Zwei Begegnungen die dein Leben verändern

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Sie sah auf und erblickte am Waldsaum einen herrlichen Hirsch. Sie sah ihm direkt in die Augen. Saschà der sie vom weitem beobachtete, bemerkte wie ihr Blick abwesend wurde.  Er blickte sich um doch sah er nichts. Was konnte sie so faszinieren? In den letzten Wochen hatte sie ihr Verhalten grundlegend verändert. Etwas musste passiert sein, doch was es war konnte er sich nicht erklären .

Sie hatte mit einmal das Gefühl die Welt mit anderen Augen zu sehen, ihr wurde bewusst so sehr sie auch dagegen ankämpfte, sie würde es nicht schaffen. Sie würde es nicht überstehen, also stand ihr das Ende bevor. Sie wurde also wieder hintergangen, wieder belogen und betrogen. Aber was wunderte sie sich auch. Sie könnte nicht erwarten das die anderen sie verstehen würden, geschweige denn den Grund erkennen können warum sie sich verändert hat. Wieder blickte sie auf und erschrak. Nunn stand er direkt vor ihr. In all seiner Pracht, mit seinem herrlich glänzenden Fell und seinem großem Geweih. Er wirkte so bedrohlich aber auch alt. In seinen Augen lag ein Blick den sie nicht einordnen konnte. Er senkte sein Haupt und berührte mit seinen Lippen ihre Stirn. Dann schaute er ihr in die Augen und sie sah Mitleid. Der Herr der Wälder und Seen hatte Mitleid mit ihr? Warum? "Soll ich dich von deinem elend erlösen?" , kam es aus seinem Mund. Sie war im ersten Moment verdutzt , doch dann schüttelte sie den Kopf und sagte nein. Er drehte leicht seinen Kopf nach links. Nein wiederholte sie. Sie schöpfte Kraft aus ihren Inneren und sprach endlich ihre Gedanken aus.

"Es ist die Strafe für die Verbrechen die ich begangen habe ohne über deren Folgen  nach zu denken. Die Konsequenz  dafür dass ich Menschen getötet habe, weil man es mir aufgetragen hat. Ich Spaß daran hatte mir selbst zu beweisen das ich besser wie alle darin bin. Nie hat irgendwer erfahren wer all diese Menschen zur um gebracht hat. All die Wut und den Hass den mir die Menschen entgegen brachten machte mich nur stärker und mutiger. Ich ging bis zum Äußersten und genoss es nach dem ich meine Aufträge erfüllt hatte meinen Körper zu spüren, wie er danach verlangte eine Pause endlich einzulegen. Aber etwas in mir trieb mich immer weiter an, ließ mich immer weiten machen, irgendwann spürte ich meine Körper nicht mehr. Mein Bruder war der einzige der mir wirklich am Herzen lag. Er war der einzige der mich so akzeptierte wie ich bin. Doch auch er konnte irgendwann nicht länger damit leben. Sein Gewissen quälte ihn zu sehr. Zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits, dass er sich gegen mich wenden würde. " Sie schloss ihre Augen und senkte ihr Haupt noch mehr. Denn mit den Gedanken kamen auch die Erinnerungen und so sprach sie weiter.

"Mein letzter Auftrag den ich erfüllen sollte, sollte schwere Folgen für mich haben. Als ich das Haus ausfindig gemacht hatte erkannte ich, dass es ein Kinderheim war. Ich wartete bis es dunkel wurde und schlich mich aufs Dach. Dort saß ein kleines Mädchen. Es schaute mich mit großen Augen an und ich erschrak. Dieses Kind kannte ich! Es war in dem Haus wo ich zuletzt war. Wie im Affekt zog ich das Messer und hielt ihr es an den Hals. Sie fragte mich ob ich ein Todesengel sei. Ob ich das Recht habe zu entscheiden den Menschen den Tod zu bringen, ob ich das Recht hatte ihren Bruder zu töten, den einzigen Menschen den sie noch hatte.

Ich sah sie an. In ihren Augen lag Hass und Traurigkeit. Aber auch Mitleid. Ich wusste nicht warum aber ich bekam angst. Ich, die schon so viele Menschen getötet hatte, bekam Angst vor einem kleinem Mädchen. Dieses Mitleid ging  mir gegen den Strich, ich brauchte  kein Mitleid, ich war stark, stark durch den Hass und die Wut die mir die Menschen entgegen brachten. Doch dieses kleine Kind hasste mich nicht, es hatte Mitleid, Mitleid! Wie sie so dastand im Mondlicht, Mutterseelen allein. Ich war diejenige die ihr alles genommen hatte. Nun war sie genauso allein wie ich. Niemand der für sie da war, niemand der ihr sagte das er sie liebte, das sie artig sei und ihr über den Kopf streicheln würde." Kurz stockte sie, denn das was jetzt kam rüttelte immer noch an mir.

"Ich sank auf den Boden, war erschüttert. Ich zweifelte an mir selbst, und dann. Dann spürte ich ihre Hand auf meinen Kopf. Ich sah auf und blickte in ihre Augen. Ich weiß bis heute nicht warum aber ab dem Zeitpunkt war mir klar, dass es vorbei war. Das ich keine Kraft mehr haben würde. Das ich mich selbst belogen und betrogen habe. Denn in Wirklichkeit wollte ich nur geliebt werden. Wollte nur, dass mich jemand in den Arm nimmt. Ich nahm die Hand des kleines Mädchens und drückte ihr eine kleine Flasche in die Hand. Ich sah ihr in die Augen. Ich werde nie wieder einem Menschen töten. Ich nahm sie im Arm und ging mit ihr zum Grab ihres Bruders. Ich Grub tatsächlich bis ich auf den Deckel des Sarges  stoß. Nun legte ich diesen frei und dann brach ich ihn auf. Was ich hier tat war mein eignes Todesurteil. Ich nahm den jungen Mann in meine Arme und brachte ihn aus dem Grab. Legte ihn nieder, horchte ob sein Herz noch schlug. Was machst du da und warum tust du das, fragte mich die kleine." Wieder stockte sie und holte tief Luft.

"Ich schaute ihr in die Augen. Das einzig wichtige ist das du deinen Bruder wieder haben kannst. Es dir zu erklären wäre zu grausam. Gib ihm den Inhalt der Flasche  und bleibe bei ihm.  Ich drehte mich um und sah den Mond. Ich ging ohne mich noch einmal umzudrehen davon. Danach lebte ich das Leben einer normalen Frau. Es vergingen Wochen und es geschah nichts.  Also hatte mein Auftraggeber damit gerechnet. Ab und an besuchte ich die Kleine Nachts, doch nie bekam sie es mit. So ein kleines Mädchen hatte mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an dieses Leben. Aber ich wurde nie ganz von den anderen akzeptiert. "

Eine Zeit lang schwieg sie. Hob dann langsam ihren Blick und sagte. "Und nun bin ich hier. Eine Mörderin die ihren Schneid verloren hatte, die ihr Schicksal einfach so hin nimmt und sich gegen nichts mehr wehrt. Ich hatte Vertrauen geschenkt und wurde doch wieder hintergangen. Ich konnte die Schuld in den Augen meines Bruders sehen, doch weiterhin tat er so als ob nichts wäre. "Ich wandte mein Blick von ihm ab und senkte mein Kopf.

Abermals berührte er ihre Stirn. Doch sie blickte nicht auf. Erst als es klimperte schaute sie auf, er hielt eine Halskette im Maul und ließ sie in ihren Schoß fallen.  Seine letzten  Worte bevor er sich umdrehte waren, das sie mit ihrer Schuld leben solle. Denn diese Welt bestehe nicht nur aus Gut und Böse, nicht nur aus Schwarz und Weiß. Bevor neues Leben entstehen kann muss anderes erst vergehen.

Saschá beobachte sie weiterhin. Es sah aus als ob sie mit sich selbst reden würde, er sah wie ihre Lippen sich bewegten, wie sich ihre Mimik und ihre Haltung veränderten. Zuerst sah sie erschrocken aus, dann sah er wie sich Trauer, Enttäuschung und Verzweiflung in ihrem Gesicht abspielten. Sie blickte kurz in seine Richtung und senkte danach ihren Kopf. Er konnte nicht länger ihr Gesicht sehen. Nach einiger Zeit hob sie ihren Kopf wieder und kurz darauf hörte man das Röhren eines Hirsches. Erschrocken wandte ich mein Blick zum Waldrand und sah einen riesigen und stattlichen Hirsch. Aus den Augenwinkel sah ich wie meine Schwester sich erhob und sich vor dem Hirsch verneigte. Als sie sich schließlich mir zuwandte, sah ich das ihr Tränen über die Wangen liefen. Ich fragte sie warum sie weinte. Doch als Antwort bekam ich nur ein Kopfschütteln und sie ging an mir vorbei. Von da an sprach sie kein Wort mehr mit mir. Sie sprach mit niemanden mehr. Egal wie oft ich sie konfrontierte, egal wie sehr ich bettelte oder sie bedrohte, nichts passierte. Sie war immer öfter im Dorf, half den Leuten und sprach viel mit den Alten. Ich wusste das die Zeit knapp wurde, viel Zeit würde sie nicht mehr haben. Doch hatte sie sich vor mir und allen anderen verschlossen. Nur mit den alten Leuten sprach sie. Doch auch bei denen stoß ich auf Granit. Sie sagten mir nicht worüber sie sprachen. Eine der alten Frauen lachte über meine Verbissenheit und faselte etwas von Engstirnigkeit und von einem falschen Gott.

Kurz darauf verschwand sie für einige Tage komplett, ohne Erklärung. Egal wie sehr wie suchten wir konnten sie nicht finden und dann war sie einfach wieder da. Wieder keine Erklärungen, nichts außer einem Kopfschütteln. Ich konnte es nicht länger ertragen, ich ging zu ihr und erzählte ihr was ich getan hatte. Ich erzählte ihr von meinem schlechten Gewissen und meinem Verrat. Doch selbst danach sprach sie noch nicht mit mir. Sie drückte mir nur ein Buch in die Hand und tätschelte meinen Kopf. Ich kam mir vor wie ein kleines Kind. Ich durchblätterte das Buch, doch dort darin waren nur Abbildungen von mystischen Wesen und Beschreibungen dazu.

Einige Tage später verschwand sie wieder. Diesmal machte ich mir keine Sorgen, denn morgen würde die Inquisition kommen. Es war besser so. Abermals durchstöberte ich das Buch, was sollte daran so wichtig sein, was sollte es mir sagen. Mehr aus Frust begann ich die Beschreibungen zu lesen und mir die Bilder genauer anzuschauen. Nach einiger Zeit fielen mir die Worte der alte Frau wieder ein. Sie sprach von einem falschen Gott. War unser Glaube an einen Gott falsch? Wenn ich so die Beschreibungen las, schien es mir als ob es für viele Dinge Götter gab. Einen für die Ernte, einen für Krieg, eine für Weisheit, eine für die Geburt und schließlich einen für den Wald. Hier wurde ich stutzig. Die Zeichnung sah aus wie der Hirsch den ich gesehen hatte. In der Beschreibung fand ich alle Antworten. Mir wurde klar das manchmal nicht alles nur schwarz weiß ist, nicht nur falsch und richtig.

Ihr Verlust ihres Liebsten war der Anfang ihres Endes. Mein Verrat nur ein weiterer Teil ihres Weges, der vorgezeichnet war. Alles war ihr vorherbestimmt.

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