meiner Überraschung schrieb er dann sogar sofort zurück.


Hey Louis,
das Haus steht noch, keine Sorge.
Meine Eltern haben einen Artikel über uns gelesen und ich musste wohl oder übel etwas über uns erzählen...
xx Eleanor



Und jetzt wollen sie, dass du den Kontakt zu mir abbrichst und nie wieder was mit One Direction zu tun hast? :D
xx Lou



Mach dich nicht lustig, Lou!
Nein, sie wollen nur, dass ich vorsichtig bin...



Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, während ich mein Handy anstarrte und anschließend leicht zusammenzuckte als es erneut zu vibrieren begann.


Ich lass nicht zu, dass dir was passiert, denn ich beschützte immer diejenigen, die mir wichtig sind!
Und um das zu beweisen, solltest du jetzt schlafen gehen, denn dann beschütze ich dich vor fiesen Augenringen. ;)
Träum was Schönes und erinnere dich immer daran: Meine Gedanken sind bei dir.
xx Louis


The Peppermint Tea AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt