Woodkiss

By waterlily65

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Du hattest du schon immer mal den Traum, zwei Monate ganz alleine und ohne deine Eltern mit sieben anderen Ju... More

Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Kapitel 9.
Kapitel 10.
Kapitel 11.
Kapitel 12.
Kapitel 13.
Kapitel 14.
Kapitel 15.
Kapitel 16.
Kapitel 17.
Kapitel 18.
Kapitel 19.
Kapitel 20.
Kapitel 21.
Kapitel 22.
Kapitel 23.
Kapitel 24.
Kapitel 25.
Kapitel 26.
Kapitel 27.
Kapitel 28.
Kapitel 29.
Kapitel 30.
Kapitel 31.
Kapitel 32.
Kapitel 33.
Kapitel 34.
Kapitel 35.
Kapitel 36.
Kapitel 37.
Kapitel 38.
Kapitel 39.
Kapitel 40.
Kapitel 41.
Kapitel 42.
Kapitel 43.
Kapitel 44.
Kapitel 45.
Kapitel 46.
Kapitel 47.
Kapitel 48.
Kapitel 49.
Kapitel 50.
Kapitel 51.
Kapitel 52.
Kapitel 53.
Kapitel 54.
Kapitel 55.
Kapitel 56.
Kapitel 57.
Kapitel 58.
Kapitel 59.
Kapitel 60.
Kapitel 61.
Kapitel 62.
Kapitel 63.
Kapitel 64.
Kapitel 66.
Kapitel 67.
Kapitel 68.
Kapitel 69.
Kapitel 70.
Kapitel 71.
Kapitel 72.
Kapitel 73. (Jaydens Sicht)
Kapitel 74. (Lauras Sicht)
Kapitel 75. (Jaydens Sicht)
Kapitel 76. (Lauras Sicht)
Kapitel 77. (Jaydens Sicht)
Kapitel 78. (Lauras Sicht)
Kapitel 79.
Kapitel 80.
Kapitel 81.
Kapitel 82.
Kapitel 83.
Kapitel 84.
Kapitel 85.
Kapitel 86.
Kapitel 87. (Lauras Sicht)
Prolog
Nachwort

Kapitel 65.

59 7 0
By waterlily65

Ich bin überrascht, wie „gut“ Outdoor-Essen schmecken kann. Jayden hat Recht, es ist gar nicht mal so übel. Nachdem der erste im Magen gelandet ist, folgt kurz darauf schon der nächste. Es dauert nicht lange, und schon haben ich und Jayden den Haufen in seiner Hand aufgegessen. Wir machen uns sogar extra nochmal auf den Weg, um neue zu suchen. Die Würmer hinterlassen zwar einen ekelhaften Nachgeschmack auf der Zunge, doch den ignoriere ich. Wir haben Glück, dass es vor nicht allzu langer Zeit geregnet hat, und einige Regenwürmer noch an der Oberfläche sind.

„Jayden?“, frage ich, als wir gemeinsam im Boden herumstochern. Seit gestern weicht er nicht mehr von meiner Seite.

„Hm?“, macht er konzentriert. Ich richte mich auf und mein Rücken knackst laut.

Ich hole tief Luft. „Was denkst du über den Kuss gestern?“ Ich hatte Angst vor der Frage, und es hat mich einiges an Überwindung gekostet, sie zu stellen.

Jayden richtet sich ebenfalls auf und überlegt. „Ich weiß es nicht“, sagt er schließlich und enttäuscht mich irgendwie. Ich will den Mund öffnen, um etwas zu sagen, doch Jayden spricht weiter: „Du hast mir von diesem Liam erzählt... Er hat dich nach fünf Jahren Beziehung verlassen...“ Worauf will er hinaus? Er holt Luft, dann sagt er: „Magst du ihn noch?“ Er kommt einen kleinen Schritt näher, bleibt aber trotzdem weit von mir entfernt stehen.

Ich überlege kurz. So direkt habe noch nicht einmal ich selbst mir die Frage gestellt. Ich muss überlegen. Es ist schwierig, zu sagen, ob ich ihn noch mag, oder liebe. Er hat mich zutiefst verletzt. Und es wird deshalb auch nie wieder so sein wie früher. Und ich weiß auch nicht, ob wir jemals auch nur wieder befreundet sein könnten. „Ich weiß es nicht“, entscheide ich schließlich. Es ist wirklich unmöglich, herauszufinden, ob ich ihn jetzt noch mag. Ich erinnere mich an dieses tiefe Gefühl, das ich früher immer hatte, als wir uns gesehen haben. Das Gefühl, bei ihm sicher und geborgen zu sein. Aber seitdem er mich geschlagen hat, habe ich es nicht mehr gehabt. Doch jetzt taucht es plötzlich bei Jaydens Gegenwart auf. Das verwirrt mich leicht. Ich habe das kribbelnde, warme Gefühl, wenn ich an Liam dachte, auch nicht mehr. Wenn er in meinen Erinnerungen auftaucht, verbinde ich es immer mit Trauer und Schmerz. „Nein“, sage ich schließlich.

Jayden kommt noch ein wenig näher. „Ich mag dich, Laura“, gesteht er und mein Herz macht einen Hüpfer. „Schon von Anfang an.“ Er schweigt und schaut mir tief in die Augen. Und ich halte seinen Blick. Ich muss lächeln und er lächelt leicht zurück. Mir fällt zuerst gar nicht auf, dass er ein wenig nervös ist, denn ich bin so von seinen faszinierenden Augen abgelenkt. Erst als noch ein nervöses Lächeln seine Lippen umspielt, verstehe ich es. Er wartet darauf, dass ich auch etwas sage!

„Ich mag dich auch, Jayden.“ Ich möchte noch mehr sagen und öffne den Mund. Doch dann traue ich mich nicht und schließe ihn wieder. Jayden bemerkt das und spricht nicht weiter, solange ich nicht sage, was ich sagen wollte. Er spricht das zwar nicht aus, aber ich sehe es ihm praktisch an. „Du hast mir gezeigt, dass ich über Liam hinweg kommen muss und hast mir beigebracht, wieder zu lieben.“ Ich weiß, dass er meine Botschaft darin verstanden hat, denn er lächelt.

Er kommt näher und greift nach meinen Händen. Er spielt damit und uns beiden ist es egal, dass die gesammelten Regenwürmer auf den Boden fallen. Unsere Köpfe kommen sich näher, bis wir schließlich wieder in einem Kuss enden.

- - -

Erst nach einigen Minuten lösen wir uns wieder voneinander. Ich lächle ihn an und er lächelt glücklich zurück. Wir bücken uns beide gleichzeitig, um die Würmer aufzuheben und stoßen uns an den Köpfen an. Wir brechen beide in Lachen aus und es lässt mich ein wenig die letzten schrecklichen 24 Stunden vergessen.

Wir machen uns auf den Weg zurück zu den anderen und während wir laufen hält Jayden meine Hand fest mit seiner verschlungen. Das macht mich unglaublich glücklich.

Doch als ich sehe, dass Logan direkt zu uns hinüber starrt, als wir ankommen, dämpft es meine Freude ein wenig. Wahrscheinlich spürt er jetzt die gleiche brennende Eifersucht, die ich immer empfunden habe, als ich Liam früher, als wir beide noch jünger waren, mit anderen Mädchen herumalbern gesehen habe.

Jemand hat ein Lagerfeuer entfacht, was mich ein wenig erstaunt, da das Holz noch leicht feucht ist. Etwas abseits des Feuers entdecke ich eine Packung Streichhölzer, die glücklicherweise nicht durchnässt ist. Ich sehe wie Carter einen kleinen Stock nimmt, eine Wurm daran aufspießt und ihn über das Feuer hält, als wollte er ihn rösten. Kaum hat Carter seine Meinung über den gebratenen Regenwurm herausgelassen, hängen zehn andere Stöckchen mit Würmern über dem Feuer. „Das schmeckt nicht schlecht, Leute. Solltet ihr auch mal versuchen!“, sagt er an uns gerichtet. Wir suchen ebenfalls ein Stöckchen, an dem wir unsere Würmer aufspießen und braten. Irgendwie bekomme ich wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich den Wurm töte. Aber so ist das eben in der Wildnis. Jeder nimmt sich, was er braucht.

Und Carter hat Recht. Es schmeckt besser, als ihn roh zu essen. Und danach bin ich tatsächlich satt! Ich hätte nie gedacht, dass Regenwürmer so sättigen können. Und trotzdem ist es mir ein wenig schlecht, bei dem Gedanken, dass ich gerade Würmer gegessen habe! Früher hätte ich nie gedacht, dass ich das jemals tun würde!

Jackson tritt das Feuer aus und wir holen unsere Hängematten aus den Bäumen. Wir wollen uns wieder auf den Weg machen. Nach Timmins. Ich suche nach meiner Tasche und stopfe die Hängematte hinein. Jackson und sein Team haben sie über ihre Schulter gehängt. Irgendwie tun sie mir Leid, weil sie alle ihre Sachen in den Flößen hatten und nun alles weg ist. Das Einzige, was der Fluss nicht davongetragen hat, sind die Hängematten, die zwischen den Brettern eingeklemmt waren.

Jackson läuft an der Spitze unserer Gruppe und ist schon etwa fünfzig Meter vor mir. Jayden und ich sind die Letzten, die noch hier stehen. „Was denkst du?“, fragt er.

Ich drehe mich zu dem übrig gebliebenen Trümmerhaufen um, um zu sehen, ob wir nichts vergessen haben. Zuerst sehe ich nichts, doch dann entdecke ich hinter einem Brett etwas silbern schimmerndes. „Was ist das?“, frage ich und zeige darauf. Ich kneife die Augen zusammen, in der Hoffnung, den Gegenstand dadurch besser sehen zu können. Doch es hilft nichts. Gespannt gehe ich näher heran. Und bin überrascht, als ich die Metallbox mit der Videokamera darin sehe. Das habe ich total vergessen.

Ich überlege, ob ich mich einfach umdrehen und davongehen sollte, und bin kurz davor, es zu tun. Doch ich zögere. Vielleicht ist sie ja doch für etwas nützlich.

„Was ist das?“, fragt er. Ich erkläre es ihm kurz.

Inzwischen sind die anderen so weit entfernt, dass wir sie nicht mehr sehen können. „Wir sollten uns beeilen!“, sage ich. Jayden nickt und wir folgen der Spur, die ihre Schuhe hinterlassen haben. Aber der Regen von heute Nacht hat Matsch hinterlassen, was es uns erleichtert, ihnen zu folgen.

Wir müssen rennen, um sie einzuholen. Aber ich finde, es tut gut, die Beine wieder schnell bewegen zu können. Das habe ich die ganze Zeit vermisst, ohne es zu bemerken. Zu Hause war ich oft beim Joggen.

Es dauert nicht lange, bis wir sie eingeholt haben. Allerdings sind meine Schuhe danach noch dreckiger wie vorher. Das tiefe blau, das sie am Anfang hatten, ist nun nicht mehr zu erkennen. Alles ist von einer dichten Matschschicht überzogen.

- - -

Wir laufen Stunde um Stunde im dichten Wald, ohne etwas anderes zu sehen als Bäume, Matsch und Blätter. Nichts als Bäume! Irgendwann gebe ich es auf, auf meine Uhr zu schauen, weil es sowieso nichts bringt. Dadurch vergeht die Zeit auch nicht schneller. Wenn wenigstens die Sonne scheinen würde, wäre es vielleicht ein wenig erträglicher.

Aber sie lässt sich nicht einmal blicken.

Die ganze Wanderung über hallen tausend Fragen in meinem Kopf wider, bei denen ich immer versuche, sie zu ignorieren. Doch eine will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen: Nach dem Kuss gestern Mittag an dem Baum, haben wir das Geräusch des näher kommenden Hubschraubers gehört. Jayden hat sich verhalten, als hätte er so etwas in der Art erwartet. Hat er etwas geahnt?

Ich möchte ihn irgendwie nicht fragen, deshalb halte ich lieber meinen Mund und versuche krampfhaft, mich nicht von den Fragen umbringen zu lassen. Würde eine Antwort mir dabei das Leben retten?

Irgendwann, als ich es wirklich nicht mehr aushalte, hole ich tief Luft und frage ihn: „Jayden?“

„Hm?“, fragt er zurück. Er ist genauso in Gedanken versunken wie ich es war.

Ich erkläre es ihm und frage: „Hast du etwas geahnt?“

Ich sehe ihn gespannt von der Seite an und erkenne, wie er auf seiner Unterlippe herumkaut. Dann meint er langsam: „Ja... Ich habe etwas mitbekommen, als Daniel dachte er wäre allein. Er hat mit seinem Vater telefoniert und dabei irgendetwas mit 'Hubschrauber' und 'Flöße' gesagt. Ich habe nicht viel von dem Gespräch mitbekommen, aber gestern musste ich bei dem Geräusch sofort an Daniels Telefonat denken...“

Ich nicke und damit ist unser Gespräch beendet. Immerhin hat er sich beim Belauschen nicht von Daniel erwischen lassen.

- - -

Zum Mittag lassen wir uns auf einer Lichtung nieder, um etwas zu essen. Das stundenlange Wandern hat mich mehr erschöpft, als ich geglaubt habe. Müde sinke ich an einem Baumstamm zum Boden hinab. Jacksons Team sucht schon nach etwas Essbarem, doch wir Teilnehmer setzen uns zuerst erschöpft hin.

Der Mann, der heute Morgen die Regenwürmer vorgeschlagen hat, und sich Oliver nennt, meinte, wir sollten nach Maden suchen. Aber selbst Carter (der normalerweise alles isst) verließ dabei der Appetit.

Oliver und ein paar seiner Männer suchen munter im Unterholz nach Essen, während ich einfach nur dasitze und keinen Appetit auf Maden habe. Plötzlich fällt mir ein, dass ich noch Müsliriegel in meiner Tasche haben müsste. Nervös krame ich darin herum und hoffe, dass sie nicht verloren gegangen sind. Und tatsächlich – ich finde welche. Schnell reiße ich das Papier heraus und muss mich beherrschen, nicht gleich den ganzen Riegel in meinen Mund zu stopfen. Ich beiße die Hälfte ab und muss schon allein damit beim Kauen kämpfen.

Ich bemerke den sehnsüchtigen Blick von Jayden, der neben mir sitzt. Er hat nichts zu Essen und ich will ihn auch nicht bei den Oliver lassen. Also überlege ich nicht lange und reiche ihm die andere Hälfte.

Während wir so dasitzen, fällt der Blick von Max auf die Kiste mit der Videokamera neben mir. Er fragt mich, was das sei und ich erkläre es ihm. Danach scheint er einen Moment zu überlegen und sagt dann: „Wir könnten damit aufnehmen, was wir tun und was die Veranstalter eurer Tour uns angetan haben. Aber wir schicken es dann nicht zum Sender, sondern behalten es für uns und schneiden am Schluss einen Film zusammen, den wir an die Öffentlichkeit bringen.“ Ich finde es eine gute Idee. Eine Möglichkeit, der Firma Rache zu geben.

Jackson meint kritisch: „Und wie willst du es schaffen, dass so viele Leute unser Video ansehen, dass es wirkt?“

Für einen Augenblick ist es still, dann meldet sich Heather: „Ich habe eine Idee! Mein Bruder, Seth, studiert IT und arbeitet zudem noch als Nebenjob in der Firma. Vielleicht schafft er es, das Video beim Sender auszustrahlen?“

„Das ist gut!“, meint Max zufrieden.

Sie diskutieren noch eine Weile die Details, aber ich höre nicht mehr richtig zu. Irgendwann verstummen auch sie, bis Kim erneut anfängt zu meckern: „Ich habe Durst!“, stöhnt sie und tut, als würde sie gleich verdursten. Ich hasse es, wenn sie übertreibt.

„Dann geh doch zum Fluss! Da ist genug Wasser!“, blafft Heather zurück. Jeder weiß, dass sie Kim nicht besonders gern mag.

Und an der Weise, wie Kim antwortet, merkt man, dass diese Heather auch nicht gerade gernhat: „Da könnten aber Bakterien drin schwimmen, die mich krank machen könnten!“

Jayden, Heather und ich verdrehen gleichzeitig die Augen. „Und das hält dich davon ab, etwas zu trinken?! Du tust doch geradezu so, als würdest du verdursten!“

„Das ist nicht wahr!“, ruft Kim und springt auf. „Wenn du mich dann den Rest des Weges mit einer Vergiftung tragen willst – nur zu!“ Und damit macht sie auf dem Absatz kehrt, ohne auf Heathers Antwort zu warten und geht in Richtung Fluss.

An anderen Tagen hätten wir vielleicht über Kim gelacht, doch jetzt stöhnen wir nur auf. Man kann die Spannung in der Gruppe förmlich spüren.

Irgendwann bekomme ich ebenfalls Durst und folge Kim zum Ufer. Zum Glück ist das Wasser an dieser Stelle kristallklar und ich kann den Boden sehen. Ich tauche meine zu einer Schale geformten Hände ins Wasser. Sobald genügend hineingeflossen ist, hebe ich es zu meinem Mund an. Das eiskalte Wasser benetzt meine aufgesprungenen Lippen. Während ich trinke verschütte ich die Hälfte des Wassers auf mein Shirt, doch das ist mir egal. Ich habe die ganze Zeit über nicht bemerkt, wie durstig ich war. Jetzt tauche ich nur immer und immer wieder die Hände ins Wasser und schlucke es. Ich spüre dabei, wie ein kaltes Rinnsal meinen Rachen hinunterläuft.

Ich sitze eine gefühlte Ewigkeit am Fluss und trinke. Ich kann nicht genug bekommen. Obwohl das Wasser einen seltsamen Beigeschmack hat, der nach Sand und Erde schmeckt, höre ich nicht auf, es zu schlucken.

Nach meinem „Trink-Anfall“ bin ich genauso satt, als hätte ich etwas gegessen. Vielleicht liegt das auch an dem beigemischten Sand.

Ich gehe zurück zu unserer Gruppe, wo ich sehe, wie Oliver und ein paar andere Männer Maden oder andere Tiere in Blätter wickeln und danach in den Mund schieben. Mir wird schon allein vom Zusehen schlecht. An der Art, wie sie kauen, kann ich erkennen, dass es ihnen auch nicht gerade gut schmeckt. Ich würde das nie freiwillig machen.

Nach einer viel zu kurzen Pause beschließen wir, weiterzugehen. Meine Beine fühlen sich steif und unbeweglich an, doch ich bemühe mich, mir nichts anmerken zu lassen. Ich möchte nicht so sein wie Kim, die einen bei jedem kleinen „Aua“ die Ohren wund jammert. Denn das tut sie gerade schon wieder. Sie klagt darüber, dass ihre Füße wehtun und wenn wir jetzt nicht gleich anhalten, würde sie sich einfach auf einen Stein setzen und dort auf wie durch Zauberei auftauchende Hilfe warten.

„Ich gehe jetzt nicht mehr weiter!“, ruft sie und stampft mit dem Fuß auf dem Boden auf. Das erinnert mich irgendwie an meine kleine Schwester Lisa, wenn sie zu Hause manche Dinge nicht sofort bekommen hat. Ich muss mir ein Lachen verkneifen. „Wenn ihr jetzt nicht sofort anhaltet, werdet ihr ohne mich weitergehen!“ Niemand von uns nimmt ihre Drohung ernst. Einige lachen sogar. Kim heult auf. Versteht sie etwa nicht, dass sie sich gerade vollkommen lächerlich macht? Sie ist jetzt fünf Meter hinter uns. Ich erwarte, dass sie einfach stehen bleibt, wie sie es gesagt hat, doch kaum ignorieren wir sie wieder, folgt sie uns.

Für einen wundervollen Augenblick ist es still, doch dann fängt sie von Neuem an: „Ich kann nicht mehr! Wenn ich vor Erschöpfung umkippe, ist es eure Schuld!“ Wieder stampft sie mit dem Fuß auf. „Ich bleibe jetzt hier sitzen und wenn ihr nicht auch anhaltet, werde ich euch nicht folgen.“ Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so etwas denke, doch jetzt kann ich nicht anders: Ich hätte nichts dagegen, wenn sie einfach sitzen bleiben würde. Dann wären wir endlich sie und ihr dämliches Gejammer los. Inzwischen könnte ich sie dafür umbringen!

Sie bleibt stehen. Aber niemand von uns hört auf sie. Wir wissen alle, dass sie uns sowieso hinterherlaufen wird. Um allein zu bleiben, hätte sie nie genug Mut. Wir ignorieren sie einfach. Wir drehen uns nicht einmal zu ihr um.

Wir biegen um eine Kurve und sie verschwindet aus unserem Blickfeld. Immerhin ist das jetzt die längste Zeit, die wir ohne sie verbringen. 30 Sekunden! Respekt!

Ich folge, ohne wirklich auf den Weg zu achten, einfach Jacksons Spuren. Bäume und Büsche ziehen an uns vorbei, ohne dass ich sie genauer ansehe. Und ich bin erstaunt, dass Kim nach fünf Minuten immer noch nicht gekommen ist. Vielleicht sollte ich mir Sorgen um sie machen, doch irgendwie will sich das Gefühl nicht einstellen. Und auch die anderen scheinen sich nicht wirklich um sie zu kümmern.

Ich frage mich immer und immer wieder, warum sie überhaupt teilgenommen hat. Man sieht allein an ihrem Aussehen, dass sie überhaupt nicht der Typ für solche Dinge wie die Tour ist. Mein Gehirn scheint wie gefangen in dieser Dauerschleife, in der ich mir immer wieder diese Frage stelle. Und ich kann es nicht einmal abstellen! Interessant, was das Gehirn anstellt, wenn es einem langweilig ist!

Wir laufen weitere fünf Minuten durch den Wald. Ich werfe immer öfter einen Blick über meine Schulter, um zu sehen, ob Kim uns folgt. Doch das geschieht nicht. Fast, als hätte Jayden meine Gedanken gelesen sagt er: „Wir sollten nach Kim sehen...“

„Ach was! Die kriegt sich schon wieder ein!“, widerspricht Heather sofort.

„Wir laufen jetzt schon zehn Minuten in die eine Richtung, ohne dass es ein Anzeichen von Kim gibt!“, meint Jayden.

„Die versteckt sich doch bloß wieder hinter Bäumen und folgt uns trotzdem. Nur um uns ein schlechtes Gewissen einzureden!“, sagt Heather wenig überzeugend. „Kommt, wir gehen weiter! Es macht keinen Sinn zurück zu ...“ Jayden setzt einen Blick auf, der sie sofort zum Schweigen bringt.

„Ich weiß nicht, was ihr gegeneinander habt, aber es nervt!“, sagt er und macht auf dem Absatz kehrt. Ich folge ihm ohne zu Zögern. Die anderen scheinen zu überlegen, was sie tun sollen und schließlich spalten wir uns in zwei Gruppen: Heather bleibt mit Avery und ein paar Männern von Jackson hier und ich gehe mit Jayden, Carter, Jackson, Oliver und drei anderen Männern, deren Namen ich nicht kenne, zurück zu Kim. Ich frage mich, warum wohl keine einzige Frau in dem Team von Jackson ist.

Wir verbringen eine geschlagene Viertelstunde damit, Kim zu suchen. Niemand von uns weiß genau, wo wir sie zurückgelassen haben. Deshalb folgen wir einfach unseren eigenen Spuren zurück. „Sie ist hier nirgends!“, ruft Carter frustriert. „Lasst uns zurückgehen!“

„Willst du auch schon aufgeben?“, giftet Jayden ihn an. Von dieser Seite kenne ich ihn gar nicht... „Ich werde niemand von uns zurücklassen! Schlag dir das aus dem Kopf!“ Seufzend gibt Carter nach und flogt Jayden.

Weitere zehn Minuten laufen wir zurück. Dann meldet sich einer von Jacksons Männern: „Das hier hat keinen Sinn mehr. Sie ist nirgendwo. Wahrscheinlich ist sie längst wieder zurück bei den anderen! Wir sind nur aneinander vorbeigelaufen!“ So langsam habe ich selbst keine Lust mehr, nach Kim zu suchen. Ich warte gespannt auf Jaydens Urteil.

Er seufzt langgezogen. „Sie haben Recht. Wir sollten umdrehen. Hier wird die nicht mehr sein.“ Er dreht sich um und will wieder zurück gehen. Doch just in dem Moment hören wir einen Schrei. Er hört sich weit entfernt an, als würde jemand ein Wort schreien. Ich kann es nicht verstehen.

„Was war das?“, fragt Oliver und schaut sich nervös um.

Wieder ertönt der Schrei. „Kim!“, rufe ich laut und renne in die Richtung, aus der ich glaube, den Schrei gehört zu haben. „Kim!“, schreie ich nochmal. Diesmal scheine ich eine Antwort zu bekommen. Sie kommt von vorne. Ich laufe den Weg, den wir vor etwa einer Stunde hergelaufen sind, zurück, in der Hoffnung, Kim zu finden. Ich bin mir sicher, dass sie es war, die geschrien hat. So würde kein Tier schreien. Und wieder höre ich sie. Ich bin erleichtert, als es sich viel näher anhört als gerade eben. Ich werfe einen kurzen Blick über meine Schulter und sehe, dass Jayden und die anderen mir folgen.

Ich frage mich, warum Kim schreit. Was ist passiert? Bedroht sie ein wildes Tier? Vielleicht ein Bär? Oder etwas anderes? Ich denke nicht mehr darüber nach, sonder konzentriere mich darauf, nicht zu stolpern. Es wäre typisch für mich, wenn es mich jetzt hinlegen würde. Ich renne und renne, ohne zu wissen, wo ich überhaupt suchen soll. Kim hat aufgehört zu schreien, weshalb ich nicht weiß, in welche Richtung ich laufen soll. „Kim? Kim!“, schreie ich so laut ich kann.

Ein ersticktes Schreien erklingt. Es ist nicht weit entfernt. Das höre ich. Ich bleibe stehen. Ich drehe mich einmal um meine eigene Achse und rufe nochmal nach ihr.

Ich bekomme ein piepsiges „Hier!“ zur Antwort. Es klingt, als wäre sie nicht fünf Meter von mir entfernt. Mein Blick schweift nochmal über die umliegenden Bäume. Ohne Erfolg. Ich sehe kein Anzeichen für Kim.

„Da!“, schreit plötzlich jemand. Ich fahre mit dem Kopf herum und sehe es: Ein Bär. Ein riesiger Bär! Für einen Augenblick denke ich fast, mein Herz bleibt stehen, als er direkt vor mir steht. Aber es schlägt weiter. Wie konnte ich den übersehen?! Nicht fünf Meter von mir steht er und knurrt laut. Er hat uns direkt im Visier.

Und dann passiert alles gleichzeitig:

Kim schreit: „Laura, pass auf!“ Ich weiß nicht, wo sie ist.

Der Bär setzt eine Tatze vor die andere, dann springt er. Direkt auf mich zu. Irgendwie ist das jetzt ein Dé-ja vu für mich. Überrascht stolpere ich nach hinten. Und lande genau auf jemand anderem. Ich weiß nicht, wer es ist, aber das ist mir jetzt auch egal. Wir fallen beide zu Boden und der Bär steht direkt über uns.

Mein Gehirn versucht krampfhaft, sich an das zu erinnern, was Heather gemacht hat, als ich von dem Bär angegriffen worden bin. Ich bin so abgelenkt von ihm, dass ich mich nicht darauf konzentrieren kann.

„Haltet still!“, schreit uns jemand zu. Derjenige neben mir ist genauso nervös wie ich es bin. Der Bär hält eine Tatze hoch, als würde er uns damit berühren wollen. Ich kneife fest die Augen zusammen und warte darauf, dass seine Tatze auf mir landet. „Entspannt euch!“, ruft derjenige wieder. Wie soll man sich entspannen, wenn man gerade von einem Bären angegriffen wird?! Doch trotzdem versuche ich es, denn ich erinnere mich dunkel, dass Heather etwas ähnliches gesagt hat. Aber ich kann mich einfach nicht mehr genau erinnern, was sie mir erklärt hat. Ich spüre schon die Tatze auf meiner bloßen Haut, doch aus irgendeinem seltsamen Grund bleibt es aus. „Stellt euch tot!“ Genau! Das war es, was Heather gesagt hat. Ich strenge mich noch mehr an, mich zu entspannen. Doch es will nicht so richtig funktionieren. Meine Muskeln wollen einfach nicht locker lassen und ich kneife meine Augen immer noch genauso fest zusammen wie vor ein paar Sekunden. Aber es geschieht nichts. Rein gar nichts! Was ist nur mit dem Bär los?!

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