Sonnenlicht fiel durch die Fenster in die kleine Hütte und kitzelte Hermine auf der Nase. Murrend drehte sie sich zur Seite, um den Strahlen zu entkommen und kuschelte sich tiefer in die Decke. Ein leises Knarren erklang und sie blinzelte.
Sie starrte an die hölzerne Decke und streckte sich gähnend, ehe sie den Blick nach unten schweifen ließ - und sich dafür verfluchte. Am Tisch saß Draco mit einem Buch. Schlagartig kamen die Erinnerungen an die gestrige Nacht zurück und sie errötete vor Scham. ,,Morgen", grüßte er sie, ohne von seiner Lektüre aufzuschauen.
,,Morgen", gab sie irritiert seine Worte zurück, verwirrt ob seiner Gelassenheit. Empfand er denn kein Schamgefühl? Draco war bereits angezogen und sie dagegen noch nackt. Sie sah sich im Zimmer um und entdeckte ihre Klamotten auf einem Stuhl - er musste sie dort hingelegt haben. Vorsichtig, die Bettdecke an ihren Körper gepresst, krabbelte sie zum Ende des großen Doppelbetts und langte nach dem Stuhl, der ihre Sachen beherbergte.
Als sie jene in der Hand hielt kroch sie wieder zurück und zog sich in Windeseile an, darauf bedacht, nicht zu viel Haut zu zeigen. Ihre Klamotten waren in der Zwischenzeit getrocknet und dafür war sie dankbar - es reichte, wenn er sie einmal entblößt sah. Ihr Unterbewusstsein meldete sich mit einem besserwisserischen Kopfschütteln und plötzlich kam zu dem Schamgefühl auch noch die bittere Reue.
Gestern hatte sie sie ignoriert, doch heute musste Hermine sich ihr stellen - warum hatte sie es getan? Warum hatte sie mit Draco Malfoy geschlafen? Warum?
Zwar konnte sie als Ausrede sagen, dass sie betrunken war und Draco mit dieser einen letzten Frage beim Spiel darauf hingespielt hatte - doch rückgänig machen konnte sie es damit auch nicht. Innerlich verdammte sie sich dafür, dass sie nur auf die Gegenwart und nicht auf die Zukunft geachtet hatte, rücksichtslos mit sich selbst gehandelt hatte.
Sie seufzte leise. Währe das nur nicht alles passiert, dann säße sie jetzt nicht in der Sackgasse. Plötzlich fiel ihr noch etwas ein: ,,Ähm... Malfoy?" Hermine schob die Decke weg, da sie vollständig angekleidet war, während er von seiner Lektüre aufsah: ,,Mh?"
,,Äh... Wir haben vergessen... vorzusorgen." Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken, so peinlich war es ihr. Mit hochrotem Kopf sah sie zu Boden und lauschte seiner zögerlichen Antwort: ,,Dann tu es, sobald du Zuhause bist." Sie nickte und stand auf, um irgendwas zu tun.
Doch sobald sie stand zuckte sie zusammen. Ein scharfer Schmerz und ein dumpfes Klopfen trat zwischen ihren Beinen auf - sie war wund. Hermine stöhnte und lenkte erneut Dracos Aufmerksamkeit auf sie: ,,Was ist?" Abwehrend schüttelte sie den Kopf: ,,Nichts, nichts." Wenn er es merken würde, sie es zugeben würde müssen, dann wäre es um ihren Stolz geschehen - doch war es das nicht schon, indem sie sich auf ihn eingelassen hatte?
,,Hör zu", sagte sie entschieden und ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken, ,,wie wäre es, wenn wir das gestern Nacht einfach vergessen würden? So tun, als ob es nie passiert wäre?" Draco schaute sie ungläubig an: ,,Das kann doch nicht dein Ernst sein? Granger, das gestern war unglaublich, das kann dir doch nicht entgangen sein! Du hast es genossen, ich habe es gesehen."
,,Ja schon", gab sie zurück und kaute auf ihrer Unterlippe, ,,aber wir waren betrunken. Ich glaub nicht, das dass gut war, für uns beide nicht. Wenn wir nüchtern gewesen wären, hätten wir es garnicht soweit kommen lassen."
Als Antwort zog er eine Augenbraue hoch: ,,Sicher?" Sie nickte als Antwort. ,,Inwiefern schlecht?"
,,Äh. Verschmutze ich dir nicht deine Reinblut-Linie oder so? Auf die du soviel Wert gelegt hast?"
,,Durch einen One-Night-Stand wird wohl kaum meine Linie verunreinigt werden."
,,Wenn du meinst. Also, ich muss dann mal. April läuft noch frei herum und schließlich war es meine Aufgabe, sie zu finden." Mit diesen Worten erhob Hermine sich und ging zur Tür, darum bemüht, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Sie würde die Stute nicht finden, dass wusste sie nur zu genau. Schließlich hatte sie eine Nacht vergeudet.
Doch war sie wirklich vergeudet gewesen?
,,Du willst jetzt also einfach gehen, Granger?" unterbrach sie die Stimme Dracos, als sie eine Hand auf die Türklinke legte. ,,Was erwartest du? Dass ich ein Buch darüber schreibe, wie ach so toll die Nacht doch war?" Er verdrehte die Augen: ,,Nein, das nicht. Das wäre grausam. Aber ich würde gerne weitere Treffen ausmachen."
Mitten in der Bewegung, die Tür zu öffnen, hielt sie inne. Was hatte er gesagt? Er wollte sich weiter mit ihr treffen? Er wollte die gestrige Nacht wiederholen? Verwundert drehte sie sich um: ,,Habe ich das richtig verstanden? Du möchtest das gestern wiederholen?"
,,Korrekt. Was dagegen?", fragte er mit einem spöttischem Grinsen und einem Funkeln in den Augen. ,,Also ich kenne da 'ne Menge Leute, die es nicht gutheißen würden, wenn sie wüssten, was wir hier tun. Oder du tun willst", fügte sie hinzu und lehnte sich an den Türrahmen, die Arme unter der Brust verschränkt. ,,Sie müssen es ja nicht erfahren", antwortete Draco.
,,Aber das wäre... moralisch falsch." Innerlich gab sie sich selbst eine schallende Ohrfeige, doch zu spät war zu spät. Prustend gab er zurück: ,,Moralisch falsch? Dein Ernst, Granger? Seit wann ist es falsch so eine Art von Beziehung zu führen?"
,,Naja, dass ist ja auch nicht grad die feine englische Art, weißt du."
,,Das ist mir egal. Eine Beziehung wird nicht immer nur durch Liebe und Vertrauen und sowas geprägt, es gibt auch andere Arten davon. Man merkt, dass du noch nie so eine hattest."
,,Dafür du aber umso öfter", gab sie schnippisch zurück. Es war so klar gewesen, dass er schon Profi in Sachen One-Night-Stand war, während sie davon keine Ahnung hatte. Zu Hogwarts-Zeiten musste er auch schon so gewesen sein, auch wenn sie versucht hatte, ihn zu ignorieren. Draco Malfoy war eben schon immer ein verwöhnter Schönling gewesen.
,,Ja und ich schäme mich nicht dafür, wie du es offensichtlich für gestern tust." Na toll, es war ihm also doch nicht entgangen. ,,Und ehrlich gesagt weiß ich nicht, was du dagegen hast. Klar, ich bin dein verhasster Schulfeind, doch in dieser Art von Beziehung geht es nicht um Liebe und dergleichen, sondern um Spaß. Du hast Spaß, ich hab Spaß und niemand bekommt etwas davon mit. Wo also liegt das Problem?" Hermine brauchte nicht zu überlegen: ,,Schamgefühl? Schon mal was davon gehört? Außerdem habe ich auch noch so etwas wie Würde, ob du es glaubst oder nicht."
,,Ausreden. Schämen brauchst du dich für gar nichts und die Würde wird dadurch auch nicht angekratzt." Hermine veränderte ihre Position ein wenig und antwortete: ,,Nur weil du keine hast, bedeutet das nicht, dass andere Leute sie ebenfalls nicht besitzen, Malfoy. Zumindest Leute, die sich noch nie auf sowas eingelassen haben", fügte sie bei seinem ungläubigen Blick hinzu. ,,Wieder eine Ausrede. Was ist daran erniedrigend Spaß zu haben?"
,,Am Spaß an sich nichts. Eher die Tatsache, dass man sich schon auf sowas einlassen muss, um ihn überhaupt zu bekommen."
,,Was mich betrifft: Ich könnte jede haben, kein Problem. Doch ich bin nicht an einer langfristigen Beziehung interessiert. Was dich angeht..." Draco ließ den Satz so wie er war im Raum hängen und Hermine spürte, wie sich ihr Stolz regte und gegen seine Aussage, sie sei hässlich, protestierte. Doch hermine wusste, dass er es nicht wirklich ernst gemeint hatte, sonst wäre er wohl kaum mit ihr im Bett gelandet.
,,Um zum Punkt zu kommen: Ich weiß, dass du es gestern genossen hast und du weißt das auch. Niemand würde von unserem Arrangement erfahren und niemand würde dich zu Sex zwingen. Dir bräuchte nichts peinlich zu sein und du würdest dich damit auch nicht erniedrigen. Es spricht nichts gegen weitere Treffen, rein gar nichts. Willst du also weitere Treffen, ja oder nein?"
Innerlich war sie unentschlossen: Zum einen Teil war es falsch, mit Draco Malfoy zu schlafen, Harrys ehemaligem Schul-Erzfeind und die Person, die sie am meisten verletzt und gedemütigt hatte. Doch andererseits hatte er ihr Angeboten, noch einmal einen Neuanfang zu wagen und diese Chance wollte sie eigentlich nutzen. Außerdem würde sie endlich den fantastischen Sex bekommen, den sie immer gewollt hatte und wegen dessen fehlen sie sich von Ron getrennt hatte, der ihr Liebe und Bodenständigkeit gegeben hatte. Hermine wägte ab, kam jedoch zu keinem Ergebnis.
,,Ich überlegs mir noch", kam die schlichte Antwort von ihr. Draco hob eine Augenbraue: ,,Gut. Wo wohnst du?" Sie gab ihm ihre Adresse und stand danach unschlüssig im Türrahmen. Sachen hatte sie hier nicht, doch aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht kannnte, fiel es ihr schwer, sich von ihm zu verabschieden.
,,Okay... Ich geh dann mal." Als er nickte drehte sie sich um und öffnete die Tür. Als sie halb herausgetreten war, wandte sie sich noch einmal zu ihm: ,,Wann kommst du mich besuchen?"
,,Bald", kam nur die einfache Antwort. Draco hielt den Kopf gesenkt und starrte auf die hölzerne Tischplatte, die Arme verschränkt. Irgendwie sah er trübselig sus. ,,Okay. Dann tschüss." Ohnevein weiteres Wort ging sie hinaus und schloss die Tür. Durch eines der Fenster konnte sie erkennen, dass er sehr unzufrieden aussah. Sie seufzte. Ihm war es wirklich nicht leicht zu machen.