Das Königreich der Geheimniss...

By MorganKingsman

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Dinah wird steckbrieflich für ein Verbrechen gesucht, von dem sie noch gar nichts weiß. (Nicht, dass sie kein... More

1- Alles beginnt (immer) mit einer Leiche
2- Warum man von Drogen abrät.
3- Flucht. Nur eben nicht meine.
4- Bekanntschaft mit der Zweitbesetzung
5 - Nie wieder Wäsche selber waschen.
6- Am Leben. Noch.
7- Exil ist die Antwort auf jedes zweite Problem
8- Mord, die Antwort auf alles andere.
9- Barbarisch. Sogar für meine Verhältnisse.
10- Höfische Sitten
11- Tue nett.
12- Mord im Schlafrock
13- Meuchelmörder im Schlafrock
14- Wir planen einen Ausbruch
15- Tänze und andere Regelverstöße
16- Tatsächliche Detektivartbeit
17- Der Inseluntergang ist nicht einmal mein größtes Problem
18- Die Katastrophe geht weiter
19- Hilfe aus dem Hintergrund
20- Briefe in der Nacht
21- Es ist nicht das, wonach es aussieht.
23- Wie wichtig muss man sein, damit es Attentat heißt und nicht Mord?
24 - Weniger glückliche Wiedersehen
25- Sex und Monster.
26- Ich bin dagegen. Egal gegen was.
27-Audienzen und andere Krankheiten
28- Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen.
29- Es war nicht genug Glaube für alle da.
30- Im Territorium der Gärtner
31- Oh, ich renne sowas von nicht fort. Wirklich.
32- Alles wäre einfacher, wenn ihr mich vorher fragen würdet.
Lesenacht Teil 1: Erinnerungen an Vater
Lesenacht Teil 2- Im Wohnzimmer der Toten
Lesenacht Teil 3: Vertrauen, oder der berechtigte Mangel davon.
Lesenacht Teil 4- Warum nicht von einer Klippe springen?
37- Der Teil mit den Auftragsmördern
38- Der nächste Schritt
39- Es hätte so schön sein können.
40- Flieh, du Narr.
41- Sprich mir nach: Wir schicken keine Assassinen.
42- Geständnisse.
43- Grausame Wunder
Epilog
Tiiiimee toooooo say Goodbyyyyee.

22- Hilfe ist Definitionssache

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By MorganKingsman

➴♚➶

2 Jahre, 10 Monat und 14 Tage vorher

          Irgendwie und auf beinahe schon magische Weise kam das Gerücht in den Umlauf, das Hungergesetz wäre eine Erfindung des Fidei Defensors gewesen.
Ich nahm es mit einem kleinen Lächeln wohlwollend zur Kenntnis, äußerte mich jedoch nicht weiter dazu.

Richter-Tage waren schrecklich in meinen Augen. Auch wenn die Bediensteten nicht mehr bei meinem Anblick auf dem Absatz kehrtmachten. Caridad sah das als gutes Zeichen.

Ich traf ihn vor dem Senatorensaal mit einem Hund spielend. Seine Haare waren zerzaust und eine Brille mit getönten Gläsern steckte darin. Als er mich sah, richtete er sich sofort auf, um mir eine formvollendete Verbeugung zu präsentieren. Finger wirbelten durch die Luft und ich hätte in meinem eigenen Begrüßungsknicks fast die Bedeutung dahinter verpasst.

Außerdem lenkte mich sein wedelnder Kumpane ab, der sich artig neben sein Herrchen gesetzt hatte.
„Nein, ich weiß noch nicht, wer versucht hat mich zu vergiften. Aber Senator Dara Sarei ist sich sicher, dass nach Constantins Schauspiel die Leute nun vorsichtiger sein werden."
Mit einem leicht dämlichen Lächeln ging ich neben dem Hund in die Hocke.

Er warf sich mit einer Begeisterung in meine Arme, die nur von jahrelanger Vernachlässigung erklärt werden konnten. Sein Schwung setzte mich auf den Hintern und einer der Soldaten machte einen besorgten Schritt nach vorne. Doch Caridad war sofort an meiner Seite und zog mich hoch.
„Belgarde, nein!", krächzte er das gescheckte Tier an, einen Arm um meine Taille geschlungen.

Belgarde hatte von diesem Kommando allerdings noch niiiiiie etwas gehört. Niemals. Nie.
Und weil Caridad sowieso darüber lachen musste, wie der Hund versuchte sich zwischen uns zu drängen, nutzte sie gleich die Chance, um einen vorbeigehenden Mann hinter uns anzukläffen.

Es war Constantin und er sah genervt aus. Heute Morgen vor dem Frühstück hatte es bereits eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen ihm und einigen Senatoren gegeben. Schwer zu sagen, wer am Ende gewonnen hatte, aber am Ende hatte er sich geschickt aus dem Treffen geredet, mit der Begründung, er müsse die Soldaten trainieren. Man hätte beides sicher verschieben können, aber es war augenscheinlich beiden Parteien lieber, wenn er nicht dabei war. Leider forderte das meine Anwesenheit als Pflicht.

Er stockte kurz und musterte uns mit einem langen Blick, überschattet von seinen zusammengeschobenen Augenbrauen.

Caridad ließ mich los, als hätte er sich an mir verbrannt. Ich stolperte von ihm fort, das drohende Gefühl schon wieder etwas falsch gemacht zu haben.
Anklagend deutete Caridad auf den Hund, doch da war sein Bruder schon durch die Tür nach draußen verschwunden.

Ich schluckte gegen die Trockenheit meiner Kehle an.
„Ich... ich sollte..." Unsicher deutete ich auf die schwere Tür zum Anhörungssaal.

Caridad nickte, die Wangen flammend rot und eine Hand im Halsband seiner Begleiterin, die so unschuldig aussah wie ein neugeborenes Kind.
Er deutete ebenfalls rein. Er würde gleich nachkommen.

Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Was war das gerade eben gewesen? Ich war gewiss nicht das einzige Mädchen, das sich mit Caridad unterhielt. Bei den Wolken über und unter uns, ich war noch nicht einmal das einzige Mädchen, mit dem Constantin sich unterhielt! Warum verknotete sich also mein Magen, als befände sich unser Zirkel im freien Fall?

Die Senatoren erwarteten mich im Raum mit der eisernen Stille einer Runde Lehrer, denen der Alkohol ausgegangen war. Es war ein dunkles Zimmer mit tannengrüner Färbung und einem riesigen Gemälde von De auf der Jagd. Ein Hirsch preschte über die gegenüberliegende Wand, in Panik vor dem dreiköpfigen Gott. Ich hatte das Bild inzwischen schon so lange angestarrt, dass ich mit dem Tier fühlte, wann immer ich hier rein kam.

Fidei Defensor Holus- Teil des Rates- war dankenswerterweise nicht anwesend. Seit unserem Zwischenfall mied er das Gelände. Dara Sarei war der Einzige, der mich mit einem Lächeln begrüßte und der Erste, der sich von seinem Stuhl erhob. „Möge immer ein Rest Himmel unter Euch sein." Die Anderen folgten seinem Beispiel und nach einer kurzen Begrüßungsrunde, in der Caridad ebenfalls ins Zimmer schlüpfte, setzten wir uns gemeinsam an den Tisch.

Meine Soldaten positionierten sich links und rechts von meinem Thron am Kopfende. Rein zeremoniell, aber ihre Gegenwart gab mir Sicherheit.

„Gut. Wenn jetzt alle anwesend sind...", begann Senator Duce seine Rede mit vorwurfsvollem Unterton und einem vielsagenden Blick zur Sonnenuhr, „...können wir uns den wichtigeren Themen des Tages widmen."

Moment. Ich setzte mich aufrechter hin.
„Ihr habt ohne mich begonnen?" Unsicher blinzelte ich erst zu Caridad und dann umso schneller zu Dara Sarei. Sicher war das ein Missverst-...

„Ihr seid zu spät gekommen", gab Duce ernst zurück, wenn nicht sogar ein kleines Bisschen trotzig. Nichts, was einem mittelalten Mann mit wachsender Stirn gut stand. Aber ich biss mir auf die Zunge. Diplomatie. Constantin übernahm bereits den hitzköpfigen Teil.

„Drei Minuten", lächelte ich schmal und gestikulierte ebenfalls zur Sonnenuhr, „Sicherlich macht es Euch keine zu großen Umstände für mich die verpassten Themen noch einmal zusammen zu fassen?"

Die Männer, meistens zwei oder drei Dekaden älter als ich, tauschten Blicke. Duce starrte mich an, als wünsche er mich zurück auf die Straßen der Hauptstadt und ein weißhaariger Senator mit Vollbart erhob sich schließlich wieder von seinem Stuhl. Er war ein alter, aus dem Dienst entlassener Ritter, der trotz seines Alters kaum an Muskeln verloren hatte.
„Natürlich Eure Majestät. Es waren keine wichtigen Themen, die für Euch von Interesse sind. Sie bedurften allein männlichem Intelle-..."

Ich legte lediglich den Kopf schief, doch es hatte denselben Effekt, als wäre ich vom Stuhl hochgefahren. Ohne den Blickkontakt zu brechen, beschwor ich den Mann, seine eigene Zunge zu verschlucken.
Jedes Thema ist für mich von Interesse, Senator Menhelles."

Dara Sarei, der bis zu diesem Zeitpunkt die Finger aneinandergepresst hatte, die Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt lächelte stolz und einige der Anwesenden tranken eilig aus ihren Teetassen.

Ich ignorierte sie, meine Augen fest auf dem Kaninchengesicht von Senator Menhelles.
Dieser wünschte sich gerade zweifelsohne, dass ihm jemand zur Seite springen würde und Pois, das jüngste Mitglied mit knapp über dreißig, kam dem nach. Er hatte glänzende schwarze Haare und ein deutlich freundlicheres Gesicht, als er wirklich war.
„Eure Majestät, wir besprachen lediglich die Formulierung eines Briefs an den Primus." Er war ein Vorbild an falscher Höflichkeit, vor der Dara Sarei mich bereits gewarnt hatte.

Ich maskierte meine eigenen rasenden Gedanken mit einem verständigen Nicken.
Briefe an den Primus? Warum bekam ich das Gefühl, dass sie diesen Brief absichtlich ohne mich hatten aufsetzen wollen? Sicherlich wartete der Pilotgleiter bereits mit gepacktem Gleiter auf seinen Absprung.
Auch Caridad sah verwirrt aus, mied jedoch meinen Blick. Die Merkwürdigkeit von eben hing immer noch zwischen uns.

Dara Sarei starrte in Gedanken versunken ebenfalls den Hirsch an.

Ich würde das alleine durchziehen müssen. Meine Hände begannen prompt zu schwitzen, auch wenn dies vermutlich das einzig kühle Zimmer im Palast war.
„Und was ist der Inhalt dieses Briefes, wenn ich fragen darf?"

Schweigen.

Auf einmal sah niemand mehr in meine Richtung, außer Senator Menhelles, der es sich zur Aufgabe machte, mich unter seinem Starren zu schmelzen.
Subtil wischte ich meine Hände am Rock ab und versuchte zurück zu starren.

„Meine Kollegen wünschen, den Primus um seine Unterstützung in einem Streit mit Eurem Mann zu ersuchen", verkündete Dara Sarei schließlich, zurückgelehnt in seinem Stuhl.

Ah. Der Streit von heute Morgen.

Caridad rutschte geräuschvoll auf seinem Sitzplatz herum, jetzt einen anklagenden Ausdruck in die Runde werfend. Doch bevor er sich zu Wort meldete, kam ihm Senator Duce zuvor.
„Es geht um die Steuererhöhungen für die Bewohner der Hauptstadt. Nach Eurem letzten Rechtsspruch, der mehr Soldaten für die Sicherheit im großen Markt vorsieht, brauchen wir mehr Finanzen."

Das war Blödsinn. Caridad gestikulierte etwas Ähnliches, nur nicht so freundlich.
„Vier Soldaten mehr an den Feyentagen der Woche, werden die Krone nicht arm machen", widersprach ich ruhig. Die Leute brauchten Sicherheit, damit sie sich auf den Markt trauten. Und je mehr dort verkauft wurde, desto mehr Geld nahmen wir auch über die Anteilsrechte ein. Dara Sarei und ich hatten einen ganzen Nachmittag gemeinsam gerechnet.

„Es ist nicht nur das Ma'am", mischte sich jetzt wieder Senator Pois mit einem charmanten Lächeln ein, „Uns stehen größere Ausgaben bevor. Unter anderem auch ein Festessen zu Eurem Geburtstag."

Davon hatte ich tatsächlich gehört. Aber das lenkte mich nicht von dem Umstand ab, dass sie es hinter Constantins Rücken durchziehen wollten.
„Liebreizend, dass ihr an mich gedacht habt. Aber wenn Eure Begründungen so einleuchtend sind, warum braucht Ihr die Unterstützung des Primus gegen den König? Normalerweise ist er trotz seines Starrsinns von Logik zu überzeugen."

„Der König glaubt, dass die Ernten dieses Jahr wegen der Hitze zu schlecht ausfallen werden, um das Volk mit weiteren Steuern zu belasten." Das war wieder Dara Sarei, der ganz entspannt die verärgerten Blicke seiner Kollegen ignorierte.

„Absoluter Humbug! Niemand kann das Wetter oder die Ernten vorausahnen", schimpfte Senator Duce.

„De wird es richten. De wird es richten", pflichtete ihm Senator Menhelles nickend bei, „Er hat die Frommen noch nie im Stich gelassen."

Außer natürlich, wenn seine Sonne unseren Boden zu sehr austrocknete und eine ganze Stadt aus dem Himmel fiel. Aber das passierte ja nur den Sündern.

In seinem goldbestickten Wams sah er nicht aus, als hätte ihn De schon jemals im Stich gelassen.
Ich dagegen kannte auch die Kehrseite ihres Gottes. Aber ich war auch nicht fromm. Also konnte ich diesen Punkt nicht offen bestreiten.
„Ich habe auch schon mehrere Klagen der Bauern gehört, dass die Dürre des Sommers den Boden austrocknet. Es fehlt an Wasser und wenn die Ernten ausfallen, müssen wir uns auf die Händler aus den anderen Zirkeln verlassen." Und dafür brauchten die Leute Geld. Viel Geld, um die Luftwege zu bezahlen.

„Aber denkt an das Fest für Euren Geburtstag. Es wird ohne finanzielle Mittel nicht stattfinden", versuchte es Pois erneut, „Mit Eurer Unterschrift unter dem Brief, wird der Primus uns sicherlich unterstützen. Und was würden die Leute über Euch denken, wenn Ihr nicht einmal eine Feier für Euren Jahrestag bekommt?"

„Dass ihre Königin sie lieber satt sieht."
Ich schürzte die Lippen. Als würde ich eine Festivität vor die Bedürfnisse meines Volkes stellen.

Caridad machte eine weitere obszöne Geste und wurde prompt von Senator Menhelles gebeten das Zimmer zu verlassen, wenn er sich nicht an die einfachsten Benimmregeln halten könne. Als Caridad eben dies tun wollte, erhob ich mich ebenfalls.
„Ich werde mich mit dem König über Eure Wünsche zu diesem Schluss unterhalten. Bis dahin erwarte ich, dass sämtliche Themen des Senats auf den nächsten Tag verschoben werden."

Verärgertes Murmeln antwortete mir und Senator Menhelles packte seinen roten Samt-Hut und stampfte aus dem Saal. Pois ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen und fuhr mit beiden Händen über sein Gesicht, ungläubig wie kompliziert ich mich erwies.

Lediglich Senator Duce verschränkte die Arme.
„Wir werden Eure Worte in Erinnerung behalten, während wir unsere eigene Entscheidung treffen. Doch Ihr solltet Euch bewusst sein, dass der König veranlasst hat, Eure Rolle im Rat nach den letzten Ereignissen auf eine lediglich beratende Funktion einzuschränken." Und dann lächelte er. Vermutlich das erste Mal in seinem Leben. Gelbe Zähne reihten sich aneinander wie Goldbarren.

Mir wurde kalt, dann heiß. Constantin hatte was? Ihre Gesichter bestätigten meine größte Sorge. Neben mir starrte Caridad an die Decke, als sähe er sie zum ersten Mal, die Hand bereits nach dem Türgriff ausgestreckt. Er hatte davon gewusst. Ich ballte die Hände zu Fäusten.
„Ich bin die Königin. Er kann nicht-..."

„Wirklich?", Senator Duce ließ sich gemächlich auf seinen Stuhl zurückfallen und streckte die Beine aus, „Was genau ist der Titel für eine Königin, die keinen politischen Einfluss hat?"

Ich sog die Luft ein. Er hatte mich entmündigt? Und so wie die versammelten Männer dreinblickten, rätselten sie bereits alle, welchen Grund es dafür geben musste.
Ich streckte mich unter ihren abschätzenden Blicken und öffnete eine Faust, um meinen Rock glattzustreichen.
„Ich sollte wohl mit meinem Mann sprechen", verabschiedete ich mich glatt und stürzte fast aus dem Raum heraus, bevor ich die Kontrolle verlor. Diplomatie mein Fuß.

Caridad folgte mir aus dem Zimmer. Seine Finger flogen durch die Luft, bevor die Tür hinter uns ins Schloss fiel.
„Es tut mir leid. Ich hätte nicht gedacht, dass sie es-..."

Ich stoppte prompt in meiner Bewegung. Eben hatte ich noch kein anderes Ziel gehabt als aus meinen formellen Kleidern heraus zu kommen. Sie schnürten mich ein und trugen Flecken vom Duces Blick auf sich.
„...gegen mich verwenden würden? Wirklich?" Wie konnte er nur? Teil des betrogenen Gefühls stammte sicherlich daher, dass ich seit dem Vorfall auf dem Dach geglaubt hatte ein Stück näher an ihn heran gerückt zu sein. Aber da lag ich falsch.
„Was glaubst du, was für ein Bild das sendet, wenn er seine eigene Königin entmachtet?"

Mein plötzlicher Zorn musste durch meine Stimme hindurch geschimmert haben, denn Caridad versuchte, den nächsten Satz tatsächlich zu sprechen.
„Dinah, er meint es bestimmt nicht..."

Mehr musste ich nicht hören.
„Bring mich zu ihm."

Caridad zögerte. Dann wieder mit den Händen: „Aber er ist im Training mit den neuen Soldaten." Er sah aus dem Fenster, wo er seinen Bruder gerade vermutete und ich setzte mich sofort in Bewegung. Er folgte mir wenig begeistert. „Glaubst du, dass es eine gute Idee ist, dich mit ihm zu streiten? Wenn du ihn einfach ignorierst, wird er sich irgendwann langweilen und aufhören."

Doch jedes Wort war nur Öl auf dem Feuer in meiner Brust. Ich stieß die Tür zum Garten auf, bevor einer der Soldaten sie für mich öffnen konnte.
„Ich will nicht, dass er mich in Ruhe lässt, weil es ihm langweilig wird. Ich will, dass er mich in Ruhe lässt, weil ich in Ruhe gelassen werden will. Aus Respekt vor seiner Frau. Also entweder bringst du mich zu ihm oder ich finde ihn alleine."

Caridad entschied sich für Ersteres, auch wenn er sichtlich zweifelte, ob er das wirklich wollte. Er bemühte sich noch ein, zwei Mal mich von meinem Vorhaben abzubringen, doch als wir den Trainingshof erreichten, ergab er sich still seinem Schicksal.

Ich sah zuerst den Ring aus Soldaten. Sie schlossen sich um einen Zweikampf, dessen lautes Klingen von Metall auf Metall durch die mittägliche Hitze hallte.
Caridad zögerte nicht und ich raffte meinen seidig-bestickten Überrock und eilte ihm über den sandigen Boden hinterher.

Niemand bemerkte uns. Das Duell in ihrer Mitte hielt die volle Konzentration der Soldaten gefangen. Erst als Caridad einige von ihnen aus dem Weg schob, machten sie uns Platz.
Nicht so die zwei Kämpfenden. Zu meiner Überraschung erkannte ich Constantin. Als Caridad gesagt hatte, er trainiere die neuen Soldaten, hatte ich erwartet, er stünde am Seitenrand und riefe Verbesserungen. Doch jetzt da ich ihn kämpfen sah, war die Vorstellung lächerlich. Und ich verstand, wieso niemand von den Männern den Blick abwandte.

Er war vollkommen in seinem Element. Mit einer atemberaubenden Schnelligkeit duckte er sich unter dem ausgestreckten Schwert des Gegners hindurch und kickte ihn mit einer spielerischen Bewegung seiner Ferse aus dem Gleichgewicht. Kaum da der ins Leere stolperte, sprang der Nächste aus dem Kreis auf ihn zu. Grinsend wank er ihn näher, reizte ihn, als spiele er mit einer Katze.

Für einen kurzen Moment vergaß ich meinen Ärger in seinem Zauber. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, als er in wenigen Paraden seinen Gegenüber entwaffnete und zu Boden warf. Seine intensiven Augen blitzten vor Adrenalin und Staub verkrustete seine Stirn. Aber das erste Mal seitdem ich ihn kannte, sah er wirklich gut aus. Als pulsiere eine fremde Kraft durch ihn hindurch.

Im Vergleich zu ihm sahen seine Gegner aus wie neugeborene Rehkitze, die noch nicht die Kontrolle über ihre Beine gewonnen hatten. Sie hatten ausgezeichnete Technik, vollführten Paraden, die sogar ich kannte, doch er war für sie alle zu schnell. Seine geschmeidigen Reflexe und Schläge hielten sie auf ihren Zehenspitzen. Und die Zuschauer genauso. Da steckte Training dahinter. Und sehr viel Talent.

„Und jetzt stell dir vor, dass er eigentlich Linkshänder ist", gestikulierte mir Caridad verdeckt zu, bemüht, dass niemand sonst unser stummes Gespräch bemerkte.

Eine Armdrehung von Constantin und einer der jüngeren Männer segelte durch die Luft. Sein Aufprall wurde vom Lachen der Anderen begleitet.

Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn von der Seite an. Constantin kämpfte eindeutig mit rechts.
„Warum nutzt er seine schwächere Hand?"
Hatte die Kirche seine Linke wirklich so zerstört, dass er sie nicht mehr gebrauchen konnte?

Meine Frage verwirrte Caridad mehr, als ich verstand. Er deutete zum Himmel, dann ballte er eine Faust.
De hatte keine linke Hand. Es war ein schlechtes Omen.
Auch der nächste Soldat ging zu Boden und Caridad ließ mich wissen, dass es sich hierbei nicht um die Neulinge handelte, wie ich angenommen hatte, sondern um vollkommen ausgebildete Männer. Wer Constantin hier besiegte, durfte das Training der nächsten Wochen übernehmen und damit war eine große Ehre verbunden.

Ich hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, während meine Augen Constantin durch den Kreis folgten. Was hatte er noch gesagt? Wenn sie nur einen Weg finden würden, läge er bereits unter der Erde. Und plötzlich wusste ich, warum er so gut im Schwertkampf war.

Caridad bemerkte, dass er mich noch nicht von seiner Enthüllung abgelenkt hatte und als das nächste Schwert schlitternd vor unseren Füßen liegen blieb, drehte er sich zu mir um. Krächzend rang er sich die Worte ab.
„Du würdest ihn doch nicht verraten, oder? Dieses Wissen ist gefährlich, Dinah, und-..."

Ich bückte mich und hob das Schwert auf. Ein vertrautes Gewicht, das ich behutsam wog, während ein anderer Soldat in den Kreis trat und Constantin attackierte. Er parierte seine Angriffe mühelos, bis sich für ihn ein Fenster bot, in dem er die Attacke umdrehte.
Er holte aus und ich schritt dazwischen.

Der Hieb sandte einen vibrierenden Schmerz durch meinen Arm, nicht unähnlich dem Klirren, das jedes andere Geräusch um uns heraus verschluckte. Aber ich ließ das Schwert nicht fallen. Erinnerungen schwemmten zu mir zurück. An meinen Vater und seine Schmiede.

Constantins Mundwinkel hoben sich.
„Meine Königin, Ihr seid ja voller Überraschungen. Hast du dich verlaufen?"

Neben mir zog sich der andere Soldat wieder zurück, doch dieses Mal lachte niemand. Sie alle starrten mich an, bis ihre Blicke auf meiner Haut prickelten. Doch ich kümmerte mich nur um ein Paar Augen.
Ich war wütend, aber etwas hatte sich verändert.

Die Erinnerung an die Unterrichtsstunden mit meinem Vater kam zu meinen Muskeln zurück, als stünde er direkt neben mir. Fast glaubte ich, den Geruch des Magnolienbaums zu riechen, unter dem er sich mit mir duelliert hatte, um neue oder alte Schwerter zu testen.
In einer Finte lenkte ich die Kraft von Constantins Schwert ab und sandte ihn einen Schritt zurück.

Technik. Nicht nur Muskeln.

Mein kleines Manöver brachte Constantin tatsächlich zum Lachen.
„Beeindruckend. Ich bin mir sicher, diese Paraden sind elementar beim Sticken neuer Kopfkissen."
Er startete eine Gegenattacke und ich hatte kaum eine Chance, mit seiner Geschwindigkeit Schritt zu halten.

„Sie helfen mir auch, in deinen königlichen Hintern zu treten, falls du noch einmal versuchst, deine dämlichen Spielchen mit mir zu spielen", presste ich zwischen zwei harten Atemzügen hervor, duckte mich unter einem weiteren Hieb hindurch und rettet mich auf die andere Seite des Kreises.

Entspannt drehte er sich zu mir um.
„Warum bekomme ich immer Kopfschmerzen, wenn du in der Nähe bist?" Schneller als ich reagierte, griff er erneut an und ich musste zurückweichen. Dabei trat ich auf den Saum meines Kleides und landete so schnell auf meinem Hintern, dass ich nicht einmal mein Schwert festhielt.
Sofort war er über mir und trat es aus meiner Reichweite.

Ich schob den Unterkiefer hervor.
„Du hast mich vor dem Senat entmachtet", spuckte ich ihm förmlich vor die Füße, „Und die wollen dem Primus über eure Steuerstreitigkeiten schreiben."

Ich bekam keine Reaktion.
„Du musst fürchterlich enttäuscht sein, dass dein Geburtstag dieses Jahr kleiner ausfällt aber-..."

„Ich wollte sie aufhalten", fiel ich ihm energisch ins Wort. Wütend funkelte ich ihn an, egal ob ich den Kopf in den Nacken legen musste.

Ein kurzer Moment der Verblüffung zog über sein Gesicht, doch er hatte sich schnell wieder im Griff.
„Ich habe versuche dich zu schützen. Glaub mir, niemand war davon überraschter als ich selbst."

Um uns herum begannen die Männer zu tuscheln und ich richtete mich umständlich wieder auf. Sand kratzte auf meiner Haut. Beschützen mein Fuß.
„Indem du mir meine einzige Möglichkeit nimmst, mich zu verteidigen?"

Er schnaubte, doch ich sprach bereits weiter.
„Vielleicht solltest du deine Partner nicht handlungsunfähig machen, wenn du nicht alleine dastehen willst."

„Nur ein Idiot würde glauben, dass du ohne deine Machtposition wehrlos bist", Constantin verzog seine Lippen zu einem dieser herablassenden, sarkastischen Lächeln, „Zu deinem Glück ist der Himmel voll von Idioten, die jetzt alle weniger Grund sehen dich zu vergiften. Du bist keine Bedrohung, also bist du auch nicht in Gefahr. Ich nenne das Hilfe, bedank dich gerne ausführlich."

„Ich denke, ich verzichte auf deine Hilfe", mühsam kam ich auf die Beine und wäre fast mit seinem Kopf zusammengestoßen. Er und die brennende Sonne thronten über mir wie eine Bedrohung, doch heute zog ich den Nacken nicht ein. Heute nicht.

Constantin rollte die Augen und streckte sich gemächlich, ehe er wieder zu mir herunter blickte.
„Du weißt, ich bin der Erste, der ein Fest ausruft, sollte unser kirchliches Oberhaupt versuchen, diesen Erdhaufen aus dem Firmament zu holen", er grinste schief, „Aber ich habe so meine Sorgen, ob mein Zirkel tatsächlich auch den zerstörerischen Kräften meiner Königin gewachsen ist."

Dieses Mal war es an mir zu schnauben.
„Dann solltest du hoffen, dass ich diese Kräfte nicht gegen dich richte", in einer Lässigkeit, die ich mir von ihm abgeschaut hatte, ging ich zu meinem Schwert im Dreck hinüber und hob es wieder auf, um mich in eine neuerliche Duellier-Pose zubringen. Irgendeiner in diesem Palast hatte versucht mich durch Drogen umzubringen. Constantin war der Einzige, den ich dabei ausschließen konnte. Deswegen- und allein deswegen- war er meine beste Wahl als Partner.
„Es gibt nur zwei Parteien, also musst du dich entscheiden: Entweder kämpfst du mit mir oder gegen mich."

➴♚➶

"Drückt das Sternchen oder ich helfe auch euch gerne." -Constantin, bekommt gerade von seiner Frau gesagt, dass er das nicht so meint und die Leser nicht bedrohen darf.

Habt ihr gesehen? Wir haben ein neues Kleid für die Geschichte :3
(wer es besser sehen möchte, kann das im Coverbuch tun :))

Und? Was sind eure Montagspläne? Ab wann habt ihr frei und vor allem: Was stürzen wir zuerst in wundervolles Chaos? :D 

Feel loved! 

xoxo

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