Die Vertretungstunde Biologie war die letzte Stunde für heute. Lejanas Aufregung war in jeder Minute gestiegen. Und es waren viele Minuten.
Und das Klingeln vervielfachte diese Aufregung noch um ein ganzes Stück mehr. Langsam packte Lejana ihre Sachen ein. Sorgfältig und langsam. Das bisschen Zeit das ihr blieb, benutzte sie zum Runterkommen.
Es war doch nur ein einfaches Treffen mit einem netten Jungen aus der Klasse über ihr. Viel war da doch nicht dabei. Nur ein Treffen. Oder doch ein Date? Lejana war sich nicht sicher. Es könnte fast alles sein. Ein Date, ein Treffen unter Freunden, ein Treffen zum Kennenlernen, einfach ein Akt der Höflichkeit. Alles eben.
Nun hatte sie auch ihren Hefter eingepackt und somit auch alles. Sie schulterte ihren Rucksack und trat langsam nach draußen auf den Flur. Yoongi stand schon da und schien geduldig gewartet zu haben.
"H-Hi", begrüßte sie den Älteren leicht schüchtern und dieser nickte einmal und lächelte sie kurz an. "Wollen wir los?" Lejana schluckte ihre Unsicherheit runter, atmete einmal durch und antwortete mehr oder weniger selbstbewusst: "Gerne." Es war nicht viel, aber es war eine Antwort.
Gemeinsam liefen sie mehrere Treppen nach unten, bis sie schließ bei der Eingangstür der Schule ankamen, welche Yoongi ihr freundlicherweise aufhielt und sie zuerst durchgehen ließ. Lejana bedankte sich nur mit einem Lächeln, aber das reichte wohl, weil Yoongi dies erwiderte.
Sie hatten schon in der Schule nicht miteinander gesprochen. Aber auch hier draußen war es nicht anders. Worüber sollten sie auch reden? Sie kannten sich ja eigentlich nicht.
Doch vielleicht war das ja der Knackpunkt.
Deshalb fasst Lejana einen Beschluss. Sie wollte Yoongi kennenlernen. Denn er schien irgendwie an ihr interessiert zu sein und sie fand ihn ja auch ganz nett.
"Was machst du eigentlich in deiner Freizeit?", fragte sie und sah kurz zu dem, ihr noch eher unbekannten, Menschen hoch. "Nicht viel, und du?"
"Ähm... ich zeichne gerne", antwortete sie etwas verdutzt, weil die Antwort "Nicht viel" eher nichts sagend war.
"Stimmt. Deine Zeichnungen in deinem Zimmer waren schon ein Hinweis darauf." Lejana wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sollte sie jetzt anfangen von ihrem Hobby zu erzählen, sollte sie die nächste Frage stellen oder sollte sie einfach aufhören zu reden?
"Was ist aus dem Bild geworden, was du am Samstag angefangen hattest?" Innerlich atmete Lejana erleichtert aus, weil Yoongi wohl doch über irgendetwas reden wollte.
"Das ist fertig geworden. Noch am Samstag." Yoongi nickte anerkennend. "Deine Bilder sind dir wichtig, habe ich recht? Du sammelst alle, oder?"
Jetzt nickte Lejana. "Ja, das tue ich. Die Bilder die ich zeichne bedeuten mir viel."
"Das glaube ich dir", sagte Yoongi und beide blieben vor einer roten Ampel stehen. "Ich habe auch gesehen, dass du viele Bücher in deinem Zimmer hast. Du scheinst auch viel zu lesen."
Die Ampel schaltete auf Grün und beide liefen schnell auf die andere Seite. "Ja, ich liebe das Lesen. Ich lese nicht nur fiktionale Geschichten, sondern auch gerne mal Sachbücher oder dergleichen. Wenn mir sehr langweilig ist, lese ich auch unsere normalen Schulbücher."
Yoongi fand ihre Aussage sehr komisch. "Da muss dir aber sehr langweilig sein, wenn du freiwillig in deiner Freizeit unsere Schulbücher anfasst."
Lejana kicherte. "Nein, überhaupt nicht. Ich lerne auch gerne für die Schule. Oft verstehe ich nicht, wie jemand lieber an seinem Computer sitzt, anstatt Hausaufgaben zu machen oder zu lernen."
Yoongi verstand das Mädchen neben sich nicht ganz. Er lernte auch kaum für die Schule, machte hier und da mal seine Hausaufgaben und stand trotzdem nicht schlecht in der Schule. Lernen tat er nur für wirklich wichtige Sachen. Und das reichte wohl auch.
"Aber ich finde, wir sollten nicht weiter über Schule reden. Immerhin kamen wir gerade von da", sagte Lejana und Yoongi stimmte ihr zu. "Das sollten wir definitiv. Schon ne Ahnung, welche Sorte du nehmen wirst?", wechselte er das Thema.
"Vanille und dazu noch Keksstückchen. Diese Kombination liebe ich. Und welche Sorte nimmst du?" Yoongi überlegte. An sich hatte er keine Lieblingssorte. Aber von weitem sah er schon die Eisdiele und dahinter den See, wo sich niemand befand.
"Das entscheide ich spontan", antwortete er dann.
Bei der Eisdiele angekommen hielt Yoongi ihr wieder die Tür auf. Beide kauften sich ein Eis in der Waffel. Lejana Vanille mit Keksstückchen und Yoongi einfach Schokolade ohne irgendeinem Zusatz. Natürlich hatte Yoongi das Eis bezahlt. Lejana bedankte sich dafür und fragte, ob sie ihr Eis draußen essen wollen würden. Yoongi bejahte die Frage und beide verließen die Eisdiele.
Lejana führte den Älteren zu dem kleinen Holzsteg dort am See. Die beiden liefen ans Ende des Stegs und setzte sich dort hin, wobei sie ihre Beine übers Wasser baumeln ließen.
Während die beiden ihr Eis aßen, schwiegen sie. Aber auch nachdem sie fertig waren, sprachen sie nicht weiter. Beide sahen sich einfach den schönen ruhigen See an.
Lejana fand dieses Treffen aber nun gar nicht mehr so schlimm. Yoongi war wirklich nett, auch wenn er ihr manchmal leicht rätselhaft erschien. Aber das machte ihn auch so interessant. Viel interessanter als andere Jungen, die sie kannte.
Sie fragte sich, weshalb sie eigentlich so nervös gewesen war. Yoongi hat einen tollen Charakter und sie könnte sich nicht vorstellen, dass er jemals etwas Böses tun könnte. Und wenn sie ehrlich war, dann sah er in ihren Augen sogar gut aus. Aber eher mehr als gut.
Auf einmal stand Yoongi vom Steg auf. Lejana schaute zu ihm hoch und sah, dass er ihr eine Hand hinhielt. Etwas überrascht von seiner freundlichen Geste, nahm sie die Hand an und ließ sich hoch helfen.
Als sie aufgestanden war, ließ Yoongi ihre Hand noch nicht sofort los. Sein Blick ruhte ein paar Augenblicke lang auf ihren Händen, bis er sie schließlich doch losließ. Dann sah er ihr in die Augen. Lejana verlor sich fast in seinen wunderschönen braunen Augen.
Als Yoongi bemerkte, dass Lejana vor sich hin träumt, legte er seinen Kopf leicht schief. Unbewusst tat sie es ihm gleich. Yoongi konnte nicht anders als aufzulachen. "Du bist echt süß, weißt du das?", fragte er und machte sich auf, den Steg zu verlassen.
Lejana hingegen fragte sich, ob sie sich verhört habe. Er hatte sie süß genannt. Röte stieg in ihr Gesicht und gleichzeitig musste sie anfangen zu lächeln.
Schnell lief sie dem Jungen mit dem blonden Haar hinterher, bis sie ihn eingeholt hatte. Er sah sie kurz an, als er sie bemerkte und lächelte selbstsicher, als er ihr schüchternes verlegendes Lächeln bemerkte.
"Soll ich dich noch nach Hause bringen?", fragte er, sein Blick wanderte wieder zurück zu Lejana. Sein Kopf war weiterhin geradeaus gerichtet.
"Du musst nicht. Wenn es nicht auf deinem Weg liegt, kann ich auch alleine gehen. Ich weiß ja, wo ich wohne." Yoongis einzige Antwort darauf war es, zu seufzten. Lejana verstand nicht, was das bedeuten sollte, aber sie folgte dem Älteren einfach.
Nach einer Weile bemerkte sie, dass sie dort ganz in der Nähe wohnte. Also brachte Yoongi sie doch nach Hause? Das fand sie sehr lieb von ihm.
Tatsächlich begleitete er sie bis vor die Haustür. Doch dann stellte Yoongi eine Frage, die für Lejana etwas überraschend war. "Darf ich vielleicht mit reinkommen? Bei mir zu Hause ist nichts los und deine Bilder würden mich interessieren."
Lejana wusste nicht, was sie sagen sollte. Klar wollte sie noch Zeit mit Yoongi verbringen, aber Leona- Sie brach diesen Gedanken ab. Denn Leona war bestimmt bei Jimin. Und ihre Eltern kommen erst in ein paar Stunden zurück.
Also nickte sie langsam mit ihrem Kopf und drehte sich dann um, damit sie die Tür aufschließen konnte. Die beiden zogen ihre Schuhe aus und Lejana fragte, ob Yoongi etwas trinken möchte. Doch dieser winkte ab.
"Wollen wir nun in mein Zimmer gehen?", fragte sie, aber etwas Unsicherheit war in ihrer Stimme. Immerhin wollte Yoongi sich ihre Bilder ansehen. "Natürlich. Ich bin nicht nur hier, um mit dir Zeit zu verbringen, ich würde auch gerne etwas über dich lernen."
Dieser Satz brachte sie auch zur Verwunderung. Aber sie nickte nur ganz langsam mit dem Kopf und führte ihren Gast dann die Treppe hoch in ihr Zimmer.
Während Lejana die Zimmertür schloss, betrachtete Yoongi das Bild von Samstag, welches noch auf dem Tisch lag. "Das ist wirklich schön geworden. Du hast Talent."
Die Künstlerin des Bildes freute sich über Yoongis Aussage und stellte sich neben ihn, um sich ihr Bild auch noch mal anzusehen. Es war nicht das beste, aber es war schon schön. Den Farbverlauf des Rot-Tons hatte sie toll hinbekommen.
"Darf ich auch mal etwas malen?", fragte der blonde Junge aus dem Nichts. "Ähm... J-Ja, klar. Natürlich darfst du das. Warte kurz."
Lejana suchte schnell ein paar Stifte zusammen und dann ein Blatt Papier. Yoongi bedankte sich bei ihr, setzte sich an den Schreibtisch und begann zu zeichnen.
Eigentlich wollte sie ihn nicht alleine in ihrem Zimmer lassen, aber sie musste auf Toilette. Da sie Yoongi aber definitiv vertraute sagte sie: "Ich bin gleich wieder da, ja?" Yoongi, der immer noch seinen Blick auf dem Blatt hatte, nickte.
Lejana verließ ihr Zimmer und ging auf Toilette. Dazu sah sie noch in den Spiegel, bevor sie in ihre Zimmer zurück ging. Ihre langen schwarzen Haare waren ein wenig durcheinander, aber sonst sah sie ganz okay aus. Wie immer halt.
Mit diesem Gedanken verließ sie das Badezimmer und wollte gerade ihr Zimmer betreten, als die Tür aufging und Yoongi ihr entgegen kam. "Es tut mir leid, dass ich das jetzt sage, aber ich glaube, ich muss zurück nach Hause. Meine Mutter bringt mich um, wenn ich nicht bald zu Hause bin. Ist das okay für dich?"
Lejana brauchte einen Moment, bis sie verstand, was Yoongi ihr mitgeteilt hatte. "Natürlich, es ist zwar schade, dass du jetzt gehst, aber ich will auch nicht, dass deine Mutter dich umbringt."
Yoongi lächelte sie an. "Danke, du bist echt die Beste", sagte er und tat etwas, das Lejana nicht erwartet hätte. Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Ich finde allein raus. Wir sehen uns in der Schule" waren seine letzten Worte, bevor er die Treppe nach unten ging und eine völlig überforderte Lejana oben zurück ließ.
Yoongi hatte sie gerade geküsst. Auch wenn es nur auf die Wange war. Doch wieso? Sie waren doch kein Paar oder so. Eine Umarmung wäre schon seltsam gewesen, aber das? Das war mehr als merkwürdig. Genau wie ihr deutlich verschnellerter Herzschlag.
Sie fand ihre Fassung wieder, als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte. Immer noch etwas perplex betrat sie ihr Zimmer und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. Dabei geriet das Bild von Yoongi in ihr Blickfeld.
Er hatte versucht den See und dessen Umgebung von heute zu zeichnen. Eigentlich sah das sogar ganz gut aus, aber etwas anders war der Blickfang an diesem Bild. Nämlich die Handynummer am unteren Rand des Bildes.
________________
1757 Wörter
Endlich mal etwas Spannung. Das ist bis jetzt mein Lieblingskapitel. Und ich hoffe, es hat euch gefallen. Vielleicht ist es ja auch euer Lieblingskapitel.
~🌹LY🌹~