Das Königreich der Geheimniss...

By MorganKingsman

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Dinah wird steckbrieflich für ein Verbrechen gesucht, von dem sie noch gar nichts weiß. (Nicht, dass sie kein... More

1- Alles beginnt (immer) mit einer Leiche
2- Warum man von Drogen abrät.
3- Flucht. Nur eben nicht meine.
4- Bekanntschaft mit der Zweitbesetzung
5 - Nie wieder Wäsche selber waschen.
6- Am Leben. Noch.
7- Exil ist die Antwort auf jedes zweite Problem
8- Mord, die Antwort auf alles andere.
9- Barbarisch. Sogar für meine Verhältnisse.
10- Höfische Sitten
11- Tue nett.
12- Mord im Schlafrock
13- Meuchelmörder im Schlafrock
14- Wir planen einen Ausbruch
15- Tänze und andere Regelverstöße
16- Tatsächliche Detektivartbeit
17- Der Inseluntergang ist nicht einmal mein größtes Problem
18- Die Katastrophe geht weiter
19- Hilfe aus dem Hintergrund
20- Briefe in der Nacht
21- Es ist nicht das, wonach es aussieht.
22- Hilfe ist Definitionssache
23- Wie wichtig muss man sein, damit es Attentat heißt und nicht Mord?
24 - Weniger glückliche Wiedersehen
25- Sex und Monster.
26- Ich bin dagegen. Egal gegen was.
27-Audienzen und andere Krankheiten
28- Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen.
29- Es war nicht genug Glaube für alle da.
30- Im Territorium der Gärtner
31- Oh, ich renne sowas von nicht fort. Wirklich.
32- Alles wäre einfacher, wenn ihr mich vorher fragen würdet.
Lesenacht Teil 1: Erinnerungen an Vater
Lesenacht Teil 2- Im Wohnzimmer der Toten
Lesenacht Teil 3: Vertrauen, oder der berechtigte Mangel davon.
37- Der Teil mit den Auftragsmördern
38- Der nächste Schritt
39- Es hätte so schön sein können.
40- Flieh, du Narr.
41- Sprich mir nach: Wir schicken keine Assassinen.
42- Geständnisse.
43- Grausame Wunder
Epilog
Tiiiimee toooooo say Goodbyyyyee.

Lesenacht Teil 4- Warum nicht von einer Klippe springen?

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By MorganKingsman

➴♚➶

           ‚Ohne ihn kann ich nicht für deine Sicherheit hier sorgen.' Die Nervenenden in jeder meiner Hände prickelten, als ich sie bewusst auf die Lehnen meines Throns legte. Selbst mit Dara Sareis Unterstützung war ich zwei Mal beinahe umgebracht worden. War ich bereit für neue Versuche? In meinem Augenwinkel richtete sich Constantin auf, als sie den Angeklagten erneut hereinführten. Oder hatte Dara Sarei es als Drohung gemeint? Vielleicht sogar gegen Constantin? Oder Caridad?

Der war inzwischen aufgewacht und beobachtete die Situation vom Rand seines Sitzplatzes, die Ellenbogen auf seinen Knien aufgestützt.

Auch die Familien der Opfer saßen noch dort, wo sie vorher gewartet hatten. Sie sahen verunsicherter aus, als vor meiner Pause. Als spürten sie die Veränderung in der Luft. Die Zweifel, die meinen Verstand umtrieben.

Ich erhob mich so ruckartig, dass einige von ihnen von der Bewegung zusammenzuckten. Neben mir tat Constantin es mir gleich, jedoch deutlich ruhiger und selbstbewusster. Er warf mir einen kurzen Seitenblick zu und... grinste?

Ich drehte mich vollständig um, nur um sicher zu gehen. Aber ich hatte mich nicht getäuscht. Er stand neben mir, als hätte er den besten Platz zu einem Theaterstück erhalten, das sich jeden Moment in ein Blutbad verwandeln würde. Und er war fest entschlossen es zu genießen. Er hatte das Große Grauen auf seine Bevölkerung losgelassen und war niemand, der das Chaos nicht zu schätzen wusste.

Vorausgesetzt ich enttäuschte ihn nicht.

Und mehr brauchte ich nicht.
In knappen Worten verkündete ich mein Urteil: Weitere und andauernde Ausgleichszahlungen an die Familie und die medizinische Kastration des Mannes. Für ihn würde es keine weiteren Vergewaltigungen geben. Sollte er dieses Urteil nicht annehmen, stand es ihm frei, den Rest seines Lebens in den Pessel- Mienen von Keltar zu arbeiten.

Mit jedem Wort floss auch meine Kraft aus mir heraus. Ich hatte das Gefühl eine Tür zuzuschlagen, die stets wie eine Fluchtmöglichkeit für mich offen gestanden hatte. Eine mögliche Rettung. Ich verlor den einzigen Verbündeten, der wusste, wer ich wirklich war. Was ich getan hatte, um hier zu sein.
Die Tränen brannten hinter meinen Lidern, doch ich zwang sie zurück.
Ich sah während meines Urteilsspruchs kein einziges Mal zu Dara Sarei, doch er holte mich ein, kaum da ich den Saal nach einer gefühlten Ewigkeit wieder verließ.

Die Panik schlug ihre Krallen in meinen Rücken wie ein Raubtier.

„Das war ein Fehler, Dinah. Ein großer Fehler!"

Ziemlich sicher, dass ich mich gleich übergeben musste oder in die Knie gehen würde.
Er sah wütend aus. Aufgebracht. Wie ein Riegel vor meiner Fluchtmöglichkeit.

Er beeilte sich so sehr, zu mir zu kommen, dass ihm entgangen war, dass Constantin direkt hinter mir stand. Wie ein drohender Schatten baute er sich neben mir auf.
„Kein so großer Fehler wie Eurer, solltet Ihr noch einmal meine Frau bedrohen. Ich habe da eine sehr kurze Geduldsschnur und der Weg hinunter aufs Festland kann viel schneller gehen, als Euch lieb ist."

Die Sehnen in Dara Sareis Fingern arbeiteten, so fest umklammerte er seine Hände. Der Blick wanderte von dem König zurück zu mir und eröffneten für mich ein Fass bodenloser Enttäuschung. All seine Arbeit umsonst. Sein Vertrauen in mich verloren. Da war Angst. Er hatte Angst um mich. Aber er sprach sie nicht aus.

„Ich kann keine Ausnahmen in der Gerechtigkeit machen", erwiderte ich dünn, ausgehöhlt von den unterschiedlichen Gefühlen in meiner Brust.

Senator Dara Sarei verbeugte sich lediglich.
„Wenn Ihr mich entschuldigen würdet. Andere Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit."
Und noch bevor Constantin oder ich etwas erwiderten, eilte er den Gang hinunter.

Seine hallenden Schritte gaben mir den Rest. Mit meinem ganzen Gewicht lehnte ich mich an Constantins Schulter. Er fing mich sofort auf.
„Schaffst du es bis zu unseren Gemächern, oder soll ich dich tragen?", ein leises Lachen schlich sich in seine Worte.

Ich schüttelte den Kopf, was keine wirklich eindeutige Antwort war, doch ich wollte mich auch nicht bewegen.
„Ich habe ihm mit all meinen Rechtssprüchen vertraut", gestand ich atemlos, der Schock wie ein Amboss auf meiner Brust, „Und ich kann nicht aufhören, mir vorzustellen in wie vielen er mich zu seinen Gunsten manipuliert hat." All die Zeit hatte ich gedacht, dass ich gerecht wäre. Eine gute Richterin für das Volk und vielleicht- ganz vielleicht sogar- eine passable Königin. Aber so gesehen war ich nur eine gute Königin für die Sache der Ke-enen gewesen.

Constantin hüstelte und ich wusste sofort, was jetzt kommen würde. In einem Aufflammen von Ärger richtete ich mich wieder auf.
„Wage es ja nicht zu sagen: Ich habe dich gewarnt!"

Mein Zorn belustigte ihn sichtlich. Schmunzelnd hob er die Hände.
„Das würde ich niemals tun. Aber nur damit das Protokoll stimmt: Ich habe es definitiv erwäh- autsch."
Meine Faust traf seine Schulter und er ließ die Arme fallen. „Komm, ich weiß etwas, das dir helfen wird."

Allein durch seinen kleinen Kommentar fühlte ich mich bereits besser, hob jedoch kritisch eine Augenbraue: „Das ist hoffentlich kein abgelegener Ort, wo du mich dezent entsorgen wirst."

Er lachte lediglich, was mir nicht unbedingt Mut machte.

Richtig unruhig wurde ich allerdings erst, als er mich von den mir bekannten Wegen durch den Garten fortführte. Bisher hatte ich eine grobe Vorstellung gehabt, wo er hinwollte. Er hatte an das Ende der Anlage geführt, bis zu dem Weg, den ich schon einmal mit Caridad hinunter zum See gestiegen war. Doch anstatt zwischen den Bäumen den Abstieg zu beginnen, war er über den Rasen zu einem deutlich versteckteren Trampelpfad gelaufen.

Auch hier ging es in sich schlängelnden Bewegungen zwischen den Bäumen den Abhang hinunter, doch niemand hatte sich die Mühe für Lichter oder Stufen gemacht. Constantin musste mir wiederholt die Hand reichen, um über um gefallene Bäume zu steigen oder höhere, natürlich vorkommende Stufen herunter zu springen. Doch schließlich stoppten die Bäume um uns herum und entließen uns auf einen kleinen, dreieckigen Vorsprung.

Der Vorsprung selber war nicht groß. An der langen Seite hätte man drei Pferde hintereinanderstellen können, doch ich wagte zu bezweifeln, dass man sie auch problemlos wenden könnte. Der Abgrund kam schlagartig und gab die Sicht auf einen mir nicht unbekannten See frei und dessen sandiges Ufer.

Vorsichtig folgte ich Constantin aus der vermeintlichen Sicherheit der Bäume. Ich hatte keine Höhenangst, doch der Wind frischte hier auf und zupfte und zerrte an meiner Frisur. Ein Schwarm kleiner Vögel erhob sich neben mir aus einem Busch und stürzte sich in die Tiefe, die bestimmt fünfzig Dreisen maß, ehe sie prompt mitten im See endete.

Von hier aus sah ich Ausläufe der Stadt, hinter deren Häusern die Sonne bereits Anstalten machten sich dem Horizont zu nähern. In der anderen Richtung lagen der Wasserfall und ringsum die gezackten Klippen, übersäht von widerstandsfähigen Bäumen.

Constantin beobachtete mich.
„Früher- selbst noch vor meiner Zeit wurden hier Gleiter-Duelle ausgeführt. Die Winde um uns herum werden in dem Kessel gefangen und ermöglichen mehrere Minuten lang, in der Luft zu bleiben. Wer bis dahin seinen Gegner zu Fall gebracht hatte, hatte gewonnen." Er sah beinahe sehnsüchtig aus.

Ich trat näher an den Abgrund heran. Und tatsächlich, der Wind um uns herum blies nach oben. Zu unserer Linken und Rechten war der Strand leer, doch ich sah die Öffnung zwischen den Bäumen, zu der der Weg hoch in den Palast führte.

Constantin trat neben mich, einen selbstzufriedenen Ausdruck zur Schau tragend.
„Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf das dahinten lenken dürfte?" Er deutete auf die V-förmige Öffnung der Klippen, durch die ich die Stadt gesehen hatte. Ein blaues Band schlängelte sich hindurch.
„Ich habe angeordnet eine Wasserbrücke zur Hirne zu schlagen, um den Wasserstand des Flusses aufzufüllen", er gestikulierte zu dem entfernten Wasserfall, „Seit zwei Tagen läuft das Wasser jetzt von dort, durch unseren See in den Fluss und in die Kanäle unserer Stadt", seine Augen kehrten zu mir zurück und wärmten mich von innen auf, „Und alles dank dir."

Ich wollte ihn umarmen. Es war eine ganz andere Seite, die er hier zeigte. Ein anderer Wesenszug, der unter dem stetigen Strom an Sarkasmus und Ärger begraben wurde.
„Die Leute werden dich dafür lieben."

Doch er schüttelte den Kopf.
„Es war vielleicht mein Befehl, aber sie werden schrecklich schlechte Lieder darüber dichten, wie ihre Königin die Diener Des verprügelte, nur um an Wasser für ihr Volk zu kommen. Hoffen wir, dass sie dich nicht namentlich erwähnen und der Primus einen anderen Zirkel an unserer statt aus dem Firmament holt."

Und da war er wieder. Der vertraute Constantin. Doch dieses Mal steckte sein Humor mich sogar ein bisschen an. Außerdem war ich zu müde, um mich jetzt noch mit ihm zu streiten. Stattdessen lehnte ich mich nach vorne, um einen besseren Blick nach unten zu bekommen und schauderte unwillkürlich.

„Caridad und ich haben uns früher gegenseitig herausgefordert zu springen."

Ich zog mich prompt zurück. Das war eine bescheuerte Idee, wenn ich jemals eine gehört hatte. Aufwind hin oder her.
„Ist das Wasser überhaupt tief genug?"

„Ich habe es schließlich überlebt. Obwohl mein Vater das beinahe geändert hätte, als er davon erfuhr."

Natürlich war er gesprungen. Ein jüngerer Constantin, der mit den Geschichten der Gleiter-Duelle aufgewachsen war. Und ein König, dem die Bediensteten berichteten, dass sein Erbe in seiner Freizeit von Klippen sprang.
„Forderst du mich gerade heraus, ebenfalls zu springen?"

Er verschränkte grinsend die Arme vor seinem Oberkörper.
„Natürlich. Wenn du mir vertraust."

Super. Ich sollte mich zwischen ihm und meinem menschlichen Verstand entscheiden?
„Und wie soll mir das helfen?"

„Überlagern der Erinnerungen", erklärte er in selbstverständlichem Tonfall, „Du sollst diesen Tag nicht behalten als ‚Der Tag, an dem Dara Sarei mir ein Messer in den Rücken rammte'. Besser du denkst an ihn zurück als ‚Tag, an dem ich von einer Klippe gesprungen bin, als wäre ich fünfzehn und so hohl wie unsere Flugballons'."

Na wenn er das so formulierte...
„Gut." Und ohne die Augen von ihm zu nehmen, begann ich mein Mieder aufzuknöpfen. Wenn er dachte, er könne mich mit seinen Herausforderungen nervös machen, hatte er sich getäuscht. Ich hatte bereits zu viel von ihm gelernt. Mein Überrock und mein Unterrock folgten, bis ich nichts mehr, außer meiner Unterwäsche trug.

Und in alter Form nahm Constantin seinen Blick nicht von mir. Er hielt seine Augen auf mein Gesicht fixiert und grinste lediglich schief. Ein Machtspiel der anderen Art.
„Diese Wette gefällt mir jetzt schon zehn Mal mehr, als mit meinem Bruder."

Der Wind fuhr mit seinen langen Fingern über meine Haut, aber ich fröstelte nicht. Ganz im Gegenteil: Ich brauchte dringend Abkühlung. Constantin gab mir mit seiner Aufmerksamkeit ein beflügelndes Gefühl an Macht, das wie Feuer durch meine Adern fraß und alles in seinem Weg in Flammen setzte. Als hätte ich die Kontrolle, welchen Pfad dieser Moment einschlagen würde. Als wäre ich ihm wahrlich ebenbürtig.

Das wurde lediglich erschüttert, als hinter ihm Caridad zwischen den Bäumen hervorbrach, die Arme wild rudernd. Seine Haare standen verschwitzt von seinem Kopf ab und seine Kleidung war verrutscht. Er war hierher gerannt, aber es war nicht der erste Ort, an dem er nach uns gesucht hatte. Hektisch sah er von seinem Bruder zu mir und schlug sich prompt die Hand vor die Augen. Doch die satte Röte bedeckte bereits sein komplettes Gesicht. Mit der anderen Hand zeichnete er eine eindeutige Frage in die Luft.

Constantin schenkte ihm seinen unschuldigsten Ausdruck absoluter Erheiterung. Sein Bruder, der schon so viele Damen des Hofes in ihrer Unterwäsche gesehen hatte, wurde tatsächlich rot.
„Ich habe sie herausgefordert zu springen, was denkst du denn?"

Mit einem Ruck riss er die Hand wieder herunter. Ganz gleich was Caridad gedacht hatte, diese leichtfertig getroffene Aussage war nicht, was er erwartet hatte. Die Röte veränderte ihre Farbe, begleitet von aufgebrachten Handbewegungen. Und als die nicht mehr ausreichten, krächzte er sogar.
„Seid ihr Zwei verrückt geworden?"

Ich verstand nicht, doch Caridad sprach bereits weiter:
„Woher willst du wissen, ob der Wasserstand bei deinen Experimenten nicht gefallen ist? Oder ob die Winde noch stark genug sind, um euren Fall zu dämmen? Sie könnte dabei sterben und was hast du dann gewonnen?" Ein kräftiger Husten schüttelte ihn, doch trotz der schmerzhaften Rauheit seiner Stimme fuhr er fort, „Wie kannst du so gedankenlos mit ihr umgehen?"

Er schaffte es tatsächlich, dass sie bisher entspannte Haltung seines Bruders sich wieder auflöste. Ich war für sie in den Hintergrund geraten, obwohl es um mich ging.
„Gedankenlos? Sie ist nicht irgendeine zarte Blume, die du beschützen musst. Wusstest du, dass sie mit Sebastian den Schwertkampf trainiert?"

Caridad warf die Arme in die Luft. ‚Natürlich, ich habe das organisiert.'
„Selbstverteidigung ist eine Sache, aber das hier ist Wahnsinn!"

Das hatte Constantin nicht gewusst. Ein kurzer Moment des Verrats huschte über sein Gesicht.
„Du hast-...?"

Ich sprang von der Klippe.

Das konnte doch keiner ertragen. Sie redeten, als ginge es um mich und mein Wohlbefinden, aber tatsächlich war es nichts anderes, als Besitzansprüche, die niemand von ihnen zu erheben hatte. Punkt. Aus. Ende.

Das ging mir natürlich nicht während des Flugs durch den Kopf. Tatsächlich verfluchte ich in einem einzigen Atemzug mehr Menschen, als ich eigentlich kannte. Ich hatte die Augen fest zusammengepresst, doch die Luft rauschte in meinen Ohren, wie sie an mir vorbeizog. Ihre Berührung jetzt hart und ungnädig. Ich spürte den Aufwind. Den Versuch, meinen Fall zu verlangsamen.

Doch bevor es mir unangenehm wurde, traf ich auf das Wasser und meine Sinne verloren jeden Bezug.

Ich berührte nicht den Boden, aber es war schwierig, mich zu orientieren. Alles prickelte und vibrierte, als habe mich ein Blitz getroffen. Die Eindrücke kehrten mit solcher Macht zurück, dass ich Zeit brauchte, um sie zuzuordnen.

Kälte und Finsternis. Ich begann mit den Beinen zu strampeln, so wie ich es bei Caridad gesehen hatte. Meine letzten Schwimmversuche lagen schon so lange zurück, es war fast ein anderes Leben.

Irgendetwas schlug neben mir ein und wirbelte mich und das Wasser zur Seite fort. Gischt und Dreck pressten sich in meine Nase und rieben ihre rauen Hände über meine Haut.

Panik. Oder zumindest die ersten tastenden Tentakel davon.

Ich riss die Augen auf und sah nichts als Schaum und Wasser. Es brannte in meinen Augen und ließ mich blinzeln. Luft. Ich brauchte sofort Luft. Aber wo war ob-...

Mein hektisches Strampeln wurde von einem Arm unterbunden, der sich von hinten um mich schlang und mich mit sich in eine Richtung zog. Instinktiv ruderte ich wieder mit den Beinen, doch es war schwierig, der anderen Person nicht in den Weg zu kommen.

Mein Puls hämmerte gegen die Innenseite meines Schädels. Die Muskeln meines Oberkörpers waren seit dem Aufprall in ihrer verkrampften Haltung erstarrt und machten es mir schwer mich der Bewegung der anderen Person anzupassen. Mit zunehmender Schwierigkeit sah ich gerade noch, wie das Wasser um uns herum heller wurde.

Kurz darauf durchbrachen wir die Wasseroberfläche.

Ich hatte das Gefühl für Minuten nur nach Luft zu schnappen und gleichzeitig mindestens genauso viel Wasser wieder aus meinem Körper zu husten. Mein Hals brannte wie alles an meinem Körper, doch ein kurzer Blick nach oben ließ jeden Schmerz in den Hintergrund rücken.

Ich bin gesprungen. Und ich habe überlebt.

Mit einem breiten, wenn auch leicht verzerrten Grinsen drehte ich mich zu der anderen Person im Wasser um, die sich als Constantin herausstellte. Seine Haare klebten dunkel in seinem Gesicht und sandten kleine Rinnsale herunter. Er hatte sich zwar die Mühe gemacht seine Weste auszuziehen, doch sein Hemd war sicherlich nach dieser Eskapade ruiniert. Mit einer Hand hielt er mich an der Hüfte fest, dass ich nicht forttrieb, aber ansonsten schwamm ich selbst.

„Das war der Wahnsinn!", strahlte ich ihn stolz an. Das war ein verdammt beeindruckender Abgang gewesen! Also wenn jetzt niemand Lieder über mich schrieb...

Mit der Rückseite seines Arms schob Constantin seine Haare aus der Stirn und brachte seine amüsiert funkelnden Augen zum Vorschein. Mit einem Wink ließ er mich los und schwamm in seichteres Gewässer, wo wir beide stehen konnten.

Über uns sah ich gerade noch, wie Caridad von dem Vorsprung verschwand und zum Palast zurückging. Ich würde später mit ihm darüber reden. Das Licht der sinkenden Sonne reflektierte sich von dem schwarzen Stein ab und ließ sie orangenen Farben schimmern.

„Und? Wie fühlst du dich?", fragte Constantin. Das Wasser reichte ihm bis knapp unter die Schultern, war an dieser Stelle jedoch klar genug, dass ich einen fast zu guten Eindruck von seinem Körper bekam.

Ich nahm mir ein Beispiel an seiner Methode von vorhin und fixierte mich allein auf sein Gesicht.
„Großartig." Das Grinsen wollte einfach nicht verschwinden. „Lebendig." Und ein klein bisschen unbesiegbar. Mit der flachen Hand spritzte ich Wasser in seine Richtung.
„Ich fühle mich, als könnte ich einen König in die Knie zwingen."

Meine gute Laune machte es schwierig für ihn, sich angegriffen zu fühlen.
„Ach wirklich?" Schon war er untergetaucht und einen Moment später packte mich etwas an den Knöcheln und zog mich ebenfalls unter Wasser.

Ich versuchte mich mit aller Macht an ihm festzuhalten, mich von seinen Schultern abzudrücken, um über Wasser zu bleiben, doch es war vergebens. Schreiend und lachend ging ich unter und musste von ihm wieder hingestellt werden, so glitschig waren die Steine am Boden des Sees.

„Du würdest einen König betteln und flehen lassen. Und was ist dein Plan danach? Den Thron alleine besteigen?" Er wackelte mit den Augenbrauen, seine Arme fest um mich geschlungen. Eine falsche Antwort und wir würden wieder untergehen.

Ich streckte ihm die Zunge raus.
„Mir würde es schon reichen, wenn wir einfach die Plätze an der Tafel tauschen könnten. Irgendjemand klaut immer mein Getränk und ich werde noch verdursten."

Sein Atem streifte mein Gesicht und sandte eine Gänsehaut über meinen Rücken, die ihm einfach nicht entgegen konnte. Er lachte dunkel und ich erschauderte erneut.
„Du bist wirklich gestraft mit einem Linkshänder-König."

Ich nickte kräftig mit und mit einem Seufzen strich ich mir das Wasser aus der Stirn. Dann kam mir ein anderer Gedanke und mein Lächeln wurde lauernd.
„Wenigstens sieht er verboten gut aus. Hast du diese Muskeln gesehen? Schwertkampf hat diesem Körper Wunder angetan."

Egal, was ihm gerade durch den Kopf gegangen war, es stoppte prompt.

Er hätt mich fast losgelassen, zweifelnd in meinem Gesicht nach einer Erklärung suchend und ein feiner roter Schimmer breitete sich auf seinen Wangen aus.

Ich hatte die größte Mühe nicht zu lachen. Erst zitterten meine Mundwinkel, dann verzog sich mein Gesicht. Spätestens als ich mit den Fingern versuchte, meine Miene ernst zu ziehen, erkannte er, was ich getan hatte.

Grinsend spritzte er Wasser nach mir, doch niemand konnte mir den Moment nehmen, in dem ich König Constantin tatsächlich zum Erröten gebracht hatte. Rache. Bittersüße Rache.

„Oh, wenn ich gewusst hätte, dass das der Weg zu deinem Herzen ist, wäre ich schon viel früher mit dir baden gegangen", seine Hände wanderten über meinen Rücken und seine Lider senkten sich. Sein Atem wurde wieder schwerer und er zog die Unterlippe zwischen seine Zähne.

Mein Herz hämmerte stärker gegen meinen Brustkorb. Die Welt um mich herum schmolz im Licht der untergehenden Sonne und ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich fror oder in Flammen stand.

Constantin sah mich an, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Doch der Humor war ihm entflohen und etwas anderes hatte seinen Platz in den zweifarbigen Augen eingenommen.
„Küss mich. Ich flehe dich an. "

Und ohne, dass ich Zeit hatte darüber nachzudenken, kam ich seiner Bitte nach.

➴♚➶



"Spendet Sternchen für einen hart verdienten Kuss"- Constantin. Undercover Meerjungmann. 

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