Lichterkuss

By Weltenteilerin

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"Wir lebten diese Nacht zusammen." Das Lichterfest, das Fest des Jahres in Lumiere, steht vor der Tür und die... More

Kapitel eins - Vor den Lichtern
Kapitel zwei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs

Kapitel drei

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By Weltenteilerin


Sechs Uhr vierundvierzig, abends

Die Kapelle war abseits von Pago. Frühe hatte es mal eine Kirche beim Marktplatz gegeben, doch die war im Laufe der Jahrzehnte nicht mehr bewohnbar geworden. Man hatte alles bis auf den Glockenturm einreisen müssen. Die Kapelle hingegen war auf einem Hügel erbaut worden, nicht so prachtvoll wie die alte Kirche, aber für uns reichte es. Es war hier sehr ruhig, was das Schweigen zwischen mir und Jocie nur unangenehmer machte.

„Wann denkst du wird es heute dunkle werden?", fragte ich, meine Augen auf die Sonne gerichtet. Noch war sie über den Baumkipfeln und brannte heiß uns auf nieder.
Jocie seufzte lautstark und verdrehte die Augen, antwortete aber:
„Die letzten Tage wurde es erst nach dem neunten Glockenschlag dunkel. Es würde mich wundern wenn es heute anders wäre."

Das dauerte ja noch ewig, dachte ich, behielt den Gedanken aber für mich. Wir erreichten das Ende des Sandweges und standen nun direkt vor der Kapellentür. Ein Besuch der Kapelle gehörte genauso zu dem Lichterfest, wie die Tänze und Musikanten. Auch wenn es über die Jahre ein wenig verwaschen wurden war, so blieb es ein Fest für ‚die Ewigkeiten Götter', wie Bruder Horatio sie nannte.

Horatio, war auch derjenige der uns nun an der Tür in Empfang nahm. Er war ganz wie man sich einen geistlichen Mann vorstellte. Ein wenig in die Jahre gekommen, rundlich und mit Falten vom Lächeln.

„Avelynn, Jocelynn. Es freut mich euch zu sehen." Er umarmte uns beide kurz und musterte uns lächelnd. „Ich sehe ihr seid schon für heute Abend vorbereitet. Nun kommt aber erstmal rein." Zusammen mit den anderen beiden betrat ich die Kapelle. Sofort verschwand das grelle Sonnenlicht und an seiner Stelle nahm ich bunte Lichter wahr. Das niedrige Kuppeldach, bestehend aus leuchtenden Glasstücken, wölbte sich über uns. Die Luft war stickig und ich nahm den Geruch von Kerzenwachs und verbrannten Kräutern wahr. Es beruhigte mein Gemüt und auch Jocie lächelte mir zu.

Außer uns bemerkte ich noch zwei weitere Gestalten. Eine war vorne bei den Kerzen und schien Gedanken nachzuhängen, die andere stand am Rande des Raumes, dort wo die Mauer ins Glas überging. Sie schien hinaus zu blicken. Ich weiß noch, wie es mir merkwürdig vorkam, da man durch das Glas nichts von draußen erkennen konnte. „Es ist ein Ruheort, kein Uhrenglas.", pflegte Bruder Horatio zu sagen.

Auch nun wirkte der Bruder so, als hätte er einige weisen Worte auf seiner Zunge. Statt uns zu belehren, führte er uns jedoch zu dem kleinen Altar. Normalerweise war er recht üppig geschmückt, mit Wildblumen oder –falls Winter war- getrockneten Früchten, doch heute quoll er vor bunten Kerzen beinahe über.

„Soll ich eure Lichter anzünden?", fragte Horatio und deutete auf die Gläser, welche wir in unseren Händen hielten. „Nein danke, wir sind nur hier, um zu gedenken.", erklärte ich. Der Bruder nickte und begab sich wieder hinaus, um uns Ruhe zu geben und andere zu begrüßen. Es gehörte zum Lichterfest dazu, die Kirche –oder Kapelle- zu besuchen und sich einen Moment für sich zu nehmen. Der Glauben der Lichter, befasste sich sehr viel mit Ruhe und Geduld, aber vor allem die Gemeinschaft und Traditionen.

Sachen die uns Halt gegen sollten. Eine Art Fundament.

Joyce und ich setzten uns auf eine Bank und blickten gemeinsam hinauf. Um zu gedenken musste man nicht mehr tun, als sich an einen ruhigen Ort zu begeben und zu glauben. Meine Schwester und ich hatten bereits früh festgestellt, dass es leichter war an etwas ‚Größeres' zu glauben, wenn wir zum Himmel sahen. Iliana hatte es bei ihrer letzten Andacht, bevor sie gegangen war gut in Worte gefasst:
„Es sind die Sterne. Sie machen einen deutlich, wie viel dort draußen noch steckt."

Dass wir in der stickigen Kapelle –und am helllichten Tag- die Sterne nicht sehen konnten, machte uns nicht viel aus. Auch das hatte meine Schwester ausdrücken können: „Zum Glauben gehört dazu, nicht immer alles zu sehen, aber zu wissen, dass mehr dahinter ist." Wenn ich nun so drüber nachdachte, hätte ich Iliana vielleicht häufiger zuhören sollen. Mein Nacken fing an starr zu werden und ich senkte meinen Kopf. Jocie war immer noch vertieft in Gedanken, weshalb ich still neben ihr sitzen blieb.

Die eine Gestalt war bereits wieder aus der Kapelle verschwunden, doch die andere beobachtete Jocie und mich. Durch die Schatten der flackenden Kerzen, konnte ich das Gesicht des Fremden nicht erkennen. Als er meinen Blick bemerkte, drehte er sich jedoch weg und verließ die Kapelle.

„Komischer Kauz.", murmelte ich. Jocie senkte ihren Kopf. Überrascht sah sie zu mir.
„Was?"
„Ach nichts."

Als wir die Kapelle verließen, hatte ich den Fremden bereits wieder aus meinem Gedächtnis gelöscht. Auch wenn Pago ein kleines Dorf war, so kamen für das Fest, viele Bürger aus umliegenden Dörfern, um mit uns zu feiern. Unter all den fröhlichen Leuten, kam es durchaus mal vor, dass einer etwas Fremdartig auf uns wirkte. Ganz zu schweigen, von den Männern, die herkamen nur, um sich mit ihrem Glas besser anzufreunden.

Ich blickte zu Jocie und fragte: „Zur Meile?" Ich schien sie aus einem Gedanken gerissen zu haben, denn es dauerte einen Moment bis sie reagierte. Dann nickte sie schließlich und das altbekannte Lächeln kam zurück auf ihr Gesicht. „Klingt gut." Das Lächeln wurde plötzlich zum Grinsten. Dann ohne Vorwarnung griff sie meinen Arm und stürmte mit mir im Schlepptau den Hügel hinunter. Lachend versuchte ich hinterher zu kommen, ohne meine Sandalen zu verlieren.

Drei Minuten später erreichten wir prustend und lachend den Fuß des Hügels. Pago welches noch eben klein und unscheinbar gewirkt hatte, zeigte nun seine verwinkelten Gassen und Nischen, in den man durch aus verloren gehen konnte.

Mit roten Wangen grinste meine Schwester mich an und ließ sich ins Gras am Wegesrand fallen. Wortlos ließ ich mich neben ihr nieder.
„Du weißt, dass dies vermutlich unser letztes Lichterfest ist, oder?"
Jocie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und blickte zu mir.
„Wieso? Ich habe nichts davon gehört, dass auf einmal alle aufhören wollen das Fest auszurichten.", meinte ich leicht witzelnd.
„Nein, du Dummbeutel." Jocie stieß mich an und setzte sich auf. „Es ist unser letztes Fest. Keine Ahnung wo wir in zwei Jahren sind."

Ich folgte dem Beispiel meiner Schwester und setzte mich auf.
„Naja, ich werde hier sein und du ja wohl auch. Vermutlich in einem kleinen Steinhaus zusammen mit Autumn."
Ich konnte Jocie und Autumn vor mir sehen, wie sie am Küchentisch saßen und über Witze lachten und zusammen kochten. Genauso wie Iliana und Mason bevor sie weggezogen waren.

„Ja stimmt schon...", murmelte Jocie und blickte zum Dorf vor uns. „Es wird trotzdem anders sein. In dieser Hinsicht ist es unser letztes Fest." So imposant wie sie eben noch zu Boden gefallen war, sprang sie nun auf und zog mich mit sich. Ich befürchtete jetzt schon heute Abend nicht annähend beim Tanzen mithalten zu können.

„Also lass und feiern! Zur Meile!"

Die Meile war die Hauptstraße unseres kleinen Dörfchens. Sie führte von der Landstraße zum Marktplatz und dann wieder hinaus. Dabei nahm sie einige Windungen verlief meistens aber gerade und war eine der wenigen festen und breiten Sandwege, welche Pago hatte. Jeder der keinen Stand auf dem Marktplatz bekommen hatte tümmelte sich also hier. Rechts und links von uns waren hölzerne Schubkarren, welche beladen mit Tüchern, Kuchen, Armbändern und so vielen mehr funkelten und köstlich riechenden Sachen ausgestattet waren. Ich und Jocie konnten gar nicht anders als bei jedem einzelnen stehen zu bleiben und uns alles ganz genau anzusehen.

Anders als sonst waren alle Leute an den Ständen gut gelaunt und störten sich nicht daran, dass wir uns nur alles ansahen, anstatt etwas zu kaufen.

„Meine Urgroßmutter würde sich wünschen dies wäre ihr Geheimrezept, aber diese Köstlichkeiten habe ich ganz alleine gezaubert."
Ein Mann mit einem tief lila Mantel voller glitzernder Perlen bestickt hielt mir ein Tablett gefüllt mit dampfenden Teigrollen entgegen.
„Zimt, Zucker ein Korb voller reifer Äpfel und ein zwei kleine Geheimzutaten.", erklärte er mir breit grinsend. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, doch noch war es zu früh.

„Oh, ich schaue nur.", erklärte ich schnell, damit der Händler sich um andere Kunden kümmern konnte, doch der Mann grinste nur breiter, nahm eine der kleinen Teigrollen vom Tablett und legte sie in meine Hand. Der Teig war warm und mit ein wenig Zucker umwickelt, der nun an meinen Fingern klebte.
„Die Kostprobe geht auf's Haus. Versprich mir nur, nachher am Stand des fabelhaften furiosen fantastischen Molly vorbei zu schauen."
Er lächelte mich an und vor Appetit ganz benebelt, nickte ich sofort, während ich bereits einen Bissen aus der Teigrolle nahm. Es schmeckte so gut wie erwartete und besser!

Ich hätte mich fast dazu hinreißen lassen eine weitere zu kaufen, doch da bemerkte ich das Josie schon drei Stände weiter war und daher nickte ich nur noch einmal schnell und bedankte mich bevor ich meiner Schwester folgte.

„Hier fass den Stoff an!" Josie nahm meine Hand und legte sie auf einen weichen schweren Wollstoff. „Damit könnte man durch die Berge wandern und würde nicht einmal merken wie kalt es ist." Ich lachte, aber sie hatte recht. Der Stoff war warm und dick und auch wenn ich selber wenig Ahnung von Schnee und Kälte hatte, so konnte auch ich mir vorstellen, wie die Schneewanderer mit solcher Ausrüstung durch die Berge stiefelten. „Ich wusste nicht, dass du unter die Wanderer gehen möchtest?" Stichelte ich und nahm einen der leichteren Stoffe, welcher blass rot gefärbt war. Josie verdrehte lediglich die Augen.

„Man kann nie wissen.
Also wofür willst du dein Geld ausgeben?"

„Mhm... Ich bin mir noch nicht sicher. Auf jeden Fall für etwas Gutes zu Essen und dann vielleicht ein Armband, oder einen der Stoffe." Meine Hände kreisten über ein besonders glattes Leder, während ich über all die Kleider und Röcke nachdachte, die meine Mutter aus den Stoffen machen könnte.
„Was ist mit dir?"
„Ich weiß es auch noch nicht sicher. Mal schauen was sich ergibt."
Mit diesen Worten wand sich Josie vom Stand ab und schlenderte zum nächsten.
Nach kurzen begutachten der restlichen Stoffe löste auch ich mich und folgte ihr.

Wir schlenderten noch eine ganze Weile sorglos über die Meile, nicht wissend das in einer kleinen Seitenstraße, das Zelt des fabelhaften furiosen fantastischen Molly gerade aufgebaut wurde und dort auf mich eine ganz besondere Vorstellung wartete.

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