Lavýrinthos

Roiben द्वारा

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"Ängstigt euch nicht vor dem Tod, denn seine Bitterkeit liegt in der Furcht vor ihm." - Sokrates Viellei... अधिक

Vorwort
Prólogos
1.1 Moíra - Schicksal
1.2 Moíra - Schicksal
2.2 Tragoúdi - Gesang
3.1 Dóry - Speer
3.2 Dóry - Speer
4.1 Neró - Wasser
4.2 Neró - Wasser
5.1 Psalída - Ranke
5.2 Psalída - Ranke
6.1 Óneiro - Traum
6.2 Óneiro - Traum
7.1 Ámmos - Sand
7.2 Ámmos - Sand
8.1 Aínigma - Enigma
8.2 Aínigma - Enigma
9.1 Aetós - Adler
9.2 Aetós - Adler
10.1 Trélla - Wahnsinn
10.2 Trélla - Wahnsinn
11.1 Thermótita - Hitze
11.2 Thermótita - Hitze
12.1 Skotádi - Dunkelheit
12.2 Skotádi - Dunkelheit
13.1 Fóvos - Angst
13.2 Fóvos - Angst
14.1 Apóleia - Verlust
14. 2 Apóleia - Verlust
15.1 Diamáchi - Streit
15.2 Diamáchi - Streit
16.1 Skiá - Schatten
16.2 Skiá - Schatten
17.1 Ékstasi - Trance
17.2 Ékstasi - Trance
18.1 Kynigós - Jäger
18.2 - Kynigós - Jäger
19.1 Ypéfthynos - Schuld
19.2 Ypéftyhos - Schuld
20.1 Archí - Anfang
20.2 Archí - Anfang
20.3 Archí - Anfang
21.1 Stagónes - Tropfen
21.2 Stagónes - Tropfen
22.1 Dexiá - Recht
22.2 Dexiá - Recht
23.1 Mystikó - Geheimnis
23.2 Mystikó - Geheimnis
24.1 Ptósi - Sturz
24.2 Ptósi - Sturz
25.1 Ktíni - Bestien
25.2 Ktíni - Bestien
26.1 Pónos - Schmerz
26.2 Pónos - Schmerz
27.1 Elpída - Hoffnung
27.2 Elpída - Hoffnung
28.1 Asfáleia - Sicherheit
28.2 Asfáleia - Sicherheit
29. Omorfiá - Schönheit
30. Epílogos
Danksagung & Nachwort

2.1 Tragoúdi - Gesang

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Roiben द्वारा


Das Schwert lag gut in Eos' Hand. Es war leicht und hatte eine gebogene Klinge. Die Scharten im Metall zeugten von einer langen Kampfvergangenheit und durch die Übungen, die er bereits mit Klingen aller Art durchgeführt hatte, sah er es bereits jetzt als eine Verlängerung seines Armes an. Eos wusste, dass die Klinge ihm gute Dienste im Labyrinth leisten würde, also würde er gut darauf Acht geben, um sie nicht zu verlieren. Den Schild allerdings empfand er als eine Belastung denn eine Bereicherung. Das Metall war zerkratzt und an den Rändern eingedellt. An einigen Stellen zierten daumengroße Löcher die Oberfläche, fast so, als wären bereits feindliche Speer – und Pfeilspitzen hindurchgedrungen. Wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er den Schild zurücklassen, aber der andere Junge in seiner Gruppe, Castor, hatte ihm eingebläut, dass dieser ihm vielleicht das Leben retten würde.

Castor war auch der einzige, der von ihrer Gruppe ausgewählt worden war, eine Opfergabe für das Labyrinth zu sein. Eos und die beiden Mädchen namens Calypso und Lyra waren freiwillig mitgegangen. Jeder von ihnen hatte vor, sein Gewicht in Gold aufwiegen zu lassen und nicht nur das; sie würden zu Helden werden. Ganz Griechenland würde bald die Namen der Kinder kennen, die das Labyrinth von Kreta überlebt hatten.

Seit sie von den Wachen alleine gelassen worden waren, die sie zum Eingang – zu einem der Eingänge – geführt hatten, hatten sie nicht viel miteinander geredet. Murmelnd waren die Namen ausgetauscht worden, doch dann hatten die Wachen sie mit düsteren Blicken gestraft und sie waren stumm geblieben. Das Tor, zu welchem sie geführt worden waren, lag in einem verlassenen Lagerhaus – ähnlich einem Kornspeicher, hatte Eos gedacht – und die bronzene Tür war mit muffig riechende Heuballen und Sandsäcken verdeckt gewesen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie lange sie bis zu diesem Haus gebraucht hatten; es könnte eine Stunde gewesen sein, vielleicht auch nur zehn Minuten. Eos wusste nur, dass, sobald König Minos seine Ansprache beendet und sie fortgeschickt hatte, die Euphorie und die aufkeimende Angst seinen Geist besetzt hatten. Kein klarer Gedanke wollte sich in seinem Kopf bilden. Alles, was er in diesen Momenten noch wusste, war, dass er die Sonne und den Himmel für eine lange Zeit nicht mehr sehen würde.

„Wir haben uns verlaufen", sagte Lyra mit ruhiger Stimme, wandte ihr Gesicht aber nur Calypso zu.

Calypso war nur ein Jahr jünger als Eos, hatte aber in allen Bereichen mindestens genauso viel Talent, wenn nicht sogar mehr, als er selber. Sie hatte einen starken Schwung mit dem Schwert drauf und war äußerst ausdauernd. „Orientieren wir uns neu."

„Guter Vorschlag", erwiderte Castor zögerlich, doch Lyra ignorierte ihn.

Eos hatte es schon in den ersten Minuten mitbekommen, die sie zusammen in diesem verdammten Gang verbracht hatten – sie schien nicht besonders viel von Jungs zu halten. Und gegen Castor hatte sie augenscheinlich eine regelrechte Abneigung entwickelt. Er war ihr zu schwächlich, vermutete er.

„Eine Pause könnte helfen, unsere Kräfte zu sammeln", gab er vorsichtig zu bedenken.

Calypso nickte.

„Denke ich auch. Wir wissen nicht, was uns hier alles erwartet. Wenn wir blindlings in alles hineinlaufen, dann könnten wir uns ebenso gut mit unseren Schwertern aufspießen." Sie schnallte sich ihren Schild vom Rücken und legte ihn an die Wand. „Lasst uns ruhen."

Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Steinboden und Lyra tat es ihr gleich.

Eos ließ sich auf der anderen Seite des Ganges an der Wand hinuntergleiten und nach einem zweifelnden Blick setzte sich Castor neben ihn.

Der beunruhigte Junge hatte sein schartiges Schwert auf seine Knie gelegt und betrachtete das Licht, welches sich auf der metallenen Oberfläche brach. Irgendwie hatte Eos Mitleid mit ihm. Er war wahrscheinlich mit der Angst hierhergekommen, dass er sterben würde. So wenig er auch seinen eigenen Schutz vernachlässigen würde, er würde sicherlich nicht zulassen, dass jemand sein Leben lassen würde, der Teil seiner Gruppe war.

„Vielleicht sollten wir uns unterhalten. Uns kennenlernen", schlug Eos vor und richtete seinen Blick auf die hübsche Calypso. Sie hatte bereits auf dem Weg zum Eingang des Labyrinthes seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zwischen all den weißen Häusern hatte ihre Haut gestrahlt und ihre blonden Haare ähnelten flüssigem Licht.

Das andere Mädchen, Lyra, war von kleinerer Statur. Sie hatte kräftige Arme und kurze, rote Locken, die ihr einen wilden Ausdruck verliehen, wenn sie den Blick auf jemanden richtete. Respekteinflößend war das erste, was ihm zu ihr eingefallen war. Noch wusste er nicht, ob er sich glücklich schätzen sollte, dass sie ihn begleiten sollte.

„Wozu? Ihr interessiert mich nicht", erwiderte Lyra stumpf. „Ich habe nur eine Angelegenheit hier." Sie umklammerte den hölzernen Griff ihres Bogens fester, sodass Eos selbst in dem schummrigen Licht erkennen konnte, wie ihre Knöchel weiß hervorstachen. Entgegen seiner Vermutungen hatte sie nicht nach einem Schwert gegriffen, einer aktiven Waffe, sondern sofort nach dem Holzbogen, den sie sicher und bestimmt in der Hand hielt. „Ihr seid ein Mittel zum Zweck, mehr nicht."

„Deine Schwestern, nicht wahr?", fragte Calypso und blickte zur Seite.

Lyra nickte kurz angebunden. „Sie sind hier drin. All meine Schwestern und ich bin nicht da, um sie zu beschützen." Mittlerweile hatte ihre Stimme eine eisige Härte angenommen, die Eos schaudern ließ.

Er war froh, dass er ihr noch nicht in die Quere gekommen war. Sie auf seiner Seite zu wissen war ihm weitaus lieber, als dass sie seine Feindin wäre, auch wenn ihm immer noch bange war, wenn er den Blick auf sie richtete. Lyra wirkte keinesfalls so, als wäre sie eine sonderlich angenehme Reisegefährtin. Dann wiederrum unternahm er hier keine sonderlich angenehme Reise, also war diese Sorge recht unbegründet.

„Meine feigen Brüder haben sich alle gedrückt. Keiner hatte genug Mumm gehabt, um sich zu melden. Sie hätten ihre Schwester sterben lassen..." Lyra knirschte mit den Zähnen und schlang ihre schlanken Finger noch fester um den abgesplitterten Holzbogen.

Eos hatte mitbekommen, wie sie sich lautstark dagegen gewehrt hatte, mit ihnen diese Gruppe zu gründen. Sie hatte nicht von ihren Schwestern getrennt werden wollen, aber je mehr sie sich gewehrt hatte, desto hämischer hatten die beiden Wachmänner nur gegrinst, die sie eskortiert hatten. Noch jetzt konnte er den roten Abdruck einer der behandschuhten Hände sehen, die Lyra hart ins Gesicht getroffen hatte, als sie nicht aufhören wollte, um sich zu schlagen und zu schreien. Danach war sie stumm geblieben, aber die Flüche, die sie hatte aussprechen wollen, hatte Eos ganz klar von ihrem Gesicht ablesen können.

„Wir werden sie bestimmt finden", versuchte Eos sie aufzumuntern, doch Lyra warf ihm nur einen giftigen, vernichtenden Blick zu.

„Es geht dich nichts an, Junge!" Sie sprach so, als würde jeder Atemzug, den sie an ihn verbrauchte, eine immense Verschwendung sein. „Halt dich aus meinen Angelegenheiten heraus, komm mir nicht in die Quere und vor allem", sie hob eine Hand und zeigte mit dem Finger auf ihn, „versuch bloß nicht, mir helfen zu wollen."

„Beruhige dich", mischte sich die hübsche Calypso ein und wollte ihr eine Hand auf den Arm legen, doch Lyra schüttelte sie sofort ab.

„Das gilt auch für dich!", rief sie erbost aus. „Ich brauche keine Hilfe! Wenn es nach mir ginge, dann würde ich sofort alleine weiterziehen - aber ungünstigerweise wäre das eine sehr unkluge Entscheidung."

„Bitte, bleib einfach ruhig", versuchte Calypso es erneut.

Eos bemerkte, dass Castor neben ihm zitterte. Sicherlich war ihm nicht nur kalt.

„Wir sollten ganz ruhig bleiben und uns alle untereinander verstehen. Wenn wir uns streiten, dann machen wir Fehler. Und ein Fehler könnte hier tödlich enden."

Eos bewunderte Calypso für ihr erwachsenes Verhalten, welches sie selbst in solch einer Situation an den Tag legte. Hinter der nächsten Ecke könnte bereits der Minotaurus auf sie warten und dennoch versuchte sie, diese ungleiche Gruppe zusammenzuhalten.

Seine Hände lösten sich langsam aus der Verkrampfung und seine Schultern entspannten sich merklich. Der Atem, der ihm stoßweise über die Lippen kam, wurde langsamer und ruhiger – sein Herz klopfte in einem normaleren Takt und er merkte, dass alleine die Worte von Calypso seinen Puls beruhigten.

Ihr Blick glitt zu ihm herüber. „Erzähl uns etwas über dich, Eos", schlug sie vor. „Dein Name ist ungewöhnlich für einen Burschen."

Er verzog das Gesicht. „Ja. Ich muss der Göttin danken, der ich meinen Namen verdanke. Ohne sie wäre ich wohl nicht geboren worden."

„Wie kommt es, dass du so genannt wurdest?", fragte Castor neben ihm, leise, als würde er sich kaum trauen, seine Stimme irgendwie zu erheben.

„Ich wurde genau zur Morgenröte geboren", erklärte Eos. „Meine Eltern haben lange für meine Geburt gebetet. Sie haben der Göttin Eos damit einen Tribut gezollt, indem sie mir ihren Namen gegeben haben. Ich kann zwar nicht von mir behaupten, dass ich den Namen mögen würde, aber ich kann das Zeichen meiner Eltern verstehen. Ich bete jeden Monat zu ihr, dass sie meiner Familie weiterhin ihren Schutz schenkt."

„Es ist nobel." Calypso lächelte. Es war, als würde die Sonne in diesem schummrigen Gang aufgehen. „Meine Eltern haben mich nach einer Tochter des Titanen Atlas benannt, die für ihre Aufrichtigkeit und Schönheit bekannt war." Dem Anschein nach machte sie das ungefähr genauso glücklich, wie Eos mit der Namenswahl seiner Eltern war.

„Mich benannte man nach einem Krieger, dem sterblichen Zwillingsbruder eines Halbgottes", murmelte Castor nun und Eos wandte ihm den Blick zu. „Aber ich mag den Namen."

Calypso lächelte schwach, aber sie mochte ihre Augen nicht von Eos wenden.

Lyra schwieg. Sie wollte wohl ihre Kraft und Zeit nicht mit solch Banalitäten verschwenden.

„Wie hat deine Familie reagiert, als du dich gemeldet hast?", fragte Calypso Eos schließlich. „Meine Eltern waren todtraurig und wollten es mir sofort ausreden. All meine Geschwister waren am Boden zerstört."

„Ich bin Einzelkind. Meine Mutter hat viel geweint, als ich gegangen bin", meinte Eos mit einem Seitenblick auf Castor, der auf seine Hände starrte. „Aber mein Vater ist sogar stolz gewesen. 'Junge, mach uns stolz', hatte er gesagt. 'Ich weiß, dass du überleben wirst und wieder nach Hause zurückkehrst. Deine Mutter wird dir ein Festmahl zubereiten, wenn du wieder da bist, verlass dich darauf. Du brauchst nur ein Schwert, dann schaffst du das schon.'"

„Sie trauen dir", erwiderte Calypso. „Das ist keine Selbstverständlichkeit, finde ich." Sie fuhr sich mit der rechten Hand durch ihre dunkelblonden Haare, dann sah sie kurz zur Decke, als erwartete sie dort etwas. „Meine Eltern haben mir nicht zugetraut, dass ich lebend zurückkehre. Sie rechnen damit, dass ich hier sterben werde."

„Wie können sie nur so denken?", fragte Eos.

Lyra schnaubte leise, aber er ignorierte sie.

„Sollten sie dich in deiner Entscheidung nicht unterstützen?"

„Wahrscheinlich. Aber bei acht Geschwistern bleibt nicht viel Zeit, um einer Tochter zuzuhören. Sie sind mit ihren Arbeiten und meinen Geschwistern vollkommen ausgelastet. Wahrscheinlich sind sie sogar irgendwie froh, dass sie nun ein hungriges Maul weniger zu stopfen haben."

„Das ist barbarisch", entgegnete Eos und für einen Moment sah es so aus, als wollte Castor auch etwas sagen.

Er hatte bereits den Mund geöffnet, dann sprang er ohne Vorwarnung auf.

„Was ist das?", fragte er leise und seine Stimme hallte in dem hohlen Gang wider. „Hört ihr das?" Ängstlich huschten seine Augen hin und her, aber noch etwas anderes hatte sich in seinen Blick gestohlen. Neugierde.

„Ich höre nichts." Doch Calypso hatte sich ebenfalls erhoben und ihr Schwert wieder in der Hand.

Eos und Lyra taten es ihr gleich. Sie wirkten wie Krieger, bereit jeden Moment einen Hinterhalt abzuwehren. „Was war denn?"

„Wartet – jetzt höre ich es auch", sagte Lyra und ließ ihren Bogen sinken. Ihr Gesicht hatte den wilden Ausdruck verloren und sie wirkte etwas ruhiger. Beinahe entspannt. Ihre Gesichtszüge waren weich geworden und der Griff um ihre Waffe lockerer.

Mit einem Klirren fiel Castors Schwert auf den Boden, doch anstatt, dass er – wie Calypso und Eos – bei dem lauten Geräusch zusammenzuckte, nahm er einen träumenden Ausdruck an. „Wie schön", hauchte er. „Wunderschön."

„Außergewöhnlich schön", fügte Lyra hinzu und sie torkelte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, behielt aber ihre Waffe nutzlos an der Seite baumelnd bei sich. Castor folgte ihr langsam.

Sorge und Angst machte sich in Eos breit. Angstschweiß brach auf seiner Stirn aus, seine Hände wurden klamm. Es wollte sich keine logische Erklärung in seinem Kopf bilden, welche das seltsame Verhalten seiner Gefährten erklären würde.

„Hey – was macht ihr denn!?", rief Calypso und sammelte Lyras Schild auf, den sie liegengelassen hatte.

Eos tat es mit Castors Waffen gleich, dann liefen sie ihren beiden Kameraden nach, die fast schon um die Ecke gelaufen waren.

„Wir dürfen sie nicht verlieren, komm schnell!"

Das musste sie ihm nicht sagen, fand Eos und festigte den Griff um sein Schwert. Sein Blut fühlte sich an, als würde er vor Kraft kochen, er spürte wie seine Sinne schärfer wurden. Jeden einzelnen Schritt konnte er ganz genau ausmachen und er konnte jeden Atemzug vernehmen. Sein Vater hatte immer gesagt, dass er ein wahrer Schwertkämpfer war.

Castor und Lyra waren mit hängenden Schultern um die Ecke gelaufen und für einen Augenblick aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Calypso erreichte sie wenige Schritte vor Eos und sie keuchte erschrocken auf.

Wenige Momente später erkannte er, was sie sah.

Im Gang, aus welchem sie gekommen waren, stand die mechanische Figur einer Frau. Aber die Frau hatte keine Arme, sondern Flügel mit scharfen, grobschlächtigen Krallen, die über die Steinwand schabten. Ihre Füße waren ebenfalls spitze Klauen, die mit langsamen, aber gefährlichen Schritten auf sie zukamen. Der Mund im abstoßenden Gesicht der bronzenen Figur war weit geöffnet, doch Eos vernahm keinen Laut.

Als sie sich fortbewegte, strömten winzige Rauchschwaden aus kleinen Zwischenräumen. Es zischte laut, als ob Wasser auf einen heißen Stein treffen würde. Die mechanische Frau ging auf Castor und Lyra zu, die ihr immer weiter entgegengingen.

Eos fing sich zuerst. „Komm schon!" Er packte Calypso am Arm und zog sie mit sich. Gemeinsam stellten sie sich ihren Kameraden in den Weg, damit sie ihr den Weg zu der mechanischen Frau versperrten.

„Lasst mich durch", murmelte Lyra und schwang schwächlich ihren Arm nach Eos. „Ich will dahin..."

„Was ist das für ein Ding?", fragte Calypso laut und begab sich in Angriffsstellung. Den Schild von Lyra hatte sie sich auf den Rücken gebunden.

„Ich bin nicht sicher" rief Eos zurück und hob seinen Schild hoch.

Die bronzene Haut der Frau schimmerte im unsichtbaren Fackelschein. In den pupillenlosen Augen meinte er eine hungrige Gier ausmachen zu können.

„Aber es könnte sich hierbei um eine Sirene handeln."

„Eine Sirene?", fragte sie erstarrt und blickte ihn aus undurchdringlichen, blauen Augen an. „Aber – Sirenen leben auf dem Meer!"

„Das weiß ich! Aber den Illustrationen zufolge sehen sie genauso aus. Klauen, Flügel mit schrecklichen, tödlichen Krallen und abscheuliche Gesichter – sie betören die Seeleute mit schönem Gesang und den Versprechen nach Liebe und Reichtum, ehe sie sie in ein nasses Grab zerren und sich an ihrem Fleisch laben. Aber... sie sind nicht mechanisch..."

„Vielleicht hat Dädalus sie entworfen?", fragte Calypso und wich einen Schritt zurück, denn Lyra schob unnachgiebig gegen ihren Rücken. „Aber, egal, was es ist und wer es erschaffen hat, wir müssen es unschädlich machen."

Sie sagte nicht 'zerstören', was Eos bitter aufstieß. Sie mussten dieses Ding vernichten, bevor es Lyra und Castor erreicht hatte, die ihrem Zauber unterlegen waren. Aber warum nur die beiden...?

Die mechanische Sirene machte einen quietschenden Schritt auf sie zu, Dampf stob in die Luft und verflüchtigte sich dann sofort, dann klackten ihre scharfkantigen Krallen. Sie machte sich zum Angriff bereit, das konnte er erkennen und noch im richtigen Moment schaffte Eos es, seinen Schild zu heben, um ihren ersten Schlag zu parieren. Er taumelte einen Schritt nach hinten. Das unangenehme Geräusch von Metall, welches auf Metall schlug, ließ seine Ohren klirren und hallte im ganzen Gang nach. Die Sirene hatte Kraft.

„Wie können wir es vernichten? Es ist nicht menschlich! Es spürt keinen Schmerz!", rief er und drückte Castor mit seinem anderen Arm zurück. Es war nun ein Gutes, dass der andere Junge nicht so stark war, sonst hätte er sich viel zu sehr anstrengen müssen.

„Wenn die echten Sirenen ihre Opfer auch mit Gesang anlocken...", sagte Calypso nachdenklich und schlug mit ihrem Schwert auf die Maschine vor ihr, die jedoch nicht einmal einen Kratzer bekam. „Vielleicht müssen wir ihren Mund verstopfen?"

„Einen Versuch ist es sicherlich wert", knurrte Eos und drückte so heftig gegen Castors Brust, dass dieser zu Boden fiel und sich den Kopf am Stein anschlug. Anstatt sich jedoch vor Schmerz zu winden, stand er wieder auf.

„So schön", murmelte er nur wieder und wollte sich wieder an ihm vorbeidrängen.

Eos hatte allerdings die Zeit genutzt, in welcher der andere Junge ihn nicht gehindert hatte, hatte sich sein Hemd vom Körper gezerrt und es zwischen seinen Fingern zu einem Ball aus Stoff gequetscht.

„Versuch es abzulenken, damit ich herankommen kann!", rief er Calypso zu, stieß Castor ein weiteres Mal um und sprang dann an die Seite der Sirene.

Calypso tat ihr Bestes, um Lyra aufzuhalten und gleichzeitig mit ihrem Schwert nach der mechanischen Bestie zu schlagen, damit sie ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

Für einen Moment schien es auch zu wirken. Die Sirene wandte ihr das hässliche, bronzene Gesicht mit dem weitgeöffneten Mund zu, Eos schlich sich hinter ihr heran, um ihr das zusammengeknüllte Hemd in den Rachen zu stopfen, da fuhr die mechanische Frau so schnell herum, dass sie ihn mit ihrem krallenbesetzten Flügel an der Seite erwischte und er vor Schmerz zischend zurücktaumelte.

„Verdammt", fauchte Eos und drückte seine Hand auf den dreispurigen Schnitt an seiner Hüfte. Blut sickerte durch seine Finger. „Auf so etwas war ich nicht vorbereitet."

„Geht es dir gut, Eos?", rief Calypso erschrocken und taumelte ebenfalls zurück, damit sie Lyra und nun auch Castor aufhalten konnte.

Die Sirene hatte den verletzten Jungen ignoriert und sich langsam weiter vorgeschoben. Sie hatte Calypso und die beiden in Trance verfallenen beinahe erreicht.

„Wird schon", murmelte er, mehr zu sich selbst und sprang erneut vor. Er versuchte dem nächsten Schlag der mechanischen Frau auszuweichen, was ihm auch gelang. Dieses Mal war er auf ihre überraschende Fähigkeit vorbereitet und konnte sich zur Seite ducken, damit die Krallen ihm nicht ein zweites Mal die Haut aufrissen. Warmes Blut floss ihm über die Hüfte und er biss die Zähne fest zusammen, als die schnelle Bewegung einen beißenden Schmerz durch seinen Körper schoss. Mit seinem Schild wehrte er ihren klauenbesetzten Flügel ab, dann stieß er seine andere Hand vor und stopfte ihr den Rachen mit seinem zerknüllten Hemd.

Es hatte nicht den Effekt, den die beiden sich erhofft hatten. Anstatt Lyra und Castor nun wieder zu Sinnen kamen und realisierten, was geschehen war, versuchten sie noch immer an Calypso vorbeizukommen, um zu der Sirene zu gelangen, welche die beiden mit für Eos nicht hörbarem Gesang lockte.

„Wir können es nicht bekämpfen", rief Calypso, die nun keine Hand mehr zur Verteidigung oder den Angriff frei hatte, da sie ihre beiden anderen Kameraden aufhalten musste. „Wir müssen uns zurückziehen!"

Eos wollte es sich nicht eingestehen, aber sie hatte Recht. Er verpasste der Sirene einen letzten Schlag auf den Flügel, sammelte sein Hemd wieder auf, welches durch den Stoß aus ihrem Rachen gefallen war und eilte dann – mit noch immer schmerzender Hüfte – an ihre Seite. Er schnappte sich Castors Arm und Calypso griff nach Lyra, dann liefen sie um ihr Leben.

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