Woodkiss

By waterlily65

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Du hattest du schon immer mal den Traum, zwei Monate ganz alleine und ohne deine Eltern mit sieben anderen Ju... More

Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Kapitel 9.
Kapitel 10.
Kapitel 11.
Kapitel 12.
Kapitel 13.
Kapitel 14.
Kapitel 15.
Kapitel 16.
Kapitel 17.
Kapitel 18.
Kapitel 19.
Kapitel 20.
Kapitel 21.
Kapitel 22.
Kapitel 23.
Kapitel 24.
Kapitel 25.
Kapitel 26.
Kapitel 27.
Kapitel 28.
Kapitel 29.
Kapitel 30.
Kapitel 31.
Kapitel 32.
Kapitel 33.
Kapitel 34.
Kapitel 35.
Kapitel 36.
Kapitel 37.
Kapitel 38.
Kapitel 39.
Kapitel 40.
Kapitel 41.
Kapitel 42.
Kapitel 43.
Kapitel 44.
Kapitel 45.
Kapitel 46.
Kapitel 47.
Kapitel 48.
Kapitel 49.
Kapitel 50.
Kapitel 51.
Kapitel 52.
Kapitel 54.
Kapitel 55.
Kapitel 56.
Kapitel 57.
Kapitel 58.
Kapitel 59.
Kapitel 60.
Kapitel 61.
Kapitel 62.
Kapitel 63.
Kapitel 64.
Kapitel 65.
Kapitel 66.
Kapitel 67.
Kapitel 68.
Kapitel 69.
Kapitel 70.
Kapitel 71.
Kapitel 72.
Kapitel 73. (Jaydens Sicht)
Kapitel 74. (Lauras Sicht)
Kapitel 75. (Jaydens Sicht)
Kapitel 76. (Lauras Sicht)
Kapitel 77. (Jaydens Sicht)
Kapitel 78. (Lauras Sicht)
Kapitel 79.
Kapitel 80.
Kapitel 81.
Kapitel 82.
Kapitel 83.
Kapitel 84.
Kapitel 85.
Kapitel 86.
Kapitel 87. (Lauras Sicht)
Prolog
Nachwort

Kapitel 53.

85 7 1
By waterlily65

Heather und ich sitzen gemeinsam mit Benjamin auf schwarzen Ledersitzen und unterhalten uns darüber, was er noch in den Ferien tun wird. Er sagt, er möchte noch einige Jagdausflüge mit seinem Vater unternehmen, bevor er zu seiner echten Mutter nach Timmins zurückkehrt, wo er für das nächste Semester lernen wird.

Die Limousine hält vor dem Polizeirevier von Fort Hope an und lässt uns aussteigen. Ich trage meine Tasche, die Helene mir zum Abschied geschenkt hat, nach draußen und stelle sie dort ab. Alle anderen stehen schon versammelt vor der Türe zu einen Gebäude, auf dem vorne groß „Police Station“ steht. Dort werden wir die Sachen abholen, die uns beim Flugzeugabsturz verloren gegangen sind. Die Polizei hat sie für uns gefunden.

Die meisten haben eine Gastschwester oder -bruder dabei und manchmal ist sogar die gesamte Familie gekommen. Logan ist bei einem Mädchen mit hellblonden Haaren und wunderschönen blauen Augen. Ich schätze sie ungefähr auf 15 Jahre. Sie starrt ihn ununterbrochen an. Jayden hat einen gleichaltrigen Jungen bei sich, mit dem er sich gut zu verstehen scheint. Avery und Carter scheinen sich eine Gastfamilie geteilt zu haben. Ab und zu fange ich Blicke auf, die die beiden sich verträumt zuwerfen.

Ein Polizist mit einem Schnurrbart schließt die Türe auf und lässt uns eintreten. Er führt uns in ein Büro, in dem mehrere Kisten mit verschiedenen Gegenständen auf einem Tisch stehen. Manche sind voller gepackt, andere. „Wir haben die Kisten nach der Art der Gegenstände sortiert. In der ersten sind Klamotten, in der anderen zum Beispiel Toilettensachen. Ihr geht einfach durch und sammelt das ein, was euch gehört. Wahrscheinlich werdet nicht so viel finden, wie ihr ursprünglich dabei hattet. Das liegt dann vermutlich daran, dass wir einige Sachen aussortiert haben, die beschädigt waren oder einfach nicht mehr zu finden waren.“

Ich bin gespannt, was sie von meinen Sachen gefunden haben. Ich hatte nicht sehr viel dabei. Wenn sie etwas gefunden haben, dann sind es nur Klamotten. Zum Glück hatte ich keine Dinge dabei, die mir viel bedeutet hätten. Und auch im Bus befinden sich keine Sachen, die mir sehr am Herzen liegen. Ich habe alles zu Hause gelassen. Vor meinem inneren Auge blitzt kurz ein Bild von Liams Ring auf, den er mir vor langer Zeit einmal geschenkt hat. Kurz darauf folgt der altbekannte, stechende Schmerz.

Ich krame in den Kisten und alles was ich finde, ist eine leicht kaputte Jeans, ein paar T-Shirts und Pullover. Ich habe auch nicht mehr erwartet. Ich stopfe es achtlos mit der Plastiktüte von Helene in die Umhängetasche, die ebenfalls nicht beschädigt wurde.

Ich sehe, dass nur zwei von ursprünglich acht Handys noch heil sind. Die Kameras haben keinen Schaden davongetragen und auch die Mikrofone sind weitestgehend heil.

Nachdem alle ihre Sachen gefunden haben, werden wir von unseren Gastfamilien zum Hafen von Fort Hope gebracht. Eigentlich dürft man es nicht einmal „Hafen“ nennen. Es ist nur ein Steg, der in den See ragt. Das Schiff, von dem wir abgeholt werden sollen, ist noch nicht zu sehen. Die Sonne glitzert im See und der hellblaue Himmel taucht ihn in türkisfarbenes Wasser. Ich genieße einfach die Sicht und halte mein Gesicht in die Sonne, um es zu wärmen. Obwohl es Sommer ist und die Sonne scheint, ist es hier ziemlich kalt. Ich habe eine Softshelljacke von Johanna an, die Helene mir freundlicherweise gegeben hat. Auch wenn sie mir um einiges zu klein ist, bin ich ihr dankbar dafür.

„Wie geht es dir?“ Schon wieder diese Frage. Aber mein Herz macht trotzdem einen kleinen Hüpfer, als ich seine Stimme höre. Jayden. Gestern hatten wir gar keine Zeit dazu, uns zu unterhalten.

„Gut. Ich glaube mein Arm erholt sich schnell“, erzähle ich und mein Blick gleitet zu meinem rechten Unterarm, der immer noch eingegipst ist. Der Arzt in Fort Hope hat gesagt, dass ich den Gips in etwa zwei Wochen entfernen lassen soll. Er wusste, dass ich das dann wahrscheinlich in einem anderen Krankenhaus machen muss und hat mir deshalb extra einen Zettel geschrieben, den ich dem zuständigen Arzt geben muss, wenn ich den Gips entfernen lasse. Ich spüre ihn in meiner Hosentasche. Gestern hat es mich wirklich überrascht, mit einem Gipsarm Bogenschießen zu können.

„Das ist schön“, sagt er und lächelt. „Wie war deine Gastfamilie?“ Ich erzähle ihm alles darüber. Wie unheimlich ich das ganze Haus fand. Aber Helene und Benjamin waren wirklich nett. Er erzählt mir auch von seiner Gastfamilie und wie gut er sich mit Tom, seinem Gastbruder verstand.

Wir schweigen kurz, bis ich den Mut aufbringe, ihn nach dieser Hochbegabtenschule zu fragen, von der Daniel mir erzählt hat. „Jayden?“, frage ich vorsichtig. „Du gehst auf eine Hochbegabtenschule. Richtig?“

„Ja“, antwortet er überrascht. „Woher weist du das?“

„Ich … ähm … Daniel hat es mir erzählt.“

Er zieht seine Augenbrauen hoch und ich kann aus dem Augenwinkel eine leichte Bewegung an seiner Faust wahrnehmen. „Das hat er dir erzählt?“

„Wir waren gestern zusammen in einer Gruppe...“

„Mein Dad wollte unbedingt, dass ich dort hingehe. Ich habe es ihm versprochen und bist jetzt bin ich immer noch dort.“ Er redet schnell, als wolle er es schnell hinter sich bringen.

„Willst du nicht, dass ich es weiß?“, frage ich vorsichtig. Jayden weicht meinem Blick aus. „Wieso?“

Er scheint kurz zu überlegen, was er sagen soll, dann meint er: „Die Leute reagieren meistens mit Eifersucht oder Argwohn darauf. Deshalb ist es mir lieber, wenn es nicht allzu viele Leute wissen...“ Jayden sieht mich entschuldigend an.

„Oh … Ich verstehe dich.“ Ich lächle ihn an.

Schnell wechseln wir das Thema. Wir sind ganz vertieft in unser Gespräch, dass wir die Ankunft der Boote fast nicht bemerken. Benjamin hat uns von den Booten erzählt. Er hat gesagt, dass sie kleine Hütten darauf haben. Es stimmt. Sie sind wirklich nicht sehr groß. Ein etwas größeres Floß ist an der Spitze und jeweils rechts und links davon schwimmen zwei weitere. Jeweils zwei Männer pro Floß stehen an den Seiten und tauchen in regelmäßigen Abstand ihre Paddel ins Wasser. Tief im Inneren meines Gehirns habe ich ein Bild von einem ähnlichen Floß im Kopf. Wahrscheinlich habe ich so was schon mal auf einem Foto gesehen. Avery nimmt alles mit einer nicht beschädigten Kamera auf. Vermutlich ist sie heute mit dem Videotagebuch an der Reihe.

Das vorderste Boot kommt immer näher und als es nahe genug am Steg ist, wirft einer der Männer das Seil aus und jemand bindet es an einen Bootsanleger. Die anderen beiden Flöße machen es genauso. Die Paddler springen an Land und begrüßen jeden einzelnen von uns. Sowohl die Teilnehmer, als auch die Gastfamilien. Es scheint, als würden sie sich alle gegenseitig kennen.

Während fröhliche Gespräche beginnen, winkt uns einer der Männer vom Boot zu sich, um uns zu sagen: „Ich bin Jackson. Ich bin der Leiter unserer Bootstour und wenn ihr Fragen habt, wendet euch bitte an mich.“ Er hat eine tiefe, raue Stimme und klingt ein bisschen unfreundlich. „Wir teilen euch in drei Gruppen auf.“ Er zieht eine Liste aus seiner Hosentasche und liest vor: „Avery March, Kim Brown, Laura Wood und Heather Stewart. Ihr geht auf das größte Floß. Jayden Reed und Daniel McCormack nach links.“ Jayden öffnet seinen Mund, als wollte er widersprechen, doch Jackson spricht so schnell weiter, dass er keine Chance hat, etwas zu sagen. Er ballt seine Hand zu einer Faust und beißt seine Zähne fest aufeinander. Ein Blick zu Daniel verrät mir, dass dieser genauso wenig erfreut ist. „Carter Wellington und Logan Willes nach rechts.“ Die Mädchen bekommen also das größte Boot und die Jungs dürfen sich zu zweit eins teilen. „Ihr könnt euch jetzt verabschieden und euer Gepäck aufladen.“

Jayden und ich versuchen mit Jackson zu diskutieren, etwas an der Aufteilung der Boote zu ändern. Doch er will nichts ändern. Alles was er sagt, ist: „Ich kann nichts tun. Dazu bin ich nicht befugt. Ich habe diese Liste von den Veranstaltern bekommen!“ Und damit ist der Versuch gescheitert.

Ich gehe zurück zu meinem Gepäck, um es zu holen und mich von Benjamin zu verabschieden, der darauf bestanden hat, so lange zu warten, bis wir abgelegt haben. Heather steht bereits bei ihm und ich kann gerade hören, wie sie ihn fragt: „Ich habe noch eine Frage an dich, Benjamin! Was ist im linken Flügel eures Hauses? Es macht mich verrückt, wenn ich nicht weiß, was dort ist...“ Oh nein! Das hat sie gerade nicht gesagt! Wieso versteht sie nicht, dass es sie nichts angeht?

Ich erwarte, dass Benjamin sie böse anstarrt oder so was in der Art. Doch er lacht nur. „Ach das! Da ist nichts Besonders. Seit dem Tod meiner Großeltern steht der Teil leer.“ Er zuckt nur mit den Schultern. „Ich wusste nicht, dass du dir solche Gedanken darum machst! Du hättest es mir sagen können!“ Wieder lacht er. Dann zieht er ein Stück Papier aus seiner Hosentasche und reicht es Heather. „Das ist meine Telefonnummer. Du kannst mich anrufen, wenn du etwas brauchst!“, flüstert er ihr zu und ich habe das Gefühl, dass ich das jetzt lieber nicht hätte hören sollen. Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt herkommen sehen haben. Deshalb drehe ich ihnen schnell den Rücken zu, und tue so, als hätte ich nichts gehört. Ich kann Heathers Antwort nicht verstehen, aber eigentlich will ich das auch gar nicht.

Die anderen um mich herum verabschieden sich ein letztes Mal von ihren Gastfamilien und gehen schon in Richtung der Boote. Da drehe ich mich noch einmal zu Heather und Benjamin um und sehe, wie sie ihre Lippen aufeinander drücken. Sofort wende ich meinen Blick wieder ab. Ich hätte nie gedacht, dass zwischen den beiden etwas läuft! Ich freue mich für Heather. Natürlich.

Als ich mich zum letzten Mal umdrehe, haben sie sich wieder voneinander gelöst und nachdem Heather ihre Tasche vom Boden aufgehoben hat, um an Bord zu gehen, ruft er ihr hinterher: „Viel Spaß, Heather! Und ruf mich an!“

„Mach ich, wenn ich Netz habe!“

Ich verabschiede mich ebenfalls von ihm und folge den anderen auf das Boot. Es wackelt furchtbar, als ich den ersten Fuß darauf setze. Ich stolpere kurz nach hinten, doch ich fange mich schon wieder auf. Am Rand des Floßes ist eine kleine Reling angebracht, die von dünnen Holzstücken gehalten wird und mit Seilen durchzogen ist. Ich bezweifle, dass sie wirklich stabil ist. Ausprobieren möchte ich es lieber nicht. Zwischen der Reling und der Hütte auf dem Floß ist etwa eineinhalb Meter Platz. Ich schätze die Höhe der Hütte auf ungefähr zwei Meter und breit ist sie mindestens sechs Meter.

Die anderen haben ihr Gepäck in der Hütte abgestellt. Ich folge ihnen einfach und staune, als ich das Innere sehe. An der Decke sind sechs Hängematten angebracht, die aus einem weißen Leinenstoff sind. Ich habe noch nie in einer Hängematte geschlafen, aber ich stelle es mir ganz gemütlich vor. Ganz hinten in der Hütte sehe ich einen abgetrennten Bereich. Wahrscheinlich werden das die Toiletten sein. Ich lege meine Tasche an der Wand ab und gehe wieder nach draußen, um zu sehen, wie das Floß ablegt.

Wir stehen an der Reling und winken unseren Gastfamilien zu, bis sie sich schließlich umdrehen und in ihre Autos steigen.

Die Paddler bitten zwei von uns, bei der Wende des Bootes mitzuhelfen. Heather und Kim erklären sich dafür bereit und ich gehe zum anderen Ende des Floßes, das etwas mehr ausgebaut ist als hinten. Dort stehen ein Tisch mit ein paar Stühlen darum herum.

Ich setze mich einfach auf einen Stuhl und lasse die Sonne auf mein Gesicht scheinen. Weil ich sie Augen geschlossen halte, bemerke ich nicht, dass Avery kommt und sich neben mich setzt.

„Hast du dich vom Absturz erholt?“, fragt sie ohne Vorwarnung. Ich zucke zusammen und erkenne, dass sie neben mir auf einem Stuhl sitzt.

„Ja“, antworte ich leicht zögernd. „Ich denke schon.“ Wieder bin ich froh, dass ich den Absturz nicht wirklich mitbekommen habe. Wie auch immer ich diesen Schlag auf den Kopf bekommen habe – ich bin ihm dankbar. Ich wüsste nicht, was ich jetzt tun würde, wenn ich bewusst gespürt hätte, wie ich nach unten falle. „Und du?“

Sie antwortet nicht, sondern wendet nur ihren Blick ab. Stumm starrt sie auf den See hinaus und niemand von uns sagt ein Wort. Die einzigen Geräusche, die wir hören, sind die Rufe der anderen, die das Boot vorantreiben und das plätschernde Geräusch der Wellen. Wolken schieben sich vor die Sonne und lässt das Glitzern auf dem See verschwinden.

Mein Blick ist immer noch auf Avery gerichtet und erst jetzt erkenne ich die tiefblauen Augenringe und sehe das Schimmern in ihren Augenwinkeln. Ich weiß sofort, dass der Absturz sie sehr mitgenommen hat. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagt sie: „Ich habe alles miterlebt. Jemand hat erzählt, dass du beim Absturz bewusstlos warst. Aber ich war wach. Du weist nicht, wie es sich anfühlt, so lange frei nach unten zu fallen. Und das Schlimmste ist, dass man nicht weiß, was einen unten erwartet. Ich dachte, ich würde das nie überleben. Und dann bin ich auf dem Boden aufgeschlagen-“ Ihre Stimme bricht und sie unterdrückt ein lautes Schluchzen. Ich kann nur zu gut verstehen, wie sie sich fühlt, wenn sie es erzählt. Als würde sie alles ein weiteres Mal erleben. Ich spüre, wie in meinem eigenen Hals ein Kloß aufsteigt. „Ich erinnere mich kaum noch an die Schmerzen danach. Wir können von Glück reden, dass die Bäume unseren Sturz abgebremst haben. Ich will mir nicht vorstellen, was sonst passiert wäre. Später habe ich erfahren, dass ich eine Gehirnerschütterung hatte. Findest du nicht, dass sie uns noch ein bisschen mehr Zeit hätten geben können?“ Ein Schluchzen unterbricht sie. „Ich meine, wir haben gerade einen Flugzeugabsturz erlebt und einer ist dabei sogar gestorben. Und jetzt erwarten sie, dass wir alles so schnell wie möglich vergessen und die Tour normal weiter führen?“ Sie klingt wütend und ballt ihre Hand zu einer Faust.

„Ich bin genau derselben Meinung wie du“, stimme ich ihr zu. „Im Fernsehen haben sie alles heruntergespielt. Der Pilot ist gestorben und sie haben gerade mal ein Satz über ihn verloren! Du hast dir den Arm gebrochen und auch darüber sagen sie nichts!“ Jetzt kocht die Wut in mir so richtig auf. Ich erzähle Avery von meiner Mutter, wie sie gesagt hat, dass sie mich aus der Tour nehmen kann. Jetzt denke ich, dass ich das Angebot vielleicht doch hätte annehmen sollen. Aber jetzt muss ich mit der Entscheidung leben.

„Ich hätte es angenommen“, sagt sie. „Es wäre mir egal, was die anderen dann über mich denken. Wenn ich die Chance dazu hätte...“ Sie wendet ihren Blick ab und ich erkenne von der Seite, dass sie schluckt. „Weist du... Mein Vater hat mich und meine Mutter vor mehreren Jahren wegen einer anderen Frau verlassen. Seitdem hat sie starke Depressionen und kommt kaum noch aus dem Haus. Ich nehme hier nur teil, weil sie es unbedingt wollte und ich gehofft habe, sie dadurch ein bisschen glücklicher zu machen. Es tat mir zwar weh, sie alleine zurück zu lassen, vor allem, wenn sie es kaum auf die Reihe bekommt, für sich selbst zu kochen. Aber es war ihr größter Wunsch, dass ich einmal Zeit für mich selbst habe. Also dachte ich, dass ich ihr diesen Wunsch erfüllen sollte...“ Wieder glitzern Tränen in ihren Augen. „Ich vermisse sie. Und ich mache mir Sorgen um sie. Sie hat kein einziges Mal angerufen und ich konnte sie auch nicht erreichen... Unterbrich mich, wenn ich dir zu viel erzähle!“

„Nein, ist schon gut. Ich höre dir zu!“, versichere ich ihr und mache ihr mir einem Lächeln klar, dass sie weitersprechen soll.

„Ich hoffe, dass es ihr gut geht. Sie hat jetzt niemanden, der sich um sie kümmert. Ich habe schreckliche Schuldgefühle.“ Wieder schaut sie weg und beißt ihre Zähne zusammen. „Ich möchte nur noch nach Hause“, schluchzt sie.

Ich berühre sie leicht am Oberarm, um sie zu trösten. „Ihr wird es schon gut gehen. Hast du schon mal versucht, mit Daisy zu reden? Vielleicht erlaubt sie dir ja, dass du die Tour abbrechen darfst. Gründe dafür hast du ja.“

„Ich weiß. Aber ich habe zu lange damit gezögert. Jetzt ist es zu spät. Hier haben wir kein Handynetz. Zu Hause bin ich immer nur diese Streberin mit der kranken Mutter, die keine Freunde hat. Aber hier akzeptieren mich die Leute endlich. Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen, dass ich meine Mutter nicht erreiche! Nicht einmal mit Daisy konnte ich telefonieren! Vielleicht habe ich nicht oft genug angerufen. Aber es ging selbst vom Festnetz aus nicht. Ich habe es selbst über E-Mail versucht! Aber diese kam immer wieder zurück... Ich habe es vom Computer meiner Gastfamilie gemacht... Du weist nicht, wie oft ich es versucht habe! Vermutlich hat nur wieder ihre Technik einen Aussetzer...“

„Das ist seltsam“, meine ich. Ich erinnere mich daran, dass Benjamin Informationen von den Betreuern bekommen hat. „Ich bin mir nicht sicher, aber Benjamin hat uns die Informationen von den Betreuern weitergegeben. Wie hat er sie bekommen, wenn nicht über das Telefon oder E-Mail?“

„Du hast Recht. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“

Wir unterhalten uns noch eine Weile über andere Dinge wie Schule und schieben die Gedanken an die Tour so tief wie möglich in unseren Hinterkopf.

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