Mein Schatten

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In letzter Zeit habe ich immer mehr gemerkt, wie einsam ich mich fühle. Trotz der vielen Menschen die mich umgeben, habe ich das Gefühl das ich nicht dazu gehöre. Meine Freunde meinen das sei normal, jeder würde so eine Phase durchlaufen. Man müsste sich selbst finden. Doch ich fühle mich schon so seit meinen achten Lebensjahr. Ich hab mir sooft jemanden gewünscht der mich versteht, jemanden der einfach da ist, der mir zuhört zu den unmöglichsten Zeiten. Jemand der mich auffängt, wo ich noch nicht einmal selbst weis das ich am Fallen bin.

Als Kind und selbst noch aus Jugendlicher konnte ich mir einen solchen Freund einfach dazu denken. Es hat mich über viele schwierige Episoden gebracht. Doch nun bin ich an einem Punkt angelangt, wo das nicht länger funktioniert. Ich brauche jemanden reales, jemanden zum Anfassen. Doch egal wie sehr ich mich auch umschaute, nie war jemand so ... einfach so... ach ich weiß nicht. Ich kann es nicht in Worte fassen.


Als es ziemlich kurz davor war das mir alles auf die Füße fiel, nahm ich mir kurzerhand Urlaub und flog nach Schottland. Ich war schon einige male hier. Trotz dessen das ich eine geborene Deutsche bin, fühlte ich mich hier immer zuhause. Ich hatte das Gefühl das mich das Land, die Natur und selbst die Tiere mit offen Armen und einem Lächeln empfangen. Selbst die Menschen waren mir hier viel näher. Wieder fuhr ich mit dem Bus ins abgelegene Land und stieg mitten im nirgendwo aus. Ich wusste das ich noch mindestens eine Stunde Fußmarsch vor mir hatte bis ich das kleine Dorf und die Burg Kembrick erreichen würde. Hier lebten die Menschen so abgeschieden, das man das Gefühl hatte eine Reise in die Zeit zurück zu machen. Man stellte abends noch ein Schälchen Milch und Kekse raus. Entweder sollte es das Kleine Volk einladen oder aber es besänftigen. Ich genoss die Wanderung und sog die Natur in mir auf. Ich fühlte mich immer wohler. Als dann das Dorf in Sichtweite kam wurde ich aufgeregt. Würden die Leute mich wieder erkennen? Würde ich wieder ein Schlafplatz bekommen? Ich freute mich auf die Menschen in der Burg und auf die Tiere. Auf den Feldern konnte man niemanden erkennen, doch als ich ins Dorf kam, wurde ich zuerst misstrauisch beäugt, doch schließlich kam Miss Fraser auf mich zu gewackelt und umarmte mich freudig. "Dear, you got thinner every time we see you. Do you eat properly? Where do you want to sleep?"

Ich lächelte und freute mich über die herzliche Begrüßung. "Miss Fraser it's a pleasure to see you again. Too much work back in Germany. I came to Kembrick hoping to be allowed to sleep at your place." Sie freute sich und nachdem ich einige andere begrüßt hatte, gingen wir zu ihren Haus. Es war ein schönes Cottage mit Hof und Stallgebäude. Es liefen wie immer Gänse, Hühner, Schafe und eine Kuh frei herum. Wir gingen ins Haus und ich gings in Gästezimmer und packte meine Sachen aus. Als ich in die Küche kam, war ihr Mann Mr. Fraser da. Er war ein ziemlicher stoischer und verbohrter Kerl, doch mit der Zeit hatte ich ihn ins Herz geschlossen. Er liebte seine Frau, sein Hof und seine Arbeit. Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn freudig. Er versteifte sich zuerst doch klopfte mir dann auf die Schulter, brummte etwas und ich ließ ihn los. Er war kein Mann großer Gefühlsausbrüche. Ich erzählte etwas aus Deutschland und nach dem Abendbrot ging hinaus und genoss die Abendluft, sah nach den Tieren und setzte mich schließlich unter die große Eiche auf der Wiese. Ich schloss die Augen und ließ mich gehen. Ich spürte das Gras unter meinen Händen, die Rinde im Rücken, den Boden auf dem ich saß. Spürte den Wind, hörte die Tiere und lauschte auf das Rascheln der Blätter und Grashalme. Hier und wirklich nur hier in diesem abgeschiedenen Ort, fern von Autos, Zügen, Flugzeugen, Traktoren, Fern von Lärm, Schmutz und moderner Zivilisation, konnte ich mich fallen lassen. Hier musste ich keine Fassade aufrecht erhalten, hier war ich frei. Frei zu fühlen, frei zu weinen und all meinem Elend nachzugeben.

Ich lauschte in mich hinein und wartete darauf das alles heraus kam. Doch während ich gespannt den Atem anhielt und in mich hinein lauschte, hörte man entfernt ein Heulen. Sofort setzte ich mich aufrecht hin und lauschte gespannt. Kurz darauf folgte ein weiteres Heulen, diesmal aber deutlich dichter. Wölfe, es waren tatsächlich Wölfe hier. Sofort war alles anderes vergessen, mein Elend wie weggeblasen. Ich war fasziniert von diesen Tieren. Ich stand noch eine ganze Weile und lauschte doch war nichts mehr zu hören. Irgendwann merkte ich das jemand neben mir stand. Es war Mr Fraser mit einer Laterne. Auch er starrte in die Richtung aus der das letzte Heulen zu hören war. "We better get home, this are no normal Wolves. In the Forest aren't any trails of them. We call them Ghostwolves. They don't kill our animals. The Lord has forbidden to hunt them. Also we don't go in the Forest at night anymore." Danach drehte er sich um und ging zurück. Langsam und über das nachdenkend was er gesagt hatte folgte ich ihm.

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