Tödliche Berührung (2012 WATT...

By RobThier

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Gwenwyn ist die unglücklichste Prinzessin der Welt, und zwar aus gutem Grund. Allein ihre Haut zu berühren ve... More

Kapitel 01
Kapitel 02
Kapitel 03
Kapitel 04
Kapitel 05
Kapitel 06
Kapitel 07
Kapitel 08
Kapitel 09
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22

Kapitel 23

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By RobThier

Ihr Plan war so einfach, dass er schon fast lächerlich erschien.

Gwen warte angespannt in der Nähe der Schlafzimmertür. Vor ein paar Minuten hatte sie Faryl, einen der beiden Ritter, die vor der Tür Wache gestanden hatten, losgeschickt – er lief gerade den Flur hinunter und rief aus voller Kehle nach einem Heiler. Alwyn würde sicher in Kürze davon erfahren. Wenn Bryn ebenfalls Leute hatte die ihr Zimmer beobachteten, was sowohl Gwen als auch Gavin vermuteten, dann würde es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis er ebenfalls hier auftauchte.

Die Aussicht ihrem Vater entgegenzutreten war sowohl aufregend als auch erschreckend.

Sie fragte sich für einen Moment, wie Gavin mit seinem Teil des Plans zurechtkam, weigerte sich aber, sich darüber Sorgen zu machen. Im Augenblick gab es vermutlich nichts, worüber man sich Sorgen machen musste – der Plan war überaus einfach, und wenn die Dinge auf seiner Seite schiefgelaufen waren, hätte sie vermutlich inzwischen davon gehört. Wenn die Dinge jedoch wie geplant gelaufen waren, dann lag das wichtigste sowieso schon hinter ihnen.

„Gwenwyn?!“, hörte sie ihren Vater durch die Tür rufen, kurz bevor er heftig dagegen klopfte. „Tochter? Was ist los? Sind alle wohlauf? Ich habe einen Heiler und seinen Gehilfen mitgebracht – Ich habe gehört, dass etwas Schreckliches passiert sei.“

Sie rieb sich kräftig die Augen, um es so aussehen zu lassen, als hätte sie geweint, und überprüfte kurz ihr Werk in der reflektierenden Oberfläche einer in der Nähe stehenden Silberschale. Dann, nachdem sie der einsamen Figur die neben dem Bett saß kurz zugenickt und ihm ein beruhigendes Lächeln zugeworfen hatte, öffnete Gwen langsam die Tür und ging mit gesenkten Kopf aus dem Zimmer.

Ihr Vater stand zusammen mit einem kleinen Gefolge von gelehrt wirkenden Männern im Flur. Bryns Gesichtsausdruck war eine perfekte Mischung aus Ernst und Unruhe. Er schwitzte väterliche Fürsorge praktisch aus allen Poren. Wenn Gwen ihren Vater nicht so gut gekannt hätte, hätte ein Teil von ihr vielleicht tatsächlich geglaubt, dass er sich um sie sorgte, oder dass ihm zumindest ein klein wenig an ihr lag.

Bei ihren Anblick wirkte er erleichtert und begann dann Befehle an seine Begleiter zu brüllen.

„Schnell, hinein! Worauf wartet ihr denn noch?“, rief Bryn und machte eine Geste zur offenen Tür. „Etwas stimmt mit Prinz Gavin nicht! Kümmert euch um ihn!“

Die kleine Gruppe von Heilern eilte hinein und ließen Bryn und Gwen im stillen Korridor zurück. Das Schweigen zwischen ihnen hielt nicht lange an.

„Sprich, Tochter“, murmelte Bryn leise.

„Was wollt Ihr von mir hören?“, fragte sie kühl, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Bryn lachte. „Das reicht schon! Nun denn, es ist vollbracht! Du hast ihn geküsst. Du wirst nichts mehr tun oder sagen, wenn du weißt was gut für dich ist, Gwenwyn, es sei denn ich befehle es dir.“ Seine Anweisungen wurden von einem selbstgefälligen Grinsen begleitet.

Gwen drehte sich von ihm weg, den Kopf immer noch gesenkt, und hoffte, dass sie mürrisch und besiegt aussah. Wie sie vermutet hatte, dauerte es nicht lange, bis er mit seinem Sieg zu protzen begann.

„Na sieh mal einer an. Du bist nicht nur frisch frisch verwitwet, Tochter, du bist nun auch eine Königin!“, sagte er leise. Unter der oberflächlichen Höflichkeit war seine Stimme erfüllt von Hohn. „Wie fühlt es sich an? Du solltest wirklich versuchen es zu genießen, solange es anhält. Wir werden morgen am Gottesdienst teilnehmen, du und ich, und wenn die Göttin deine heutigen Taten hier nicht gutheißt, könnte deine Regentschaft die kürzeste in der Geschichte unseres Königreichs sein.“

Sie stand weiterhin einfach nur da, und versuchte ihren Gesichtsausdruck so teilnahmslos wie möglich zu halten.

„Gewiss, was du getan hast mag vielleicht nicht als Verbrechen angesehen werden, und du könntest weiterhin den Göttlichen Segen empfangen. Für diese Möglichkeit habe ich ebenfalls vorgesorgt.“ Er warf ihr ein Lächeln voller Bosheit zu. „Später, wenn diese ganze Schau hier vorbei ist, werde ich dich beiseite nehmen um dir zu erzählen, was passieren wird, wenn Eirene dich weiterhin als Königin in Erwägung zieht. Wenn ich genau darüber nachdenke, wirst du vermutlich die Verurteilung und Verbannung bevorzugen.“

Als er geendet hatte, erregte ein Tumult an einem Ende des Korridors seine Aufmerksamkeit, und er setzte hastig wieder eine Maske voll ängstlicher Sorge auf sein Gesicht.

Die bärtige Gestalt von Gavins Vater, Alwyn, führte eine zweite kleine Gruppe von Gelehrten an. Sie alle liefen schnell den Korridor entlang, auf Vater und Tochter zu. Alwyns Gesichtsausdruck sah fast so ängstlich und fürsorglich aus wie Bryns.

„Was ist denn hier los?", rief Alwyn ihnen aus der Mitte des Gangs zu. „Ich habe gehört das etwas schreckliches passiert sei....jemand rief nach einem Heiler! Ich habe meinen eigenen Leibarzt mitgebracht, nur für den Fall, dass er vielleicht-“

Sein Blick fiel auf Gwen und der alte Mann blieb wie angewurzelt stehen.

Es fiel Gwen äußerst schwer in diesem Moment einen ernsten Gesichtsausdruck beizubehalten. Sie konnte fast mit ansehen wie Alwyns gespielte Verwirrung zu durchaus echter Verwirrung wurde.

„König Alwyn! Ich selbst bin gerade erst angekommen“, sagte Bryn mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, den er zweifellos stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. „Ich wurde von Rufen nach einem Heiler geweckt, und ich kam her um zu sehen was geschehen war. Ich fürchte -“

„Wo ist mein Sohn?!“, verlangte Alwyn zu wissen. Seine Stimme klang viel weniger freundlich und sympathisch als noch einen Moment zuvor. „Was habt Ihr mit meinem Sohn angestellt?“

Einer der Heiler die ihr Vater mitgebracht hatte kehrte aus dem Schlafzimmer zurück, seine Stirn vor Verwirrung gerunzelt. Bryn wendete seinen Ausdruck der Besorgnis schnell in dessen Richtung und rang seine Hände.

„Ist alles in Ordnung mit meinem Schwiegersohn?“, fragte er und schaffte es noch verzweifelter und trauriger zu wirken. „Stimmt etwas nicht mit ihm?“

„Äh... ich weiß nicht genau“, sagte der kleine Bursche, und deutete mit seinem Daumen hinter sich. „König Gavin ist nicht da.“

„Oh Göttin! Wie konnte dies-“, begann Bryn zu klagen. Dann hielt er mitten im Satz verwirrt inne, als die Bedeutung der Worte in seinem Gehirn ankam. „Warte....was?“

Gwen schaffte es nur gerade eben nicht laut loszulachen. Es war eine der schwierigsten Taten, die sie je vollbracht hatte.

„Ich sagte, er ist nicht da“, wiederholte der Heiler schulterzuckend. „Und der Mann der da drin ist, scheint völlig in Ordnung zu sein.“

Wie aufs Stichwort tauchte eine zweite Gestalt aus dem Zimmer auf, die zaghaft und entschuldigend dreinschaute. Er stand ungelenk da, wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass er anstatt seiner normalen Gardistenuniform jetzt ein geschmackvolles Nachthemd und eine schwarze Hose aus Gavins Kleiderschrank trug. Er sah sich um, beugte seinen Kopf vor Alwyn und verharrte dann an Ort und Stelle, während er versuchte möglichst klein klein und unauffällig zu wirken.

Weder Alwyn noch Bryn wussten, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen sollten, und beide starrten ratlos zuerst zu ihr, dann zu dem Ritter der Garde und dann zu dem Zimmer, aus dem er gerade gekommen war.

Nicht mehr in der Lage ihr Lachen noch länger zu unterdrücken, bedeckte Gwen in dem Versuch es doch noch aufzuhalten, ihren Mund mit ihrer Hand. Es gelang ihr nur teilweise.

Binnen kurzem hatten beide Männer ihre Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, woraufhin sie es schaffte wieder die Kontrolle über sich selbst zu erlangen, ihren Rücken straffte, die beiden anlächelte und sich räusperte.

„Ja, tut mir leid... das ist alles ein wenig peinlich, aber ich kann es erklären“, begann sie strahlend. „Diese ganze Situation ist gänzlich meine Schuld. Es ist nämlich so, ich habe schon immer militärische Kleidung geliebt und ich vergöttere die Uniformen die die rhegarianischen Ritter tragen... sie sind so viel schnittiger als unsere tristen calderianischen Trachten. Vielleicht war es ein kindischer Wunsch, aber ich wollte unbedingt sehen, wie mein Ehemann in einer dieser Uniformen aussehen würde. Gavin schien einverstanden zu sein, also luden wir die beiden Ritter, die draußen vor unserem Zimmer Wache hielten, zu uns ins Zimmer ein und euer Ritter Roderrick hier...“ Gwen verbeugte ihren Kopf in Richtung des Nachthemd tragenden Mannes. „war so nett, Gavin seine Uniform anprobieren zu lassen.“

Ritter Roderick verbeugte sich ein zweites Mal entschuldigend vor Alwyn.

„Und dann“, fuhr sie fort, „auch wenn ich vielleicht kindisch reagiert habe, wurde ich einfach von Gefühlen überwältigt. Der bloße Anblick meines geliebten Gavins in dieser Uniform, nun.... sorgte dafür, dass ich mich ein wenig benommen und schwindelig fühlte. Mein Gemahl befahl beiden Rittern bei mir zu bleiben, und verließ dann sofort das Zimmer, um Hilfe zu holen, jedoch ist das schon eine ganze Weile her, und ich fürchtete, dass er sich verlaufen hat. Wir warteten, und schließlich schickte ich Faryl, den anderen Ritter, um an Gavins Stelle Hilfe zu holen. Roderick, Ehrenmann der er nun mal ist, bot an über mich zu wachen, bis Hilfe eintreffen würde.“ Gwen lächelte den Heiler in ihrer Nähe an. „Vielen Dank, dass Ihr so schnell gekommen seid. Ich fühle mich bereits viel besser.“

„Genug von diesem Unsinn!“, schrie Alwyn. „Wo ist mein Sohn?“

„Oh, beruhigt Euch. Ich bin sicher er ist hier irgendwo in der Burg, Genau genommen....oh seht! Da ist er ja!“

Beide Männer drehten sich gerade rechtzeitig, um Gavin, mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen den Gang herunterkommen zu sehen, aus der gleichen Richtung aus der sich sein Vater ihnen genähert hatte. Er trug ein Schwert an seinem Gürtel, und er hatte fast ein Dutzend Ritter im Schlepptau.

Gwen schenkte ihrem Vater ein Lächeln, der zuerst Gavin und die sich nähernden Ritter und dann sie anstarrte. Er öffnete seinen Mund, als ob er etwas sagen wollte, schloss ihn dann aber wieder.

„Gavin!“, rief Alwyn und trat vorwärts. „Ich wünsche, dass du mir auf der Stelle erklärst, was zur Hölle hier vor sich geht!“

Gavin zuckte leicht zusammen und wich aus reiner Gewohnheit vor der Wut seines Vater zurück. Dann jedoch, als ob er sich an etwas erinnerte, entspannten sich seine Schultern ein wenig und sein Blick suchte Gwens, als könne er dort Halt finden.

Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

Gavin grinste zu ihr zurück, straffte seine Schultern, sah Alwyn an und nahm dann einen langsamen und bedächtigen Atemzug.

„Nein“, sagte er schließlich. Ohne ein weiteres Wort lief er an seinem Vater vorbei und direkt auf Gwen zu.

Alwyns Augen quollen über und er begann zusammenhanglos zu stottern. Er konnte sich offensichtlich erklären, was gerade geschehen war.

„Deine... deine Stimme“, begann ihr Vater, sein Ton voller Unverständnis und Unglauben. Er starrte Gwen an, holte tief Luft und versuchte von neuem zu beginnen. „Wie kannst du... wenn du ihn nicht geküsst hast, warum -“

„Gavin, mein Geliebter!“ Sie lächelte, schob sich an ihren Vater vorbei und hielt ihre Arme einladend auf. „Oh, ich weiß wir waren nur für kurze Zeit getrennt, aber ich habe dich so sehr vermisst!“

Und ohne zu zögern fielen die beiden sich in die Arme und küssten sich lang und ausgiebig, während beide Väter sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrten.

Der Korridor war völlig still. Alwyn und Bryn standen beide da wie vom Donner gerührt. Regungslos wie sie waren, glichen sie einem Paar verwirrter Statuen.

Als sie schließlich den Kuss beendeten, schaute Gavin zu den beiden ehemaligen Königen hinüber und heuchelte Überraschung.

„Oh, sieh mal, Liebste!“, sagte Gavin grinsend und deutete auf die unbeweglichen Figuren. „Bücherstützen!“

Gwen kicherte herzhaft und küsste Gavin sicherheitshalber noch einmal. Dann drehte sie sich zu den beiden um und schenkte ihrem Vater ein strahlendes Lächeln.

„Oh, ich wollte mich noch bei Euch bedanken, Papa, für Euren ausgezeichneten Geschmack was Ehemänner angeht! Ich gebe zu, ich war zuerst ein wenig skeptisch gegenüber dieser ganzen Angelegenheit mit der arrangierten Ehe, aber jetzt bin ich vollkommen begeistert davon! Stellt Euch nur vor, Gavin und ich hatten seit unserem Hochzeitstag nur sehr wenig Zeit einander besser kennenzulernen, aber wir haben inzwischen bereits herausgefunden, dass wir so viele Dinge gemeinsam haben! Die gleiche Leidenschaft fürs Reiten, die gleiche Liebe für die Natur...“ sie grinste verschmitzt. „Die gleiche Ernährung...“

Beide bisherigen Könige erwachten aus ihrer Benommenheit. Beide brauchten nur Sekunden um die Bedeutung von Gwens Worten zu begreifen. Obwohl beiden zunächst der Schock und die Verwirrung ins Gesicht geschrieben stand, dauerte es nicht lange, bis sie einander finster anstarrten und niederträchtige und argwöhnische Blicke austauschten.

„Ja, das stimmt“, lächelte Gavin, sein Ton optimistisch und fröhlich. „Beide von euch hatten exakt die gleiche Idee. Ich bin sicher ihr werdet viel zu besprechen haben, wenn man in Betracht zieht wie viel ihr beide gemeinsam habt. Und, Vater, Ihr werdet sehr erfreut sein zu hören, dass Gwenwyn mir das Lesen und Schreiben beigebracht hat, da Ihr ja immer zu beschäftigt wart, dies selbst zu tun. Ich habe sogar gelernt meinen Namen zu schreiben! Würdet Ihr ihn gerne sehen?“

Immer noch lächelnd griff Gavin in seine Tasche, zog ein zerfetztes Stück Papier heraus und hielt es seinen Vater hin.

Alwyn starrte darauf hinab und seine Augen verengten sich.

„Ein königlicher Befehl?!“ Er richtete seinen wütenden Blick auf Gavin und biss die Zähne zusammen. „Ich wünsche, dass du mir hierfür auf der Stelle eine Erklärung lieferst!“

Gwen schnalzte missbilligend mit der Zunge und schüttelte ihren Kopf mit vorgespielter Enttäuschung. „Ihr versteht nicht besonders schnell, oder? Euer Sohn muss nicht länger tun und lassen was ihr wünscht. Wenn Ihr eine Erklärung wollt, solltet ihr besser versuchen, das Papier das er Euch hinhält zu lesen. Das meiste habe ich geschrieben, aber Gavin hat seinen Namen völlig alleine darunter gesetzt. Überdies eine wunderschöne Arbeit – viel besser als mein eigener erster Versuch, ein Dokument zu unterschreiben.“

„Nun, ich hatte jede Menge Hilfe und Zeit zum üben“, gab Gavin zu. „Und ich befürchte, das arme Tischtuch wird nie wieder sauber.“

Alwyn starrte sie nacheinander an und blickte dann wieder auf das Papier, das ihm vor die Nase gehalten wurde. Nachdem er einige Zeit mit lesen verbracht hatte, sah er noch geschockter aus.

„- alle vorherigen Befehle widerrufen...widerrufen?! Du weißt nicht einmal was dieses Wort bedeutet!“ Frustriert fuhr er sich mit den Fingern durch sein weißes Haar. Seine Augen wurden größer je mehr er las. „Ich hab....ich habe nicht mehr länger das Kommando über meine Ritter?! Aber....das ist Unsinn! Du kannst nicht einfach -“

„Genau genommen kann ich nicht nur, ich habe bereits“, unterbrach ihn Gavin lächelnd. Er schaute zu einem der rhegarianischen Ritter der neben ihm stand. „Ehrlich gesagt, schienen sie sogar sehr glücklich darüber zu sein. Vielleicht sogar einen Hauch erleichtert. Und ich spreche nicht nur von den Rittern die mit uns gekommen sind...eine ansehnliche Gruppe von der treuen Kämpen macht die Runde durchs Schloss und verbreiten die Kunde über das worüber wir gerade sprechen unter den übrigen rhegarianischen und calderianischen Rittern.“

„Feldwebel Niven“, brüllte Alwyn, und richtete seinen grimmigen Blick auf den Ritter, der neben Gavin stand. „Ihr werdet diese absurde Scharade augenblicklich einstellen!“

Der Ritter versteifte sich leicht, aber sagte nichts sondern blickte einfach nur weiter geradeaus.

„Eigentlich heißt es jetzt 'Hauptmann' Niven'", meinte Gavin lächelnd und nickte den Ritter kurz zu. „Es scheint mir so, als hätte ich die Dinge hier gut im Griff, Hauptmann. Wenn Ihr so freundlich wärt zwei oder drei Ritter bei mir zurück zu lassen, und mit dem Rest nachschauen geht, wie es Trevor und den anderen ergangen ist, wäre ich Euch sehr dankbar.“

„Majestät!“, sagte er und schlug seine geschlossene Faust zum Gruß gegen die Brust.

Obwohl sein Mund halb offen stand um zu protestieren, gab Alwyn keinen Mucks von sich, als die kleine Gruppe von rhegarianischen Soldaten an ihm vorbei und den Korridor hinunter ging. Er verharrte eine ganze Weile in dieser Stellung.

„Eine erstaunliche Sache, dieses Lesen und Schreiben“, sagte Gavin und inspizierte träge das Papier das er hielt. „Alles was ich tun musste, war König zu werden und dem Hauptmann der Leibwache meines Vaters eine Reihe von Worten auf Papier zu zeigen, und plötzlich tut er alles was ich verlange. Ich hatte keine Ahnung, dass Geschriebenes so nützlich sein könne. Und meine Unterschrift... ist die nicht wunderbar? Obwohl -“ Gavin runzelte die Stirn, überprüfte das Papier kritisch und schaute dann zu Gwen. „Bist du da ganz sicher, dass das 'i' in 'Gavin' ein Herz als Tüpfelchen darüber haben muss?“

„Nun, ich denke es sieht gut aus“, antwortete Gwen.

„Hmmm. Ich muss da vielleicht später noch ein paar kleine Änderungen vornehmen“, sagte Gavin, und rieb nachdenklich sein Kinn.

„Das ist deine königliche Unterschrift, Liebling – du kannst sie nicht einfach ändern.“

„Willst du mir damit sagen, das ein König nicht mal seine eigene -“

„Verrat!“, knurrte Bryn. Sein Gesicht war gerötet und und zu einer Maske des Zorns verzerrt. „Glaubst du, ich werde untätig herumstehen, während du versuchst mir die Kontrolle über mein eigenes Königreich zu entreißen?“ Seine Augen brannten mit einer nur allzu bekannten Wut, während er sich auf Gwen zu in Bewegung setzte. „Beim Blute meiner Ahnen, das ist ein verdammter Putsch!“

Gwens Magen krampfte sich zusammen, und sie konnte fühlen wie sie zurückwich...und spürte eine beruhigende Hand auf ihrer Schulter. Sofort ließ die Furcht nach.

Gavin lachte unbefangen.

„Es ist wohl kaum ein Putsch, wenn wir König und Königin sind, nicht wahr? Und was das Blut angeht....“ Gavin warf Bryn einen bedeutungsvollen Blick zu. Seine Hand ruhte nun auf dem Knauf seines Schwertes. „Gwenwyn hat mir alles über ihr Leben hier im Schloss erzählt. Wenn es Blut ist was ihr sehen wollt, kann ich das arrangieren. Allerdings wird es nicht das Eurer Ahnen sein.“

Mit diesen Worten hatte Bryn offensichtlich nicht gerechnet. Hastig trat er einen Schritt zurück.

Gwen begriff, dass sie ihrem Vater nicht mehr alleine gegenüberstand. Nie wieder würde sie die Stürme seiner Wut einsam über sich ergehen lassen müssen und genauso wenig musste Gavin seinem Vater allein gegenübertreten. Keiner von ihnen war mehr allein.

Er war ihre Stärke, und sie war seine.

Gwen strich sanft über Gavins Schulter und lächelte ihn an.

„Aber, aber... so etwas kannst du nicht tun, Gemahl. Was würde Eirene denken?“ Gwens Gesichtsausdruck wurde nachdenklich und und sie zupfte sich mit den Fingern an der Unterlippe. „Außerdem, warum unsere eigenen Hände schmutzig machen? Die beiden hatten den gleichen Plan und haben uns das gleiche Theater vorgespielt. Beide hatten sie wahrscheinlich Vorkehrungen getroffen, um den jeweils anderen schließlich loszuwerden. Wir könnten die beiden doch einfach in ein Boot setzen und aufs Meer hinausschicken und abwarten wer von beiden lebend zurück kommt.“

„Oh, das wäre mir nie im Leben eingefallen!“, lachte er. „Wunderbare Idee, Liebling!“

„Na, vielen Dank auch, Liebster“, strahlte sie.

Gavin lächelte die beiden gründlich geschockten Männer vor ihm strahlend an.

„Ich denke, der Punkt ist, dass es nicht wirklich etwas gibt, was ihr dagegen unternehmen könntet, oder? Euer Plan ist gescheitert. Es gibt einen neuen König und eine neue Königin über die beiden Königreiche, und wir haben bereits einige Schritte in die Wege geleitet, um sicherzustellen, dass dies auch so bleibt. Wir sind natürlich keine Monster.....so amüsant Gwens Plan auch klingen mag. Nein, wir werden Euch wahrscheinlich nur in irgendeinen Raum sperren, während wir uns um ein paar verbliebene Einzelheiten hier und in Rhegar kümmern, um sicher zu stellen, dass der Regierungswechsel sauber von statten geht.“

Bryn hatte sich schon seit einiger Zeit nicht bewegt und sah völlig fassungslos aus. Alwyn blieb stumm und gaffte sie einfach nur an. Gwen war damit durchaus zufrieden. Es gefiel ihr, da zu stehen, und beide Männer grinsend zu beobachten.

Die Stille wurde durch ein entferntes Poltern und gedämpfte Schreie vom anderen Ende des Korridors unterbrochen. Es dauerte nicht lang, und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf den Tumult, der für den Lärm verantwortlich war. Die Schreie wurden zunehmend lauter.

Kurz darauf kam ein verwahrloster Anifail in Sicht. Zwei massige Ritter flankierten ihn und manövrierten den Hauptmann vorwärts, ohne dabei sehr sanft vorzugehen.

„Ihr habt kein Recht mich so zu behandeln! Ich verlange zu wissen-“, knurrte Anifail, während er vorwärts stolperte und sich vergeblich abmühte sich dem Griff der Ritter zu entwinden. Dann fiel sein Blick auf Gwen und Gavin, die nebeneinander standen und er erstarrte. Sein Gesicht, obwohl es fast ausdruckslos blieb, verriet gerade genug Schock, um dafür zu sorgen, dass sich Gwens Grinsen noch um einiges weitete.

Aber dann blickte Gwen an Anifail vorbei und entdeckte die beiden Gestalten hinter ihm. Ihr grinsen verschwand schlagartig.

Rhosyn ging mit der Unterstützung von Gavins Begleiter, den er am ersten Tag an dem sie sich kennengelernt hatten 'Trevor' genannt hatte. Trevor wirkte fürsorglich und sah besorgt aus, aber Rhosyn-

Bei Eirene...

Gwen spürte wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten und blutrote Wut in ihr aufstieg.

Ihre Hofdame sah absolut erbarmungswürdig aus, und das Nachthemd das sie trug, bestand fast nur noch aus Fetzen. Rhosyns Augen waren rot vom Weinen, und im Schein der Fackel konnte Gwen eine Tränenspur ausmachen, die über ihre Wangen lief... direkt über den enormen Bluterguss, der jetzt eine Hälfte ihres Gesichts bedeckte.

Und sie schluchzte. Lautlos.

„Gab es irgendwelche Probleme dabei die Hofdame meiner Frau zu finden?“, fragte Gavin. Sein Ton deutete darauf hin, dass seine Fäuste geballt waren.

„Keine, mein König“, antwortete Trevor. „Sie war im selben Raum wie dieser Bursche hier. Wir fanden sie neben seinem Bett stehen, der Erschöpfung nahe, ihr Arm war an das obere Ende eines Schranks gekettet, auf eine Weise, die sie am Hinsitzen hinderte.“ Er warf Rhosyn einen besorgten Blick zu. „Sie hat bis jetzt noch kein Wort gesagt, oder überhaupt einen Ton von sich gegeben.“

Die Hände immer noch zu Fäusten geballt, schritt Gwen vorwärts und hielt erst an, als ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von dem Anifails entfernt. Die beiden starrten einander an, und hielten den Blick des anderen für mehrere lange Momente gefangen.

Schließlich hob Gwen ihren Arm und streckte ihn aus. Sie hielt dem Hauptmann ihre geöffnete Hand hin.

„Nie im Leben würdest du sie irgendwo herumliegen lassen“, sagte sie leise. „Her damit. Sofort.“

Anifail grinste nur und streckte sein Kinn vor.

Die beiden blieben für einige Sekunden so stehen, als ob sie eingefroren wären. Dann, als Gwen langsam eine Erkenntnis kam, erhellte sich ihr Gesicht. Ein breites Lächeln erschien auf ihren Zügen und sie klatschte aufgeregt in die Hände.

„Ooooh! Mir ist gerade ein aufregendes neues Spiel eingefallen!“, verkündete sie laut. „Es heißt, 'Wie viel Löcher kann man in Anifail stechen, bevor er seine Taschen leert?' Wer will der erste sein der es spielt?“

Anifails Lippen verzogen sich verächtlich, und er versuchte den Ritter, der seine Arme festhielt abzuschütteln. Dann, nachdem er einen Arm befreit hatte, griff er langsam in seine Westentasche und zog ein kleines kugelförmiges Objekt hervor. Gwen erkannte es sofort: eine Meistersphäre. Er hielt sie ihr hin und bedachte Gwen mit einem verachtungsvollen Blick.

Gwen hielt ihre offene Hand unter seine. Die Kugel fiel, und ihre Finger schlossen sich darum.

Kaum hielt sie die Kugel in Händen, drehte sie sich um und schleuderte sie gegen die Steinmauer direkt neben ihr. Die Sphäre explodierte mit einen Klirren in einen Schauer aus leuchtendem Staub, der schnell zu Boden fiel und verschwand.

Der Klang von Rhosyns Schluchzen die Stille. Dann, als ob ihre eigene Stimme zu hören alles noch verschlimmert hätte, stieß sie einen Schrei aus und vergrub ihr Gesicht in Trevors Schulter. Obwohl er davon etwas überrumpelt schien, legte Trevor instinktiv seine Arme um die Hofdame und begann leicht ihre Schulter zu tätscheln, während er in jede Ecke des Raumes starrte, als lauere für sie irgendwo Gefahr.

Als sie Trevor beobachtete, überkam Gwen ein Gefühl der Dankbarkeit. Sie wollte Rhosyn selber trösten, aber sie war nicht richtig bedeckt – keine Handschuhe, keine Ärmel, keins der Dinge die sie normalerweise brauchte, um ihre Freundin sicher zu umarmen. So gern sie es auch gerade tun wollte, sie konnte es nicht riskieren ihre Freundin in die Arme zu schließen und deshalb war sie froh, dass jemand da war, der tun konnte, was ihr versagt blieb.

Die beiden gaben sogar ein ziemlich niedliches Pärchen ab.

Anifail schnaubte verspottend und grinste sie höhnisch an.

Königin“, lachte er, und nahm sich einen Moment, um auf den Boden zu spucken. „Du denkst, du hättest gewonnen? Ich habe überall Freunde... Ich habe Ressourcen die dein miserabler kleiner Verstand sich nicht einmal vorstellen kann! Du bist nicht schlau genug – nicht rücksichtslos genug – um die Krone zu halten! Nicht einmal die Hälfte davon! Du hast nicht den Mut dazu. Ehrlich gesagt, Prinzessin, du wirst niemals mehr sein, als das was du bereits bist – ein verstörtes, verängstigtes, erbärmliches kleines Mädchen! Also, nur zu... genieße diesen 'Sieg'. Genieße die Zeit in der du Königin spielen kannst. Wenn du erst einmal allen bewiesen hast, dass du nichts weiter bist als eine unfähige, strohdumme, kleine Puppe, werden diejenigen von uns, die wissen wie wirkliche Macht funktioniert, da sein und warten – darauf warten dass ihr einen Fehler begeht.“ Er lächelte bösartig. „Ein. Einziger. Fehler.“

Gwen hörte ein leises Knurren von Gavin, und er schien an ihr vorbei zu dem blonden Hauptmann schreiten zu wollen, aber Gwen winkte ihn zurück. Sie schaute Anifail einmal mehr in die Augen. Er starrte weiterhin herausfordernd zurück und trug ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen.

Er tat, was er immer getan hatte, begriff sie – er versuchte, ihr einzureden sie sei schüchtern und ängstlich, nur damit sie sich am Ende tatsächlich schüchtern und ängstlich vorkam.

Dies war ihr erster Tag als Königin – der allererste Tag ihres neuen Lebens. Ein Leben mit Gavin. Ein Leben ohne unnötige Angst, Schwäche oder Schuldgefühle... und sie hatte nicht vor, es jemandem wie Anifail zu gestatten in diesem neuen Leben den Ton anzugeben.

Gwen lächelte ihn traurig an.

„Oh Hauptmann, Ihr habt völlig recht. Ich bin überhaupt nicht rücksichtslos. Ich bin nur ein zartes, schwaches kleines Mädchen, das die meiste Zeit ihres Lebens in Angst verbracht hat. Ich habe keine Erfahrung darin, wenn es darum geht ein Königreich zu führen oder eine Königin zu sein.“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Ich schätze mein Mann und ich werden es einfach mit der Zeit lernen müssen. Wir werden es wahrscheinlich richtig vermasseln, aber ich schätze, letztendlich müssen wir dem jeweils anderen und unsere eigenen Urteilskraft vertrauen... einfach tun, was sich richtig anfühlt.“ Gwen leckte sich verstohlen über die Lippen und schaute hinüber zu Rhosyn, welche nun ruhig zuschaute und ab und an noch schniefte. „Wisst ihr, Hauptmann... Ich komme mir schrecklich undankbar vor. Ich habe mich noch gar nicht angemessen dafür bedankt, wie fürsorglich Ihr Euch in den letzten paar Wochen um meine beste Freundin gekümmert habt...“

Und mit diesen Worten stürzte sich Gwen auf Anifail. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihm einen großen feuchten Kuss auf die Wange.

Anifail sah zuerst nur überrascht aus – was sich jedoch schnell änderte. Er stieß er einen schrillen Schrei aus und fiel zu Boden. Übelriechender Rauch hatte bereits begonnen von seinem Gesicht und seinem Hals aufzusteigen, während er ziellos über die Pflastersteine des Bodens rollte, dabei undeutlich kreischte und an seiner Wange kratzte.

Gwen sah zu Bryn und Alwyn hinüber, die beide beobachteten wie Anifail wild auf den Boden schlug und vor Schmerzen schrie. Niemand im Korridor schien zu etwas anderem in der Lage zu sein, als einfach nur dazustehen und das Schauspiel stumm mit anzusehen.

„Na, sieh mal einer an!“, stellte Gwen fest und lächelte glücklich alle Versammelten an. „Vielleicht bin ich am Ende ja doch ein klitzekleines Bisschen rücksichtslos.“

Gavin schüttelte seinen Kopf in gespielter Trauer, während er Anifail beobachtete, der sich vor schmerzen wand.

„Noch nicht einmal einen Tag verheiratet und sie küsst schon andere Männer“, bemerkte er traurig, seine Stimme im totalen Widerspruch mit dem Lächeln das auf seinem Gesicht lag. „Du weißt schon, dass du damit vorsichtiger sein solltest, solche Dinge zu tun während ich anwesend bin, Liebling? Ich könnte Eifersüchtig werden.“

„Oh, sei nicht albern, Liebster – du weißt doch, dass du der einzig Wahre für mich bist“, lächelte Gwen und nahm seine Hand in ihre. Sie seufzte glücklich. „Immerhin sind wir praktisch füreinander geschaffen.“

ENDE

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Dies war also das Ende der Geschichte. Leider war dies vorerst die letzte Translingua-Übersetzung. Mein Studium wird leider etwas zu beanspruchend um das Projekt weiterzuführen. Ich hoffe die Geschichte hat euch gefallen? :)

LG
Robert

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