Das Königreich der Geheimniss...

By MorganKingsman

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Dinah wird steckbrieflich für ein Verbrechen gesucht, von dem sie noch gar nichts weiß. (Nicht, dass sie kein... More

1- Alles beginnt (immer) mit einer Leiche
2- Warum man von Drogen abrät.
3- Flucht. Nur eben nicht meine.
4- Bekanntschaft mit der Zweitbesetzung
5 - Nie wieder Wäsche selber waschen.
6- Am Leben. Noch.
7- Exil ist die Antwort auf jedes zweite Problem
8- Mord, die Antwort auf alles andere.
9- Barbarisch. Sogar für meine Verhältnisse.
10- Höfische Sitten
11- Tue nett.
12- Mord im Schlafrock
13- Meuchelmörder im Schlafrock
14- Wir planen einen Ausbruch
15- Tänze und andere Regelverstöße
16- Tatsächliche Detektivartbeit
17- Der Inseluntergang ist nicht einmal mein größtes Problem
18- Die Katastrophe geht weiter
19- Hilfe aus dem Hintergrund
20- Briefe in der Nacht
21- Es ist nicht das, wonach es aussieht.
22- Hilfe ist Definitionssache
23- Wie wichtig muss man sein, damit es Attentat heißt und nicht Mord?
24 - Weniger glückliche Wiedersehen
25- Sex und Monster.
26- Ich bin dagegen. Egal gegen was.
27-Audienzen und andere Krankheiten
28- Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen.
29- Es war nicht genug Glaube für alle da.
30- Im Territorium der Gärtner
31- Oh, ich renne sowas von nicht fort. Wirklich.
32- Alles wäre einfacher, wenn ihr mich vorher fragen würdet.
Lesenacht Teil 1: Erinnerungen an Vater
Lesenacht Teil 2- Im Wohnzimmer der Toten
Lesenacht Teil 3: Vertrauen, oder der berechtigte Mangel davon.
Lesenacht Teil 4- Warum nicht von einer Klippe springen?
37- Der Teil mit den Auftragsmördern
38- Der nächste Schritt
39- Es hätte so schön sein können.
40- Flieh, du Narr.
42- Geständnisse.
43- Grausame Wunder
Epilog
Tiiiimee toooooo say Goodbyyyyee.

41- Sprich mir nach: Wir schicken keine Assassinen.

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By MorganKingsman

➴♚➶

Einige Tage bevor an unserem Abendtisch gemordet wurde
(1 Jahr und 5 Wochen vor Dinahs Rückkehr)

Mit einem Winken verabschiedete ich mich von den letzten Bewohnern der Stadt und passierte die Soldaten am Haupttor zum Palast. Beide Männer nickten mir zu und ihre Blicke folgten dem abgedeckten Korb in meinem Arm und mir auf dem gewundenen Kiespfand zum Haupthaus.

Die Sonne gab sich Mühe mir ihre letzten Tage zu verschönern, bevor der Winter kam und ein ganzer Schwarm an Gärtner versuchte Ähnliches mit dem Garten. Hecken wurden getrimmt, Blumen in Kübel umgepflanzt und in die Glashäuser getragen. Der Geruch feuchter Erde lag dick über dem gesamten Gelände und ich sehnte mich jetzt schon nach dem Frühling.

Aber zuerst würde der Blinde Ball stattfinden. Je näher ich an die weiße Fassade des Hauses kam, desto öfter erhaschte ich den grauen Schimmer einer Dienstuniform. Seit Tagen rannte jeder, der in diesem Haushalt beschäftigt war nur noch von einer Vorbereitungs-Katastrophe zur Nächsten. Es gab noch so viel zu tun: Blumen mussten arrangiert werden, Zimmer für die Gäste hergerichtet, Mahlzeiten vorbereitet-...

Ich ging die Liste durch, bis ich den Hintereingang der Küche erreichte und dort einer geschockten Küchenmagd die Bestellung der Köchin überreichte. Irgendwo zwischen knicks und panischem Starren, erhaschte ich einen Seitenblick auf meinen Mann und verabschiedete mich wieder von ihr.
Sie musste neu sein, sonst wüsste sie, dass ich erschreckend häufig hierher kam.

Constantin war, entgegen meiner ersten Vermutung, nicht alleine unterwegs, sondern floh förmlich vor Senator Menhelles, der sich an seine Fersen geheftet hatte, wie Caridads Hunde.
In großen Gesten versuchte er, seinem König etwas zu erklären, doch den dicken Adern an seinem Hals nach zu urteilen, scheiterte er an dem Dickschädel meines Mannes.

Ich folgte ihnen ins Haupthaus hinein, entschlossen, ihn vor dem Senator zu retten und sah gerade noch, wie eben jener Mann die Tür zum Ratssaal unbedacht zuwarf.
Was für Probleme konnte sich dieser Kerl kurz vor dem Blinden Ball denn jetzt schon wieder ausgedacht haben?

Ich zögerte erst, als mir auffiel, dass die Tür nicht ganz geschlossen war und Senator Menhelles Stimme bis auf den Gang trug.

„Sie muss verschwinden, Eure Majestät. Auch Ihr müsst den Schaden sehen, die sie in unserem Königreich anrichtet."

Ah. Er sprach von mir. Sein verzweifelter Tonfall entlockte mir tatsächlich ein kleines Grinsen und ich zog meine Hand auf dem Türknauf wieder zurück. Mal sehen, was er sonst noch so zu sagen hatte, der gute alte Frauenhasser.

Constantin war anderer Meinung.
„Ihr befindet Euch auf ganz dünnem Eis. Ich würde Euch ja raten Eure Worte sehr sorgfältig auszusuchen, aber ich befürchte, Ihr kennt nicht genügend, um Auswahl zu haben."

Autsch.

Aber Senator Menhelles war schon lange genug im Amt, um Constantins spitze Bemerkungen einfach zu ignorieren.
„Euer Vater würde mir recht geben. Sie hat weder politische Verbindungen zu anderen orbitalen Zirkeln, die wir nutzen könnten, noch sonst irgendeinen Nutzen der Frauen. Und nach ihrer letzten Verwicklung mit der Kirche und dem Wasser ist sie auch noch eine Gefährdung für diesen Zirkel. Der Senat schlägt eine Scheidung vor."

„Das hat mich das letzte Mal einen Finger gekostet", erwiderte Constantin trocken und das Rascheln von Papier verriet mir, dass er sich bereits mit etwas Anderem beschäftigte, „Einmal davon abgesehen lieben die Leute sie. Und wie es der Zufall so will, ich auch."

Er sagte es so selbstverständlich, dass mein Herz für einige Schläge hoch in meine Kehle sprang. Allein dafür wollte ich ihn küssen. Aber Senator Menhelles sprach schon wieder.
„Es tut mir leid, mein König, aber das ist nicht genug. Ihr könntet sie vielleicht als Mätresse halten."

Noch mehr Papier rascheln.
„Nein das werde ich nicht", das Kratzen eines zurückgeschobenen Stuhls auf den Steinen warnte mich vor, „Die Diskussion ist hiermit beendet."

„Aber die Mehrheit des Senats hat sich bereits darauf geeinigt! Wir können nicht die Unterstützung der Kirche riskieren. Ihr wisst genau, was mit Zirkeln passiert, die den Primus verärgern! Wir wären dem Untergang geweiht."

Constantin riss hörbar der Geduldsfaden.
„Wenn der Primus ein Problem mit der Wahl meine Königin hat, werde ich abdanken."

Mein Mund klappte auf und ich tat einen Schritt von der Tür fort. Abdanken? War das überhaupt möglich? Ich erinnerte mich spontan an keinen einzigen Fall, der mir bekannt wäre. Aber ziemlich sicher würde das eher unangenehme Konsequenzen für ihn nach sich ziehen.

Fast hätte ich die Worte des Senators verpasst.
„Aber Euer Bruder wurde niemals als König erzogen und er ist ein... ein Krüppel. Wir können niemals darauf vertrauen, dass er diesen Zirkel weise leiten würde."

Was für ein dämlicher Blödsinn. Caridads Stimmlosigkeit hatte ihn noch nie von irgendetwas abgehalten. Am allerwenigstens davon dem Rat die Meinung zu sagen.

„Das wäre kaum mein Problem. Wenn ich mich recht entsinne, zieht Abdanken die Verbannung ins Exil mit sich", erwiderte Constantin süßlich, „Ihr werdet Eure Bedenken wohl dem Primus schreiben müssen. Ich werde mich nicht scheiden lassen."

Nur zwei sehr laute Schritte gaben mir Zeit von der Tür wegzuspringen, ehe Senator Menhelles aus dem Raum stürmte. Ich wank ihm mit einem falschen Lächeln zu, doch mehr als ein Schnauben hatte er nicht für mich übrig, als er davon stampfte.

Dann eben nicht. Zögerlicher als zuvor beäugte ich die wieder halbgeschlossene Tür. Ich wollte keinen Druck mit meiner Anwesenheit auf ihn ausüben. Exil war... sagen wir es so: Exil fand nicht in einem der schöneren Zirkel statt, sondern dort, wo sonst niemand leben wollte. Aus gutem Grund. Es war keine leichtfertige Entscheidung und ich hätte sie ihm am liebsten abgenommen. Aber vielleicht sagte ich ihm das lieber.

Constantin saß am Kopfende des Tischs und hatte ein Buch vor sich aufgeschlagen. Er sah nicht einmal auf, als ich eintrat, aber seine Schultern entspannten sich sichtlich. Seine goldene, geflochtene Krone lag neben seiner Hand auf dem Tisch und reflektierte das Licht aus den Fenstern.

Ich schlenderte zu ihm hinüber und lehnte mich über sein Buch, bis er nichts mehr lesen konnte, sondern gezwungen war meine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen.
„Du weißt, dass ich niemals von dir erwarten würde, dass du dich gegen die Krone und für mich entscheidest?"

Mit einem belustigten Schnauben schob er mich ein Stück zur Seite, doch seine Aufmerksamkeit war gebrochen.
„Willst du mir damit sagen, dass ich mich entscheiden darf, wie ich will, oder dass du niemals erwartet hättest, dass ich mich für dich entscheiden würde?"

Ich zog das Buch weg und setzte mich auf die Tischoberfläche vor ihm.
„Seit deiner Kindheit trägst du die Verantwortung der Krone auf deinen Schultern. Sie ist ein Teil von dir. Ich würde verstehen, wenn du nicht willst, dass all deine Opfer umsonst gewesen sind."

Mit einem Seufzen stützte Constantin seine Ellbogen links und rechts von meinen Oberschenkeln auf den Tisch und sah zu mir hoch.
„Weißt du, es ist vermutlich gar nicht so schlecht, dass wir beide ins Exil verbannt werden würden. Ich könnte mir richtig vorstellen, wie Caridads erstes Gesetz deine Vermählung an ihn wäre."

„Oh bitte." Ein Augenrollen reichte hier gar nichts. Wir würden auf einer weit entfernten Insel leben müssen, die vermutlich nicht einmal mehr Wetter hatte oder Vegetation. Und er machte Witze.

Er grinste wölfisch. „Ich würde das so machen, wenn du noch nicht an mich verheiratet wärst."

„Du wolltest mich am Anfang um jeden Preis wieder loswerden", erinnerte ich ihn.

„Damals wusste ich auch noch nicht, dass du mich mit dem Schwert kastrieren könntest", er schauspielerte ein Schaudern, „Wenn ich nur an die Gefahr denken, in der mein unwissendes Ich damals war-..."

„Das ist es auch immer noch, wenn du weiter so tust, als wärst du eifersüchtig auf deinen Bruder."

Er nahm mich nicht wirklich ernst.
„Ich könnte ihn ermorden lassen...", er tippte sich ans Kinn, „Mein Vater hat mir da ein paar Leute vorgestellt, die es aussehen lassen wie ein Unfall."

„Nein."
Die Vorstellung spannte unwillkürlich jeden Muskel in meinem Körper an.

Er grinste.
„Versuch doch mich aufzuhalten."

„Versprich mir, dass du niemals irgendjemanden ermorden lassen wirst." Er sollte noch nicht einmal Witze darüber machen. „Falls du jemals diesen Drang verspürst, wirst du zu mir kommen und wir suchen gemeinsam einen anderen Weg."

„Du verdirbst mir allen Spaß." Er stand auf und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Seine Art ein Versprechen zu geben. Mir wurde selbst bei der leichten Berührung schwindelig.

„Oh, tut mir ausgesprochen leid, dass Mord nicht auf meiner Liste aus Freizeitaktivitäten steht", sagte ich und hopste vom Tisch herunter, um ihm aus dem Zimmer zu folgen. Vielleicht bekam ich ja noch einen Kuss, wenn ich ihm einfach lang genug hinterherlief.

➴♚➶

heute

Ich stürzte in die Senatssitzung, als wäre Fidei Defensor Holus hinter mir her. Die Tür schwang auf, glitt aus meiner Hand und sicherte mir die Aufmerksamkeit der Anwesenden mit einem dumpfen Knall gegen die Wand. Die Diskussion, die eben noch im Gange gewesen kam, fand ihr abruptes Ende in zehn mir zugewandten Gesichtern, alle gleichmäßig um den Tisch verteilt.

Aber zu ihrem allgemeinen Pech konnte ich gerade nicht weniger auf den stillen Vorwurf im Raum geben.
„Wo ist Constantin?"

Sebastian war der Erste, der sich von seiner Überraschung erholte und langsam von seinem Stuhl aufstand.
„Er ist nicht hier, Eure Majestät. Es hat Unruhen in den Mienen von Keltar gegeben und er ist ausgeritten, um mit einem Gesandten von dem Zirkel zu sprechen. Aber Ihr müsst Euch keine Sorgen machen, ich habe ihm meine besten Männer zur Seite gestellt."

„Oh, ich mache mir keine Sorgen um ihn", wank ich ab und schloss die Tür hinter mir. Ich nahm mir Zeit, jeden der Anwesenden anzusehen. Da war Lady Vanna und ihre Tochter, Fidei Defensor Holus und einer seiner höhergestellten Diener, sowie Sebastian und fünf der zwölf Senatoren. Aber das würde genügen. Zeit, einer meiner größten Lügen bisher zum Besten zu geben.
„Tatsächlich muss ich mit euch sprechen. Mit euch allen."

Lady Vanna schnaubte. Sie saß dem leeren Thron am Kopfende am nächsten, obwohl der Platz eigentlich ihrer Tochter gehören sollte. Es war das erste Mal, dass sie nicht versuchte auszusehen wie ihre Tochter, sondern wie etwas... erhabeneres. Dickere Stoffe waren über sie drapiert, als erwarte sie jeden Moment, in einem Gemälde festgehalten zu werden. Ihre Lippen hatte sie zu schmalen, hasserfüllten Strichen gespannt, als sie mich vom anderen Ende des Raums fixierte.
„Huren von Fanatikern halten in diesem Raum keine Macht mehr. Verschwinde, bevor noch jemand zu Sinnen kommt und dich deiner gerechten Strafe zuführt."

Ich unterdrückte den Drang, sie zu schütteln. Dafür war jetzt leider keine Zeit.
„Seid doch still. Wenn Ihr Euren Mund zu sehr bewegt, krümelt Eure Schminke."

Sie war sofort auf den Beinen, eine beeindruckende Tat in Anbetracht ihrer vielen Kleidung. Mit ihren Krallen umklammerte sie ein weißes Taschentuch.
„Wie könnt Ihr es wagen! Wach-..."

„Ich habe Grund zur Annahme, dass König Constantin beordert hat seinen eigenen Bruder zu ermorden", fiel ich ihr ins Wort. Ich hätte genauso gut einen abgetrennten Kopf auf den Tisch legen können.

Sie plumpste zurück auf ihren Stuhl. Ihre Tochter sog erschrocken die Luft ein. Alle starrten sie mich an.
So knapp es mir möglich war, wiederholte ich mein Wissen für sie. Teilte es, bis auf einige, ausgesuchte Details. Sebastian stellte hin und wieder Fragen, doch ansonsten blieben alle weitgehend ruhig.

Am Ende herrschte langes Schweigen, das zuletzt ausgerechnet von Senator Pois unterbrochen wurde. Mit seinem widerlich-freundlichen Lächeln erhob er sich von seinem Stuhl.
„Bei allem Respekt, aber hätte nicht jeder diesen Auftrag im Namen des Königs verschicken können? Jeder aus diesem Rat kennt die Auftragsmörder des Königs und noch ein paar Leute darüber hinaus. Jeder von uns hätte Caridads Ermordung anordnen können. Was Ihr hier ansprecht, könnte Euch und jeden von uns für Hochverrat vors Gericht bringen."

„Ich weiß", erwiderte ich gezwungen ruhig, „Aber niemand der Senatoren hatte Motiv. Caridad war das letzte Druckmittel gegen Constantin. Wenn er sich weiter weigerte euren Wünschen zu begegnen, hättet Ihr die Unterstützung des Primus gehabt, Constantin zu entfernen und seinen Bruder stattdessen auf den Thron zu setzen. Sein Tod war euer Verlust." Wäre Senator Menhelles noch hier, ich hätte allein zu ihm gesprochen. „Außerdem war der Auftrag für den Attentäter verschlüsselt. Ihm wurde sicher erklärt, wer sich hinter dem Namen Dade verbarg, aber wer sonst wusste davon?"

Sebastian, der sich in der Zwischenzeit wieder hingesetzt hatte, massierte sich die Narbe über seiner Nase.
„Ihr, der König und wer-auch-immer vor Eurem Verschwinden versuchte, den König zu vergiften. Ich meine mich zu erinnern, dass die Flasche damals auch mit Dade unterschrieben war."

Exakt. Der Versuch ein Attentat auf den Bruder des Königs zu schieben.
Ich versuchte, nicht zu lächeln wie eine stolze Lehrerin, deren Schüler aufpassten.

„Zwei Attentate auf den Bruder des Königs?", fragte Pois skeptisch.

„Einer, um ihn als Mörder darzustellen und einen gelungenen als Opfer der Tat. Aber einmal davon abgesehen wer da dahinter steckt- wer würde tatsächlich versuchen den König umzubringen, um Caridad zu rächen?", fragte Sebastian.

„Caridad war beliebt. Jede der damaligen Hofdamen oder Hofherren hätte Motiv und womöglich die Beziehungen, um den Urheber des Todes-Befehls in Erfahrung zu bringen", sagte ich, „Vielleicht sogar..." Ich stockte, von meinem eigenen Einfall überrascht. Der Primus hatte Caridad einst verboten, ein Mädchen zu heiraten, ganz gleich wie viele Briefe Constantin ihn im Namen seines Bruders geschrieben hatte. Sie hatten mir von ihr erzählt und wie sehr sie Caridad geliebt hatte. Doch würde sie...? Als Frau eines Händlers hatte sie die Möglichkeiten selbst einen Auftragsmörder anzuheuern. Vermutlich sogar einen, der es mit dem König aufnehmen würde.
„Wer hätte sonst noch Motiv?", fragte ich gedankenverloren in die Runde hinein.

„Du." Das Wort war so leise gesprochen, dass ich es beinahe überhört hätte. Aber es schlug Wellen in dem Saal, die mir eiskalt den Rücken herunterliefen. Königin Akemira saß so still auf ihrem Stuhl, dass ich sie schon wieder vergessen hatte. Doch ihre zarte Stimme tropfte vor Hass und Abneigung in schwarzen Pfützen auf den Boden.
„Du warst seine Liebhaberin."

„Ich...was?"

Würdig, wie keine Königin vor ihr, erhob sie sich von ihrem Stuhl und sofort hing jeder Kerl in diesem Raum an ihren rot-getuschten Lippen. Sie war eine junge Göttin unter uns. Der Grund, warum die Inseln schwebten.
„Es macht Sinn, wenn man darüber nachdenkt: Dein Glaube kennt keine Gnade. Und wie soll ein Mensch ohne Gnade die heiligen Bände der Ehe verstehen. Vermutlich hast du es schon viel früher versucht, als der arme kleine Junge aus Constantins Becher trank, nicht wahr?"

Kleine Nadeln stachen durch die Haut meines Genicks und machten mich kurzzeitig bewegungslos vor Ärger.
„Und dann habe ich den Namen meines sogenannten Liebhabers auf die Flasche geschrieben?"

Sie legte den Kopf schief, als wäre ich ihr in eine Falle getappt.
„Ihr kanntet den Kosenamen Eures Liebhabers. Nichts, was sich für den Rest der Welt sagen lässt. Und wer weiß schon, was in dem Verstand einer Fanatikerin vor sich geht?"

Zustimmendes Gemurmel ließ mich kleiner werden in meiner Haut. Das konnten sie doch nicht ernst meinen.

„Ergreift sie." Die Worte schwebten zur mir herüber wie der Geruch eines Parfüms. Sie verschleierten die Bedeutung im Befehl der Königin. Hatte sie mir nicht gesagt, dass sie mich loswerden würde? Selbst jetzt hatte ich Probleme sie ernst zu nehmen. Ich hatte sie gründlich unterschätzt. „Sie soll in den Zellen bleiben, bis mein Mann von den Gesprächen zurückkehrt und von ihren Anschuldigungen erfährt."

Sebastian starrte von mir zurück zu ihr, bewegte sich jedoch nicht. Er hatte die Oberarme verschränkt, sodass die Muskeln deutlicher hervortraten. Mit seinen kurzgeschorenen Haaren und den dunklen Augen hätte er furchteinflößend auf jeden gewirkt, der ihn nicht kannte. So aber fixierte Akemira ihn mit einem langen, auffordernden Blick.
„Das war ein Befehl Eurer Königin, Hauptmann. Muss ich mich wiederholen?"

Sebastian räusperte sich und verlagerte sein Gewicht.
„Ich bin nicht schwerhörig Ma'am. Ich bin loyal. Und ich erkenne dummes Gerede, auch wenn es den Mund einer schönen Frau verlässt."

Die Senatoren riefen Empörungen über seine respektlose Wortwahl aus, doch er ignorierte sie.

Akemira legte den Kopf schief wie eine dieser Wildkatzen in Hamir.
„Ich wusste nicht, dass Ihr Eure Stellung als Hauptmann nicht mehr innehaben wollt. Schon eine Vorstellung, mit welchem Beruf Ihr Eure kleine Tochter künftig ernähren wollt?"

Die Narbe in Sebastians Gesicht gewann an Farbe und wurde schrittweise dunkler. Ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
„Ihr wollt von mir, dass ich gegen alles gehe, wofür ich stehe: Gerechtigkeit." Er presste die Worte gerade so zwischen seinen Zähnen hervor.

Doch sein unverhohlener Zorn löste in Akemira keine Reaktion aus.
„Ich erwarte, dass Eure Loyalität mit der Krone zu mir übergegangen ist. Oder aber ihr dürft Eurer Königin in eine der Zellen folgen und auf das Urteil für Hochverrat warten."

Sebastian öffnete bereits den Mund, doch ich fing seinen Blick ein und schüttelte unmerklich den Kopf. Ich wusste, er würde das hier durchziehen. Er würde nicht nachgeben und jede Konsequenz in Kauf nehmen. Aber hier ging es nicht nur um ihn und seinen Kopf. Hier ging es auch um seine fünfjährige Tochter, die nicht ohne Vater aufwachsen sollte.

Er knirschte mit den Kiefern, aus der Balance gebracht von inneren Kräften, die in unterschiedliche Richtungen zerrten. Er wollte mich verteidigen. So sehr. Aber meine stumme Bitte konnte er nicht ausschlagen. Nicht wenn er wirklich so loyal war, wie er eben zu beweisen gesuchte. Widerwillig setzte er sich in Bewegung. Eine raue Hand an meinem Oberarm, drehte er mich zur Tür. Niemand erhob die Stimme. Es blieb perfekt still, bis wir auf den Gang hinaustraten.

Zeit für den zweiten Akt.

➴♚➶

"Wie immer ein massives Danke für eure Unterstützung bei der Aufklärung meines Mordes. Ist wirklich zu gnädig von euch." - Dade.

Was denkt ihr: Glaubt Dinah wirklich, dass Constantin seinen eigenen Bruder ermorden würde? Oder wer hätte sonst noch Motiv?

Ich glaube am Montag beenden wir die Geschichte :D
Bis dahin...

Love & Hugs

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