Slaves of War

By InkOfInspiration

9.7K 967 5.8K

ยป ๐ˆ๐œ๐ก ๐ฐ๐ž๐ซ๐๐ž ๐๐ž๐ซ ๐–๐ž๐ฅ๐ญ ๐๐ž๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ ๐ž๐›๐ž๐ง, ๐ง๐š๐œ๐ก ๐๐ž๐ฆ ๐ฌ๐ข๐ž ๐ฏ๐ž๐ซ๐ฅ๐š๐ง๐ ๐ญ ยซ โœฅ... More

๐•๐จ๐ซ๐ฐ๐จ๐ซ๐ญ
๐ƒ๐ข๐ž ๐–๐ž๐ฅ๐ญ ๐๐ž๐ซ ๐ณ๐ฐ๐ž๐ข ๐‘๐ž๐ข๐œ๐ก๐ž
๐๐ซ๐จ๐ฅ๐จ๐ 
๐ˆ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐๐ž๐ซ ๐•๐ž๐ซ๐ ๐š๐ง๐ ๐ž๐ง๐ก๐ž๐ข๐ญ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐๐ž๐ซ ๐•๐ž๐ซ๐ ๐š๐ง๐ ๐ž๐ง๐ก๐ž๐ข๐ญ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ.๐Ÿ‘ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ‘.๐Ÿ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ‘ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ’ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ’.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ’.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ’.๐Ÿ‘ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ“.๐Ÿ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ‘ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ’ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ‘ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ’ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ•.๐Ÿ | ๐‡รถ๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง๐Ÿ๐ž๐ฎ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ‘ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ’ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ“ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐ˆ๐ˆ
๐Ÿ— | ๐ƒ๐š๐ฌ ๐Œรค๐๐œ๐ก๐ž๐ง ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ž๐ง ๐…๐ฅ๐š๐ฆ๐ฆ๐ž๐ง
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ‘ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐†๐ฅ๐จ๐ฌ๐ฌ๐š๐ซ

๐Ÿ•.๐Ÿ | ๐‡รถ๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง๐Ÿ๐ž๐ฎ๐ž๐ซ

209 13 223
By InkOfInspiration

An die Blicke, denen er sich nur zu gerne entzog, bereits so gewöhnt, stellte Amias nun überrascht fest, dass keine der Personen sie beide wirklich zu beachten schien. Höchstens vor der schwarzen Uniform wich man noch instinktiv zurück, doch weder er noch die Soldatin kümmerten die reicheren und ärmeren Bürger, die sich panisch durch die Straßen drängten, um ihr Leben rannten oder verzweifelt nach anderen suchten.

Ihre bloße Anwesenheit raubte Amias den Atem und er meinte, zwischen all den Leibern und der von ihnen ausströmenden Wolke der Angst, die die Luft verpestete, zerquetscht zu werden.

Gerade als er fürchtete, darin zu ertrinken, zog ihn Nadzha in die Richtung einer Seitengasse. Unter sich hörte er das Platschen, mit dem seine Schuhe in etwas Flüssigem landeten, bevor eben jenes gegen seine Hose spritzte, den Stoff kühl und nass an seiner Haut kleben und ihn sein Buch schützend fester an die Brust pressen ließ.

Ein kurzer Blick nach unten offenbarte Amias eine erschreckend große, rote Lache. Ihm wurde speiübel, aber lief er weiter.

Schwer atmend, würgend und die Hand gegen die Lippen gepresst, um sich daran zu hindern, sich auf der Stelle zu übergeben oder zu schreien, kippte er schließlich gegen eine kühle Mauer, als Nadzha endlich in dieser Gasse innehielt, deren Verlassenheit ihm Sekunden zuvor noch wie die größte Erlösung erschienen war. Jetzt, mit dem Blut irgendeiner Person besudelt, kümmerte ihn ihre Ruhe und Sicherheit nicht mehr.

„Geht es Euch gut?"
„Nein", gab Amias stumpf zurück. Natürlich nicht, er hatte schließlich soeben in fremdem Blut gebadet!

Hoffentlich war zumindest Die Verdammten verschont geblieben. Der bloße Gedanke, dass der Einband oder die Seiten eines seiner, sogar vom Autor signierten, Lieblingsbücher, davon bespritzt worden sein könnten, trieb ihm Tränen in die Augen. Doch er wagte nicht, es zu überprüfen.

Aus den Augenwinkeln – denn er wollte den Blick auf Hose und Schuhe tunlichst vermeiden – nahm der Prinz wahr, wie Nadzhas Finger unruhig mit ihren Zöpfen spielten, als fühle sie sich ohne das Band in ihrem Haar nackt. Wie sie in dieser Situation immer noch an dieses Stückchen Stoff denken konnte, war ihm schleierhaft.

„Ich weiß, es ist albern. Aber es war ein Geschenk, wisst Ihr", antwortete sie, als hätte sie die Gedanken an seinem Blick ablesen können, und Amias spürte seine Ohren rot anlaufen. „Von jemandem, der mir viel bedeutet."
„Ich ersetze es Ihnen." Sofern wir lebend hier rauskommen.

„Was ist das?", fragte die Kresnitsa und zwang Amias, der mittlerweile die Farbe der frischgetünchten Wand angenommen hatte, bloß mit einem ungesund grünlichen Unterton, nun vollständig aufzublicken.

Mit gerunzelter Stirn deutete Nadzha Svarozhina auf das Buch, das er immer noch fest umklammert hielt, als wäre es sein Rettungsanker. Vor dem widerlichen metallischen Gestank, der sich zunehmend in seiner Nase und auf seiner Zunge festsetzte, konnte es ihn jedoch nicht schützen.

„Die ... Die Verdammten. Von Marquis de la Rouche", murmelte er gegen seine vors Gesicht gepresste Hand, mit der er sich des Geruchs erwehren wollte. Oder das, was davon noch übrig ist, fügte er in Gedanken bitter hinzu.

Als beantworte das ihre eigentliche Frage nicht, musterte sie ihn noch verwirrter als zuvor, letztlich war seine Lektüre aber nicht das, was sie am meisten zu beschäftigen schien. Es bedurfte keines Menschenkenners um zu sehen, dass sie überall lieber gewesen wäre als hier. Immerhin hatte sie diesen Umstand schon zuvor mehr als deutlich gemacht.

„Die Vorstellung, mich zu begleiten muss Ihnen ja ziemlich abscheulich sein", meinte Amias, so blasiert und herablassend wie es sich für einen Prinzen gebot, die Ablehnung eines einfachen Bürgers hinzunehmen, obwohl in seinem Inneren Zorn und Scham prickelten.

Jedoch schienen seine Worte ihre Wirkung zu erzielen, denn er beobachtete mit einer gewissen Zufriedenheit, wie sie Nadzha erst erbleichen, dann vor Verlegenheit erröten ließen. Ihm genügte, dass er sich gegen die Verachtung seines Vaters und seiner Geschwister nicht verteidigen konnte – obwohl vor der Welt ein Prinz war er in seinem eigenen Palast nur ein unliebsamer Schatten –, doch warum sollte er sich von dieser Fremden beschämen lassen?

„Was? – Nein! Es ist nur ..." Das Mädchen schluckte hart. „Ich bin keine Soldatin. Nicht so richtig."
Sie tippte sich auf das Abzeichen, das einen Hammer gekreuzt mit einem Kanonenrohr darstellte. „Ich bin Ingenieurin. Ich helfe bei militärischen Entwicklungen."

Erst jetzt bemerkte er, dass sich ihre Uniform, geschnitten wie ein Kaftan, ein wenig von der der anderen unterschied. Die Schnüre waren von einem dunklen Rot, nicht silbrig-gold.
„Soll das heißen, Sie haben keine Ahnung vom Gefecht?"

„Nun, ich habe wie alle in der Kresniknina die Grundausbildung gemacht, aber ..."
Amias wusste nicht recht, ob er es abermals als Beleidigung auffassen sollte, dass man ihm eine Soldatin zur Seite gestellt hatte, die nicht primär für den Kampf ausgebildet worden war, oder vielleicht gar als subtiles Attentat.

„Dann arbeiten Sie an solchen Dingen wie den Feuerwaffen für die Kresniknina?", fragte Amias und verfluchte sich für seine Neugierde, die seiner Stimme auch noch allzu gut anzuhören war.

Erfindungen, die durch und mit Magie funktionierten, hatten immer schon eine gewisse Faszination auf ihn ausgeübt. Nicht zuletzt, weil derartiges in Finience nie möglich gewesen wäre – jedenfalls nicht abseits der finsteren Abgründe der sich hartnäckig haltenden Ebreniser Unterwelt.

Zwar stimmte er Pinabel zu, dass es falsch war, Faie und ihre Fähigkeiten zu missbrauchen wie Velija es tat, aber sich dafür zu interessieren, war doch nicht verwerflich, oder?

Nadzhas hellbraune Augen leuchteten auf. „Genau! Im Bau des neuen Gewehrmodells habe ich sogar die Leitung erhalten." Peinlich berührt verstummte sie wieder. „Ach du meine Güte, darf ... darf ich Euch so etwas überhaupt erzählen?" Sie murmelte ein atemloses Gebet an den Gott Svarog, dem sie wohl ihren Namen verdankte wie es bei der Magiergilde des Zaren Tradition war.

Tief in Amias' Inneren glomm ein Funken Mitleid für das Mädchen vor ihm auf. In seiner Heimat hätte man jemandem wie ihr die Möglichkeit auf Heilung von ihrer Magie geboten, statt sie derart dafür auszubeuten. 

Man behauptete zwar, dass die negativen Folgen, das Leid, mit guter Ausbildung zu umgehen wären, doch dieses Argument schien wenig überzeugend, wenn man bedachte, dass viele Kresnikinamitglieder genauso wie andere Magoi kein hohes Alter erreichten. 

Vielmehr war es doch eine lausige Ausrede der Zaren, des Adels und der reichen Fabrikanten – sofern diese sich überhaupt bemüßigt fühlten die Sklaverei in ihren Betrieben im geringsten zu verteidigen – , um davon zu profitieren. Eine schamlose Lüge, unter deren strahlendweißen Deckmantel, sie die Vorzüge von Magie genossen, während sie ihre Folgen ihre Opfer ganz alleine tragen ließen. 

Noch grausamer daran war bloß, dass sie es geschafft hatten, selbst diese davon zu überzeugen. Nun hielten sie die Sklaventreiber für Befreier und jene, die sie erlösen wollten, für ihre Unterdrücker und Feinde.

So sah man es in Finience und er konnte nicht anders als an die Wahrheit dessen zu glauben. Immerhin wusste Amias von allen am besten, wie sehr Magie ihre Besitzer zugrunde richten konnte. 

Der Prinz bemerkte, wie Nadzhas Blicke zunehmend nervös zur Öffnung der Gasse zuckten und sie derart heftig an ihrer Unterlippe kaute, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie nicht bereits blutete. „Mit Verlaub, Eure Hoheit, ich weiß, Ihr fühlt Euch nicht wohl, aber wir können nicht länger hier bleiben, wir sollten –"

Mitten im Satz brach sie ab und starrte auf das Licht, wo sich der eng begrenzte Korridor zwischen den Häusern zur Straße hin lichtete, oder vielmehr, die Frau, die in dieses getreten war. Erst ein paar Schritte in die Gasse gestürmt, blieb sie wie angewurzelt stehen. Ihre Hand hatte sie gegen ihre Schulter gepresst und das Blut, das zwischen ihren Fingern hervorquoll, verriet unmissverständlich, dass sich darunter eine ernstzunehmende Wunde befinden musste.

Im Grunde war nichts Auffälliges an ihr: Ihr braunes Kleid und der Kontusik mit den geschlitzten Ärmeln darüber waren die einer Kleinbürgerlichen – geschmackvoll mit den schwarzen Zierstickereien, aber schlicht und mit Sicherheit nicht über die Maßen teuer –, das von Grau durchzogene Haar löste sich aus seiner Hochsteckfrisur und ihr Gesicht mit der langen Nase hätte jeder Frau überall in Agvila gehören können. Selbst ihr Zustand war im Angesicht der Situation nichts Überraschendes. 

Und doch war da etwas – ein Aufflackern in ihren Augen, das Amias zu erkennen glaubte, und wie ein Schock durch seinen Körper durchfuhr.
„Vorsi –"

Seine Warnung kam zu spät. 

Die Frau riss ihren zuvor noch schlaff herabhängenden Arm hoch und mit einem befremdlichen Knacken hob sich das Pflaster unter Nadzhas Stiefeln und riss sie von den Beinen. Im nächsten Moment krachte sie gegen die Wand und sackte, gefolgt von abbröckelndem Verputz, zu Boden.
„Verräterin", spuckte die Fremde aus.

Amias' Augen weiteten sich. Ein Schattenkind!

Unter ihm erzitterte der Boden und zwang ihn in die Knie, doch es endete mit einem zwischen zusammengebissenen Zähnen ausgestoßenen Fluch der Fremden. Das Gesicht schmerzverzerrt ließ sie ihren Arm wieder sinken, ehe ihre hektisch durch die Gasse zuckenden Blicke an dem Prinzen hängen blieben.

Ob sie wusste, wer er war? Selbst wenn nicht, genügte wohl seine offenkundige Zusammengehörigkeit mit der Kresnikninasoldatin, ihn ebenso wie sie als Feind zu betrachten.
An seiner Haut fühlte Amias wie sich seine Halskette unnatürlich wand. 

Wie von unsichtbaren Fingern unter dem Stoff hervorgezogen, hob sie sich aus seinem Kragen und förderte den kleinen, silbernen Anhänger zu Tage. Ein Oval, auf dem sich das lichtumrahmte Schwert Aels abzeichnete. Einer, wie ihn viele in Finience trugen.

In den aufblitzenden blau-grauen Augen der Velierin jedoch war es kein gewöhnliches Zeichen der aelischen Kirche, sondern jenes, unter dem man im Norden Menschen wie sie vor zweihundert Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte.

„Na was haben wir denn da?"

Unfähig, zu laufen, was wohl die weisere Entscheidung gewesen wäre, presste Amias sich gegen die Mauer. Das Blut rauschte ihm in den Ohren und dämmte jegliches Geräusch, das von außen auf ihn eindrang.

Die Finger der Faie zuckten nur einmal – und die Kette schloss sich um seinen Hals, wie der Strick eines Galgens.

„Nicht, bitte ...", brachte er tonlos über seine trockenen Lippen. Hilflos versuchte er an den feinen Gliedern zu zerren und sich der plötzlich entstandenen Todesschlinge zu entwinden, während das Metall unablässig in seine zarte Haut schnitt, seine Luftröhre zusammendrückte und ihm jeden schmerzhaften Atemzug erschwerte.

Helle Punkte begannen vor seinen Augen zu tanzen und ihm drängte sich die verstörende Frage auf, ob sein heiliger Talisman ihn zuerst ersticken oder enthaupten würde. Die bloße Vorstellung jagte wilde Panik in jede Faser seines Körpers.

Amias wollte um sein Leben betteln, doch seine Stimme war lediglich ein Röcheln, beängstigend in seinen eigenen Ohren. Tränen quollen aus seinen aufgerissenen Augen.
Ich will nicht sterben ...
Nicht so. Nicht hier.

Gegen alle seine Instinkte, die seine Hände an seinen Hals fesselten, tastete er blind nach dem Buch und fand den Ledereinband. Mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, packte er es und schleuderte es der Magierin entgegen.

Im selben Moment fühlte er sich dabei bereits lächerlich. Diese Frau konnte mit einem bloßen Fingerzucken töten und er meinte, sich mit einem Buch verteidigen zu können. Wie erbärmlich.
Mehr irritiert wich sie einen Schritt zurück, lockerte dabei ihren Griff jedoch gerade genug, dass sich Amias' Sicht wieder klärte.

Ihre Verwirrung schenkte ihnen einen einzigen wertvollen Moment der Unachtsamkeit.
Ein Schuss krachte und ließ Amias' Blick nach rechts schießen, wo Nadzha kniend die Pistole erhoben hielt.

Die Kette um seinen Hals klirrte leise, als sie locker an seinem Hals herabfiel und auf die Knöpfe seiner Jacke traf. Gierig sog der Prinz die immer noch zart nach Blut stinkende Luft in seine Lungen, die nun wieder ungehindert durch Mund und Nase strömen konnte.

Ohne, dass Amias es sah, musste in diesem Moment ein weiterer winziger, magischer Funke überspringen, der die Pistole zünden ließ. Obwohl nun kaum der richtige Zeitpunkt dafür war, spürte er eine stille Begeisterung in sich aufsteigen. Nach allem, was er über die velischen Kresnikwaffen gelesen hatte, war e s das erste Mal, dass er ihre Funktion auch sah!

Äußerlich beinahe wie jede andere, waren sie in den Händen gewöhnlicher Menschen bloß nutzloses Metall. Sie zündeten lediglich durch Magie.

Der Knall dämpfte seine Euphorie. Innerhalb nur eines Herzschlags zischte die Kugel knapp an seiner Nasenspitze und dem Bein der Frau vorbei in die Hauswand.

Ihre blutverschmierte Hand hob sich bereits und setzte offenbar zum nächsten Angriff an. In einem lächerlichen, reflexartigen Versuch sich davor zu schützen, hob Amias die Hände vors Gesicht.

Er sah sich bereits selbst erdrosselt, enthauptet, von Steinen durchbohrt, zerquetscht oder erschlagen, und ein leises Wimmern entkam seinen Lippen.
Nichts davon geschah.

Ängstlich blinzelte er zu der Frau hoch, doch die war nicht mehr da.
Von den Stimmen und Schritten, die sich näherten, offenbar in Angst versetzt, stürzte sie ohne weitere Zeit mit ihnen zu verschwenden in einer Geschwindigkeit die Gasse entlang, die Amias einer Verwundeten nicht zugetraut hätte. 

Nadzha zielte erneut. Nichts passierte.
„Verdammt." Immer noch mehr liegend als sitzend, angelte sie nach neuer Munition, als hätte sie vergessen, dass ihre Hände selbst mit den richtigen Bewegungen zu einer gefährlicheren Waffe werden konnten.

„Nutzen Sie Ihre aelverdammten Kräfte, verflucht!", rief Amias ihr zu, seine Stimme mehr ein Krächzen. Vor seinem geistigen Auge konnte er dabei geradezu Père Pinabels tadelnden Blick sehen, den er geflissentlich ignorierte. In diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel. 

Überrascht blinzelnd ließ die Kresnitsa die Pistole fallen, hob die Hand und ließ eine Stichflamme aus ihr schießen, vor deren plötzlicher Hitze der Prinz unwillkürlich zurückwich.
Sie verfehlte die Flüchtende nur knapp, die hinter der nächsten Häuserecke verschwand.

Im selben Moment füllte sich die Gasse mit einem Schwall an Soldaten, die anscheinend dasselbe Ziel hatten und mit gezückten Waffen der Magierin hinterherstürmten.
Amias Tenval sah ihnen nach und fragte sich, für wen die Chancen wohl besser standen. Die verletzte, aber ohne Frage mächtige Erdbeschwörerin oder die Gruppe an Soldaten, die zwar in der Mehrzahl waren, ihr jedoch nur Säbel und Pistolen entgegenzusetzen hatten?

Nur einer löste sich mit wenigen Worten von der Gruppe und blieb bei ihnen zurück.
„Kapitan Hrushka", stellte er sich knapp vor. Anders als im Fall seines Gegenübers, schienen die Narbe an seiner Wange sowie der fehlende Teil eines seiner Nasenflügel zu bestätigen, dass dieser Rang mit Erfahrungen im Gefecht erworben worden war. „Benötigen Sie Hilfe, Kapral?" 

Bereitete dem Schnauzbärtigen die Situation Unbehagen, ließ er es sich nicht anmerken. Sein Pflichtgefühl überwog jede mögliche Animosität gegenüber der Kresniknina, sei es nun aus ganz prinzipieller Abneigung gegen Magier oder alleine den Rivalitäten zwischen Heer und Gilde geschuldet. Vielleicht hatte er auch wirklich keinerlei Vorbehalte gegenüber Schattenkindern.

Nadzha rappelte sich wieder auf. Dank der kleinen Auseinandersetzung war die edle Paradeuniform nun mit Staub bedeckt, doch sie schien unverletzt.
„Svarozhina. Danke. Das", sie hob ihre Mütze hoch, die ihr vom Kopf gefegt worden war, und klopfte wenig erfolgreich den Dreck ab, „ist Prince Amias. Mir wurde befohlen ihn zum Palast zu eskortieren."

Als das prüfende Augenpaar des Hrushkas sich auf ihn richtete und sich beinahe zur selben Zeit tiefe Falten in seine Stirn gruben, wurde Amias erst bewusst, welchen jämmerlichen Anblick er bieten musste. Schmutzig und zusammengekauert wie ein verschrecktes Kätzchen saß er immer noch an die Mauer gedrückt auf dem Pflaster.

Um sich die letzten, mickrigen Reste an Würde zurückzugewinnen, richtete er sich auf, wobei seine weichen Knie mehr als einmal einfach wieder unter ihm zusammenklappen wollten, obwohl der Soldat sich längst wieder an die Kresnitsa gewandt hatte. 

„Nun, da haben Sie sich nicht den besten Weg ausgesucht", bemerkte der er mit einer halbherzigen Kopfbewegung in die Richtung, in die die Faie zuvor verschwunden war, aus der nun wiederum ein Uniformierter zurückgeeilt kam.

Amias' blieb ohnehin keine Zeit, sich über die Peinlichkeit seiner Lage den Kopf zu zerbrechen, denn da fiel sein Blick bereits auf das, das vor ihm lag: Sein Buch, mitten im Dreck der Straße und geziert vom Abdruck eines Stiefels.
Der Prinz gab einen gequälten Laut von sich und hob es so vorsichtig hoch, als wäre es ein verletztes Tier.

„Kapitan, wir haben sie verloren!", meldete der Soldat atemlos.
„Was? Aber wie kann das sein?" Hrushkas Finger schlossen sich fest um das Heft seines Pallaschs. Die schlechten Nachrichten schienen damit jedoch noch kein Ende gefunden zu haben, denn der andere fuhr fort: „Aber wir haben Otrjadyn und Rotovnik wiedergefunden. Er ist schwer verwundet."

„Ein Heiler?"
„Ist schon bei ihm, aber es sieht nicht gut aus."
„Polkovnik Draganov, ist er –"

Der rothaarige Soldat schüttelte den Kopf. „Nein. Otrjadyn meint, er wollte Hilfe holen. Seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht."
Hrushka runzelte die Stirn. „Aber sie waren doch nur zu dritt. Wer hat dann –?"

Weiter kam er nicht, denn in dem Moment, erzitterte nicht nur der Boden, sondern scheinbar die gesamte Welt. Amias stolperte und fiel, ohne irgendwo Halt zu finden. Kapitan, Kapral und Soldat rissen jeder seinerseits ihre Waffe hoch – die Kavalleristen ihre Pistolen, die Kresnitsa bloß ihre Hand, über deren Fingerspitzen eine kleine Flamme aufloderte.

Der Prinz wusste nicht, ob ihnen die Gelegenheit blieb, sie einzusetzen.
Irgendetwas, war es Verstand, panischer Überlebenswillen oder bloßer primitiver Instinkt setzte seine Beine in Bewegung, bevor er überhaupt den Gedanken fassen konnte, wegzulaufen, geschweige denn, darüber nachdenken, ob diese Entscheidung auch nur im Geringsten vernünftig oder viel eher die Unterzeichnung seines Todesurteils war.

Vielleicht spielte es auch einfach keine Rolle und nichts, was er tun oder nicht hätte tun können, hätte einen Unterschied gemacht. Wie die Welt vor hunderten Jahren als Seint Ael das Böse bekämpft, die Schatten mit seinem Licht verdrängt hatte, erzitterte Altingrad unter seinen Füßen jetzt.

Das letzte, das Amias sah, war der auf perfide Art faszinierende und beängstigende Anblick des Gebäudes über ihm, das erst Risse erhielt und dann innerhalb seines einen Herzschlags, den sein Schock aussetzen ließ, als Staub und Stein über ihm zusammenbrach.

Ael, steh mir bei!, schickte er ein letztes Stoßgebet gen Himmel, von dem er nicht wusste, ob er ihn erhörte, und von dessen wolkengetrübten Anblick er gewaltsam getrennt wurde. Stattdessen war da bloß Finsternis, wie ein dunkles Meer, dessen Wellen über ihm zusammenschlugen und ihn in düstere Abgründe zerrten. 

Und jetzt war er hier – in der Hölle.

Pinabel hatte ihm viel vom Reich des Allvaters und Aels erzählt: Ein strahlender Ort, an den die Seelen der verstorbenen gelangten; ein Paradies, das auf Erden nicht existieren konnte. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er sich immer gefragt, wie er sie dort erreichen könne und ob sie sich dort wiederfinden würden. Daraufhin hatte der Priester nur unsicher gelächelt und ihn mit ausweichenden Floskeln abgespeist, von denen Amias wusste, was sie bedeuteten: Menschen wie sie will Ael in seinem Paradies nicht.

Nur, wenn sie sich vor ihrem Tod wie Seinte Ignése von ihren Sünden reinwuschen. Der kleine Amias hatte fest daran glauben wollen, dass es so gewesen war, denn seine Mutter war in seinen Augen immer wie eine Heilige gewesen. Selbst nachdem er alles Schöne an ihr zu grausamer Hässlichkeit verfallen hatte sehen.

Viel wichtiger war doch die Frage gewesen: Würde er, der Dämon, in dessen Adern trotz fehlender Magie das Blut eines Schattenkinds floss, ihr jemals an diesen Ort folgen können?
Vielleicht hatte er hiermit seine Antwort, denn auf ihn wartete auf dieser anderen Seite kein Licht. Nur alleserstickende Dunkelheit, so finster, dass er meinte, er fiele durch bodenloses Nichts. Ein Nichts nur durchbrochen von ... Schreien?

Ja, es war eine Vielzahl von Stimmen – von Männern, Frauen, Kindern, auf Velisch, Vargisch, Ridavisch, Aspravisch und fremden Zungen – die wie eine unsichtbare Menge auf ihn zuzukommen schien. Flehend, schluchzend, drohend, brüllend schlossen sie sich zu einer Kakophonie zusammen, die Amias nicht nur bald schmerzhaft in den Ohren dröhnte, sondern seine Seele durchbohrte.

„Ich will nicht ..."
„Gib mir zurück ..."
„Wo ist ..."
„Sasha, Sasha..."

Und dazwischen immer wieder dieses eine Wort, daraus hervorstechend wie eine spitze Nadel: „Monster."
Es war die Stimme seiner Mutter.

Amias wollte sich die Ohren zupressen, doch es bildete keine Barriere für die Rufe.
Tausende unsichtbare Hände schienen sich nach ihm auszustrecken, grob an ihm zu zerren.

Sein Mund öffnete sich zu einem panischen Schrei, doch ihm selbst schien die Stimme zu fehlen – oder sie ging bloß in den anderen unter? Wild um sich schlagend versuchte er sich aus den tödlichen Klauen zu befreien. Zwecklos.
Sie rissen ihn nur tiefer in ein loderndes Meer aus Flammen.

„Komm mit... Komm mit ..."

Ja, wenn es eine Hölle gab, dann musste sie so aussehen. Und er war für immer darin gefangen.

__________________

𝐀 𝐍 𝐌 𝐄 𝐑 𝐊 𝐔 𝐍 𝐆 𝐄 𝐍

Uuuund der Award dafür in kürzester Zeit am öftesten fast umgebracht zu werden geht an... *Trommelwirbel*... Amias. Ich glaube, aktuell hat er sogar Zarja eingeholt. 

Der wahre Leidtragende des Kapitels ist aber natürlich das Buch :'(  (da wären Amias und ich uns sicher einig)

Die üblichen Fragen:
Was haltet ihr von Nadzha? (ja, die bleibt nur ein Nebencharakter, der ab und an mal reinschneit, keine Angst, ich brauch keinen noch größeren Hauptcast)

Was haltet ihr von dem bisschen Worldbuilding zu Finience, das ich eingebaut habe?

Blickt man hier noch durch? (Ich bin ehrlich froh, wenn ich diese ganzen verwickelten Handlungsstränge dieses Attentats endlich hinter mir lassen kann ^^")

Weil ich etwas mit Bild-KI rumgespielt habe und sie mit der Beschreibung von Amias' Kette gefüttert hab, teil ich an der Stelle auch einfach mal, was mir daraufhin so ausgespuckt wurde:

Von den Dudes war zwar nicht die Rede, aber ich bin positiv überrascht, weil es dadurch sehr zu Ael und dem Allweisen passt.

Continue Reading

You'll Also Like

3.3K 255 44
Ein statisches Rauschen klingt in meinem Ohr wider, dann meldet sich eine undeutliche Stille. โ€ž...Holt! Kรถnnen Sie mich hรถren? Antworten Sie! Mr. Hol...
3.3K 443 19
[Wattys Gewinner 2023] Samantha, ehrgeizige Praktikantin bei einer Nachrichtenredaktion in Berlin, landet plรถtzlich in der รถden Technikabteilung. Doc...
5.1K 551 24
1. Band der Raben Saga Der Fomorer Carne erzรคhlt seinem besten Freund seine Lebensgeschichte. Eine Geschichte voller Blut und Magie. Eine Geschichte...
99.2K 9.4K 141
Eigentlich sollte es nur eine Klassenfahrt nach Schottland werden - aber als Lina auf einem Friedhof in Edinburgh plรถtzlich von einem Geschรถpf wie au...