Sie steigt in die Bahn und setzt sich auf einen freien Platz, direkt gegenüber von ihm.
Während sie ihr Kleid glatt streicht, mustert er sie genau. Ihm fallen direkt ihre strahlend grünen Augen auf, die auf einen Handspiegel gerichtet sind. Sie zieht ihre Lippen mit einem roten Lippenstift nach und überprüft ihr Makeup. Ohne Schminke ist sie bestimmt noch viel schöner, denkt er. Er fragt sich, ob sie ein Date hat. Oder ob sie zu einer Party fährt. Wie gerne er sie begleiten würde.
Sie packt ihren Spiegel wieder in ihre kleine Handtasche und schaut ihn nun an. Er hat kleine Grübchen, die ihr gefallen, und hellblaue Augen, die aus dem Fenster gucken. Wo er wohl hinfährt? Ob er sie schon bemerkt hat?
Die Bahn wird langsamer und hält an der nächsten Station. Hoffentlich steigt er noch nicht aus, denkt sie. Hoffentlich fährt sie noch weiter, denkt er.
Ihre schulterlangen kastanienbraunen Haare glänzen in der frühen Abendsonne. Ihr Gesicht zieren lauter Sommersprossen, an denen er sofort Gefallen findet. Er sieht zu ihr, doch ihr Blick ist abgewandt.
Sein dunkelblaues Shirt erinnert sie an den Nachthimmel. Seine blonden Haare an den Mond. Und seine Augen an die Sterne. Sie schaut ihn an, jedoch betrachtet er sie nicht.
Er stellt sich vor, mit ihr auf eine Party zu gehen. Zu der Musik zu tanzen, die irgendwann in langsame übergeht. Er legt den Arm um ihre Hüfte und zieht sie näher an sich heran. Es folgt ein Kuss.
Sie denkt daran, mit ihm auf den Geburtstag zu gehen, zu dem sie eingeladen ist. Ihn ihren Freunden vorzustellen. Zu der Musik zu tanzen, sich zu umarmen und zu küssen.
Die Bahn hält erneut. Sie greift ihre Tasche und läuft zur Tür, natürlich nicht ohne ihn nochmal anzuschauen. In dem Moment treffen sich ihre Blicke. Geh nicht, denkt er. Komm mit, denkt sie. Sie geht. Er bleibt sitzen.
Die Türen schließen, die Bahn fährt los.
Sie ist während des gesamten Geburtstages mit den Gedanken nur bei ihm. Er denkt während der gesamten Bahnfahrt nur an sie.
Nächste Woche nehme ich die Bahn um die gleiche Uhrzeit, vielleicht treffe ich ihn dort wieder, denkt sie. In einer Woche fahre ich wieder mit der Bahn, vielleicht sehe ich sie dann erneut, denkt er.
Vielleicht spricht er mich dann an, hofft sie.
Vielleicht reden wir dann miteinander, hofft er.