Kapitel sechs

18 5 7
                                    

Kapitel sechs – Acht Uhr vierzehn, abends

„Kaum zu glauben, dass ich das verpasst habe!", jammerte Jocie und schüttelte ihren Lockenkopf. „Und er hat dir wirklich drei Goldmünzen gegeben?"
Nickend holte ich besagte Münzen aus meiner Tasche.
„Wow. Wer denkst du ist er?" Jocie nahm eine der Goldmünze aus meiner Hand und schien sie auf ihre Echtheit zu überprüfen.
„Was meinst du?"
„Na, glaubst du er ist vielleicht ein Admiral, der Urlaub vom Felddienst macht oder vielleicht ein Städter, der seine Verwandten besucht."
Jetzt wurde meine Schwester aber lächerlich.
„Was soll ein Städter oder Admiral bitte hier machen? Außerdem war er viel zu jung für jemanden aus dem Heer."
„Diese Goldmünzen sind hier auf jeden Fall echt und wenn die Quid das auch war, denn muss er in Wirklichkeit jemand aus der Stadt sein. Kein Schausteller hat so viel Geld."

Hier drin stimmte ich mit meiner Schwester überein. Mit dem Jungen stimmte irgendwas nicht.„Du kannst ihn ja später fragen wer er ist.", scherzte ich.
„Was?"
„Ich habe ihm versprochen das Dorf zu zeigen. Nach der nächsten Vorstellung."
Jocies Augen wurden immer größer. „Da muss ich auf jeden Fall mitkommen! Dann können wir endlich herausfinden was dahinter steckt."

Sie packte meine Hand und lief Richtung Zirkus, eh ich ihr sagen konnte, dass dies eigentlich nur ein Witz gewesen war. Ich würde ganz froh sein, wenn ich möglichst weit weg von diesem merkwürdigen Jungen war. Nach Ausfragen war mir nämlich wirklich nicht zu Mute. Was wenn er wirklich im Heer war und dies als Beleidigung auffasste?

Jocie schien keine derartigen Befürchtungen zu haben. Sie zog mich vergnügt durch die Gassen und Straßen, bis wir wieder bei der lila Bühne waren.
Dieses Mal stellten wir uns jedoch in die letzte Reihe und flüsterten während der Vorführung leise:
„Siehst du ihn schon?"
„Nein, ich glaube er kommt erst nach den Schlangenfrauen."
„Mhm... Da! Dahinten."

Ich folge Jocies Finger und tatsächlich. Erneut in den unpassenden schwarzen Mantel gehüllt stand der Fremde am Rande der Menschenmasse und beobachtete die Performanz der Mädchen. Ich konnte wiedermal sein Gesicht nicht erkennen, aber dieses Mal zeigte eine goldene Locke aus der Kapuze heraus und verriet ihn.

„Wirklich viel scheint er ja nicht zu machen. Mhm... sollen wir näher ran gehen?"
„Untersteh dich!"
Ich umklammerte Jocies Arm, bevor sie einfach davon laufen konnte.
„Schon gut. Schon gut. Wir warten bis die Vorstellung vorbei ist."
Die Aufführung verlief wie zuvor. Nach den Schlangenmädchen kamen die Jongleure und danach Molly.
Dieser pickte sich dieses Mal die Frau des Schmiedes aus der Menge und schaffte es wie zuvor das Publikum zu überraschen.

Die Musik erreichte wieder ihren Höhepunkt und verstummte dann. Jetzt flitze auch der Junge durch die Menge und sammelte noch schnell von allen Leuten ein wenig Geld ein, eh sich das Publikum auflöste und weiterzog.
„Hoppla."
Der Fremde stieß mit meiner Schwester zusammen, die ganz zufällig im Weg stand.
„Tut mir Leid- Oh, hey. Avelyn, richtig?"
Er hob seine Kapuze ein wenig an und zeigte sein lächelndes Gesicht.
„Hey.", antwortete ich ein bisschen lahm.
„Hallo. Ich bin Jocelyn, Aves Schwester."

Sie reichte ihm ihre Hand, welcher er kurz verblüfft ansah, bis er sie schnell schüttelte.
„Caden." Er verstummte für eine Sekunde um dann schnell: „Freut mich deine Bekanntschaft zu machen.", hinzuzufügen.
Jocie zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts.

„Wir sind hier, um dir Pago zu zeigen.", sagte ich in die Stille hinein, worauf die Miene vom Jungen sich erheiterte. „Perfekt! Ich muss das hier nur noch weg bringen." Er hob den Hut erklärend hoch. „Einen Moment nur."
Dann verschwand er hinter der Bühne, nur um wenige Sekunden später wieder aufzutauchen. Den schwarzen Umhang trug er aber immer noch.
„Also wo starten wir?"
„Am Fluss, dann können wir einmal die komplette Meile entlang gehen und dann hast du eigentlich auch schon alles gesehen was Pago zu bieten hat."
Jocie hakte sich bei mir unter und ging zielsicher los. Sie führte uns bis einige Meter vor die Stadt.
Dann fing sie mit der Führung an. Sie erklärte Caden, dass Pago schon eine recht altes Dorf und das Größte im Umkreis war. Zudem erklärte sie, dass die meisten irgendeine Art von Landbesitzt hatten und Landwirtschaft so sehr wichtig für uns war.
Nachdem wir ein paar Minuten gegangen waren, fing sie aber auch an Caden Fragen zu stellen, der bisher nur stumm zugehört hatte.

„Also. Woher kommst du denn?"
„Oh, kennt ihr Calcaria?"
Jocie und ich schüttelten unsere Köpfe. Ich kannte mich grob mit der Geographie unseres Landes aus, doch da ich nie mehr als die Dörfer der Umgebung gesehen hatte, spielte sie für mich kaum eine Rolle.
„Es liegt im Süden des Landes. Nahe am Wasser. Eine eher kleinere Stadt, aber Pago würde glaub ich trotzdem mindestens zwanzigmal hinein passen." Er lachte kurz auf.
„Ein Städter also. Das erklärt einiges.", raunte Jocie mir zu, laut genug jedoch, dass auch Caden die Worte aufschnappen konnte.

„Wegen der Münze?" Er lächelte uns verlegen an. „Ihr wisst, dass die nicht echt wahr, oder? Sie ist eine Art Glücksbringer, denn mir mein Bruder geschenkt hat."
„Oh. Achso." Jocies Mundwinkel sanken ein wenig, jetzt wo klar wurde, dass Caden nicht ganz so interessant war wie gedacht.
„Ja, echte Quids sind ein wenig größer und haben weniger Verzierungen. Ihr habt noch nie welche gesehen, oder?"
Wieder schüttelten meine Schwester und ich gleichzeitig unsere Köpfe.

Mittlerweile waren wir am Marktplatz vorbei und steuerten das Ende des Dorfes an. Jocie war aber immer noch nicht des Redens müde.
„Hast du schon viele Quids gesehen? Wenn du in der Stadt lebst, dann doch sicherlich, oder?"
„Es geht. Meine Familie ist nicht wirklich reich oder so. Wir kommen ganz gut über die Runden, mehr aber auch nicht."
„Mhm- Was machen deine-"
Die Stimme meiner Schwester wurde von lauten Glocken übertönt. Noch eine halbe Stunde bis es neun Uhr war und die Sonne anfangen würde unterzugehen.

„Oh, Verdammt." Jocie hielt auf einmal an und fast wäre ich über sie gestolpert.
„Was ist?", fragten Caden und ich gleichzeitig.
„Ich hab Mom vorhin getroffen und sie hat mir Finnley und Darian aufgeschwätzt. Ich soll sie zu den Lichterspielen begleiten." Sie biss sich auf ihre Lippen und blickte von Caden zu mir. „Wie wäre wenn ihr die Führung bei der Kapelle beendet und ich später beim ersten Tanz wieder dazu stoße."
Ehrlich gesagt fühlte ich mich ein wenig Unwohl beim Gedanken Caden alleine alles zeigen zu müssen, doch jetzt konnte ich wohl nicht mehr nein sagen.

„Klar.", stieß ich möglichst Überzeugend hervor und Jocie umarmte mich ein wenig zu überschwänglich.
„Find so viel raus wie du kannst.", raunte sie mir in mein Ohr eh sie sich abwand.
„Bis nachher!" Sie verschwand in der Menge und ließ mich mit einem völlig Fremden alleine.
Was sollte da schon schief gehen?

  ★☆★☆★☆★☆★☆★☆ 

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Aug 17, 2018 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

LichterkussWhere stories live. Discover now