ℓℴ𝓋ℯ 𝑚𝑒 𝚛𝚒𝚐𝚑𝚝

By Loumouse

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Als Juli ihren Seelenverwandten findet, weiß sie sofort: er ist der Richtige für sie, aber sie nicht die Rich... More

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Nachwort 1&2
Sorry not sorry

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By Loumouse

𝐈𝐜𝐡 sitze gerade in der Küche und lausche dem plärrenden Radio, als meine Schwester, sich die Haare bürstend neben mir auftaucht und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Eine Weile beobachte ich sie fasziniert.

Ihre samtweichen Haare, die wie flüssige Schokolade glänzen, fallen ihr fast bis zum Bauchnabel, während meine beinahe jeden Tag wieder ziemlich fettig sind.

In unserer Familie haben eigentlich alle braune Haare, oder mittlerweile sogar schon graue, aber meine rotblonden, eigentlich orangefarbenen Haare, fallen nicht nur auf Familienfotos, sondern auch überall sonst auf.

Mit zwölf Jahren hatte ich auch noch so lange Haare wie Marea, aber da waren sie auch sehr dünn und ich hatte keine Lust mehr, meine Abende und Morgende damit zu verbringen, mir gefühlt die Hälfte der Haare vom Kopf zu bürsten, bis alles ordentlich und alle Knoten entfernt waren.

Danach tat mir die Kopfhaut jedes Mal wegen der Reizung, der Bürsterei, schmerzhaft weh.

An einem Freitag nach dem Sportunterricht, bin ich, ohne weiter darüber nachzudenken, zum nächsten Friseur gegangen und ließ mir dort die Haare kinnlang schneiden.

Über all die Jahre, habe ich meine Haare nie länger, als bis zur Schulter wachsen lassen.

Bereut habe ich es bis heute nicht.

Meine Mutter hat mich geschlagen, als sie es sah und auch in der Schule ist es nicht sonderlich gut angekommen. Mein Vater hat gelacht, als ich ihn am darauffolgenden Wochenende wieder besuchen durfte.

>>Zieh dein Ding durch und lass dich von nichts aufhalten<<, sagte er damals und ging kopfschüttelnd wieder in seine kleine Werkstatt.

>>Darf ich mir dein blaues Hemd ausleihen?<<, fragt Marea, während sie wieder ins Bad geht.

>>Klar<<, antworte ich und folge ihr, um mich noch ein wenig zu schminken.

Ich tusche meine Wimpern schwarz und ziehe mir einen schwarzen Kapuzenpulli über den Kopf, ehe ich in der Küche das Radio ausschalte. Meine Jeans ist schon total durchgetragen und der Stoff fühlt sich am Hintern und an den Knien ziemlich dünn an. Aber das stört mich kaum.

Im Flur schlüpfe ich in meine grauen Sneakers und schnappe mir meine Schultasche, ehe ich die Haustür öffne.

Marea drängt sich an mir vorbei und tippt auf ihrem Handy rum.

>>Haut ihr schon wieder ab, ohne euch zu verabschieden?<<, ruft unser Onkel und erscheint im Flur.

Marea verdreht die Augen, streckt den Kopf durch die Tür und winkt ihm, ehe sie zur Bushaltestelle läuft.

>>Bis nachher, Judd<<, sage ich mit einem gezwungenen Lächeln und gehe dann auch aus dem Haus und ziehe hinter mir die Tür ins Schloss.

Ich sehe Marea an der Bushaltestelle mit einem Jungen aus ihrer Klassenstufe flirten und wechsle hastig die Straßenseite, weil ich sowieso bevorzugt zu Fuß gehe. Um nicht erkannt zu werden, ziehe ich mir die Kapuze vom Pulli tief ins Gesicht und gehe flott mit gesenktem Blick weiter.

Da ich noch genügend Zeit habe, gehe ich einen kleinen Umweg durch den Wald.

Im Wald riecht die Luft würzig nach Kiefernnadeln, nasser Erde und frischem Laub. Es duftet nach kaltem Herbst. Ein Geruch, den ich nicht anders zuordnen kann. Gestern hat es geregnet und dementsprechend matschig ist der Boden. Meine hellen Schuhe werden dadurch leider ziemlich schmutzig.

Ich fühle mich wohl in dieser Umgebung. Es ist angenehm ruhig. Hier und da zwitschern Vögel, die Zweige unter meinen Füßen knacken und bei jedem Luftzug, raschelt das Gebüsch.

Niemand, der mich stört. Nur die Natur und ich. Es fühlt sich gut an. Es fühlt sich richtig an. Es ist befreiend.

Schneller, als mir lieb ist, endet das kleine Waldstück und ich komme wieder an einer stark befahrenen Straße an.
In vermisse die Stille und die Ruhe jetzt schon.
Der Lärm, den die vielen Fahrzeuge verursachen, bereitet mir Kopfschmerzen.

Wenige Minuten später kommt der Schulhof schon in Sicht und der Duft nach exotischen Früchten und Blumen, der in Massen von den vielen Mädchen überall versprüht wird, treibt mir Tränen in die Augen und nimmt mir fast die Luft zum Atmen. Es fühlt sich, an hätte ich Rauch eingeatmet und dementsprechend werden meine Atemwege schmerzhaft trocken und rau.

Diese Mädchen übertreiben aber nicht nur mit ihrem Deo, sondern auch mit der Spachtelmasse in ihren Gesichtern. Als wären sie ihre Schminke von Karneval nicht losgeworden. Dezent oder natürlich sieht jedenfalls anders aus. Ich kann es gar nicht anders beschreiben. Sie sehen für mich aus, wie weibliche Clowns. Traurige, Mädchen, die kostümiert, durch die Gegend wandeln.

Aber sie würden sich wohl nicht so bunt anmalen, wenn die Typen nicht drauf abfahren würden. Ich habe jedoch den Eindruck, die Jungs nehmen, was sie kriegen und sind dabei offensichtlich recht hemmungslos.

So unauffällig wie möglich, versuche ich an der großen Gruppe vorbei zu kommen, ohne Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen.
Wenn mein Leben nicht so erbärmlich wäre, wie es ist, hätte ich ihnen schon längst die Stirn geboten, aber ich bin leider nicht so mutig und mir fehlt die innere Stärke, um mich zu wehren.

Jenna, eines der Mädchen, das aussieht, wie eine aufblasbare Gummipuppe, stakst wackelig auf ihren Highheels in meine Richtung und sieht dabei nicht sehr gut gelaunt aus. Friert sie denn nicht?

Na super...

Absichtlich beschleunige ich meine Schritte, aber Jenna, das Miststück, zieht die Schuhe im Laufen aus und rennt barfuß weiter.

Bevor ich auch nur in die Nähe der Türen vom Schulgebäude komme, werde ich von hinten gepackt. Jenna hat nach meiner Kapuze gegriffen und dabei auch ein ganzes Bündel Haare in die Finger bekommen, woran sie mich nun ordentlich reißt.

>>Wenn ich dich rufe, hörst du, kapiert?<<, flüstert sie bedrohlich in mein Ohr und ich spüre ihren warmen, ekelhaft feuchten Atem an meinem Hals.

Beinahe muss ich würgen.

Aus Reflex wegen dem Schmerz, schreie ich kurz laut auf und knurre dann wütend. Daraufhin lacht Jenna wie eine Irre und dreht mich um, sodass ich in ihre langweilig braunen Augen sehen muss und ihrem hasserfüllten Blick nicht ausweichen kann.

Um ihr zu entkommen, versuche ich ihren Arm weg zu schlagen, lande aber auf ihrem Push-up-BH, der wohl das meiste federt, denn sie scheint davon nichts mitzubekommen, sondern zerrt mich weiter Richtung Schülermasse, die nach und nach um mich herum größer wird.

Wissend, dass ich mich zurück halten muss, macht mich wütend. Die Lykanergene meines Vaters sind bei mir sehr stark ausgeprägt. Hätte Judd sich nicht meiner erbarmt, wäre ich wohl rudellos geworden, denn mein Vater war mein letztes Rudel gewesen. Das Rudel, jenes Judd von seinem verstorbenen besten Freund und Alphawolf Richard übernommenen hat, vor über zehn Jahren, leitet nun er als stärkster Betawolf. Sobald der nächste Alphawolf geboren wird, muss er es an diesen abtreten. So will es das Gesetz der freien Wölfe.

Zumindest hat mein Vater es mir einmal so erklärt, bevor er starb.

Jenna schubst mich in einen Kreis, den alle anwesenden Schüler aller Klassenstufen um mich bilden.
Hart komme ich zuerst mit den Handflächen und dann mit den Knien auf dem geteerten Boden auf. Der Schmerz brennt höllisch. Die Wunden werden zwar wieder schnell verheilen, dennoch schmerzt es im Moment sehr. Vor allem weil meine Hose an den Knien nun völlig kaputt ist.

>>Seht sie euch an! Hexe!<<, keift Jenna und spuckt nur wenige Zentimeter von mir entfernt auf den Boden.

Ich hasse sie. Dieses erbärmliche Miststück! Ich will sie zerfetzen, sie bluten sehen.

Verdammt, Juli! Reiß dich zusammen!

Das Fleisch in meinen Handflächen beginnt zu heilen und es kribbelt. Ein unangenehmes Gefühl. Aber das gehört nun mal zu diesem überlebenswichtigen Prozess.

All die Stunden der Meditation müssen sich gelohnt haben, konzentrier dich!

Ich versuche mich auf etwas Positives zu fokussieren, aber mir fällt partout nichts ein.

Verdammt!

Einige der Umstehenden lachen, bewerfen mich fiesen Kommentaren und kicken umliegende Steinchen in meine Richtung.

Theo, ein kleiner pickeliger dunkelhaariger Junge aus der Parallelklasse schimpft mich zum wiederholten Male eine Hure. Seine Kumpel lachen darüber.

Lass sie doch! Du bist besser als das hier!

Der Versuch mich an diesen Worten fest zu halten, funktioniert nicht wirklich, aber nach einer Weile werden sie aggressiver und sogar handgreiflich.

Die erste, die sich traut, ist eine magere blonde aus Jennas Clique. Ich glaube, sie heißt Victoria.

Ich spüre diesen Drang mich zu verwandeln und er wird beinahe übermächtig.

Als die Schulklingel zur ersten Stunde läutet, liege ich mit mindestens einer gebrochenen Rippe im Dreck. Ein kleines Rinnsal Blut läuft aus meinem Mundwinkel. Einige meiner Finger sind verstaucht, durch lahme Versuche, sie von mir fern zu halten.

Ich warte, bis alle weg sind, ehe ich erschöpft meine Augen öffne. Ihre Tritte, Schläge und Demütigungen blende ich aus und erhebe mich langsam und vorsichtig, während erneut die Heilung beginnt und finde meine Tasche neben einer der Laternen. So schnell es mir möglich ist, stolpere ich ins Schulgebäude, am Musiksaal vorbei, die linke Treppe hoch, durch die Tür, wieder links und in den ersten Raum an der rechten Seite, des Flurs. Die Tür steht noch offen, was aber nichts heißt.

Frau Rieke sitzt bereits am Lehrerpult, studiert aber scheinbar noch ein paar Krankschreibungen und nimmt glücklicherweise keine Notiz von mir, während ich zügig zu meinem Platz, der in der letzten Reihe direkt am Fenster ist, laufe. Mit einem leisen Knacks setzt sich auch wieder meine Rippe zusammen und bringt ein piekendes Gefühl mit sich.

Ich zische kurz unkontrolliert und krame mein schwarzes Stiftemäppchen, mein Biologiebuch und meinen linierten Collegeblock schnell heraus. Dann beginnt auch schon der Unterricht. Einige aus meiner Klasse werfen mir verächtliche und höhnische Blicke zu.

Frau Rieke lässt uns zwei Seiten über das Auge lesen und danach müssen wir die dazugehörigen Aufgaben lösen. Immer wieder werde ich mit Papierkügelchen oder Stiften abgeworfen. Entweder bekommt Frau Rieke nichts davon mit, oder es interessiert sie nicht. Wobei ich eher von letzterem ausgehe.

Ich bin eine der ersten, die fertig werden und bringe ein paar weitere Kritzeleien in meinen Collegeblock.

Nach fünf weiteren Unterrichtsstunden und zwei weniger angenehmen Pausen geht, werden wir in die Freiheit unseres privaten Lebens entlassen. Wie immer packe ich meine Sachen so langsam ein, dass ich als letzte gehe und niemandem mehr begegnen muss.

Auch Jenna ist schon weg. Ein paar Lehrer überholen mich auf dem Weg zum Lehrerzimmer, als ich wieder am Musiksaal vorbei komme. Da fällt mir ein, dass wir in der dritten Stunde unseren Deutschunterricht dorthin verlegt haben und mir jemand aus der Klasse meine bunten Radiergummis in Blumenformen geklaut hat und sie auf einem der großen Schränke abgelegt hat, an die ich meiner Größe wegen nicht heran kam.

Zu meinem Glück trottet gerade eine der Putzfrauen herbei und schließt den Musiksaal auf.

>>Bitte warten Sie!<<, rufe ich sie und die kleine alte Frau dreht sich zu mir um.

>>Was ist denn?<<, will sie mit stark russischem Akzent wissen.

>>Ich habe etwas vergessen<<, antworte ich kurz angebunden und sie lässt mich vorbei.

Drinnen schaue ich mich erst kurz um. Hinter mir schaltet die Frau das Licht an, welches ich eigentlich nicht brauche, aber das muss sie nicht wissen. Der Schrank, auf dem meine Radiergummis liegen, ist im hinteren Teil und ich klettere über die Tischreihen, um nicht den großen Umweg drum herum nehmen zu müssen. Hinter den Trommeln, rechts neben der Tafel, stehen die gestapelten Stühle und ich nehme mir einen, und stelle ihn vor den Schrank, der links neben der Tafel ist.

Wie Matthias das machen konnte, ohne erwischt zu werden, weiß ich nicht.

Selbst als ich auf dem Stuhl stehe, kann ich noch immer nicht drüber sehen und muss meine kleinen bunten Blumen blind ertasten. Als ich sie endlich finde, steht die Luft nur so vor altem, trockenem Staub und ich versuche meine Lungen frei zu husten.

>>Aber klar. Vergessen hast du was...<<, kommentiert die kleine Putzfrau sarkastisch, die mich herein gelassen hat und schüttelt missbilligend den Kopf.

Ich schäme mich selber und beeile mich, endlich weg zu kommen.

Als ich wieder im Flur ankomme und mich freue, endlich allein zu sein, höre ich plötzlich laute aufgeregte Stimmen. Und sie werden immer lauter. Die Tür zum Schulhof und zur Freiheit ist zu weit weg, also muss ich Richtung Treppe flüchten.

>>Ihr habt nichts in meinem Territorium zu suchen! Kapiert es und verpisst euch oder sterbt!<<, brüllt Markus. Er ist ebenfalls in meinem neuen Rudel. Er und seine merkwürdigen Freunde.

Geknurre, dumpfe Geräusche, jemand stöhnt.

Oh bitte nicht!

Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Markus kommt als neuer Alphawolf in Frage und er ist sehr aggressiv, ebenso seine Freunde. Im Rudel wird er geachtet und auch in der Schule haben sogar die Lehrer großen Respekt vor ihm.

Noch nie bin ich ihm begegnet. Bei Versammlungen des Rudels habe ich ihn stets gemieden. So nah wie heute, war ich ihm noch nie. Und das obwohl ich mich im Treppenhaus in Höhe des ersten Stockwerks befinde und auch nur alles wegen meines ausgeprägten Gehörs verstehen kann.

Stille.

Hoffentlich sind sie weg...

-2114 Wörter

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