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Den ganzen Tag grübele ich schon, was hinter diesen Worten steckt. Irgendeine Nachricht muss doch hinter diesen Worten existieren. Niemand sonst würde so ein Buch mit einem langweiligen Cover in eine Bücherei stellen. Aber vielleicht ist es ja gar nicht das, was man sieht? Ich seufze genervt und bemerke, wie mich Lisa anstarrt.

Immerhin beschreibt sich dieser merkwürdige Autor ja auch damit, dass er nicht das ist, was er ist und das hinter dem, was man sieht, viel mehr steckt. Fragen kreisen in meinem Kopf Runden und wenn ich nicht noch Kopfschmerzen kriege, würde ich jetzt lachen. Ich habe nichts über den Besitzer dieses Buches herausgefunden und habe nach der ersten Seite aufgehört. Überwältigt von meinen Gefühlen habe ich es auf mein Bett geschmissen, weit weg von mir, und bin dann aufgestanden. Ich fühle mich verarscht, denn ich kann es dem Besitzer nicht zurückgeben. Was bringt einem so ein Buch bitte?

,,Hey!", schnipst Clara beim Essen vor mir herum. ,,Bist du noch anwesend, Claire?"

,,Fick dich und fummel mit deinen Händen bei Tony rum", schlage ich genervt ihre Hände weg und verziehe mein Gesicht. Das ist einfach nur widerlich, denn sie hat sicher Bakterien von Tony an den Händen.

,,Wenigstens bist du nicht auf den Mund gefallen", lacht Lisa dann und ich grinse.

,,Was beschäftigt dich denn bitte, liebste Claire?", klimpert Clara mit ihren schwarzen Wimpern, die sie immer mit Wimperntusche offensichtlich macht.

,,Nicht wirklich viel, liebste Clara", grinse ich süffisant, bevor ich mich meinem Toast zuwende. Tony, neben Clara, verdreht nur seine Augen und plaudert weiter mit seinen Freunden. Lisa und ich sitzen auf dem Boden und hören mit Kopfhörern Musik, da Clara uns zu diesen beliebten Idioten geschleppt hat. Irgendwie werde ich die Wörter in meinem Kopf nicht los.

Mr. Wood bleibt ein Arschloch, da er mich dreimal im Unterricht ermahnt hat. Allerdings musste ich die ganze Zeit nachdenken und irgendwie entschlüsseln, wem dieses Buch gehört. Es kann sowohl ein Mädchen als auch ein Junge sein, denn da wird keine Angabe von dem Alter, Wohnort oder Geschlecht gemacht. Viele würden dieses Ding einfach wegwerfen oder wieder in die Bibliothek bringen, doch irgendwas fesselt mich an dieses Buch. Es ist interessanter als die staubigen Bücher in der Bibliothek und das sagt schon viel aus.

,,Kommst du jetzt, Claire? Wir müssen zu Chemie!"

Ich habe nicht bemerkt, dass Lisa lachend aufstand und schließlich lief ich ihr lustlos hinterher.

,,Was ist denn mit ihr los?", höre ich die Idioten von Tony flüstern.

,,Sie ist ruhiger geworden. Was juckt uns das schon?", bemerkt ein weiterer von Tonys beliebten Freunden.

,,Claire!", schreit mir Lisa plötzlich ins Ohr und erschrocken starrte ich sie an.

,,Halt die Fresse!"

,,Sind wir heute Nacht wieder unterwegs?"

,,Ja", murre ich genervt und setze mich in Chemie neben sie. Ich sollte echt weniger über diese Wörter nachdenken, fällt mir auf und schließlich bekomme ich mit, dass Lisa Tony und seine Freunde heute Nacht einlädt.

,,Was macht ihr bitte mitten in der Nacht?", fragt Riley, einer von Tonys engsten Freunden und genervt verdreht Lisa die Augen. Mrs. Svenson, eine Österreicherin, kam jeden Tag zu spät zum Unterricht, da sie ständig mit irgendeinem Schüler sprach oder sich Kaffee holte.

,,Wir werden nach draußen gehen", beantworte ich seine Frage und zwicke Lisa in die Seite. Finja und Clara haben jetzt Englisch bei einem alten Lehrer, der bald in Rente geht.

,,Jedenfalls treffen wir uns an Mitternacht hier vor der Schule. Claire wird vermutlich wieder zu spät kommen", erklärt sie Riley und wirft mir einen wütenden Blick zu. Allgemein verläuft der Unterricht dann eher langweilig, denn an den meisten Tagen ist es alltäglich. Heute am frühen Morgen war meine Mutter bereits auf der Arbeit und mein Vater sicherlich auch. Meine Eltern leben getrennt und Moms neuer Freund James ist ganz in Ordnung. Dad hat eine Autowerkstatt und unser Leben könnte nicht normaler sein.

,,Claire? Hallo?! Was ist los?", schnipst Lisa dann irgendwann vor meinem Gesicht herum und ich seufze.

,,Hä?", sehe ich in ihre neugierigen braunen Augen. Sie schläft zwar nicht wie Clara mit jedem Kerl, aber dafür ist sie ziemlich hyperaktiv und neugierig.

,,Bist du etwa verknallt oder warum bist du so in Gedanken?"

Sie grinst mich süffisant an und ich schüttele angewidert den Kopf. Ich hatte nur einen Freund gehabt, bis er mich betrog und wir unsere Rache genommen haben. Er hat mich ausgelacht, als ich weinend vor seiner Haustür stand und schließlich habe ich gegrinst und bin zur Seite gegangen. Clara hat ihm in seine Eier getreten und dann hat Finja seinen Eltern gesagt, was passiert war. Es war einfach so verdammt witzig und an diesen Idioten habe ich meine Unschuld verloren.

,,Ich bin nicht verknallt, god damn."

,,Oh", seufzt Lisa und fängt plötzlich an zu lachen. ,,Da ist Clara ja eher schwanger von Tony."

Allein schon diese Interpretation in meinem Kopf lässt mich auch lachen. Clara bleibt einfach unsere Blondine. Als wir schließlich keinen Unterricht mehr haben, verabschieden wir uns mit einem simplen Wort und gehen unserer Wege. Wenigstens hatte ich nicht wirklich viele Hausaufgaben auf und so kam es schließlich, dass ich nervös in meinem Zimmer sitze und mich frage, ob ich wirklich den nächsten Eintrag lesen soll. Immerhin gehört dieses Buch ja jemandem und mir fallen einfach keine weiteren Argumente ein um es nicht zu lesen.

Genervt stehe ich auf und esse noch mit meiner Mutter und ihrem Freund zusammen, bevor ich mich mit meinem Handy von der Entscheidung ablenke. Was meine verrückten Freunde und ich vorhaben ist immer ein kleines Rätsel und ich lächele über diese Geheimniskrämerei. In einer Gruppe auf WhatsApp versuchen Tonys dämliche Freunde nämlich herauszufinden was wir heute um Mitternacht tun und Lisa tut natürlich total mysteriös und auch Finja spielt mit.

Clara hingegen, so dumm wie sie auch ist, schickt nur lachende Smileys und so anzügliche Mondgesichter. Irgendwann um einundzwanzig Uhr mache ich mich schließlich fertig und ziehe mir schwarze Klamotten an, da es einfach cooler ist. Gegen zweiundzwanzig Uhr krame ich dann dieses schwarze Buch heraus und lasse es von einer Hand zur anderen wandern. Ich überlege die ganze Zeit ob ich das nächste Kapitel lesen soll und klappe es dann auch auf.

Egal wie verstörend und merkwürdig es wird, ich schwöre mir, dass ich es lese und weiß bereits jetzt, dass ich wieder zu spät zu einem unserer Treffen komme, aber niemand hat geahnt, dass diese geschriebenen Wörter sich in meinem Kopf festsetzen und mich in gewisser Weise interessieren. Auf ein weiteres Kapitel dieses mysteriösen, merkwürdigen, interessanten, inspirierenden und zugleich doch tollen Buches, dass nicht mal eins ist.


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