Slaves of War

By InkOfInspiration

9.7K 964 5.8K

ยป ๐ˆ๐œ๐ก ๐ฐ๐ž๐ซ๐๐ž ๐๐ž๐ซ ๐–๐ž๐ฅ๐ญ ๐๐ž๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ ๐ž๐›๐ž๐ง, ๐ง๐š๐œ๐ก ๐๐ž๐ฆ ๐ฌ๐ข๐ž ๐ฏ๐ž๐ซ๐ฅ๐š๐ง๐ ๐ญ ยซ โœฅ... More

๐•๐จ๐ซ๐ฐ๐จ๐ซ๐ญ
๐ƒ๐ข๐ž ๐–๐ž๐ฅ๐ญ ๐๐ž๐ซ ๐ณ๐ฐ๐ž๐ข ๐‘๐ž๐ข๐œ๐ก๐ž
๐๐ซ๐จ๐ฅ๐จ๐ 
๐ˆ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐๐ž๐ซ ๐•๐ž๐ซ๐ ๐š๐ง๐ ๐ž๐ง๐ก๐ž๐ข๐ญ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐๐ž๐ซ ๐•๐ž๐ซ๐ ๐š๐ง๐ ๐ž๐ง๐ก๐ž๐ข๐ญ
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ.๐Ÿ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ.๐Ÿ‘ | ๐‰๐š๐ซ๐จ๐ฆ๐ข๐ซ๐ฌ ๐’๐œ๐ก๐š๐ญ๐ญ๐ž๐ง
๐Ÿ‘.๐Ÿ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ‘ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ‘.๐Ÿ’ | ๐€๐๐ฅ๐ž๐ซ, ๐รค๐ซ ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ฎ๐œ๐ก๐ฌ
๐Ÿ’.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ’.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ’.๐Ÿ‘ | ๐„๐ข๐ง ๐ ๐ฎ๐ญ๐ž๐ฌ ๐†๐ž๐ฌ๐œ๐กรค๐Ÿ๐ญ
๐Ÿ“.๐Ÿ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ‘ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ“.๐Ÿ’ | ๐–๐ž๐ง๐ง ๐Š๐ž๐ญ๐ญ๐ž๐ง ๐Ÿ๐š๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ‘ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ”.๐Ÿ’ | ๐•๐จ๐ง ๐Š๐ซ๐ข๐ž๐  ๐ฎ๐ง๐ ๐…๐ซ๐ข๐ž๐๐ž๐ง
๐Ÿ•.๐Ÿ | ๐‡รถ๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง๐Ÿ๐ž๐ฎ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ‘ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ’ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐Ÿ–.๐Ÿ“ | ๐„๐ข๐ง ๐๐š๐ค๐ญ ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ฅ๐ฎ๐ญ ๐ฎ๐ง๐ ๐Š๐ฎ๐ฉ๐Ÿ๐ž๐ซ
๐ˆ๐ˆ
๐Ÿ— | ๐ƒ๐š๐ฌ ๐Œรค๐๐œ๐ก๐ž๐ง ๐š๐ฎ๐ฌ ๐๐ž๐ง ๐…๐ฅ๐š๐ฆ๐ฆ๐ž๐ง
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐Ÿ๐ŸŽ.๐Ÿ‘ | ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ ๐ฎ๐ฆ ๐†๐ž๐ก๐ž๐ข๐ฆ๐ง๐ข๐ฌ
๐†๐ฅ๐จ๐ฌ๐ฌ๐š๐ซ

๐Ÿ•.๐Ÿ | ๐‡รถ๐ฅ๐ฅ๐ž๐ง๐Ÿ๐ž๐ฎ๐ž๐ซ

124 13 210
By InkOfInspiration

✥           ✥           ✥

 » In ihrem Blut floss Magie, die Strafe für den uralten Verrat der Menschheit am Göttlichen. Doch Seinte Ignése überwand selbst diese Sünde ihrer Ahnen. Mit ihrem eigenen Feuer setzte sie sich in Brand und betete in Flammen um ihre Erlösung. Und Ael empfing ihre gereinigte Seele mit offenen Armen. «

aus »Die Leben der Heiligen«
Hrosvithe de Vielle
413 n. Ael


AMIAS BEFAND sich in der Hölle.
Daran bestand für ihn kein Zweifel.


Seit dem letzten Abend hatte er sich in einem Taumel aus Verunsicherung und einem winzigen Hauch von Triumph befunden: Er verachtete Empfänge und Bälle und neben der Konversation war für ihn die Bewegung über die Tanzfläche ein Spießrutenlauf gewesen, den er nur versteift hinter sich gebracht hatte.

Heute mit all den Blicken auf sich – den begeisterten der Menge, den aufmunternden Zinaïdas und den eisigen seines Vaters, die sich zweifellos in seinen Rücken bohrten – fühlte er sich nackt. Wie ein Wesen des Schattens, das man zum ersten Mal ans Licht zerrte. Er hasste es.

Und doch meinte er unter all dem prickelnden Unwohlsein einen Funken Genugtuung zu verspüren, dass von allen Söhnen Blancandrin Tenvals ausgerechnet er, der Schandfleck, hier sein durfte und somit unwiederbringlich in die Geschichte eingehen würde.

Von heute an würde man seine Existenz nicht mehr so einfach aus den Büchern tilgen können, worauf der Imperator mit Gewissheit seit Jahren wartete. Nichts hätte von ihm bleiben sollen, außer die kleinen Spuren der Abnutzung an den Schriften in der Palastbibliothek und die Erinnerung an das unablässige Rascheln der umgeschlagenen Seiten in ihren Gewölben.

Heute und morgen aber würde sein Name in den Zeitungen stehen, Chronisten würden ihn im Zusammenhang mit diesem historischen Tag erwähnen und möglicherweise würden sogar Künstler diese Szenerie von Prinz und Zarewna, die den Weg in eine schönere Zukunft erleuchteten, auf der Leinwand einfangen. Vielleicht sollte er mit dem restlichen Geld, das sie bei sich hatten, sogar selbst ein Gemälde davon in Auftrag geben.

Auf Amias' Lippen lag das grimmige Lächeln dieser süßen Rache und in seinem Herzen glomm ein fremder Stolz, als er aus den Augenwinkeln eine blitzschnelle Bewegung wahrnahm. Im nächsten Moment schlug das Chaos wie eine gewaltige Welle auf ihn nieder und riss ihn mit sich.

Instinktiv krallte er sich an dem plötzlich so erschreckend riesigen und unkontrollierbaren Tier unter sich fest. Die Fackel entglitt seinen steifen Fingern. Die Zarewna musste sie ebenso losgelassen haben, denn eine Sekunde später zitterten ihre Flammen bereits um die Hufe der Pferde. Unter ihm bäumte sich der Rappe in wilder Panik auf.

Nahe, viel zu nahe, zerriss ein Knall die Luft und etwas donnerte gegen seine Brust.

Ein rauer Schrei kratze in seiner Kehle, von dem er sich nicht sicher war, ob er diese jemals verließ oder dort zu einem armseligen, kaum hörbaren Schreckenslaut zerfiel.

Feuer, dunkles Fell, Himmel – die Bilder zuckten in schwindelerregendem Tempo an seinen Augen vorbei, bevor er auch nur ein einziges davon fassen konnte, dann fühlte er nur noch beängstigende Schwerelosigkeit.

Werde ich sterben?, schoss es Amias durch den Kopf, während ihn die Schwerkraft gnadenlos zu Boden riss. Er fühlte nicht einmal den Schmerz, der doch zweifellos hätte folgen müssen, als er mit dem Pflaster kollidierte.

Jetzt ist alles vorbei ...

Um ihn herum schien die Welt in Tosen und Beben unterzugehen und sie zog ihn einfach mit sich in ihren endlosen Abgrund. Irgendwo, am Rande seiner Wahrnehmung, hörte er wirre Rufe über Schüsse und dazwischen immer wieder jemand, der panisch den Namen „Valentin" schrie und schluchzte.

„Amias!", die verzerrte Stimme, die nach ihm rief, erschien ihm weit weg und fremd. Blinzelnd schlug er die Augen auf und blickte in ein Paar blauer Iriden, um das langsam Zinaïdas Gesicht und Körper Form annahmen. 

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er nicht tot war und sein Ende mit gebrochenem Genick in Altingrad gefunden hatte, und einen weiteren, bis ihm klar wurde, dass dafür wohl die Prinzessin verantwortlich war, die ihn festhielt.

„Amias, geht es Euch gut? Seid Ihr getroffen", fragte sie besorgt, als er nicht reagierte, jegliche nutzlosen Formeln der Höflichkeit geflissentlich vergessend. „Ein Heiler! Wir brauchen einen Heiler!"

Getroffen? Eiskalte Angst durchbohrte sein Herz, als ihm bewusst wurde, was gerade geschehen war: Dieser Knall war ein Schuss gewesen. Jemand hatte auf ihn geschossen!

Panisch zuckte seine Hand an seine Brust, wo er jetzt einen dumpfen Schmerz wahrnahm. Dort wo das Geschoss sich in sein Fleisch gebohrt haben musste, um ihn qualvoll verbluten zu lassen. Aber warum ausgerechnet ich?

Doch als Amias auf seine zitternden, tauben Finger starrte, sah er nichts. Kein Blut.
Erneut betastete er die Stelle und spürte dabei wieder ein unangenehmes Ziehen, bevor seine Finger schließlich unter seiner Kleidung etwas Hartes fühlten. Verwirrt zog er den kleinen Gegenstand aus der Brusttasche hervor. 

Es war ein Buch. Eine Ausgabe von Die Verdammten von Marquis de la Rouche. Exakt dort, wo der i-Punkt des Adelstitels „Marquis" hätte sein sollen, hatte sich ein Projektil in den harten Einband gebohrt.

So sehr er sich auch anstrengte, Amias konnte sich nicht einmal daran erinnern, es eingesteckt zu haben, andererseits ging er so gut wie nirgendwo ohne etwas zu Lesen im Schlepptau hin. Er schluckte hart. 

Vermutlich konnte er sich glücklich schätzen, dass er sich für den robusten Gesellschaftsroman und kein Taschenbüchlein mit Gedichten entschieden hatte, wann auch immer er den Weg in seine Tasche gefunden hatte.

„An manchen Tagen findet das Glück auch die Verdammten", zitierte er leise. Oder dachte er es nur? Er konnte seine eigene Stimme nicht hören.

Für einen Moment schien etwas in den blauen Augen der Zarewna aufzuleuchten: vielleicht Verständnis. Er wusste es nicht, doch etwas in ihm wollte aus irgendeinem Grund glauben, dass sie die Botschaft seiner Worte begriffen hatte.

„Eure Hoheit, seid Ihr verletzt?", drang neben Zinaïdas nun eine weitere Stimme an sein Ohr. Unfähig, ein weiteres gerades Wort über seine taube Zunge und Lippen zu bringen, hielt Amias bloß, wie zur Antwort, das Buch hoch.

Jemand hatte ihn erschießen wollen und er lebte. Aber beinahe noch wichtiger: Jemand hatte ihn erschießen wollen. Ihn, Amias Ael Tenval, der so unwichtig und klein war, dass er entgegen all der Schande, die in seiner bloßen Existenz lag, es seinem Vater nicht einmal wert gewesen war, ihn als Kind nachts in der durch Ebrenis fließenden Greynne ersäufen zu lassen. Und jetzt maß irgendein Attentäter ihm genug Bedeutung bei, dass er seinen Tod wünschte.

Mit fast wahnsinniger Euphorie stieg ein leises Kichern in Amias' Kehle hoch.

Dann nickte er zögerlich, als ihm klar wurde, dass diese Reaktion auf die meisten reichlich seltsam wirken musste. Er wusste allerdings nicht, ob es die Zarewna sehen konnte, denn schon umringte ihn eine Heerschar an Leibwächtern, die ihn wieder auf die Beine zogen, nach einem Heiler für ihn und die Zarewna befahlen – der allerdings nichts weiter als ein paar Kratzer und einen Bluterguss auf der Höhe seines Herzens finden konnte –, sich schützend um sie postierten und Amias Desorientierung weiter verstärkten.

Ihm war wohl bewusst, dass er sich in Gefahr befand, doch tatsächlich begreifen konnte er nichts von dem, was gerade geschah. Warum wurde er mit einem „Ihr müsst mir folgen Hoheit, hier ist es nicht sicher" weggeführt? Warum sprach man etwas von einem Attentat? Warum schrien Menschen, liefen durcheinander? Und woher kam dieses Donnergrollen?

Orientierungslos stolperte er einfach nach wie vor das Buch in den Händen hinterher, während hinter seinem Rücken ein gellender Todesschrei die Luft durchschnitt, der nahtlos in ein „Kresnik stürzte den Zaren! Nieder mit den Tyrannen!" überging.
Amias lief unwillkürlich ein eiskalter Schauer über den Rücken.

„Vasilij! Sie müssen nach Vasilij sehen!", wiederholte Zinaïda neben ihm immer wieder, woraufhin sie nicht mehr bekam als halbherzig-besänftigende Worte von Leibwächtern, die sich mehr um ihre körperliche Unversehrtheit kümmern mussten, als dass sie Zeit für ihre zunehmende Panik aufbringen konnten.

„Nein, Sie verstehen nicht! Er ist dort irgendwo unter den Soldaten ... Er ..." Mit schreckensgeweiteten Augen blickte sie in die Richtung, in der Schüsse krachten. „Dieser Dummkopf ... warum musste er unbedingt ... Mama!", stieß Zinaïda schließlich erbleichend aus.

Amias hatte noch nicht gesehen, was ihren Schock ausgelöst haben mochte, da stürzte sie bereits, alle anderen einfach zur Seite schiebend vorwärts, wo er die Zarin, die in den Armen ihres Ehemanns und ihrer drei ältesten Kinder lag, erkannte. 

An der Höhe ihrer Hüfte fraß sich ein Rostrot unaufhaltsam durch den Stoff ihres aspravischen Kleides, das sein Verstand nicht als Blut erkennen wollte. Setenays Gesicht war noch blasser geworden als sonst, ihre Augenlider flatterten, ohne sich ganz zu öffnen oder zu schließen.
Amias' Brustkorb schien sich um sein Herz und seine Lungen verengt zu haben und jeden Schlag und jeden Atemzug zu erschweren.

Die Zarin war bereits von zwei Kresniki – vermutlich Heilern – flankiert, deren Kräfte mit jeder ihrer Handbewegungen unsichtbar durch den Körper der Verletzten fließen mussten.

Zina fiel neben ihrer Mutter auf die Knie und schloss ihre zitternden Finger um ihre reglosen.
Ana", sprach sie sie noch einmal an, diesmal in der Muttersprache der Zarin. „Was ist passiert? Wie ist das...?"

„Ein Attentäter. Er hat geschossen", antwortete Aleksandr, der älteste.

„Wenn ich nur schneller gewesen wäre..." Dobrin, Vasilijs Zwillingsbruder, drückte seine kleine Schwester enger an sich, die hemmungslos in seine Brust weinte. Ihre Tränen verbarg sie zwar vor aller Augen in der Uniform ihres Bruders und hinter wilden dunklen Locken, doch das heftige Beben ihrer Schultern und die atemlosen Schluchzer verrieten ihren Schmerz.

Bisher hatte Amias sie kaum zu Gesicht bekommen und wenn, war sie überaus still. Sie mochte nicht älter als vierzehn sein, eigentlich noch zu jung, um an solchen Feierlichkeiten teilzunehmen. Vermutlich hatte man es ihr bloß wegen der Wichtigkeit des Hundertjährigen Friedens erlaubt. Was der aufregendste Tag in ihrem jungen Leben hätte sein sollen, hatte sich jetzt innerhalb weniger Sekunden in den schrecklichsten verwandelt.

„Valja ... Valja ...", wimmerte die Zarin kaum hörbar, anscheinend bereits im Delirium. Nur ein kleiner Teil von Amias fragte sich, an wen sie in diesem Moment so verzweifelt denken konnte, doch er klammerte sich an diesen Gedanken, um sich vor den anderen zu schützen, die auf ihn einzustürzen drohten.

Dieses eine, simple Wort traf den Zaren wie ein Schlag, unter dem er zusammenzuckte. Dennoch umklammerte er die Hand seiner Frau noch fester und strich ihr beruhigend durchs Haar.
„Sch, sch, das wird schon wieder, Seti...", murmelte er ihr ins Ohr und übertönte sie damit. 

Als er sich an die Heiler wandte, verlor seine Stimme diese Sanftheit und schwoll zu einem Knurren irgendwo zwischen Zorn und purer hilfloser Verzweiflung an.
„Ihr könnt sie doch retten, oder?"

Die Kresnitsa nickte, während der Magier neben ihr antwortete. „Ihre Chancen stehen gut. Wir tun, was wir können."

Ihre Chancen auf Heilung stehen gut. Wir tun, was wir können, hallte die zuversichtliche Stimme eines Arztes höhnisch in Amias' Kopf wider. Das war nur wenige Wochen gewesen, bevor er und der Priester mit finsteren Gesichtern verkündet hatten, dass sie nichts mehr für seine Mutter tun konnten.

Ungehindert strömten die Erinnerungen, die er so mühsam verdrängen hatte wollen, auf ihn ein. Mit einem Schlag fühlte sich Amias zwölf Jahre zurückversetzt, in diesen Raum, der in seiner Kargheit deplatziert im Palast erschien.

Wieder kniete er an der Seite des Bettes und starrte mit verschwommenem Blick auf das blütenweiße Laken.

Wieder drückte er die Hand seiner Mutter, die seine Finger bald zerquetschte, bald wieder unter seiner Berührung erschlaffte. 

Wieder hörte er sich selbst piepsen „Tun Sie doch etwas!".

Und wieder erklang die Antwort des Arztes, mehr an Blancandrin gerichtet als an Amias: „Ich habe getan, was ich konnte, um sie zu heilen, das versichere ich Euch, Majestät. Aber Ihr versteht, dieser ... dieser Zustand lässt sich nicht in jedem Fall bekämpfen."

Nein! Nein! Nein!

Der anwesende Priester, ein hagerer Mann und mit schütterem Haar, an dessen schmalen Schultern die geistliche Robe viel zu schwer zu hängen schien, schüttelte miteinstimmend den Kopf.

„Auch meine Macht endet hier. Das Schicksal Eurer Gattin liegt jetzt in den Händen Aels und des Allweisen. Es ist an ihnen zu entscheiden, was mit ihrer Seele geschehen soll."

„Ich... Ich verstehe", hauchte der Imperator mit glasigen Augen, die halb zur Faust geballten Finger gegen die Lippen gedrückt. Seine Blicke fixierten seine Frau, die sich in ihrem Bett unter Qualen wand.

„Möge ihr gerechtes Urteil leicht zu tragen sein", flüsterte der Priester die Floskel, die Amias in der Kirche zu Hauf gehört hatte, ohne bisher eine besondere Bedeutung darin zu lesen. Heute weckten sie in ihm Wut.

Gerechtigkeit? Welche Gerechtigkeit? Seine Mutter hatte diese Strafe nicht verdient, dieses Urteil, das kein bisschen leicht zu tragen war, und jetzt wurde sie für all das mit einem noch vernichtenderen belohnt? Nicht nur, dass das nicht sein durfte, es konnte nicht. Der liebende Allweise und Ael, der für das Gute gekämpft hatte, so wie Pinabel sie ihm beschrieben hatten, konnten unmöglich so etwas Schreckliches wollen.

Der Priester vollführte eine segnende Geste, bevor er erst Lippen, dann Herz mit den Fingerspitzen berührte. „Ael in unseren Taten, unseren Worten und unseren Herzen."
„Auf ewig", antworteten der Arzt und Amias stumpf. 

Blancandrin stürzte aus dem Zimmer und nur das verhallen seiner Schritte in der Ferne verriet, dass er sich wohl in sein Gemach geflüchtet hatte, um sich seinen Gefühlen fernab aller unerwünschten Blicke hinzugeben.

Pietätvoll traten die beiden Männer ebenfalls hinaus und ließen Amias und seine Mutter alleine. Dennoch konnte er noch ihr Flüstern hören.
„Diese Sache stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, sag ich Ihnen. Königliches Blut mit gewöhnlichem zu mischen rächt sich, Monsieur."

„Meinen Sie etwa, das ist alles nur Aels Strafe für eine nicht standesgerechte Ehe, Euer Hochwürden?", antwortete der Mediziner herablassend. „Diese albernen Schauergeschichten können Sie sich für unartige Kinder in der Klosterschule aufsparen. Ich arbeite mit Fakten, nicht mit Mutmaßungen."

Der Geistliche senkte seine Stimme noch weiter. „Tun Sie nicht so als wüssten Sie nicht, was alle denken", zischte er. „Manche meinen sogar, unsere Majestät der Imperator, hätte sich von dieser Faie verhexen lassen."

Amias Finger verkrampften sich zur Faust, bis seine Knöchel weiß hervortraten und sich seine Nägel schmerzhaft in seine Handflächen gruben. Brennender Zorn bahnte sich den Weg durch seine Venen. Wie konnte er es wagen!

Der Arzt lachte leise. „Haben Sie die Frau gesehen? Dafür bedarf es keiner Magie. Weibliche Reize machen sogar den größten, mächtigsten Herrscher zu einem einfachen Mann. Oder macht euch Geistliche das Zölibat blind?"

„Keineswegs. Es gibt aber einen großen Unterschied dazwischen, sich eine hübsche Frau zur Mätresse zu nehmen und sie zur Imperatorin zu machen", gab der Priester pikiert zurück. „Nun, glücklicherweise sind dieser Verbindung nicht mehr Kinder entsprungen, die ..." 

Den Rest konnte er nicht mehr verstehen. Doch das musste er auch nicht, denn er wusste ohnehin, was er dazu zu sagen hatte.
Glücklicherweise gab es nicht mehr Kinder wie ihn in der Familie des Imperators, deren Blut durch Magie in den Adern seiner Mutter verunreinigt war, selbst, wenn er keine Fähigkeiten besaß. 

„Zustand" hatte der Arzt es diskret genannt, aber sie wussten doch alle was es wirklich war: Die Krankheit, die die Menschheit befallen hatte, als sie sich entschied, dem Göttlichen nachzueifern. Jener Verrat hatte ihnen zwar anderen niemals zugängliche Mächte verliehen, doch er kam mit einem hohen Preis, den die zukünftigen Generationen zahlen mussten.
Sie litten unter der Last der Kräfte, die für einen sterblichen Körper nicht bestimmt waren und sie nach und nach von innen zerfraßen.

Heiße Tränen rollten Amias' Wangen hinab. Auch, wenn die Spitzen der Worte mehr gegen seine Mutter gerichtet waren als gegen ihn selbst, spürte er, wie sie sich in sein Herz bohrten. Verhext. Nach allem was sie dank Magie erleiden musste und nach allem Kampf gegen diesen Fluch, sprachen sie jetzt an ihrem Sterbebett so über sie?

Dieses eine Wort – Sterbebett – wagte Amias nicht einmal in Gedanken auszusprechen, doch er spürte es. Seine kindliche Hoffnung und Naivität mochten diese Gewissheit noch zum Verstummen bringen, aber sie saß ihm bereits in den Knochen, füllte seine Augen mit Tränen und sein Herz mit einer Qual, die er noch nicht ganz begriff.
Seine Mutter, Élainne Tenval, würde sterben.

Da war kein Blut, das den erschreckenden Zustand ihres Körpers verraten hätte, bloß die Krämpfe, die ihn mit immer neuer Intensität schüttelten und danach jedes Mal erschöpfter zurückließen. Nun war einer dieser Momente. Élainnes halbgeschlossene Augen waren gen Betthimmel gerichtet und sie regte sich nicht.

Maman ...?"
Keine Reaktion. Vielleicht nahm sie Amias' Präsenz in ihrem Delirium gar nicht wahr. Und vielleicht war das besser so, weil sie somit auch nicht wusste, dass nur er an ihrer Seite wachte.

Ihr Kopf sank zur Seite und für ein paar Herzschläge sah sie Amias bloß blind aus diesen halbtoten Augen an, die vielmehr ins Jenseits gerichtet schienen denn ins Diesseits. Selbst, wenn sie es nicht bemerkt hätte, bemühte sich der Prinz nicht erschrocken von ihr zurückzuweichen.

Die Torturen, denen Mediziner und Priester sie seit Wochen aussetzten, zusammen mit der auslaugenden Krankheit der Magie hatten ihre Schönheit nach und nach verblassen lassen. Doch das war etwas Oberflächliches, letztlich Unbedeutendes, denn jetzt sah Amias, dass die letzten Tage ihr das Leben zu rauben begannen.

Élainnes Haut war fahl und durchscheinend wie der Weihrauch, in den die hohen Gewölbe der Kathedrale und die Reliquien Aels in ihrer Kapelle getaucht waren, und schien sich ebenso dünn um ihre feinen Knochen zu spannen. An ihrer schweißnassen Stirn klebten verworrene Strähnen ihres dunklen Haars. Unter ihren Augen lagen sichelmondförmige Schatten, wie von schwarzer Tinte gezeichnet, die irgendwo in ein ungesundes Rot blutete.

„A-Amias?", krächzte Élainne und für den Bruchteil einer Sekunde schien ein kleines Licht in ihren trüben, dunklen Iriden zu glimmen.
„Ja, maman." Amias' Stimme versagte.

Ein kleines Lächeln verzerrte ihr Gesicht, das sich tief und schmerzhaft in sein Gedächtnis brannte, während sich ihre dünnen Finger mit Anstrengung nach ihm streckten, um ihm eine Haarsträhne aus der Stirn zu streichen. „Mein Engel ..."

Im nächsten Moment zuckte sie zurück, als hätte sie sich an ihm verbrannt. Ihre Augen weiteten sich in wilder Panik, wie immer, wenn sie ihre Anfälle hatte, die Welt der ruhelosen Toten und Geisterwesen von ihr Besitz ergriff. Diesmal jedoch glänzte solche Angst in ihrem Blick wie Amias es noch nie gesehen hatte.
„Nein... Nein..."

Maman, keine Angst –", flüsterte er so beruhigend, wie es ihm seine brüchige, tränenerstickte Stimme erlaubte.

„Monster." Élainne stieß ihn von sich und drückte sich gegen das verzierte Kopfende des Bettes. Wie eine Marionette war sie in einem befremdlichen, mechanischen Kopfschütteln gefangen. „Nein. Amias, du bist ein Monster ..."

Er stolperte zurück, als hätte dieser Satz ihn wie eine Ohrfeige getroffen und zu Boden geschleudert, grausamer als die Rohrstockschläge, mit denen er zu oft bestraft wurde. Tränen traten ihm in die Augen.

Die Worte fraßen sich bis tief in sein Herz und nisteten sich für immer dort ein. Selbst, als er aus dem Raum stürzte. Selbst, wenn er sich einzureden versuchte, dass sie bloß phantasiert haben musste und nicht ihn gemeint haben konnte. Selbst, wenn Pinabel, in dessen Arme er sich flüchtete, ihm eben das versicherte. Selbst, wenn er es verdrängte. Sie verfolgten ihn bis heute, diese letzten Worte, die er von seiner Mutter gehört hatte.

„Eure Hoheit ...", riss ihn eine Stimme aus dem Netz der Erinnerungen, in dem er gefangen war, und ihm nach wie vor die Bilder dieses schrecklichen Tages vor Augen führte, die sich anders als das tote Gesicht seiner Mutter nicht schlicht mit einem Leichentuch bedecken und begraben ließen.

Kopfschüttelnd drängte Amias den Nebel, der ihn umgab, beiseite und mit ihm die Schatten der Vergangenheit. Erst jetzt bemerkte er, dass die Zarin und ihre Familie nicht mehr am selben Ort waren.
„Es ist nichts", wehrte er ab.

„Es ist hier zu gefährlich. Wir müssen sie hier wegschaffen", drang eine weibliche, unbekannte Stimme an sein Ohr, die Amias der Kresnitsa zuordnen konnte, die er bereits auf dem Empfang gesehen hatte. Eine junge Vargaja.

Der Kresnik neben ihr, der aussah, als hätte ihm dieser Kampf bereits mehrere Nächte Schlaf gekostet, obwohl er gerade einmal wenige Minuten dauern konnte, nickte. Seine hellen Augen, trotz der fast ungesund blassen Haut und den dunklen Ringen darunter hellwach und aufmerksam, streiften über die Zarenfamilie und Amias. Um sie tobte, nur durch einen schützenden Wall von Soldaten und Kresniknina getrennt, das Chaos eines Schlachtfelds.

„Das wird nicht leicht werden. Was schlagen Sie vor, Kapitan?"
„Wir müssen schnell und unauffällig vorgehen. Kresniki eskortieren jeweils einen oder zwei zum Palast. Der Rest hält die Attentäter hier in Schach und versperrt ihnen den Weg", erklärte sie kühl. In ihrem Gesicht zeigte sich höchstens Ärger über die Situation, keine Sorge oder gar Angst. 

„Davaa, Khasan ...", begann die Kresnitsa routiniert Befehle zu erteilen, denen Amias mit der Vielzahl an Namen, die sich an dieses Meer aus Uniformierten richteten, nicht folgen konnte. „...und Fjodor geht mit ihnen. Nadzha, du begleitest Prinz Amias. Konstantin, du bleibst hier, und hilfst mir, ihnen den Rücken frei zu halten."
Mit diesen letzten Worten wandte sie sich wieder an den bleichen, dunkelhaarigen Kresnik.

„Was, ich?", fragte eine kleingewachsene Magierin aus der Menge hervortretend. Nadzha, wie Amias vermutete, mochte kaum älter sein als er, zierlich gebaut und den hohen Wangenknochen und der definierten aber ebenso wie das Kinn feingeschnittenen Nase nach eindeutig Veloyse.

 Vielleicht, wie ihre Züge und ihr Name nahe legten, aus dem Norden bei Novy Gord, auch wenn die blonden Haarsträhnen, die unter ihrer Uniformmütze hervorlugten typischer für Bjalsk oder Ljubiv waren.

Das hübsche Gesicht nahm in Sekundenschnelle dieselbe ungesunde Blässe wie das ihres Kameraden an.

„Ein Schattenkind?", fragte Amias im selben Atemzug, die Augenbrauen zusammengezogen und die Lippen fest aufeinandergepresst, ob dieser Reaktion. Anscheinend musste es eine schreckliche Vorstellung für diese Kresnitsa sein, ihn zu eskortieren.

Kaum war dieses wenig schmeichelhafte Wort gefallen, mit dem man Magier in Finience belegte, durchbohrten ihn die hellgrauen Augen der Vargaja.
„Ganz recht. Oder habt Ihr ein Problem damit? Zieht Ihr es vor, hier zu bleiben, Eure Hoheit?"

 Ihre Stimme war schneidend kalt und ließ den Prinzen instinktiv einen Schritt zurückweichen. Selbst, wenn sie es ihm nicht ganz so offen zeigen wollte, spürte er, dass sie ihn verachtete. Ihn und das gesamte Kaiserhaus von Finience, das für die Magier Velijas für Unterdrückung stand. Wie sonderbar, hier hasste man ihn als ihr Feind, in der Heimat als Sohn eines Schattenkindes.

Amias schüttelte den Kopf. „Nein." Sein Vater, den er in dem Chaos noch nicht entdeckt hatte, würde aber hellauf begeistert sein, wenn er erfuhr, dass er von der Kresniknina gerettet werden sollte. Welch Schmach für den großen Imperator – wenn er nicht aus Stolz hierbleiben und sich lieber von den Antiroyalisten lynchen lassen würde.

„Aber, Ergena ... Kapitan –", wollte die Kresnitsa verzweifelt widersprechen.
„Kapral Svarozhina, das war ein Befehl."

Nadzha hob ihre Hand zum Salut an die zylindrische Pelzmütze, an deren Front das Sonnenrad Kresniks glänzte. „Jawohl, Gospozha Kapitan."

In der Ferne ertönte wieder dieses Donnergrollen und der Boden bebte, als würden sich unter ihnen im nächsten Moment die Tore zur Unterwelt öffnen.

Und der Tag war gekommen, an dem die Erde selbst sich in einen Schauplatz der Hölle verwandelt hatte, schoss ihm ein Zitat aus Die Verdammten durch den Kopf.

„Los!", rief Ergena und versetzte der anderen einen Stoß, die Amias am Arm schnappte und mit sich zog.

Ihm blieb keine Zeit, noch einmal darüber nachzudenken, ob er wirklich sein Leben in die Hände dieser fremden Magierin legen wollte, die sogar er noch an Größe überragte und im Angesicht derer Verunsicherung der Prinz sich selbst geradezu ruhig und entspannt erschien, denn das Donnern wurde lauter, die Vibration unter seinen Füßen heftiger, sodass er mehr vorwärts stolperte als lief, und Schreie ertönten viel zu dicht hinter ihm – gebrüllte Befehle, ebenso wie Schmerzenslaute von Getroffenen.

„Kapitan, die Zarewna ist nicht hier", glaubte er unter den durcheinanderrufenden Stimmen zu hören und sein Herz tat dabei einen dumpfen Satz. Von allen Menschen hier war Zinaïda ihm die einzig Erträgliche gewesen.

Ein Windstoß, so stark, dass er nur durch Magie entstanden sein konnte, fegte über die Straße hinweg, erfasste Amias' Haar und Kleidung und riss das Band aus Nadzhas Frisur, das ihre zwei honigblonden Zöpfe im Nacken hochgesteckt hatte.

Reflexartig wollte sie danach greifen, doch der rote Stoff tanzte bereits mit dem aufziehenden Sturm auf und ab ins Herz des Gefechts.

„Kommen Sie!"

„Aber, das war –" Wehmütig sah die Kresnitsa dem Bändchen hinterher, an dem sie offenkundig zu hängen schien.

Für derartige Sentimentalitäten war allerdings keine Zeit. Im nächsten Augenblick wurde sie von einem nur unweit entfernt zusammensackenden Soldaten, in dessen Kopf sich irgendein Geschoss gebohrt hatte, wachgerüttelt. 

Ihre bernsteinfarbenen Augen weiteten sich, sie packte den Prinzen abermals am Arm und zog ihn mit sich, tiefer in das Gewirr aus verwinkelten Gassen und Straßen Altingrads und wie er hoffte, damit nicht weiter ins Maul der hungrigen Bestie von Blutrausch und Tod, die ihre Zähne in die Stadt geschlagen hatte.

______________________

𝐀 𝐍 𝐌 𝐄 𝐑 𝐊 𝐔 𝐍 𝐆 𝐄 𝐍


Da ist er endlich: Ein Teil von Amias' tragic backstory™, auf den wir alle gewartet haben!

Der Gute hat mir beim Schreiben auch wieder einmal einiges an Kopfschmerzen bereitet. Seinen teilweise sehr ambivalenten Charakter einzufangen ist manchmal echt eine Herausforderung für sich. Was haltet ihr von ihm aktuell so?

Dank der Länge des Kapitels schließt der sehr dramatische Beginn erst mit dem Ende von 7.2. ab, man möge mir verzeihen.

P.S.

Ja, diese schreckliche Transkription „Nadzha" soll den Namen  „Nađa" darstellen. Die gängige Schreibweise „Nadja" hätte, fürchte ich, nur zu Verwirrung mit der Aussprache geführt.

Irgendwann sollte ich das System mal grundlegend überarbeiten und vielleicht kehre ich dann doch zur deutschen Schreibweise aller Namen zurück (also Mikhail --> Michail, Romanovich --> Romanowitsch etc.). Ich weiß, an diesem Punkt wird die Sache lächerlich ^^"

Continue Reading

You'll Also Like

58.1K 2.4K 67
Klara, Tochter von Yvonne Catterfeld, wรคchst jahrelang in einer glรผcklichen Familie auf. Besonders ans Herz gewachsen, ist ihr dreijรคhriger Bruder Ch...
98.1K 9.4K 141
Eigentlich sollte es nur eine Klassenfahrt nach Schottland werden - aber als Lina auf einem Friedhof in Edinburgh plรถtzlich von einem Geschรถpf wie au...
4.8K 191 6
Welch nasser Regen mein Herz รผberstrรถmt und mich immer weiter zu Boden drรคngt. Prasselnd und polternd wie ein Panzer fรคllt er auf mich hinab. Die Bรคu...
5.1K 551 24
1. Band der Raben Saga Der Fomorer Carne erzรคhlt seinem besten Freund seine Lebensgeschichte. Eine Geschichte voller Blut und Magie. Eine Geschichte...