Im fremden Körper - Auf dem W...

By Mondlichtkrieger

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Was wäre eigentlich, wenn ich mich in meinem Körper nicht wohl fühle? Wenn ich mich nicht zu Hause fühle? Was... More

Prolog
Kapitel 01 - Leos Sicht
Kapitel 02 - Killians Sicht / Leos Sicht
Kapitel 03 - Leos Sicht
Kapitel 04 - Leos Sicht
Kapitel 05 - Leos Sicht
Kapitel 06 - Leos Sicht
Kapitel 07 - Killians Sicht
Kapitel 08 - Leos Sicht
Kapitel 09 - Leos Sicht
Kapitel 10 - Killians Sicht / Leos Sicht
Kapitel 11 - Leos Sicht
Kapitel 12 - Leos Sicht
Kapitel 13 - Killians Sicht / Leos Sicht / Jaydens Sicht / Leos Sicht
Kapitel 14 - Killians Sicht / Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 15 - Leos Sicht
Kapitel 16 - Leos Sicht
Kapitel 17 - Killians Sicht / Leos Sicht
Kapitel 18 - Leos Sicht
Kapitel 19 - Leos Sicht / Killians Sicht / Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 20 - Leos Sicht
Kapitel 21 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 22 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 24 - Leos Sicht
Kapitel 25 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 26 - Leos Sicht
Kapitel 27 - Killians Sicht / Leos Sicht
Kapitel 28 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 29 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 30 - Leos Sicht
Kapitel 31 - Leos Sicht
Kapitel 32 - Leos Sicht
Kapitel 33 - Leos Sicht
Kapitel 34 - Leos Sicht
Kapitel 35 - Killians Sicht
Kapitel 36 - Killians Sicht
Kapitel 37 - Leos Sicht
Kapitel 38 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 39 - Leos Sicht
Kapitel 40 - Leos Sicht
Kapitel 41 - Leos Sicht
Kapitel 42 - Leos Sicht
Kapitel 43 - Leos Sicht
Kapitel 44 - Leos Sicht
Kapitel 45 - Leos Sicht
Kapitel 46 - Leos Sicht / Killians Sicht
Kapitel 47 - Leos Sicht
Kapitel 48 - Leos Sicht
Kapitel 49 - Leos Sicht
Kapitel 50 - Leos Sicht
Kapitel 51 - Leos Sicht
Epilog

Kapitel 23 - Leos Sicht / Killians Sicht

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By Mondlichtkrieger

× Leos Sicht ×

Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich erst einmal alles verschwommen und ich wusste nicht, was passiert war und wo ich mich befand. Unter meinem Kopf spürte ich eine weiche Unterlage. Über mir lag etwas, dass mich wärmte, wahrscheinlich eine Decke.

Mein Blick schweifte durch das helle Zimmer. Es kam mir sehr bekannt vor. Ich erkannte es als Zimmer in einem Krankenhaus.

„Oh, Sie sind endlich wach", kam es von einem Krankenpfleger, der im Zimmer war.

Wahrscheinlich war ich schon eine ganze Weile hier.

„Wie geht es Ihnen, Frau Thorne?", lächelte er mich warm an.

„Herr...", entwich es mir und ich musste mir einen genervten Unterton verkneifen.

„Wie bitte?", blinzelte er mich verwirrt an.

„Herr Thorne!"

Ich sah ihn mit einem festen Blick an.

„Herr ... Herr Leon Thorne!", beharrte ich weiter. „Ich will als Mann angesprochen werden!"

Er sah mich immer noch verwirrt an, sah auf seine Unterlagen und nickte dann.

„Okay, dann werde ich das so weitergeben."

Er kippte das Fenster in meinem Zimmer an, verließ es dann wieder und ließ mich alleine.

Doch bevor er die Tür wieder schloss, sagte er noch: „Ich finde diesen Schritt, den sie gehen, sehr mutig. Der Arzt wird auch bald zu Ihnen kommen und nach Ihnen sehen."

Auf meine Lippen legte sich ein leichtes Grinsen. Er wusste, was ich damit sagen wollte und er wusste, dass es nicht nur eine Phase war. Ich versuchte, mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht, denn der Schmerz in meinem Brustkorb ließ mich zusammenzucken.

„Was...?", presste ich hervor. „Was ist los?"

In meinem Kopf suchte ich nach einzelnen Splittern, die ich zusammensetzen konnte, damit ich mein Gedächtnis wieder vervollständigen konnte. Nach und nach kamen mir immer wieder Bilder in den Sinn, die ich zusammenfügte.

Ich war mit Fynn in dem Café, hatte ihm erzählt, dass Killian sich von mir getrennt hatte und dann war Killian aufgetaucht. Er hatte gemeint, dass ich schnell Ersatz für ihn gefunden hatte und dann... Dann ist er gegangen und ich wollte ihm hinterher... Dann ist alles um mich herum schwarz geworden. Wahrscheinlich hatte einer der Gäste einen Notarzt oder Krankenwagen gerufen, der mich dann hierher gebracht hatte. Und jetzt musste ich auf den Arzt warten, damit ich erfuhr, was mit mir los war und wie es mit mir weitergehen würde...

Nach einer gefühlten Ewigkeit trat ein Mann im weißen Kittel in den Raum und sah mich, mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen, an.

„Leo-...", kam es ihm zwischen den Lippen hervor. „Was machst du denn hier?"

Ich blinzelte kurz, denn ich musste die Tatsache, dass mir Samuel gegenüber stand, erst einmal verarbeiten.

„Ich bin ... scheinbar zusammengebrochen", murmelte ich leise und versuchte, mit den Schultern zu zucken.

Samuel kam zu meinem Bett und blieb davor stehen.

„Ich weiß", sagte er ruhig. „Dein Kreislauf hat schlapp gemacht und du bist umgekippt."

Wahrscheinlich war die Frage, nach dem Grund meines Aufenthaltes, nicht so gemeint, dass ich sie beantworten sollte.

„Warum bin ich zusammengebrochen? Was war der Grund dafür?"

„Mir haben Killian und dieser ... Fynn erzählt, dass du mit meinem Bruder eine Auseinandersetzung hattest. Du wolltest hinter ihm her, doch dein Körper hat den Entschluss gefasst, dass es für dich zu viel war. Du hast angebrochene Rippen und auch sonst einige Verletzungen, mit denen nicht zu spaßen ist. Außerdem hast du noch zusätzlich Druck ausgeübt, der besser in den nächsten Tagen vermieden werden solltest. Es hindert deine Lunge daran, sich im Brustkorb vollkommen auszudehnen und auch den Knochen bekommt es nicht."

Er ließ sich kurz am Fußende auf mein Bett nieder und sah mich aus rabenschwarzen Augen an. Es war das gleiche Schwarz, wie das bei Killian. Augenblick schlug mein Herz schneller, als ich an ihn dachte, und ermahnte mich, dass ich an etwas anderes denken musste.

„Ich wusste nicht, dass der Binder derartig schlecht für mich ist... Aber ich kann nicht mehr ohne ihn auf die Straße gehen... Es... ist wie eine Qual, ohne ihn auf die Straße zu müssen...", murmelte ich leise und sah niedergeschlagen auf meine Hände hinab.

„Ich kann es mir vorstellen. Aber du musst im Moment auf deine Gesundheit achten, sonst schadest du dir noch mehr", legte er eine Hand auf meinen Unterarm und als ich aufblickte, sah er mir lächelnd entgegen. „Du solltest deinem Körper die Zeit geben, die er braucht, um zu heilen, dann kannst du wieder machen, was du willst."

Es strahlte eine unbeschreibliche Wärme aus und eine Welle der Aufmunterung kam auf mich zu. Ich fühlte mich, als würde die Zeit, bis ich den Binder wieder problemlos anziehen konnte, rasend schnell an mir vorbei eilen. Ich würde die Zeit überstehen, auch wenn ich dann wahrscheinlich ein nervliches Wrack war. Doch es würde irgendwann wieder bergauf gehen und an diesem Gedanken musste ich im Moment einfach festhalten. Ich musste geradeaus sehen und hoffen, dass die Zeit wirklich schnell vorbeiging...

Samuel kam in mein Zimmer und lächelte mich an. Wie konnte man am frühen Morgen nur solch eine gute Laune ausstrahlen? Scheinbar war er ausgeschlafen, hatte gut gefrühstückt und zusätzlich machte ihm die Arbeit Spaß... Und ich? Ich lag hier und wartete darauf, dass ich nach Hause konnte...

„Guten Morgen", lächelte er mir entgegen, als er mir in die Augen sah. „Na, gut geschlafen?"

Murrend nickte ich und sah ihm dabei zu, wie er meinen Puls und einige andere Werte überprüfte. Mittlerweile war ich bereits einige Tage hier und wartete nur darauf, dass er sagte, dass ich nach Hause gehen durfte. Ich wollte nicht länger hier im Krankenhaus bleiben. Doch bisher hatte er noch nichts zu meiner Entlassung gesagt.

Fynn wollte zwar heute Nachmittag vorbeikommen und mich besuchen, aber ich wollte eigentlich nur alleine sein. Ich wollte mich im Bett verkriechen, so wie ich es bisher getan hatte und wollte darauf warten, dass ich mich endlich wieder frei bewegen konnte ohne auf irgendwelche Verbote achten zu müssen.

„Ich denke, wenn deine Blutwerte auch in Ordnung sind, dann kannst du morgen nach Hause. Ich lasse eine Schwester zu dir kommen, die dir Blut abnimmt."

Auf seinen Lippen lag noch immer ein sanftes Lächeln und ich stellte fest, dass er aussah wie sein jüngerer Bruder. In meinem Inneren bemerkte ich einen stechenden Schmerz, der sich tief in mein Herz bohrte. Ich vermisste ihn, wollte es aber nicht zugeben und biss mir auf die Unterlippe, um meine Gedanken wieder in eine andere Bahn zu lenken.

„Wie geht es Killian?", entwich es mir leise über die Lippen. „Hat er ... irgendwas gesagt?"

„Ich weiß, dass ihr euch getrennt habt oder mein Bruder sich von dir. Er hat sich in den letzten Tagen immer in sein Zimmer zurückgezogen. Ich weiß nicht, was er macht. Ich kann aber gerne mal versuchen, mit ihm zu reden. Vielleicht kann ich ihn dazu bewegen, noch einmal mit dir zu sprechen. Aber nur, falls du das möchtest..."

Er hob seine Hand und legte sie auf meinen Kopf, nur um mir dann durch die Haare zu wuscheln. Ich verzog darauf mein Gesicht und sah ihn sauer an.

„Musste das sein?", meinte ich schmollend.

„Ja, denn du sahst so traurig aus. Ich musste dich einfach aufheitern oder eher auf andere Gedanken bringen."

Er lächelte mir zu und verabschiedete sich für den Moment von mir.

Er hatte das Zimmer verlassen und ich lehnte mich in das Kissen zurück, dass mir mittlerweile zu flachgelegen war. Am liebsten hätte ich eine Schwester gefragt, ob man mir ein anderes bringen sollte, aber für diese eine Nacht würde es auch noch reichen. Ich richtete mich noch einmal auf und zog es hinter meinem Rücken hervor, um es etwas aufzubauschen. Dabei verzog ich erneut das Gesicht, denn diese Bewegung war nicht gut für meinen Oberkörper. Doch ich ignorierte den Schmerz, der sich in meinem Brustkorb ausbreitete. Nachdem ich es aufgeschüttelt hatte, drehte ich mich um und legte es wieder hin, damit ich mich erneut zurücklehnen konnte.

Ich nahm mein Handy in die Hand und sah auf das Display, welches mir keine neuen Nachrichten anzeigte. Noch vor einigen Wochen hatte ich immer mindestens eine Nachricht, wenn ich aufwachte. Doch seitdem Killian wusste, dass ich biologisch gesehen eine Frau war und er sich von mir trennte, war es ruhig auf meinem Handy geworden. Ab und zu kam ein „Hey, wie geht es dir?" von Fynn, aber diese Unterhaltungen waren immer relativ schnell zu Ende...

Allerdings entschloss ich mich nach einiger Zeit dazu, nicht weiter im Bett zu liegen und richtete mich erneut auf. Ich stellte die Füße auf den Boden und genoss die Kälte, die über meine Fußsohlen in meinen Körper kroch. Ich entschied mich, meine Hausschuhe anzuziehen, die meine Mutter mitgebracht hatte, als sie erfuhr, dass ich einige Tage im Krankenhaus bleiben sollte. Ich konnte sie zum Glück davon überzeugen, dass sie nicht jeden Tag vorbeikommen musste, denn ich war alt genug, damit ich die Zeit hier auch alleine absitzen konnte. Außerdem würde sie mir nur mit ihrer Anwesenheit auf die Nerven gehen. Ich presste meine Kiefer aufeinander, als ich aufstand und es erneut in meinem Brustkorb schmerzte. Es war eindeutig noch nicht soweit, dass ich Bäume ausreißen konnte, wusste aber, dass ich es im übertragenen Sinne bald wieder konnte.

Meine Beine waren wackelig, denn ich war in den letzten Tagen sehr wenig aufgestanden und wenn, dann hatten sie mich nur ins Badezimmer getragen und dann wieder zurück ins Bett. Ich wollte dieses Mal aber etwas weiter laufen und ich atmete tief durch, bevor ich mir noch eine Jacke überzog und mein Geldbeutel einsteckte. Mein Handy fand ebenso den Weg in die Jackentasche.

Ich lief durch das Krankenhaus und war darauf bedacht, immer an der Wand entlang zu gehen, falls ich mich abstützen musste. Doch zu meiner Überraschung konnte ich mich besser und deutlich freier bewegen.

Mein Weg führte mich in die Cafeteria, wo ich mir eine Zeitschrift holte, worin ich einige Rätsel lösen konnte und eine Cola, denn langsam gingen mir das Wasser und der Tee auf die Nerven. Ich wollte endlich mal etwas Vernünftiges trinken und das war im Moment die einzige Möglichkeit, mal einen anderen Geschmack in den Mund zu bekommen.

Mit den erworbenen Gegenständen lief ich wieder in mein Zimmer und ließ mich auf den Stuhl nieder, der am Tisch im Zimmer stand. Ich legte die Zeitschrift darauf und öffnete die kleine Flasche, damit ich einen tiefen Zug des koffeinhaltigen Getränks nehmen konnte. Doch ich bereute es bereits wenige Sekunden später, denn die Kohlensäure ließ mich unangenehm aufstoßen. Es ließ mich bei jedem Mal das Gesicht verziehen, denn es schmerzte einfach nur in meinem Brustkorb. Ich wollte nur noch, dass es aufhörte und ich seufzte genervt...

Am nächsten Morgen hatte ich meine Tasche gepackt und wartete darauf, dass meine Mutter mich abholte. Ich hatte mir einen weiten Pullover angezogen, damit man nicht sah, dass ich eine Wölbung im Brustbereich hatte. Diese zu erklären schaffte ich im Moment nicht, außerdem wollte ich es auch gar nicht. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mich wieder frei bewegen und meinen Binder wieder anziehen konnte.

Als es an der Tür klopfte, ließ ich die Person eintreten und meine Mutter fiel mir lächelnd um den Hals.

„Endlich kann ich dich abholen", freute sie sich und nahm meine Tasche in die Hand.

Samuel hatte mir verboten, schwer zu heben und auch sonst durfte ich nichts machen, was mich zu sehr anstrengte. Auf der einen Seite hatte ich jetzt einige Tage frei und musste nicht in die Schule, da ich meinen Schulrucksack nicht tragen durfte, aber auf der anderen Seite wusste ich, dass mir sehr viel Unterrichtsstoff entging und ich große Probleme bekommen würde, wenn ich wieder in die Schule kam und mich wieder einarbeiten musste. Das meiste davon verstand ich im Moment sowieso nicht.

„Kommst du, Liebling?", fragte meine Mutter und riss mich damit aus den Gedanken.

Sie war bereits zur Tür gelaufen und ich nickte zur Bestätigung, bevor ich noch einmal prüfte, ob ich auch alles eingepackt hatte.

„Ich will mich aber noch kurz von jemandem verabschieden...", murmelte ich kurz und meine Mutter nickte mir dieses Mal verständnisvoll entgegen.

Sie meinte, sie würde am Auto warten und beschrieb mir noch kurz, wo der Wagen auf stand und dann trennten sich unsere Wege...

Ich lief zum Büro von Samuel und klopfte an dieses. Nur wenigen Momenten später ertönte seine Stimme im Inneren und ich trat in das Zimmer.

„Ich... wollte mich bei dir bedanken und sagen, dass ich jetzt gehe. Meine Mutter holt mich gerade ab", sagte ich leise, als er von seinem Laptop aufsah.

„Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn du reden willst. Ich habe immer ein Ohr für dich und bin immer für dich da, Leo", sagte er, stand auf und lief zu mir. „Außerdem habe ich gestern mit meinem Bruder geredet. Aber ich weiß noch nicht, wie er sich entscheiden wird. Es ist nicht gerade einfach für ihn. Warte noch ein bisschen. Vielleicht meldet er sich doch noch bei dir."

Samuel wuschelte mir noch einmal durch die Haare, bevor er mich in eine kurze Umarmung zog. Ich wurde von der Hitze seines Körpers erschlagen, dennoch genoss ich diese ungewohnte Geste für wenige Sekunden, bevor mein Brustkorb sich bemerkbar machte.

„Danke", murmelte ich leise und verabschiedete mich von ihm.

Er lächelte mir noch einmal zu und ich verließ das Büro. Ich atmete noch einmal durch, bevor ich mich auf den Weg zu meiner Mutter machte...


× Killians Sicht – Einen Tag zuvor ×

„Ich bin wieder da", rief mein Bruder durch den Flur des Hauses.

Ich hob meinen Blick vom Laptop, um ihn anzusehen, als er dann in das Wohnzimmer trat.

„Hast du Hunger? Ich würde uns was kochen."

Seine Stimme klang wie immer freundlich und er ließ sich nichts von seinem Arbeitsstress anmerken.

„Gerne. Soll ich dir helfen?", erkundigte ich mich.

„Musst du nicht, aber wenn du willst, dann kannst du mir trotzdem Gesellschaft leisten."

Ich speicherte kurz das Online-Spiel, welches ich geöffnet hatte und schaltete meinen Computer aus, damit ich mit meinem Bruder in die Küche gehen konnte. Er wusste immer, wenn er in den Kühlschrank sah, was er kochen wollte und so sah ich ihm dabei zu, wie er Paprika, Möhren, ein Bund Lauchzwiebeln und etwas Fleisch auf den Tisch legte. Mit einem gekonnten Griff zog er einen großen Topf aus dem Schrank und füllte ihn mit Wasser, nahm etwas Salz und gab es mit ins Wasser. Dann stellte er den Topf auf den Herd und schaltete ihn an. Dann nahm er ein Holzbrettchen und setzte sich damit an den Tisch. Erst schnitt er die Paprika klein, dann schälte er die Möhren und zerkleinerte sie ebenfalls. Zum Schluss kamen die Lauchzwiebeln an die Reihe.

Als das Wasser kochte, beobachtete ich, wie mein Bruder aus einem der Schränke die Nudeln holte und sie in das Wasser gab. Ich wusste mittlerweile genau, was er vorhatte, auch wenn er kein Wort sagte. Er wollte gebratene Nudeln zubereiten und mir lief das Wasser bereits im Mund zusammen, als ich daran dachte, wie es bisher immer schmeckte. Wenn er kein Arzt geworden wäre, hätte er bestimmt den Beruf des Kochs für sich entdeckt.

„Ich will außerdem mal mit dir reden...", murmelte er nach einiger Zeit.

Er hatte gerade eine große Pfanne aus dem Schrank geholt und etwas Öl hinein gegeben. Seine Stimme gefiel mir in diesem Moment nicht, denn immer, wenn er ernst wurde, dann konnte es nichts Gutes heißen. In meinem Hals bildete sich ein Kloß, denn ich wollte nicht, dass er in diesem Ton mit mir redete. Doch ich erwiderte nichts, sondern wartete darauf, dass er weitersprach.

„Es geht um Leon."

Jetzt war mein Interesse geweckt, auch wenn ich es nicht zeigte. Zum einen wollte ich nicht an ihn denken, aber trotzdem hatte ich noch immer starke Gefühle für ihn.

„Was willst du mir sagen?", versuchte ich so kalt wie möglich zu wirken.

Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass ich mittlerweile doch ziemlich neugierig war.

„Er ist ein Patient von mir. Und ich habe versprochen, dass ich noch einmal mit dir rede."

Er sah vom Herd zu mir und seine Augen verengten sich etwas.

„Ich weiß, es ist nicht leicht für dich, zu verstehen, wieso er das getan hatte. Wieso er dich im Glauben gelassen hatte, dass er ein Junge sei. Doch er ist ein Junge. Nur sein Körper ist „falsch". Er ist im psychischen ein Junge. Es ist nicht immer leicht, es für einen Außenstehenden zu erklären. Man müsste sich mit dem Thema genau befassen, damit man es versteht. Manche Psychologen sagen, dass man als Elternteil in der Erziehung versagt hat, doch das ist falsch."

„Er hat mich in dem Glauben gelassen, dass er vergewaltigt wurde!", stieß ich hervor, als ich nichts weiter hören wollte.

Ich verstand doch mittlerweile sehr wohl, dass er ein Junge war, auch wenn er als Frau geboren wurde, und wusste, dass es schwer für ihn sein musste. Doch er hatte mir etwas vorgemacht und mich angelogen.

„Das war bestimmt nur ein Missverständnis. Ich denke, wenn es anders gelaufen wäre, dann wäre es gar nicht soweit gekommen."

Samuel versuchte immer das Gute in einem Menschen zu sehen und auch wenn ich es nicht zugab, er hatte dennoch recht. Wenn ich nicht so besessen darauf gewesen wäre, Leo so nah sein zu wollen, dann hätte Leo nicht abgeblockt und er hätte nicht versucht, eine Ausrede zu finden. Ich hätte ihm einfach Zeit geben müssen. In diesem Moment ohrfeigte ich mich innerlich selbst dafür, dass ich so voreilig war.

„Rede doch noch einmal mit Leo", meinte er und lehnte sich an die Spüle. „Ich finde es nämlich sehr schade, wenn das mit euch endgültig vorbei ist. Du warst so glücklich, als ihr zusammen wart und nun bist du nur noch in deinem Zimmer, schließt dich ein und unternimmst kaum noch etwas. Auch zum Fußballtraining gehst du nicht mehr regelmäßig."

Ich wusste gar nicht, dass es Samuel aufgefallen war, dass ich nicht mehr zum Training ging. Doch im Moment hatte ich keine Lust darauf und wollte einfach nur meine Ruhe. Vor allem hätte ich dort nur Fynn gesehen und ihm gegenüber hatte ich mich ebenfalls falsch verhalten. Immerhin hatte ich gedacht, dass Leo in ihm einen Ersatz gesucht hatte. Ich könnte mich wirklich dafür ohrfeigen, was ich in den letzten Tagen und Wochen getan und wie ich mich verhalten hatte.

„Mal sehen...", murmelte ich leise.

Dann sah ich meinem Bruder dabei zu, wie er das Essen weiter zubereitete und es am Ende auf die Teller verteilte und einen davon vor mir abstellte.

„Ich werde es mir überlegen", fügte ich nach wenigen Momenten hinzu, bevor ich begann, etwas zu essen.

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