Identity: Lost Purpose

By Sora-TheGod

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"High Tech, Low Life" Macht gehört dem Konzern, Privatsphäre existiert nicht, Unsterblichkeit ist käuflich. W... More

Prolog: Die metaphorische Brücke
1. Kapitel: Füße über dem Boden weggezogen
2. Kapitel: Das Ginger Dove Diner
3. Kapitel: Der frühchristliche Pfau
4. Gewohnheit
6. Kapitel: Verrat und Naivität

5. Kapitel: Der Dämon und die Rächer

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By Sora-TheGod

April 2130
Young New York City, Queens
Wynonas Wohnung

Scheinwerfer blendeten seine Sicht, das Licht durchleuchtete den prunkvollen Saal. Schwere Kronleuchter zogen alle Blicke auf sich, drohten beinahe unter dem Gewicht der kostbaren Diamanten nachzugeben. Pompöse, riesige Kleider schliffen über dem Boden und Gehstöcke aus massiven Gold kratzten über den makellosen Boden. Inmitten des Wohlstands und des Aufwands stand ein kleiner Junge, gekleidet in einem weißen, mit Rüschen verzierten Hemd, eine hübsche, dunkle Weste und langen Strümpfen, die mit ledernen Strumpfgürteln hochgehalten wurden. Alle Aufmerksamkeit galt ihm, der so winzig dastand und verschüchtert am Rockzipfel seiner Mutter hing. Sie strich ihm über die weißblonden Haare, die sie vorher sorgfältig geflochten hatte.

Seine blonde Mutter, die ihm das konfuse Haar entknotet hatte, wischte ihm unauffällig die Tränen weg, die er vorher vergossen hatte. Ihr eigenes Haar war elegant in einer Kranzfrisur angerichtet, zwei Strähnen hingen kunstvoll raus und legten sich über ihre Schulten, bedeckt von einer hinreißenden, scharlachroten Robe.

Sie flüsterte ihm etwas zu, streichelte ihm behutsam die Wange. Sie nahm ihn an die Hand und drehte mit ihm über die Tanzfläche, darauf bedacht, ihm nicht auf die kleinen Füße zu treten. Der kleine Junge lachte beherzt und schwebte fast über den Boden. Er bemerkte nicht, wann genau seine Mutter verschwunden war, wann er plötzlich in die Höhe stach und wann sich die Hand an seinem Rücken, die warmen Hand seiner Mutter, in die alte aber kräftige Hand seines Vaters wandelte.
Trotz des verschwommenen Gesichts verrieten der bittere Geruch und die streng geflochtenen Haare, wer der alte Mann war. "Du solltest jetzt schlafen gehen, Sohn."

❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐ ❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐

Es war wirklich nicht einfach, Khorshid beim Erklären eines Plans zuzuhören, während man jederzeit drohte einzuschlafen, da man die Nacht davor von verwirrenden Träumen geplagt war. Aus einem kleinen Projektor leuchtete ein holographisches Fließdiagramm, an dem Khorshid wohl fleißig dran gesessen hatte und welches er Seraphim eindringlich erklären zu versuchte. Aus Seraphims Sicht verklang seine tiefe Stimme aber immer weiter in den Hintergrund und das kleine Insekt an der Wand schien viel interessanter. So wie es seine Runden drehte, machte es Seraphim nur noch erschöpfter und dieser konnte nicht anders, als allmählich seine Lider zu schließen. "Blondchen? Kannst du hellsehen, was ich dir noch alles zu sagen habe oder wieso ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, um einzuschlafen?", riss Khorshid ihn aus seinem Halbschlaf. Seraphim blinzelte und fasste sich an die Stirn. "Verzeihung. Red weiter, du meintest irgendwas mit 72 Clubs"

Der Größere der beiden kniff die Augen zusammen und wischte über den Projektorbildschirm wieder zurück. Das Bild fiel auf einen polizeilichen Personeneintrag eines dickeren, gebräunten Mannes mit diamantenbesetzten Zähnen. Einen richtigen Namen hatte er laut des Eintrags nicht mehr. Er hieß einfach Asmodeus. 'Kitschiger Künstlername', dachte sich Seraphim. "Diesen Kerl sollen wir für Madeleine wegschaffen. Er besitzt alleine 72 Clubs in ganz YNYC, abgesehen von Staten Island, und wäre rein theoretisch sehr einfache Beute. Seine Türen sind für alle geöffnet und wenn du ihm ein bisschen Honig ums Maul schmierst, dann hilft er dir gerne, bei was auch immer", Khorshid wischte weiter und ein Hologramm der Raumaufteilung eines Clubs tauchte auf. "Wir sollten aber nicht nur ihn töten, sondern den ganzen Club runterreißen. Dafür benötigen wir die Androiden in der unteren Etage und das ist das eigentliche Problem - Die Tür darein geht nur mit dem Handscan von Asmodeus selbst auf. Das sollte aber eigentlich kein Problem sein, falls wir es schaffen, in seine Nähe zu kommen. Einzelheiten klären wir später ab."

Seraphim nickte und spielte den Plan in seinen Gedanken ab. "Perfekt. Hab ich eine Wahl, ob ich mitkommen möchte oder nicht?"
Der Projektor verschwand in Khorshids Tasche und das Insekt auf der Wand flog weg. "Nein, eigentlich nicht. Du kommst mit. Ich habe extra einen Anzug für dich besorgt"

Viel zu locker hing der Anzug an seinen Körper herab.  Die Hose fand an seinen schmalen Hüften keinen Halt, womit Khorshid vorher gerechnet hatte, denn er gab ihm einen alten, ranzigen Ledergürtel. "Woher findest du eigentlich solche Antiquitäten?", fragte ihn Seraphim und bohrte mit einer Dartspitze ein weiteres Loch in den Gürtel. Khorshid versuchte seine fusselige Krawatte zu binden und starrte Seraphim fragend an, "Schrottplatz". 'Ja genau, da war ja was.', dachte Seraphim und konnte nicht anders, als über Khorshids Karre zu schmunzeln. Irgendwann schaffte Seraphim es seine Hose passend zu kriegen, auch wenn der ganze Stoff am Hosenbund ruiniert war. Ein Blick zu Khorshid ließ ihn mit anschauen, wie dieser an der Krawatte verzweifelte. "Das hast du echt hässlich hingekriegt. Ich bekomme beinahe Gänsehaut", kommentierte er und kassierte einen Todesblick von Khorshid. "Lass mich das machen"
Seraphim schritt vor ihm und löste den Knoten auf. Das Binden fiel ihm kinderleicht, wie eine alltägliche Routine, und vor seinem inneren Auge sah er zarte Frauenhände, die die Krawatte eines kleinen Kindes band. "Hast du 'nen Anfall?", Khorshid legte den Kopf schief. Seraphim hatte garnicht bemerkt, dass er inne gehalten hatte. Schnell beendete er den Knoten und ließ davon ab. "Sieht jetzt anständig aus", sagte er und Khorshid nickte, wertschätzend.
"Ich denke, Bora ist jetzt da"

Draußen erwartete die Leutnantin die beiden Männer schon, komplett vermummt und mit einem fremden Auto. "Wie geht's Wynona? Ich hoffe, du bereitest ihr nicht zu viele Sorgen"
"Ihr geht es gut, sie hat sich sehr über die Jacke gefreut. Ich brauche die ja nicht wirklich." Bora lächelte daraufhin und nickte Khorshid zu. Sie stiegen ins Auto ein und Bora schaltete aus Gewohnheit das Radio an, in dem seit Wochen nur noch von dem Überfall im Hochsicherheitsgefängnis "Bastillian" berichtet wird. Durch das Videomaterial, welches Khorshid und Seraphim vermummt in die Kamera blicken ließ, entwickelten sich in kurzer Zeit unzählige Theorien über die Identität der Terroristen. Seraphim blendete alles aus - er hatte es sogar geschafft, erst eine Woche nach dem Überfall herauszufinden, wie das Gefängnis hieß.

Er führte ein echtes Doppelleben. Solange Khorshid oder Bora ihn nicht ins Diner riefen, um ihn von ihren Plänen zu erzählen, verschanzte er sich in Wynonas Wohnung und erfüllte seine Rolle als Logans neuer, großer Bruder.  Wynona und Logan waren seine einzige Ablenkung von dem labilen Zustand, in den er sich befand und ihr Zuhause sein einziger Rückzugsort, in dem er nichts von den Tatsachen draußen wissen musste.

"Mach den Scheiß aus. Ich kriege davon nur schlechte Laune", maulte Khorshid von hinten und zündete sich eine Zigarette an. "Wann hast du denn überhaupt gute Laune?", flüsterte Bora und änderte den Sender und es lief Musik ab. Dass man Khorshid auf den Überfall nicht mehr absprechen sollte, wusste Seraphim nur zu genau. "Bleiben wir unbewaffnet?", fragte er, teils aus Neugier, teils um die Atmosphäre wieder zu entspannen. "Nein, sicher nicht. Im Club ist 'ne Androidin, pinke Haare, die wird euch ansprechen und euch zwei Colts mit Schalldämpfer übergeben. Falls irgendjemand Wind davon bekommt, dass ihr in Asmodeus' Club bewaffnet seid, seid ihr automatisch tot. Kapiert?"
Seraphim nickte, Khorshid vergaste weiterhin das Auto. 

❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐ ❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐

Eine Straße vor dem Club hatte Bora sie rausgeworfen und war eilig davongerast. "Ich bin mir nicht ganz sicher wieso, aber ich fühle mich irgendwie unvorbereitet", offenbarte Seraphim Khorshid. Dieser zog sich am Kragen, "Bist damit nicht allein"
Bedacht, sich umbemerkt auf den Weg zum Club zu machen, beobachtete Seraphim die heitere Stimmung auf den Straßen. Von außen betrachtet erkannte man sofort, dass der Asmodeus Club anders war, als die umliegenden Clubs. "Talmund" funkelte in großer Schrift  über den fünf Stockwerken des schwarzen Gebäudes. Dubiose Gestalten lungerten vor dem Gebäude und eine Frau mit einem breiten Lächeln bot Seraphim eine Zigarette an, die er dankend ablehnte. Nach einer Sicherheitskontrolle am Eingang gelangten sie in das Innere des Clubs.

Die einzigen Lichtquellen im Club waren die im Dunkeln leuchtenden Augen und die wenigen Neonlichter, die den Raum wie mit Raytracing editiert aussehen lassen. Musik dröhnte aus allen Ecken und Khorshid war sichtlich gereizt. "Lass uns das schnell hinter uns bringen. Ich halte keine weitere Minute in diesem Lärm aus." Wie gerufen kam eine Androidin mit pinken, kinnlangen Haaren, gekleidet wie eine Restaurantbedienstete, ihnen zuvor. Wortlos winkte sie die beiden durch die Bartheken, die zu den Treppen zur zweiten Etage führten, und schob sie in einen Raum daneben. "In der ersten Etage gibt es keine Kameras, ab der zweiten jedoch schon. Ihr müsst oben aufpassen", warnte sie die Männer und schob ihnen, wie Bora angekündigt hatte, zwei kleine Colts zu. "Viel Erfolg. Ich bringe euch noch vor Asmodeus Zimmer."

Vor der Höhle des Löwen, auf der vierten Etage, hielt die Androidin kurz still und schaute zur Kamera hinter ihnen. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und Seraphim sah denselben Mann auf dem Personeneintrag, den Khorshid ihn gezeigt hatte. Er trug einen langen, lilanen Fellmantel und so viele Goldketten, von denen man garantiert Nackenschmerzen bekam. Er saß an einen breiten, runden Tisch mit weiteren Männern und Frauen und zwei Bodyguards hinter ihm, umgeben von teuren Möbeln und kitschiger Deko. Ein Seitenblick verriet ihm, dass Khorshid auch eher unbeeindruckt vom Geschmack dieser Person war, die ja genug Geld besaß, um sich was auch immer zu leisten.
Die Leute, die mit Asmodeus am Tisch Karten spielten, starrten Seraphim und Khorshid missbilligend an, doch Asmodeus sah sehr erfreut aus. "WIE SCHÖN, DASS IHR DA SEID! Kommt schon, geht raus, macht Platz für meine neuen Freunde", rief der Mann und scheuchte die Leute aus seinem Zimmer raus, die ihm brav gehorchten. "Nicht schüchtern sein, kommt und setzt euch. Wollt ihr was trinken? Natürlich wollt ihr was trinken!"

Sie setzten sich an den Tisch, einige Stühle von Asmodeus entfernt, doch dieser schien davon nicht beleidigt. Er wandte sich an die Androidin, die sie hergeführt hatte, "Lässt du genug Drinks ins Zimmer liefern? Bitte schneller, ich will die Herren hier nicht verdursten lassen", befahl er ihr und schenkte ihr ein Lächeln. Die Androidin senkte den Blick und verließ den Raum, ließ Khorshid und Seraphim endgültig mit der Grinsebacke alleine. "Herr Rahnamayemah und du -
Wie heißt du nochmal?", fragte er und lehnte sich unangenehm nah an Seraphim. "Seraphim", antwortete er zögerlich. 'Ich hab mich doch extra an einen Stuhl weiter gesetzt.'
Die Grinsebacke ließ nicht von ihm ab und grinste weiter, "Was ein schöner Name! Und ihr beiden wollt auch einen Club aufmachen, richtig?" 'Wollen wir das?', Seraphim schaute zu Khorshid. "Genau. Wir wollten die Gaststättenunterrichtung umgehen und eine Immobilie kaufen. Wir dachten, Sie wären der beste Ansprechpartner dafür", sprach Khorshid und weiste Seraphim mit einem Blick an, dass Sprechen ihm zu überlassen. Seraphim beobachtete, wie Khorshid über dem Zugang an seinem Handgelenk strich und sicherte, dass der Chipscanner fest genug saß, um einen Abdruck von Asmodeus rechter Hand abzulesen.

"Da habt ihr genau richtig gedacht! Das mit der Lizenz lasse ich für euch hinkriegen, da möchte ich auch nichts für, aber für die Immobilie würde ich gerne etwas von euch fordern", sagte Asmodeus und grinste noch breiter. 'Gleich reißt sein Gesicht auf', dachte Seraphim. Bevor Asmodeus seine Forderung stellen konnte, klingelte es an der Tür und er öffnete diese mit einem Knopf an seinen Stuhl. Ein weiterer, eher unscheinbarer Android rollte einen kleinen Tisch mit einem halben Dutzen knisternden, bunten Getränken rein. Seraphim ahnte schon, dass diese auch irgendwie klebrig oder gar zäh sein würden. "Dankesehr, kannst jetzt auch wieder gehen", erteilte Asmodeus dem Androiden und gab ihnen jeweils ein Glas. Positiv überrascht nippte Seraphim dran;
Das Getränk war schön kühl, richtig flüssig und knisterte im Mund.

"Was wäre die Forderung?", fragte Khorshid, doch Asmodeus wandte sich an Seraphim. "Du redest nicht, dabei denke ich, dass du viel mehr willst, als Rahnamayemah hier. Liege ich da richtig?"
Das war nicht gut. Er sollte einfach seine Forderung stellen und Khorshid einen Händedruck geben. "Ich will nichts, was du mir geben kannst", antwortete Seraphim, "Nur deine Forderung"

Asmodeus Grinsen erlosch. Er starrte durchs Seraphims Augen in dessen Seele und verzog das Gesicht. "Ist das der Dank dafür, dass ich dir alles anbieten könnte?"
Seraphim erstarrte, versuchte auf einen Stuhl weiter zu rutschen. In dem Moment bot Khorshid Asmodeus die Hand an, "Bitte hören Sie nicht auf ihn, es gibt einen Grund wieso er nicht sprechen sollte. Stellen Sie bitte Ihre Anforderungen und wir schlagen drauf ein." Asmodeus klatschte aber nur seine Hand weg, was aber genauso gut wie ein Händedruck war. Khorshid nickte Seraphim zu und er verstand - Der Abdruck war gescannt. "Du kommst hier her und behauptest, dass ich dir nichts weiteres anbieten könnte. Du beleidigst mich. Verstehst du das?", Asmodeus stand von seinem Sessel auf und türmte über Seraphim. "Am besten, wir machen ein neues Treffen aus, ohne Seraphim. Das wäre in Ordnung, oder?", versuchte Khorshid den Mann zu beschwichtigen. Von der Grinsebacke vorher war nichts mehr zu sehen. "Es gibt kein Treffen mehr. Ich will euch weg von diesem Gebäude" Auf diese Worte kamen zwei große Gestalten in den Raum, ihre Gesichter durch Helme verhüllt und packten Seraphim und Khorshid an den Armen. Da der Mann, der Seraphim wegziehen wollte, Schwierigkeiten mit seinem Gewicht hatte, ergab er sich und lief freiwillig mit nach draußen.

Beide Männer wurden vor einen Aufzug gezerrt. Seraphim suchte eilig nach Khorshids Blick und weiste mit den Augen auf die Waffe in seinem Anzug und den Kameras im Aufzug. Einige Meter vor dem Eingang verstand Khorshid, trat dem Mann hinter ihm ans Schienbein und zielte die Colt an die Kamera im Aufzug, bevor er dem vermummten Mann in den Hals schoß. Auf der anderen Seite drehte Seraphim seinem Bodyguard den Nacken um und lag den erschlaffenden Körper behutsam auf dem Boden. "Schnell rein da, wir müssen zum Untergeschoss", zischte Seraphim.

❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐ ❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐

Das Licht aus den oberen Etagen fand seinen Weg nicht in diese Tiefen. Mit den Fingern an den Wänden orientierte sich Seraphim, in welche Richtung er lief. "Hast du keine leuchtenden Augen?", fragte er Khorshid und dieser lachte. "Das fragst unbedingt du mich?"

An einer Tür angekommen hielt Khorshid den Handabdruck an den Scanner. 'Mein Alltag besteht aus Türenöffnen', dachte Seraphim. "Wieso war Asmodeus sauer auf mich? Ich verstehe immernoch nicht, wie ich ihn gekränkt habe." Khorshid suchte vergeblich nach einer Taschenlampe in seinem Anzug, entschied sich aber dazu, doch sein Handy zu nutzen. "Es ist Asmodeus. Sein einziger Charakterzug besteht daraus, alles zu haben und es jederzeit geben zu können. Natürlich ist er angepisst, wenn du ihm unterstellst, komplett nutzlos für dich zu sein." "Dann ist er nicht anders als ein normaler Android"

Khorshid leuchtete in den Raum rein, die Staubpartikel schwebten sichtbar in der Luft. An sich schien der Raum wie eine gewöhnliche Kammer, um ausgeschaltete Androiden abzustellen. In fünf Schlangen reihten sich die erwachsenen und halbnackten Modelle und Khorshid griff eines am Handgelenk. "Das sind allerneuste Servicemodelle und davon auch noch ein ganzer Raum voll" Khorshid pfeifte beeindruckt und sah sich im Rest des Raumes um. Seraphims Aufmerksamkeit galt eines weiblichen Modells, schlank und blond mit einigen Muttermalen im Gesicht und am Körper - Wie er selbst. Er zwirbelte ihre Haare zwischen seinen Fingerspitzen und fragte sich, ob sich hinter den geschlossenen Lidern auch graue Augen verbargen. "Die sieht aus wie du", sprach Khorshid das Offensichtliche aus, "Lass uns schnell den Weg finden, sie alle hier rauszubringen"

Leicht irritiert von seiner Beinahe-Doppelgängerin ließ e von ihr ab und entdeckte eine weitere Tür. "Jemand der von Madeleine geschickt wurde, muss da drin sein."
Khorshid nickte und öffnete die schwere Tür mit seinen Schultern. Ein weiterer Raum eröffnete sich ihnen und das erste, was Seraphim erblickte, war ein in zwei Hälften aufgeteilter Säbelzahntiger. Zumindest eine Androidenversion des ausgestorbenen Tieres. Leblos lagen beide Teile des Tiermodells auf den verdreckten Boden, die inneren Verkabelungen und Netze offen dargelegt, die von innen heraus rosteten. Doch das Tier war nicht das einzig Grausame in dem Raum;
Die bizarrsten Mutilationen und Verschraubungen an Androiden verroteten in diesem Raum vor sich hin. Der Rumpf eines Androiden wurde komplett aufgerissen und darin kleine Aquarien verstaut, der Unter-und Oberkörper einer anderen Androidin zeigten in zwei gegengesetzte Richtungen und ihre abgehackten Hände umschlossen sich um ihren Nacken. Fasziniert und angeekelt zugleich suchte er nach Khorshid, wobei er immer wieder zu den ausgeschalteten Androiden auf dem Boden gucken musste. "Khorshid, der Android ist nicht hier, sonst hätte sie uns schon angesprochen"

Khorshid hörte ihm gar nicht zu. Wie gebannt, blass und starr, starrte er auf drei kleinere Modelle, die wirkten, als würden sie friedlich schlafen. Kindermodelle mit Sommersprossen, die sich gegenseitig in den Armen lagen. Ohne jeden Übergang schubste er Seraphim beiseite und kotzte in die Ecke, stützte sich an der Wand ab. Seine Stimme klang brüchig, "Das ist so widerlich. Das ist so gottlos. Ich hoffe er stirbt heute." Seraphim lag eine Hand auf seine Schulter. "Ist in Ordnung. Wir hätten was zu trinken nehmen sollen."
"Du brauchst frische Luft, aber die findest du hier nicht", sprach jemand hinter ihnen und sie drehten sich jäh um. Vor ihnen stand eine weibliche Androidin, in Boxershorts und weißem Sport-BH. Ihre gesamter Hinterkopf war aufgeschraubt, die Glaskörperreplikanten der Augen entnommen, sodass nur die Kamera ihrer Iris bestand. Dort, wo wohl einst ihre Haare und ihr Hinterkopf waren, waren jetzt nur ein großes Loch und die Kabel, die an ihr Netzwerksystem verbunden wurden. Seraphim erschrak bei ihren Anblick, fasste sich des Höflichkeits Willen jedoch.  "Ich wusste nicht, ob ihr die von Madeleine geschickten Männer seid, aber jetzt bin ich mir nun sicher. Um die Androiden anzuschalten, muss der Stromgenerator angeschaltet werden, denn die Modelle sind brandneu und noch nicht angetastet.", zeigte sie auf einen Stromkasten oben auf der Wand. "Hier ist der Schlüssel, nur ich komme nicht alleine dran."

Khorshid schaute zu Seraphim. "Also einen von euch würde ich nicht tragen. Zusammen wiegt ihr wie mein Auto" Seraphim zuckte die Schultern und drehte sich leicht hockend zur Wand um. Die Androidin verstand und setzte einen Fuß auf die ausgestreckten Hände Seraphims. "Stütze sie bitte", orderte er Khorshid an und setzte sich mühelos wieder auf. "Wenn die auf mich fällt, bin ich tot", erwiderte Khorshid daraufhin und hielt sie an der Taille stabil. Die Androidin öffnete das alte Gerät und schaltete den Strom ein, bevor sie wieder runterhüpfte.

"Es wird eine Vierteilstunde dauern, bis alle Massenmodelle aufgeladen sind. Ich werde sie kappen, und ihr gibt der Leutnantin Bescheid, dass wir hier fertig  sind, und sie den Androiden oben das Startsignal geben soll"

❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐ ❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐

"Ich habe das Gefühl, dass man gut auf unsere Arbeit hier hätte verzichten können", sagte Seraphim als er sich mit Khorshid zum Ausgang schlich. Viele Androiden bewegten sich auf Befehl von Bora mit Kisten,  Taschen und Aktenkoffer, in denen die im Club strengstens verbotenen Waffen versteckt wurden zum Untergeschoss. Einige, nun bekleidete, Massenmodelle, die Seraphim und Khorshid vorher sahen, tauchten auf und liefen zielstrebig in verschiedene Räume, darunter auch die blonde Doppelgängerin von Seraphim. Vor Asmodeus' Etage entdeckte er, wie sie mit einem geschwärzten Kampfmesser in das Privatzimmer des Clubbesitzers reinlief.

"Bora sollte gleich herkommen, lass uns endlich abhauen", kam es von Khorshid. In der untersten Etage lief es noch friedlich genug ab, sodass sie ohne Weiteres den Laden verlassen konnten.

Der Club war außen von Lastern verriegelt, ließen keinen Durchgang für Massen zu. Gegenüber den Lastern stand der Botenjunge aus dem Ginger Dove Diner mit den goldenen Zähnen, in seinen Händen eine Kamera. "Schade, ihr seid zu früh raus. Aber die Videos aus dem Club sollten genug sein"
"Was soll das!?", schrie Khorshid und warf das Gerät aus den Händen des Jungen. Seraphim zog ihn aber hinter sich her, durch zwischen die Laster. "Vergiss das jetzt, daran können wir nichts ändern." "Man sieht unsere Gesichter!" "Ich weiß"

Boras Auto stand schon bereit und sie setzten sich sofort rein. "Es lief ganz gut, oder?", fragte Bora.
"Es gibt Aufnahmen von uns. Madeleine wird sie sicher veröffentlichen", erzählte Seraphim und lugte zu Khorshid, der wieder aussah, als würde er gleich seine Gedärme entleeren.  Bora antwortete nicht und konzentrierte sich auf die Straße. "Du wusstest davon, richtig?", fragte er und starrte sie an. Stille, für den Rest der Fahrt.

❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐ ❏ ❐ ❑ ❒ ❏ ❐

Khorshid stand auf dem Balkon des Diners und rauchte, während Seraphim ihn dabei beobachtete. Im Nachthimmel waren die Sterne nicht zu sehen, nur der Rauch, der von der Zigarette verflog. "Der Mond ist sehr schön heute Nacht", zeigte Khorshid auf den runden Kreis, der vergeblich durch die Atmosphäre zu leuchten versuchte.
"Der Pfau weiß, was er tut. Madeleine würde es nicht drauf anlegen, dass irgendeinem von uns etwas geschehen würde", sagte Seraphim und beobachtete den Mond. "Sie weiß auch, dass mir Wynona und Logan wichtig sind und dass diese in Schwierigkeiten geraten würden, wenn es rauskommt, dass sie mich beherbergen. Madeleine würde mir nicht schaden wollen. Dir auch nicht", sprach er weiter und suchte Khorshids Zustimmung. "Sie sind schnell zur Familie für dich geworden, oder?"
"Sie sind die einzigen, die mich glauben lassen, dass ich eigentlich ein normales Leben führte"

Khorshid beobachtete Seraphim eine Weile, bevor er wieder an seiner Zigarette zog und sich weiterhin den Mond anguckte. "Ich habe auch Familie. Meine Eltern und drei kleine Geschwister. Deswegen auch der Kotzanfall heute, als ich die Kinderdroiden gesehen habe. Sorry deswegen nochmal"
"Ist in Ordnung. Hätte ich wahrscheinlich auch getan, wenn ich mich übergeben könnte"
Ein Grinsen zeichnete sich auf Khorshids Gesicht ab und Seraphim musste auch lächeln. "Wo ist deine Familie jetzt?"

Völlig unerwartet änderte sich die Stimmung wieder, glich derselben schwerwiegenden Stille, die in Boras Auto geherrscht hatte. Khorshid drückte seine Zigarette unter seinem Schuh aus und drehte übergangslos ins Gebäude um. "Soll dich nicht jucken" Seraphim verstand nicht, wollte aber keinen Wutausbruch riskieren. Khorshid ging und ließ Seraphim draußen mit dem Mond allein.

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