Colin & Noah || Beigebracht z...

By justalex-things

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Er hatte so lange darüber nachgedacht, wie es sich anfühlte, jemanden zu lieben. Er hat so lange nicht gewuss... More

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Beigebracht zu lieben

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By justalex-things

Vorwort

Liebe Leser:innen, wir wissen, warum das hier existiert.

Staffel 26 ist vorbei und ich glaube, ich kann hier für alle sprechen, dass Noah und Colin ein viel besseres und schöneres Ende verdient haben.

Also hab ich es gewagt, ihre Story umzukrempeln. (Angefangen am: 02.05.2023 & beendet am: 19.05.2023)

Es ist basically Staffel 26, nur sehr stark abgeändert. Manche Plots wurden entfernt, manche wurden beibehalten, teilweise umgeschrieben und Plots wurden neu hinzugefügt.

Voller Stolz darf ich euch endlich zeigen, woran ich so fleißig gearbeitet hab. Ich hab hier extrem viel Zeit, Fleiß, Liebe, Tränen und Gefühl reingesteckt.

Der OneShot beträgt über 40.000 Wörter. Es ist 'ne ganze Menge, also stresst euch nicht beim lesen.

Find's immer noch so crazy, dass ich das wirklich durchgezogen hab.

Aber dieses Ding hier ist mein riesiges kleines Baby, und ich bin unendlich stolz auf mich.

Hier einige Erklärungen vorweg, falls Fragen aufkommen sollten:

Joel ist in diesem OneShot Trans*. Dieses Headcanon wird forever rent free in meinem Kopf leben.

Julias und Colins Beziehung wird erwähnt, doch ich hab minimale Dinge verändert und hierbei den richtigen Plot der Serie herzlich ignoriert.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Figuren nicht mir gehören, sondern Kika. Ich arbeite nicht für Kika, bin keine professionelle Autorin und mache dies alles hobbymäßig. Ich will hiermit vor allem in keinster Weise Kika oder die Produzenten schlechtreden. Die Story hier soll nur dazu dienen, damit ihr euch daran erfreuen könnt.

Die Story wird folgenden Leuten gewidmet: Helena, Emma, Sarah, Nora und Lumi.
Ihr habt genauso einen Schaden wie ich, wenn es um Nolin geht, und ich liebe es, mit euch über die Serie zu reden. Hab immer noch einen Freundschafts-Crush auf euch. <3

An der Stelle möchte ich mich noch gerne herzlich bei Lumi bedanken, die mir mit dem Cover geholfen hat 🤍 (Edit: 29.05.) Es ist wunderschön 🥲

Und vielen Dank an Ani, die sich die Zeit genommen hat, das Ding hier zur Probe zu lesen und mich vor irgendwelchen Fails und Rechtschreibfehlern bewahrt hat <3 (Falls sich trotzdem winzige Fehler eingeschlichen haben, weist mich bitte gerne darauf hin.)

Ich möchte euch nun nicht länger aufhalten.

Liebe Nolin Fans, das ist für euch. <3

Ich wünsche euch ganz ganz viel Spaß beim lesen!! Feedback könnt ihr mir jederzeit hinterlassen.

PS: Den OneShot findet ihr auch auf Ao3. Dort heiß ich 02justalex.



Schloss Einstein
Staffel 26
Colin & Noah
Beigebracht zu lieben

Er hatte so lange darüber nachgedacht, wie es sich anfühlte, jemanden zu lieben. Er hat so lange nicht gewusst, wie dieses Gefühl war.

Prolog

Liebe.

Etwas, das Noah sich gar nicht vorstellen konnte. Und dabei sprach er nicht von der Liebe, die man empfand, wenn man den Sonnenaufgang sah. Er sprach nicht von der Liebe, die Menschen empfanden, wenn sie ihre Lieblingsmusik oder ihren Lieblingsfilm hörten oder sahen. Auch nicht die Liebe, die man empfand, wenn Welpen auf einen zulaufen und sie einen mit großen Augen angucken. Er sprach nicht von Liebe zu richtig gutem Essen. Nicht die Liebe, wenn man das erste Mal im Leben eine Sternschnuppe entdeckt. Er dachte dabei nicht an die Liebe, wenn er Sternbilder am Nachthimmel entdeckte. Nicht die Liebe, wenn der Frühling zum Leben erwacht. Nicht die Liebe, wenn die Topfpflanzen anfangen zu wachsen. Nicht die Liebe, wenn die Temperaturen im Sommer steigen. Er redete nicht von der Liebe zu den Sommergewittern. Nicht die Liebe, wenn der erste Schnee im Winter fällt. Nicht die Liebe, wenn man im Oktober bereits Weihnachtslieder hört.

Er sprach von der Art Liebe, von der Menschen erzählten, wenn sie sich verliebten.

Zwar hat er davon gelesen und gehört, doch es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, wie es war, so verliebt in jemanden zu sein, dass es einen beinahe umhaute.

Noch nie war Noah verliebt gewesen.

Vielleicht wollte er das auch überhaupt nicht.

Vielleicht fragt ihr euch, warum. Nun, um das zu verstehen, müssen wir zu dem Punkt, an dem Noah anfing, zu verstehen, was ihn so von den anderen Jungs unterschied.



Noah war zwölf gewesen, als er das erste Mal einen Jungen mochte.

Schon als er noch ganz klein war, hatte Noah irgendwie immer gewusst, dass er ein bisschen anders war, als die meisten Jungen in seinem Alter.
Es begann schon alles in der fünften Klasse. Wenn Valentinstag war, haben die Jungs den Mädchen eine selbstgemachte Valentinstagskarte gegeben. Das konnte Noah nie nachvollziehen. Er hatte nie begriffen, was an Mädchen so toll war. Ja, sie waren hübsch, aber sie waren laut, aufgedreht, redeten viel zu viel und waren .. na ja, einfach zu sehr Mädchen.

Stattdessen hatte Noah irgendwann bemerkt, dass er seinen besten Freund Ben toll fand.

Vielleicht war es Bens Art gewesen, die Noah so toll gefunden hatte. Vielleicht sein Geruch. Ben roch viel besser, als die Mädchen. Er roch nicht nach Rosen und all dem Zeug. Vielleicht hatte es an seinem Lächeln oder an seinen Witzen gelegen. Da hat Noah immer dieses leichte Kitzeln in seinem Magen verspürt. Er hat Bens Haare gemocht. Die waren so weich.

Mit dreizehn hat Noah verstanden, dass er Ben auf eine Weise mochte, wie Jungs die Mädchen mochten.

Er erzählte es Ben, in der Hoffnung, dass dieser es verstehen würde, und weil Noah manchmal wirklich dachte, Ben würde ihn auch auf diese Art mögen.

Das letzte, was Ben ihm dann gesagt hatte, war das Wort "Freak".

Danach hat Ben nie wieder auch nur ein Wort mit Noah gesprochen.

Es hat Noah mehr verletzt, als er eigentlich dachte.

Nächtelang hat sich Noah in den Schlaf geweint. Es hatte sich furchtbar angefühlt.

Freak.

Das war er.

Er war ein verdammter Freak.

Danach hat Noah es nie wieder gewagt, jemandem zu erzählen, dass er Jungs mochte. Aus Angst, schon wieder so etwas erleben zu müssen. Er hatte schreckliche Angst davor, wieder abgelehnt zu werden.

Deswegen wurde er vorsichtig. Weil Ben ihm das Gefühl gegeben hatte, dass er ein Fehler war.

Mit vierzehn ging bei Noah zu Hause alles den Bach herunter.

Und da gaben ihm seine Eltern erneut Gründe, warum Noah sich nicht verlieben wollte.

Seine Mutter fand heraus, dass sein Vater ein Verhältnis mit seiner Chefin hatte. Danach haben sie nur noch gestritten. Es war die reinste Qual für Noah. Es kam schließlich so weit, dass sich seine Eltern noch vor Weihnachten scheiden ließen. Danach wagten die beiden es nicht mehr, miteinander zu reden. Kein einziges Wort. Alles, was Noah von seinem Vater hörte, waren kleine Geburtstagskarten. Die waren Noah allerdings egal.

Wie konnte Liebe so schön sein, wenn sie doch auch so unheimlich schmerzhaft sein konnte? Wenn immer dieses Risiko besteht, dass man plötzlich fallen gelassen wird und auf einmal alleine ist? Liebten Menschen wirklich bedingungslos? Oder verlangten sie immer etwas dafür? Diese Welt war so verdammt egoistisch, also wie konnte man glauben, dass man ohne Bedingung lieben kann, wenn alles auf dieser Welt für geradezu jede noch so kleine Kleinigkeit einen Preis hat?

Noahs Liste mit Gründen, sich nicht verlieben zu wollen, war klein, aber sie reichte ihm vollkommen aus.

Lieber wollte Noah sein ganzes Leben alleine sein, anstatt zuzulassen, dass man ihm das Herz brach, so wie sein Vater seiner Mutter das Herz gebrochen hatte.

Es gab niemanden in Noahs Leben, dem er wirklich blind vertraute.

Die einzige, auf die Noah sich meistens verlassen konnte, war seine Patentante Ella. Sie war die beste Freundin seiner Mutter. Seine Mutter hatte sie schon zur Patentante erklärt, bevor Noah überhaupt geboren wurde. Ella hatte sich sofort in Noah vernarrt und sie war eine von Noahs Lieblingsmenschen; und Noahs Liste mit Lieblingsmenschen war wirklich kurz. Nur Ella war auf der Liste, sonst niemand (Ben war sofort von der Liste runter, nachdem er Noah verletzt hatte).

Mit fünfzehn erfuhr Noah, dass er die Schule wechseln würde und aufs Einstein Gymnasium wechseln würde.

Davon war Noah gar nicht begeistert.

Er konnte sich nicht entscheiden, was er schlimmer fand - dass er mit seiner Mutter gar nicht mehr zurechtkam und sie nur noch stritten oder dass sie ihn ohne zu fragen einfach dort angemeldet hatte.

Vermutlich das zweite. Noah hatte schon immer ein kompliziertes Verhältnis zu seiner Mutter. Nach der Trennung war es noch schwieriger geworden, und Noah zog es auch gar nicht in Betracht, seiner Mutter zu erzählen, dass er schwul war. Dass er Jungs mochte. Dass er ein Freak war.

Sie würde es nicht verstehen. Das wusste er einfach. Sie würde wahrscheinlich nur blöde Sachen sagen.

Und obwohl er Ella viel erzählen konnte, zog er es auch nicht in Erwägung, ihr davon zu erzählen. Zwar wusste er, dass er Ella alles sagen konnte, aber er wollte nicht.

Aus Angst, dass Ella mit seiner Mutter darüber sprechen würde.

Es hatte keinen Sinn für Noah, zu versuchen, seine Mutter umzustimmen. Sie war sehr stur.

Und ehrlich gesagt hatte Noah mehr Angst, als er zugeben wollte.

Ein verdammtes Internat.

Es kann nur die Hölle werden.

1

Noah hat nichts dagegen, allein zu sein. Daran hatte er sich gewöhnt.

»Ich entscheide mich dieses Jahr für Frau Miesbachs Modul, glaube ich.«

»Ich hab Lust auf Naturwissenschaften.«

Es war sonnig und angenehm warm. Colin und Julia waren draußen und genossen die warmen Temperaturen. Der Frühling erwachte so langsam zum Leben.

»Du bist so ein Streber.«, kommentierte Julia. Colin verdrehte lächelnd die Augen.

»Hi!«

Irritiert drehten sich Colin und Julia um, als sie eine weibliche Stimme wahrnehmen konnten. Dabei fielen die zwei runter vom Baumstamm und lagen nun auf der Wiese.

Ein fremdes Mädchen ging auf sie zu und guckte sie an.

»Eine Frage: Wenn man etwas per Post hergeschickt hat, wo landet es?«, fragte sie. »Bei Frau Schiller«, erklärten Colin und Julia synchron. Das Mädchen lächelte. »Nice, danke!« Sie drehte sich um, blieb dann noch einmal stehen, und drehte sich noch einmal zu Colin und Julia um. »Ihr seid übrigens voll cute zusammen!« Danach ging sie weiter.

Julia und Colin stöhnten genervt auf.

Sie hockten sich wieder auf den Baumstamm.

»Ich hasse das.«, sagte Colin. »Ich auch.«, stimmte Julia zu. »Wieso müssen alle uns immer noch für ein Paar halten?« »Nur weil wir immer noch abhängen, heißt es nicht, dass wir direkt zusammen sind.«, meinte Colin. »Machen das nicht alle Freunde?«, überlegte Julia. »Wir haben beide nicht so viele.«, warf Colin ein. »Du bist die einzige, mit der ich abhänge.« Julia grinste. »Stimmt.«

Colin überlegte nicht lange. Er bekam eine Idee. »Erste Challenge fürs neue Schuljahr.«, erwiderte er. »Wer schafft es, mehr neue Leute kennenzulernen?« Julia nickte. »Challenge accepted.«, lächelte sie.



Als Colin sein Zimmer betrat, stellte er fest, dass seine zwei neuen Mitbewohner bereits da waren und ihr Zeug in die Schränke packten.

»Willkommen am Einstein! Ihr habt Glück. Ihr seid hier im lässigsten Zimmer gelandet.«

Er wollte sich gegen den Punchingball lehnen, aber stattdessen stolperte er gegen dieses Ding und hielt sich schnell irgendwo fest.

Die Jungs betrachteten ihn skeptisch.

Noah wurde mit Colin und Joel in ein Zimmer eingeteilt. Und, na ja, Noah hatte aus Prinzip keine Lust auf die zwei. Er mochte keine neuen Menschen. Skeptisch betrachtete er Colin, dann drehte er sich zu seinem Schrank um, um seine Pullis einzuräumen.

Nun, das war unangenehm. Das hatte Colin sich ein bisschen anders ausgemalt.

Er räusperte sich unbeholfen.

»Äh, Colin, richtig?«

Colin nickte.

»Massuda meint, du wärst der Freund von Julia.«

Colin zwang sich, nicht die Augen zu verdrehen. »Ähm .. nein.«

Schnell versuchte Colin das Thema zu wechseln. Er kramte aus seinem Rucksack drei Dosen Cola.

»Lust auf Cola?«

Er warf dem blonden Jungen die Dose zu. Noah fing die Dose und warf Colin ein gezwungenes Lächeln zu. Noah war nicht gut darin, mit Menschen zu interagieren.

Dann warf Colin dem brünetten Jungen - Joel - ebenfalls eine Dose zu. Jedoch stellte Joel die Dose auf den Tisch.

»In Deutschland gibt's über 40 Cola-Sorten. Der Markt ist also völlig erschöpft.«

Noah verdrehte die Augen und trank desinteressiert einen Schluck aus seiner Dose.

»Wovon es kaum ein Angebot gibt, ist Fenchelsaft. Davon gibt es maximal zwei Sorten.« Joel holte aus seiner Tasche seine Flasche Fenchelsaft heraus.

»Wer trinkt denn auch freiwillig Fenchelsaft?«, warf Noah ein.

Colin kratzte sich unbeholfen am Hinterkopf.

Während Joel von seinem Fenchelsaft trank, trank Noah wieder einen Schluck aus seiner Cola.

Dann machte er sich vom Acker.

Irritiert sah Colin ihm nach.

Er seufzte.

Was für ein seltsamer Start.



Noah wollte nicht hier sein. Er war noch nicht mal 24 Stunden hier und hasste es jetzt schon. Er wollte wieder zurück an seine alte Schule. Das war kein Internat gewesen und dort gab es keine lästigen Mitbewohner. Ja, die Schüler an seiner alten Schule waren auch ätzend, aber sie haben Noah in Ruhe gelassen, weil niemand dort Interesse daran hatte, Noah zu nerven.

Hier im Wald war es zum Glück ruhig. Keine nervigen Schüler und keine Lehrer.

Als Noah die kleine Hütte erreichte, kramte er seinen Schlüssel aus seinen Pulli. An der Tür war ein Schloss. Er öffnete das Schloss, und Noahs Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er das Tier sah. Der Hund bellte und stellte sich auf seine Hinterpfoten. Noah grinste glücklich und kniete sich zu dem Tier herunter. Freddy schleckte ihm die Wange ab.

»Hey«, murmelte er und kraulte Freddy hinter dem Ohr.

Noah hatte Freddy, seit er zehn Jahre alt war. Als er ihn im Tierheim das erste Mal sah, wusste Noah sofort, dass er dieses Tierheim nicht ohne Freddy verlassen würde. Freddy war sein einziger Freund auf dieser dämlichen Welt und dieses Tier liebte Noah. Er liebte Noah seit dem ersten Tag.

Eigentlich wollte Noahs Mutter Freddy wieder ins Tierheim bringen, als sie Noah am Einstein angemeldet hatte. Natürlich hat Noah nicht zugelassen, dass Freddy wieder ins Heim geht. Es war leicht für Noah, seine Mutter auszutricksen.

Freddy war der einzige Grund, warum Noah hier war. Nur für Freddy würde Noah diese Hölle überleben wollen.

Noah legte dem Hund die Leine an, dann lockte er ihn mit einem Leckerli raus, sodass die zwei Gassi gehen konnten.

Sie spazierten eine dreiviertel Stunde im Wald umher, dann brachte Noah ihn zurück zur Hütte. Freddy machte es sich gemütlich und Noah setzte sich neben ihn und kraulte ihm am Kopf.

Noah lächelte ruhig, während er zusah, wie Freddy einschlief. Er sah so friedlich aus.

Er kramte sein Handy hervor, öffnete seine Kontakte, suchte die Nummer von Ella heraus und rief sie an.

Es dauerte wenige Sekunden, bis es aufhörte zu piepen.

»Hey, Monster.« Noah kicherte leise. Das war Ellas Spitzname für ihn. »Hi.« »Na? Bist du gut angekommen?«, erkundigte sie sich. »Ich will hier weg.«, antwortete Noah. »Die Lehrer sind komisch und meine Mitbewohner auch.« »So schlimm?«, fragte Ella verwundert. »Ja.«, bestätigte Noah, während er Freddys Rücken streichelte, der weiter vor sich hin döste. »Glaub ich nicht.«, überlegte Ella. »Es stimmt aber«, meinte Noah. »Wie soll ich das hier bitte aushalten?« »Du schaffst das schon.«, sagte Ella. »Wie denn?« »Ich weiß, dass du keine Lust auf neue Leute hast, aber vielleicht sind die anderen doch ganz nett.«, dachte Ella nach. »Mein einer Mitbewohner ist 'n Streber und der andere versucht auf cool zu tun, dabei ist er das gar nicht.«, warf Noah trocken ein. »Noah, jetzt mal im Ernst. Es ist der erste Tag.«, antwortete Ella. »Gib dir ein bisschen Zeit, dann wird das schon. Okay?«

Noah biss sich verunsichert auf die Unterlippe.

Für zehn Sekunden hielt er inne. Dann seufzte er. »Schön. Okay.«, murmelte er. »Fein.«

Noah verdrehte lächelnd die Augen.

»Meld dich, wenn du mal reden willst. Okay?« »Mach ich.« »Schön. Bis bald, ich drück dich fest.«

Noah verabschiedete sich von seiner Patentante, dann legte er auf.

Er seufzte und steckte sein Handy in seine Jackentasche.

Alles, was Noah jetzt noch hören konnte, war Freddys ruhige Atmung, das Rascheln der Blätter und einen Specht.

Gedankenverloren senkte Noah den Blick. Er betrachtete Freddy trüb.

Er hasste es hier.

Er hasste es hier einfach nur.

Und wenn Freddy nicht wäre, würde Noah sofort am liebsten sein Zeug packen und abhauen.

Noah hat nichts dagegen, allein zu sein. Daran hatte er sich gewöhnt.
Aber er hasste es so sehr, sich einsam zu fühlen. Er hatte niemanden, nur Freddy. Dieses Tier gab Noah das Gefühl, nicht ganz so einsam zu sein, wie er sich manchmal fühlte.

Er schloss die Augen und lehnte sich gegen die Wand.

2

Joel mochte seine Idee doof finden, aber Colin wollte daran glauben, dass seine Idee gut war.

Die vierte Nacht.

Und Noah hatte geschlafen wie ein Murmeltier. Normalerweise war er ein leichter Schläfer, aber er war gestern spät zurück ins Internat gekommen. Als er sein Zimmer betrat, durfte er feststellen, dass Joel und Colin bereits am schlafen waren. Er hatte keine Lust gehabt, ihnen erklären zu müssen, wo er gewesen war.

Noah wollte so gerne noch schlafen, aber da passierte es. Schon wieder. Yoga Musik.

Er konnte ein Grummeln von Colin hören.

»Können wir die Musik ausmachen?«, murrte er. »In vierunddreißig Minuten.«, sagte Joel. Noah seufzte entnervt auf. »Was?« »Die erfolgreichsten Manager starten den Tag mit Yoga.«, erklärte Joel.

Noah setzte sich müde auf. Er starrte Joel genervt an. »Wir sind grad mal vier Tage hier, und du gehst mir jetzt schon erfolgreich auf den Sack. Glückwunsch.«, kommentierte Noah trocken.

Colin vergrub sein Gesicht in einem Kissen.

»Leider kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich will schließlich den Zukunfts-Wettbewerb gewinnen.«, meinte Joel.

Dieses Jahr hatten die Schüler die Möglichkeit, Projekte zu entwickeln, um damit das Leben der Menschen verbessern zu können.

Noah verdrehte die Augen.

Er starrte Joel an. »Hat dir schon mal wer gesagt, dass du weird bist?«

Der Brünette zuckte mit den Schultern. »Ich umgebe mich nicht mit Menschen, die mich klein halten wollen.«

»Das schaffst du schon alleine.«, warf Noah ein.

Colin stöhnte entnervt auf. »Leute ..«

»Habt ihr gar keine Morgen-Routine?«, fragte Joel.

»Doch.«, sagte Noah bloß. Er zog sich seine Schuhe an, griff nach seinem Rucksack, öffnete die Zimmertür und ging.

Joel guckte ihm skeptisch hinterher.

»Wo will er denn schon wieder hin?«, wunderte sich Joel.

Colin setzte sich mühsam auf, rieb sich die Augen und gähnte halbherzig auf. Er fuhr sich kurz mit seiner Hand durch seine hellbraunen Haare. Eine Locke fiel ihm vor die Stirn.

»Er ist nie da.«, stellte Joel fest.

»Kannst du dir vielleicht ein Beispiel an ihm nehmen?«, fragte Colin gereizt.

Müde rappelte er sich auf. Er zog sich seinen Pulli an, zog sich seine Pantoffel an und ging ebenfalls. Vielleicht würde kaltes Wasser ihn etwas wacher machen.

Fünf Minuten später war er in der Küche. Als er dort ankam, sah er Noah, wie er sich ein belegtes Brot in seine blaue Brotbox packte und diese in seinem Rucksack verschwinden ließ.

Colin öffnete den Kühlschrank, schnappte sich den Milchkarton und öffnete den Deckel.

»Wo geht's hin?«, fragte Colin, bevor er von der Milch trank.

Noah guckte ihn stumm an. Er antwortete nicht. Stattdessen warf er sich seinen Rucksack um die Schultern und ging.

Colin verdrehte seufzend die Augen.

Zwei Minuten später betrat Julia die Küche.

Sie sah genau so müde aus, wie Colin.

»Morgen.« »Morgen.«, murmelte Julia und gähnte halbherzig. Colin trank erneut aus dem Milchkarton. Julia starrte ihren besten Freund irritiert an. »Du trinkst aus dem Milchkarton?« Colin grinste und nickte. »Nimm doch wie jeder vernünftige 'n Glas.«, meinte Julia, nahm sich ein Glas aus dem Schrank. »Willst du auch?«, bot Colin an. »Ne, lass mal.«, meinte Julia und holte sich Apfelsaft aus dem Kühlschrank. Sie goss sich den Saft in ihr Glas und lehnte sich gegen die Theke.

»Wie kommst du mit der Challenge voran?«, erkundigte sich Colin. »Gar nicht.«, antwortete Julia. »Alle Neuen sind irgendwie seltsam.« Colin konnte ihr nur zustimmen.

Joel war ein größerer Streber als Colin.

Und Noah war einfach nur komisch. Zu ihm fand Colin bisher gar keinen Zugang. Er verdrehte ständig Augen, sein Lächeln war immer aufgezwungen und redete generell nie mit Colin. Eigentlich redete er fast nie. Er war so hart wie eine Nuss.

»Und du?«, fragte Julia. Colin drehte den Deckel wieder an den Karton und stellte die Milch zurück in den Kühlschrank. »Nicht viel weiter, als du.«, gab er ehrlich zu.



Colin experimentierte momentan sehr gern mit seinem Tablet. Sein Tablet leuchtete blau und in der nächsten Sekunde rot. Sein Handy begann zu vibrieren. Das machte er seit zehn Minuten.

Er lächelte zufrieden.

»Ist das dein Handy?«, wollte Joel wissen.

»Ja«, bestätigte Colin, »cool, oder?«

»Was?« Joel runzelte die Stirn.

»Das ist fürs Zukunfts-Modul.«, sagte Colin.

»Colin .. es gibt schon vibrierende Handys.«, warf Joel trocken ein.

»Ich hab mir vor ein paar Tagen gedacht, dass es noch keinen Algorithmus gibt, der-«

»Colin, du redest zu viel. So kauft das keiner.«, unterbrach Joel genervt.

»Äh ..«, Colin überlegte, »also, das ist ein Algorithmus, der durch verschiedene Farbreize mechanische Bewegungen erzeugt.«

»Also .. wenn dein Tablet rot leuchtet, vibriert dein Handy.«

Colin nickte.

»Aha. Und .. wozu soll das gut sein?«, wollte Joel wissen.

»Weiß ich noch nicht. Ich fande es einfach interessant.«, meinte Colin.

»Eine der wichtigsten Regeln im Business: Das Warum ist wichtiger als das Wie.«, erläuterte Joel.

»Weil's mir Spaß macht.«, meinte Colin schulterzuckend.

Joel rollte mit den Augen.

»Was wäre denn deine Idee, wenn du so genial bist?«, fragte Colin.

»Geniale Menschen verraten ihre Ideen nicht.«

Joel erhob sich vom Bett und ging. Colin blieb sitzen und experimentierte weiter herum.

Joel mochte seine Idee doof finden, aber Colin wollte daran glauben, dass seine Idee gut war.



Colin hatte heute gar kein Zeitgefühl gehabt. Er hatte an dem Algorithmus gearbeitet, mit Julia abgehangen (weil sie beide mit der Challenge nicht weiter kamen), und ehe Colin sich versah, war es schon nach 18 Uhr.

Er betrat sein Zimmer und stellte fest, dass er allein war.

Er entdeckte den Flipchart. Joel hat ihn heute Nachmittag gefragt, ob es irgendwo im Internat einen Flipchart gab, und anscheinend war seine Suche erfolgreich gewesen.

Colin musterte die Zeichnung.

Da waren Münzen und Scheine abgebildet.

»Geld oder Aktien«, murmelte er.

Er faltete das Blatt nach oben. Auf dem zweiten Blatt waren Kreise und in der Mitte ein Rechteck.

Kurz überlegte er.

»Aus der Reihe«, murmelte er. »Besonderheit.«

Etwas in Joels Bett regte sich - es war Joel, der sich unter seiner Decke verkrochen hatte.

»Was hast du gesagt?«, fragte Joel sofort.

Colin zwang sich, einen Schrei zu unterdrücken. »Alter! Mach das nie wieder!«

»Was hast du gesagt?«, fragte Joel ungeduldig.

Colin runzelte irritiert die Stirn.

»Über die Zeichnungen.«, erklärte Joel.

Colin kratzte sich am Hinterkopf. »Äh .. Besonderheit.«

»Exakt!«, bestätigte Joel. »Vielleicht hab ich dich unterschätzt.« »Na, so schwer war's nicht«, meinte Colin. »Es geht nicht um "schwer". Für dich ist es kein Fehler, wenn etwas angeblich weird ist!«, antwortete Joel erleichtert. »Du siehst es als Besonderheit. Und damit kann man die Welt verändern!«

Colin grinste leicht. »Ah. Okay.«

»Also: bist du dabei?«, fragte Joel. »Ich brauche immer noch einen Teampartner.«

Colin überlegte nicht lange. Er nickte. »Okay. Ich bin dabei.«

Joel grinste begeistert. »Perfekt! Ich hab schon ein paar Ideen! Beispielsweise eine App, die dir hilft, nachhaltig zu sein. Oder ein Routenplaner, der dir die sicherste Route anzeigt.« Er seufzte und griff zum Fenchelsaft.

»Ich hab eine Bedingung«, sagte Colin.

»Natürlich. Alles, was du willst.«

»Wir machen meine Idee«, erwiderte Colin.

Jetzt sah Joel nicht ganz so begeistert aus.

»Warum?«, stöhnte er verzweifelt.

»Kann ja sein, dass es für dich weird ist. Aber ich glaube daran.«, sagte Colin. »Also: Entweder wir machen es oder wir lassen es.«

Joel seufzte. »Na gut.«, gab er nach. »Ich glaub an dich.«

Colin begann zu lächeln.

Jetzt konnte er Joel beweisen, dass seine Idee nicht so blöd war.

3

Noah würde schon nichts schlimmes im Wald angestellt haben. Jedenfalls wollte Colin nicht daran glauben, dass Noah irgendwas illegales tat.

Es war ein ruhiger Morgen für Colin.

Er war früh aufgestanden, hatte gefrühstückt und putzte sich grad die Zähne.

»Wie knackt man Pincodes?«

Der Brünette zuckte vor Schreck zusammen, als er Joel sah und ihm ein Handy vor die Nase hielt. Colin spuckte den Schaum aus. »Schreibst du dir sowas nicht auf?«, fragte er skeptisch.

»Es ist nicht meins«, erklärte Joel, »es gehört Noah.«

Colin starrte seinen Mitbewohner verdattert an. »Bist du bekloppt?«, fragte er. »Du kannst nicht einfach Noahs Handy klauen!« »Ich hab's nicht geklaut. Ich will nur gucken, was der immer treibt.«, erklärte Joel. »Du bist bekloppt.«, wiederholte Colin nur. »Der war die halbe Nacht weg!«, flüsterte Joel aufgebracht. »Willst du denn gar nicht wissen, was er macht?«

Tatsächlich war Colin auch ein bisschen verwundert. Aber er wollte auch nicht nachhaken.

»Hast du mal was von Privatsphäre gehört?«, hakte Colin nach.

»Und was, wenn's was illegales ist?«, wisperte Joel. »Wir haben schon so oft vor Frau Schiller für ihn gedeckt. Am Ende sind wir mit schuld! Ich hab ganz sicher nicht vor, für ihn in den Knast zu gehen.«

Colin verdrehte die Augen. »Noah ist kein Verbrecher, also reg dich ab.«

Joel verdrehte die Augen. Er griff nach dem Handy und verließ das Badezimmer.

Colin guckte seinem Mitbewohner hinterher. Erneut verdrehte er die Augen.


Fünf Minuten später war Colin wieder in seinem Zimmer. Er packte seine Schulsachen in seinen Rucksack.

Joel räusperte sich. »Manchmal muss man Verbotenes tun, um etwas Gutes zu erreichen.«

Colin musterte den Zettel, den Joel in seiner Hand hatte. Er wusste, dass Joel immer so komische Sprüche auf einem Zettel hatte, die in seinem Stoff-Känguru steckten.

»Steht es denn da drauf oder hast du dir das grad nur ausgedacht?«, wollte Colin wissen.

»Nun, nein, aber es stimmt.«, gab Joel zu.

»Joel, leg es einfach zurück.«, meinte Colin.

Fünf Sekunden später sahen die Jungs Noah am Fenster.

»Morgen.«

Er kletterte durch das Fenster zurück ins Zimmer.

Colin sah dem Jungen hinterher. »Hast du was gegen Türen?« »Nö. Ich will nur nicht der Schiller über den Weg laufen.«, erwiderte Noah. »Habt ihr mein Handy gesehen?«

Colin sah zu Joel, der Noahs Handy hinter seinem Rücken versteckte. Er riss ihm das Handy aus der Hand und warf Joel einen bösen Blick zu. Dann gab er es Noah.

»Wo warst du denn?«, traute Joel zu fragen.

»Geht dich nichts an.«

Colin musterte den Jungen stumm. Dann sah er Joel an. Er sah jetzt noch verwirrter aus. Colin zuckte nur mit den Schultern.

Anstatt nachzuhaken, schmiss Colin sich seine Schultasche um die Schultern. Joel folgte ihm. Sie verließen beide das Zimmer und Joel schloss die Tür hinter ihnen.

Er beschleunigte ein klein wenig sein Tempo, sodass er Colin aufholte.

»Colin, jetzt mal im Ernst-«, flüsterte Joel, »was, wenn er Mist baut und wir-«
»Joel, hör auf.«, bat Colin. »Du bist paranoid und das nervt. Lass es einfach.«

Anstatt weiter zu diskutieren, trennten sich die zwei; Joel ging frühstücken und Colin hatte jetzt Politik.

Zwei Minuten später erreichte Colin seinen Klassenraum. Julia war bereits da.

»Julia!«

Das Mädchen hob den Kopf, und als sie Colin entdeckte, begann sie zu lächeln. Colin lächelte zurück, ging zu ihr rüber, stellte seinen Rucksack zu Boden und setzte sich neben sie.

»Na? Alles klar?« »Eigentlich schon.«, erwiderte Julia. »Bei dir?« »Joel nervt«, sagte Colin. »Ist aber unwichtig.« »Du scheinst mit der Challenge voran zu kommen.«, stellte Julia fest. »Mehr oder weniger.«, meinte der Brünette. »Und du?« »Nicht wirklich.«, gab Julia zu.

Colin grinste seine beste Freundin an. »Wie wär's mit 'ner anderen Challenge, mit der wir uns noch währenddessen beschäftigen?« »Spuck's aus«, sagte Julia und guckte den Jungen abwartend an. Colin grinste schadenfroh. »Wir verbinden die Schnürsenkel unserer Schuhe miteinander.«, schlug er vor. »Wenn du unbedingt hinfallen willst, gerne.«, lachte Julia. »Jetzt sofort?« Colin nickte.

Die zwei bückten sich und lösten ihre Schleifen. Dann verbanden sie die Senkel der beiden Schuhe miteinander.

In der Sekunde klingelte es. Schnell packten die beiden ihre Unterlagen raus.



Die erste Unterrichtsstunde hatte sich wie ein Kaugummi hingezogen. Colin war froh, dass er jetzt erstmal Luft schnappen konnte. Er hatte keine Lust auf Geschichte.

Alle glotzten ihn komisch an; aber das war zu erwarten. Er hüpfte wie ein Trottel umher. Aber bisher war er nicht hingefallen.

Als er Joel entdeckte, hüpfte er zu ihm rüber und legte seine Hand auf Joels Schulter.

»Was machst du hier?«, fragte Colin.

Joel drehte sich zu ihm um. Er war vor Schreck zusammengezuckt. Sein Blick fiel auf Colins Schuhe. Skeptisch runzelte er die Stirn. »Äh .. das könnte ich dich auch fragen.«, erwiderte Joel. »Challenge mit Julia.«, erklärte Colin simpel. »Aha.«

Joel drehte sich um, setzte sich in Bewegung und Colin hüpfte ihm hinterher. »Hast du zur zweiten?« »Ja«, bestätigte Joel. »Noah auch.« Colin nickte verstehend. »Ah, ich versteh schon.« »Kommst du mit?«, fragte er den Brünetten. »Willst du Noah stalken?«, scherzte Colin. »Äh, nein. Ich will ihm nachspionieren.«, antwortete Joel. »Ist doch fast das gleiche.«, meinte Colin. »Kommst du jetzt mit oder nicht?«, fragte Joel. »Ich finde, wir sollten uns da nicht wirklich einmischen.«, überlegte Colin. »Mit der Einstellung hat noch nie jemand was erreicht, Colin.«, seufzte Joel. »Wenn du meinst.«

Joel ging ein paar Schritte weiter, aber Colin rührte sich nicht vom Fleck.

Verunsichert drehte sich Joel zu Colin um. »Sicher nicht?«

Colin lächelte mild und schüttelte den Kopf. »Danke, aber nein.«

Er hüpfte, sodass er sich umdrehte.

»Ganz sicher nicht?«, fragte Joel nochmal.

»Warum denn?« Colin hüpfte wieder, sodass er sich nochmal zu Joel umdrehte.

»Was weiß ich denn, wo der hinwill!«

Colin grinste den Jungen an. »Hast du Schiss?« »Hab ich nicht!«, widersprach Joel stur. Er setzte sich in Bewegung und Colin begann wieder zu hüpfen und drehte sich um.

Und so hüpfte Colin zurück ins Internat.



Fast fünfzehn Minuten später rannte Joel wie ein Irrer auf Colin zu, der Sachen aus seinem Spind holte.

»Colin!«

Colin musterte den Jungen verwirrt. »Ist alles okay?« »Nein. Ich hab was gesehen, im Wald.«, erklärte Joel hektisch. »Da war ein Knochen.« »Ein Knochen?«, wiederholte Colin. Joel nickte sofort. »Wir müssen die Polizei rufen!« Colin lachte leise auf. »Der Typ ist gefährlich!« »Ist er nicht.«, widersprach Colin. »Okay, ich hab kein Plan, was der da im Wald macht, aber-« »Siehst du?«, unterbrach Colin. »Du weißt nichts. Du weißt nicht mal, was das für'n Knochen war.« »Ist doch egal!«, erwiderte Joel panisch.

Colin begann zu hüpfen und Joel folgte ihm.

»Hast du Noah überhaupt mit dem Knochen gesehen?«, wollte Colin wissen. »Nein, aber-« »Wir machen gar nichts.«, stellte Colin klar. »Du willst gar nichts machen?«, wiederholte Joel gereizt. »Wir könnten mit ihm reden, wenn du danach die Klappe hälst.« »Wir werden die nächsten Opfer sein, und danach werden wir überhaupt nicht mehr reden!«, wisperte Joel hysterisch.

Colin verdrehte genervt die Augen.

»Ich hab dich gewarnt.«, sagte Joel gereizt und trottete davon.

Colin konnte nur lachen. Joel war wirklich verdammt paranoid.



Während Colin immer noch mit den Schnürsenkeln problemlos herum hüpfte, hatte Julia bereits aufgegeben. Colin hatte inzwischen den Dreh raus.

»Gewonnen!«, rief er seiner besten Freundin hinterher.

Er hüpfte und dieses Mal fiel er hin. Wenigstens tat es nicht ganz so doll weh.

Julia ging auf ihn zu und half ihm dabei, aufzustehen.

»Bist du nicht sauer, weil du verloren hast?«, fragte Colin. »Nein. Glückwunsch.«, sagte Julia.

Julia hockte sich auf die Bank und Colin hüpfte rüber und setzte sich neben sie.

»Ich muss wegen deiner Challenge ein Referat mit Ava halten.«, erzählte Julia frustriert. »Oh.« Colin löste seine Schnürsenkel und band sich wieder zwei ordentliche Schleifen. »Ava denkt, dass ich sie bei Schiller verpetzt hab. Wegen dem Fahrrad.«, erläuterte Julia. »Wundert dich das?«, hakte Colin nach. Julia runzelte die Stirn. »Was?« »Hör zu, ich kenn dich seit wir klein sind; ich weiß, dass du sowas nie machen würdest. Aber Ava halt nicht. Ihr kennt euch erst ein paar Tage.«, überlegte Colin. »Ihr müsst euch einfach erstmal richtig kennenlernen.« »Wie ein neuer Akt?«, grübelte Julia. »So ungefähr, ja.«, bestätigte Colin. »Auch mit so lustigen Dialogen, um Missverständnisse zu klären? Und am Ende sind die Figuren allerbeste Freunde für immer?«, fragte Julia. Colin hörte direkt den Sarkasmus bei ihr raus. »Ja, aber das hier ist eben das richtige Leben. Hier werden keine Lieder wie im Musical gesungen, und dann ist die Welt wieder schön.«, grinste Colin. »Ich weiß.«, lächelte Julia. »Ich hab sogar eine coole Idee fürs Referat.«, erwiderte sie.

Sie griff nach Lakritze und hielt dann Colin auch das Glas mit den Süßigkeiten hin.

Colin musterte seine beste Freundin.

»Sicher, dass du Ava nicht verpetzt hast?«, fragte Colin skeptisch. »Ich glaube, wer Lakritze mag, ist zu allem fähig.«

Julia verdrehte lächelnd die Augen. Sie schlug ihm sachte auf die Schulter.

Sie lehnte sich gegen den Jungen und kaute weiter genüsslich ihre Lakritze.

Colin musterte das Mädchen lächelnd.

Er war wirklich froh, dass sie nach allem immer noch beste Freunde waren. Mit Julia zusammen zu sein hatte sich schräg angefühlt. Es hatte sich nie richtig angefühlt. Sie hatten sich wieder getrennt, als sie beide feststellten, dass sie als beste Freunde viel besser harmonierten. Julia würde immer eine von Colins Lieblingsmenschen sein. Zwar liebte er sie nicht auf die romantische Art, aber er liebte sie auf eine völlig platonische Weise. Julia war wie seine Schwester und er war unendlich froh, dass sie Teil seines Lebens war. Sie war so ziemlich die einzige, auf die Colin sich verlassen konnte.

Nachdem sich Colins Eltern getrennt hatten, war die Beziehung zwischen Colin und seinem Dad äußerst kompliziert geworden. Okay, sie war schon immer schwierig gewesen, aber nachdem seine Mutter nach Frankfurt gezogen war, wurde es noch schwieriger.

Colin hatte schon länger keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter. Es störte ihn nicht mehr wirklich.

Und Colins Vater war unglaublich nervig. Er erwartete so viel von Colin. Um ehrlich zu sein, glaubte Colin, dass sein Vater froh war, wenn er alt genug war, um auszuziehen. Er interessierte sich nicht sonderlich für seinen Sohn - er war so mit der Arbeit beschäftigt. Aber wenn Colin ehrlich war, war es ihm ein bisschen egal. Er hatte sich daran gewöhnt, dass sein Vater ein Idiot war. Und wenn Colin über die Ferien zuhause war, war er die meiste Zeit bei Julia und ihren Eltern. Sie behandelten Colin, als wäre er Teil der Familie.

Colin hob den Kopf, als er Schritte wahrnehmen konnte; es war Noah.

Noah hatte den Blick gesenkt, seine Hände in den Jackentaschen und er trug seine Kabel Kopfhörer. Während er an Julia und Colin vorbei ging, bemerkte er, dass Colins Blick auf ihm lag. Schnell wendete Noah den Blick von Colin wieder ab und starrte auf seine Schuhe. Colin sah ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war.

Noah würde schon nichts schlimmes im Wald angestellt haben.

Jedenfalls wollte Colin nicht daran glauben, dass Noah irgendwas illegales tat.

Er hoffte nur, Joel würde bald Ruhe geben.



Es war Abends und still. Alles, was Joel und Colin hörten, war Colins Handy, was durch die Farben des Tablets vibrierte und das Flackern der Lampe.

Es klopfte an der Tür.

»Ja?«

Frau Schiller öffnete die Tür.

Sie guckte Joel fragend an. »Joel?« »Hm?« Der Junge guckte Frau Schiller abwartend an. »Deine Eltern haben mich grad angerufen«, sagte sie, »du gehst schon den ganzen Tag nicht ans Telefon.« Unbeholfen kratzte Joel sich am Hinterkopf. »Hab ich wohl irgendwo liegen gelassen.«, meinte er schnell und kämpfte damit, seine Nervosität zu verstecken. »Willst du's nicht suchen?«, wunderte sich Frau Schiller. »Mach ich morgen.«, sagte Joel. Sie nickte verstehend.

Sie guckte rüber zu Noahs Bett. »Wisst ihr eigentlich, wo Noah ist?«

»Nein.«, stammelte Joel. Colin schüttelte den Kopf.

»Na ja, er hat ja noch fünfzehn Minuten.«, meinte Frau Schiller.

Sie musterte Joel irritiert. »Alles okay mit dir?«

Joel nickte krampfhaft. »Ja.«

»Na gut. Na dann, schlaft gut.«

Colin warf Frau Schiller ein Lächeln zu und sie lächelte zurück. Dann schloss sie die Zimmertür hinter sich.

Colin guckte rüber zu Joel.

»Bist du sicher, dass du nicht doch eben schnell dein Handy holen willst?«, fragte Colin. »Das nennt sich Digital Detox.«, erklärte Joel. »Das machen alle erfolgreichen Manager manchmal.« Colin nickte einfach nur. Manchmal konnte er Joel nicht verstehen. Da war's leichter, so zu tun, als würde er ihn verstehen.

»Du hast also keine Angst?«, wollte Colin wissen.

»Nein.«, log Joel trocken.

»Wenn du willst, gehen wir morgen zusammen in den Wald«, bot Colin an.

»Echt?« Joel guckte Colin überrascht an.

»Klar«, nickte Colin. Er schenkte Joel ein kleines Lächeln.

Joel lächelte dankbar zurück. »Danke.«

»Schon okay.«

Die zwei machten sich bettfertig, gingen schnell ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, und als sie wieder zurück in ihr Zimmer gingen, krochen sie unter die Bettdecke. Joel knipste das Licht aus und kuschelte sich in sein Kissen.

Es dauerte nicht lange, bis er einschlief.

Nur Colin lag immer noch wach. Sie hatten das Fenster noch offen; für den Fall, falls Noah wieder durch das Fenster klettern wollte.

Colins Müdigkeit gewann langsam, aber als er Schritte von draußen hörte, verschwand sie wieder. Er drehte sich auf die Seite, stützte sich mit seinem Arm und guckte zum Fenster.

Und wie erwartet war es Noah, der durch das Fenster kletterte. Leise schloss er das Fenster. Auf Zehenspitzen schlich er sich zu seinem Bett und warf seine Jacke und Mütze auf den Boden. Dann zog er sich die Schuhe aus. Er öffnete seinen Zopf und seine Haare fielen ihm nach hinten. Das Haargummi zog er sich über sein Handgelenk.

Er kroch unter die Decke und gähnte halbherzig.

Es war nicht so dunkel; wenn Colin zu seinem Bett guckte, konnte er Noah noch einigermaßen erkennen.

»Frau Schiller hat nach dir gefragt.«, flüsterte Colin ihm zu.

Noah seufzte. »Schön für sie.«

»Sei einfach beim nächsten Mal etwas früher zurück.«, meinte Colin nur.

Er konnte praktisch fühlen, wie Noah mit seinen Augen rollte. »Nacht.«

Noah drehte sich auf die Seite. Colin verweilte noch für zehn Sekunden, während er zu Noah guckte.

Dann drehte sich Colin wieder auf die andere Seite.

Es dauerte zum Glück nicht lange, bis Colin einschlief. Er verfiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.



Am nächsten Morgen gingen Colin und Joel wie geplant zusammen in den Wald. Die beiden hatten erst zur zweiten und Noah auch.

»Hier soll es gewesen sein?«, fragte Colin. Joel nickte. »Ja.«

Colin guckte sich um - allerdings konnte er keinen Knochen und auch keinen kaputten Schuh sehen, von dem Joel ihm erzählt hatte heute Morgen.

»Es war hier, Colin. Ich bin mir sicher.«, sagte Joel.

Joel suchte den Waldboden ab. Schnell fand er sein Handy. Erleichtert hob er es auf. Er grinste glücklich. »Ich hab dich schon vermisst.« Colin rollte lächelnd mit den Augen.

Plötzlich konnten die zwei ein komisches Geräusch hören.

Sie guckten sich verwirrt an.

»Lass uns gehen«, sagte Joel. Er bekam Angst.

Colin machte jedoch keine Anstalten, schon wieder gehen zu wollen.

»Ich hab mein Handy, mehr wollte ich nicht.«, warf Joel ängstlich ein. »Schön, jetzt will ich aber wissen, was los ist.«, antwortete Colin. »Und was ist mit Noahs Privatsphäre?« »Geh halt zurück«, meinte Colin. »Alleine? Vergiss es!«, widersprach Joel. »Dann komm!«, meinte Colin.

[...]

»Falls wir uns nie wieder sehen: Es tut mir Leid, dass ich Omas Ring verkauft habe. Aber ich brauchte das Geld für mein Fenchelsaft-Start-up. Und ich will mich dafür entschuldigen, dass ich letztes Jahr einmal so getan hab, als wäre ich krank. Ich wollte einfach nur nicht zur Sportprüfung!«

»Mit wem redest du?«, fragte Colin irritiert.

»Mit gar keinem.«, log Joel.

Die zwei kletterten einen kleinen Hügel hoch - Colin checkte den Waldboden ab.

Und da lag tatsächlich ein Knochen und ein dunkelblauer Schuh. Er schluckte.

Joel ging einen Schritt zurück.

Ein Kläffen ertönte.

Es war ein kleiner Hund, der sofort auf dem Schuh herum kaute.

Colin lächelte leicht. Er drehte sich zu Joel um. Dieser sah überrascht aus.

Mit vorsichtigen Schritten gingen sie auf das Tier zu.

Colin kniete sich zu dem Hund herunter und streichelte ihm den Rücken. »Hey du«, murmelte er sanft. »Was machst du denn hier?« »Der wird dir nicht antworten.«, warf Joel ein.

»Finger weg von Freddy!«

Colin und Joel zuckten vor Schreck zusammen, als sie Noahs wütende Stimme hören konnten. Er kam aus der winzigen hölzernen Hütte.

Noah kniete sich zu dem Hund herunter und strich ihm behutsam über den Kopf.

Colin erhob sich und guckte Noah überrascht an. »Ist das dein Hund?«

Noah erhob sich und guckte seine Mitbewohner wütend an. »Ihr habt hier nichts verloren. Haut ab!«

Wie auf Kommando setzte sich Joel in Bewegung und trottete davon.

Colin starrte den Jungen irritiert an. »Wieso?«

»Geht dich gar nichts an!«, fauchte Noah bitter. Er starrte Colin finster an. »Wehe, ihr sagt was.« »Werden wir nicht, entspann dich mal.«, warf Colin perplex ein. »Wäre auch besser für dich.«, murmelte Noah böse.

Statt weitere Fragen zu stellen, setzte sich Colin in Bewegung.

Aber bevor er den Hügel herunter ging, drehte er sich nochmal zu Noah um.

Noah sprach im Flüsterton mit Freddy und kraulte ihm am Ohr. Freddy schleckte ihm über die Nase. Ein winziges Lächeln schlich sich auf Noahs Lippen.

Colin hielt inne, während er zusah, wie Noah ganz liebevoll weiter das Tier am Ohr kraulte.

Dann setzte er sich in Bewegung.

Es beruhigte ihn insgeheim zu wissen, dass er Recht gehabt hatte. Noah war kein Verbrecher. Er hatte einfach bloß ein Haustier, was er hier im Wald versteckte.

Er lächelte leicht.

4

Er hatte eine Seite an Noah gesehen, von der Colin nicht wusste, dass sie existierte.

Wie jeden morgen machte Joel sein Yoga. Noah lag noch im Bett; Colin dagegen war bereits aufgestanden und hatte sich umgezogen. Er wollte rüber zum Tisch, aber ausgerechnet jetzt wollte Joel auf einem Fuß stehen.

Also kletterte Colin über das Bett.

»Alter, das nervt.«, meckerte Noah.

»Ich kann nix dafür.«, meinte Colin, während er seine Federmappe in seinen Rucksack steckte.

»Wer denn sonst?«, murrte Noah.

»Es geht noch eine Minute. Nur eine Minute!«, sagte Joel gereizt.

Noah stöhnte genervt auf. »Das geht seit 'ner halben Stunde!« Er schlug sich sein Kissen gegen sein Gesicht.

»Nur so 'ne Idee: Du könntest aufstehen.«, kommentierte Colin. »Du hast doch jetzt Chemie.«

Noah seufzte frustriert auf. Er lehnte sich gegen sein Kissen und checkte die Uhr auf seinem Handy. In der nächsten Sekunde sprang er aus dem Bett, als er raffte, wie spät es war.

Schnell packte Noah seine Frischhaltebox, einen Gummiball und die Hundeleine in seinen Rucksack.

»Du gehst jetzt zu deinem Hund?«, fragte Joel.

»Soll er in die Hütte pinkeln?«

»Was sollen wir Frau Holopainen sagen?«, wollte Colin wissen.

»Mir egal.«, gab Noah trotzig von sich.

»Nun, dann sagen wir ihr, dass du das mit deinem Köter nicht hinkriegst.«, überlegte Joel desinteressiert.

Sofort knallte Noah die Tür zu. Er drehte sich zu Joel um. Er sah wütend aus. »Wie bitte?« Er trat auf Joel zu. Er war zwar kleiner, als Joel, aber in dieser Sekunde fühlte sich Joel seltsam klein. Noah starrte Joel finster an. »Sag ein Wort über Freddy, dann-«

Schnell ging Colin dazwischen, bevor es eskalieren konnte.

Er stupste Noah sachte weg mit seiner Hand. Noah glotzte auf Colins Hand, die an seiner Brust war. Colin ließ ihn los und Noah starrte ihn perplex an. Er schluckte und presste die Lippen aufeinander. Es war ein unwichtiger Fakt, aber Noah realisierte für zwei Sekunden, dass Colin einen Kopf größer war, als er.

»Entspannt euch.«, sagte Colin, um beide zu besänftigen. Er guckte Joel an. Der Brünette schluckte nervös und senkte den Blick. Dann sah Colin Noah wieder an. »Du gehst zu deinem Hund, und von uns erfährt keiner was.«

Joel rollte mit den Augen und drehte sich um.

»Du kannst es nicht ewig so durchziehen.«, meinte Colin vorsichtig. Noah schnaubte abfällig. Seine Wangen waren leicht gerötet vor Wut. »Nicht dein Problem.«, maulte er verärgert.

Und dann ging Noah.

Er knallte die Tür hinter sich zu.

Colin starrte die Tür an. Er schloss die Augen und seufzte.

»Dem kannst du nicht helfen.«, meinte Joel. »Du siehst ja, wie er ist. Er lässt niemanden an sich ran.«

Leider hatte Joel irgendwie Recht.

Colin starrte auf seine Schuhe und biss sich auf die Unterlippe. Er verspürte sowas wie Frust, Mitgefühl und Enttäuschung.

Es war so schwierig für ihn, versuchen zu wollen, sich irgendwie mit Noah anzufreunden. Noah hatte überhaupt keinen Bock auf neue Leute.

Sein Gefühl sagte ihm jedoch, dass es noch eine andere Seite von Noah gab - diese hatte er gestern wahrscheinlich gesehen, wenn auch nur ganz kurz. Er hatte eine Seite an Noah gesehen, von der Colin nicht wusste, dass sie existierte.



»Im Prinzip sind Seifen sowas wie Streitschlichter. Sie helfen dabei, Flüssigkeiten zu mischen, die das gar nicht wollen. Zum Beispiel Öl und Wasser.«

»Das nennt man Emulsion.«, erklärte Mikka sachlich.

Colin stütze seinen Kopf mit seiner Hand, während er Casper und Mikka bei ihrem Chemie Referat zuhörte.

In der Sekunde öffnete sich die Tür.

Colin und Joel guckten rüber zur Tür.

Es war Noah. Er schloss die Tür und hockte sich auf seinen Platz.

»Mikka, Casper, einen Moment bitte.«, sagte Frau Holopainen. Die Jungs nickten stumm.

Die Lehrerin guckte Noah fragend an. Er starrte zurück.

Colins schielte für eine Sekunde heimlich rüber zu Noah.

»Und?«

»Was?«, fragte Noah desinteressiert. Er hob die Augenbraue.

Colin und Joel warfen sich stumme Blicke zu.

Das könnte Ärger geben, dachte Colin in Gedanken. Er schien zu glauben, dass Joel ihn verstand und sie beide das gleiche dachten. »Ich weiß«, flüsterte Joel tonlos.

»Warum kommst du zu spät?«, fragte die Lehrerin.

Noah zuckte mit den Schultern.

»Geht's etwas konkreter?«

»Sorry.«

»Ich weiß zwar nicht, wie es an deiner alten Schule war, aber der Unterricht ist keine Kino-Vorstellung, wo man kommt und geht, wie man gerade lustig ist.«, erwiderte Frau Holopainen streng.

Noah schien sich dafür null zu interessieren.

Er lächelte provokant. »Im Kino komme ich nicht zu spät.«, sagte er. »Da würde ich ja was Spannendes verpassen.«

Colin schielte zu Joel, der sich auf die Unterlippe biss.

Die zwei wussten zu gut, wie streng ihre Lehrerin sein konnte.

Die Lehrerin warf Noah ebenfalls ein Lächeln zu. »Du sollst dich natürlich nicht langweilen.«, meinte sie. »Zwar kann ich dir kein Popcorn anbieten, aber ich habe stattdessen sehr interessante Versuchsprotokolle. Die darfst du liebend gern vorführen.«

»Ich hab schon was vor.«, widersprach Noah.

Die Lehrerin starrte Noah finster an. »Hm. Blöd. Das muss dann wohl warten.«

Noah starrte seine Lehrerin entsetzt an, doch diese grinste wieder.

»Ich freue mich sehr auf deine Präsentation.«

Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort zu Mikka und Casper um. »Ihr dürft weiter machen.«

Casper begann wieder zu reden, doch Colin hörte ihm nicht zu.

Er guckte Noah nachdenklich an. Er sah genervt aus.

Als Noah kapierte, dass Colin ihn anguckte, hob er gereizt den Blick.

»Glotz nicht so doof.«, flüsterte er giftig.

Colin verdrehte die Augen. Dann drehte er sich wieder nach vorne und widmete Casper und Mikka seine Aufmerksamkeit.

Er bemerkte nicht, wie Noah ihn von hinten anstarrte.



»Schmutzentfernung mit Enzymen in Waschmitteln«, murmelte Noah zu sich selbst.

Skeptisch hob er die Flasche mit der Flüssigkeit.

Er verstand buchstäblich nichts davon.

Währenddessen packten Joel und Colin ihre Sachen in ihre Schließfächer. Zwischendurch glitt Colins Blick zu Noah.

Joel starrte rüber zu Casper und Mikka. Er mochte die zwei nicht. »Die tun so, als hätten die das Smartphone erfunden.«, murmelte Joel bitter. »Hey, du hast doch auch 'ne coole Gruppe«, antwortete Colin und lächelte mild. Joel versuchte ein bisschen zu lächeln. Er wollte Colin kein blödes Gewissen vermitteln.

Sie konnten Schritte hinter sich hören - es war Noah.

»Bist du schon fertig mit Chemie?«, fragte Colin.

»Nein.«

»Was machst du dann hier?«

»Was wohl?«, murmelte Joel leise.

Noah drehte sich widerwillig um zu Colin. Er sah ihn genervt an.

»Du weißt schon, dass Frau Holopainen das nicht cool finden wird, oder?« »Mir egal.«, kommentierte Noah trocken.

Er drehte sich um und wollte gehen.

»Noah, warte mal.«

»Was?«, seufzte er und drehte sich zu Colin um.

»Ich kann Freddy übernehmen.«, bot Colin an.

Noah guckte den Jungen misstrauisch an. »Kennst du dich überhaupt aus?«, wollte er wissen. »Bisschen.«, gab Colin zu. Noah schnaubte abfällig. »Das reicht für Freddy nicht.«

Colin konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

»Ist er etwa noch sturer als du?«

Noah verdrehte die Augen, aber ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Es war kein erzwungenes Lächeln.

Nun, das war immerhin ein Anfang, überlegte Colin.

»Komm einfach später nach, wenn du fertig bist.«, meinte Colin.

»Danke, aber nein.«

Er drehte sich um und wollte gehen.

»Warte mal!«

Noah blieb abrupt stehen.

Colin drehte sich zu Joel um. »Du bist doch super in Chemie.« Joel runzelte die Stirn. »Ja, und jetzt?« »Na, du hilfst Noah beim Experiment. So geht's schneller. Und ich übernehme so lange den Hund.«

Noah sah Colin verwirrt an. Er legte den Kopf schief.

»Wieso?«, seufzte Joel. »Weil Zimmernachbarn zusammenhalten«, erläuterte Colin schlicht. »Soziale Erpressung.«, warf Joel ein. Colin ignorierte den Kommentar.

Er guckte Noah abwartend an, der noch immer skeptisch aussah.

»Warum?«, wollte er wissen.

Colin schnaubte, lächelte mild, senkte für drei Sekunden den Blick, legte dann seinen Kopf schief und lächelte Noah an.

»Nicht dein Problem.«

Noah sah immer noch verwirrt aus. Colin lächelte ihn einfach nur an und sagte nichts mehr.

Dann warf er sich seine Schultasche um die Schultern. »Bis später.«, sagte er, während er an Noah vorbei ging.

Noah drehte sich zu dem Jungen um und guckte ihm hinterher, bis er verschwunden war.

Noah verstand das nicht. Wieso bot Colin seine Hilfe an?

»Kommst du?«, fragte Joel.

Noah hielt inne. Unwillkürlich schlich sich ein winziges Lächeln auf seine Lippen.

»Okay.« Er räusperte sich leise, drehte sich zu Joel um und die beiden gingen zurück ins Klassenzimmer.

Noah lächelte immer noch leicht. Joel bemerkte das, ließ dies aber unkommentiert.



Ruf ein paar Mal seinen Namen, so gewöhnt er sich an deine Stimme

Freddy mag fremde nicht

Lock ihn vorsichtig mit 'nem Leckerli. Könnte helfen

Komm nicht von oben, davor hat er Angst

Colin seufzte entnervt und steckte sein Handy in die Hosentasche.

Das konnte ja lustig werden.

Es war nicht so, als hätte Colin überhaupt keine Erfahrung mit Hunden. Früher hat er ab und an auf die zwei Hunde seiner Nachbarn aufgepasst und war viel mit ihnen Gassi gegangen.

Als er die Hütte erreicht hatte, öffnete er mit dem Schlüssel das Schloss und öffnete langsam die Tür.

Freddy hockte da, guckte ihn mit großen Augen an und knurrte leise.

»Hi Freddy«, murmelte Colin ruhig. Er hockte sich zu dem Tier herunter. »Ich weiß, du wartest eigentlich auf dein Herrchen. Der kommt später.«

Colin holte aus seiner Hosentasche ein Leckerli (Noah hatte genug von denen in ihrem Zimmer). Er öffnete die Hand und ließ Freddy daran schnuppern. Drei Sekunden später kaute Freddy auf den Leckerlis herum.

Colin lächelte leicht.

Er würde das schon hinkriegen.



»Gibst du mir mal bitte ein Taschentuch?«

Joel guckte Noah an, der Colin immer noch mit Nachrichten bombadierte.

»Hallo?«

Noah reichte ihm ein Taschentuch.

»Wieso mache ich das hier überhaupt?«, murmelte Joel genervt.

Noah legte sein Handy weg und guckte Joel an. »Weil du Schiss hast.« Er erhob sich von seinem Stuhl. »Und weißt du auch, womit?« Er starrte Joel an, der sich schon wieder seltsam klein fühlte, wenn Noah ihn so aus der Nähe ansah. »Mit Recht.« Noah lächelte selbstsicher. Joel schluckte.

»Ich bereite mal die Gallseife vor.«, entschied Joel. »Ich helfe dir.«, sagte Noah. Schnell griff Noah nochmal zu seinem Handy, um Colin eine neue Nachricht zu schicken.

[...]

Fünf Minuten später waren Joel und Noah fertig.

»In den Notizen steht alles genau drin.«, sagte Joel. »Auf den ersten Stoff-Fetzen kommt die Biozym-F-Lösung, auf den zweiten die Gallseife, und der dritte ist nur zum Vergleich. Klar soweit?«

Noah sagte nichts.

»Wird schon.«, versuchte Joel etwas unbeholfen.

Als sie eine weibliche Stimme im Flur hören konnten, kapierten sie schnell, dass das Frau Holopainen war.

Noah schob Joel in Richtung Schrank und öffnete die Tür.

»Ey! Ich hab Angst vor engen Räumen!«, protestierte Joel.

»Wird schon.«, sagte Noah bloß, bevor er die Schranktür schloss.

Eine Sekunde später war Frau Holopainen da. »Na, alles bereit?«

»Ja.«, sagte Noah, der versuchte, seine Unsicherheit zu verbergen.

Frau Holopainen lehnte sich gegen einen Tisch. »Dann mal los.«

»Okay, also, es geht um Enzyme in Waschmitteln«, begann Noah. »Dafür hab ich hier drei Stoffproben vorbereitet.« Die Lehrerin nickte verstehend. »Die sind alle mit Salatöl präpariert.« »Warum?« Noah runzelte die Stirn. »Warum du sie mit dem Öl präpariert hast.«, wollte Frau Holopainen wissen.

Noahs Herz beschleunigte sich.

Mist.

»Äh ... weil-«

Als Noah zum riesigen Bildschirm nach hinten guckte, sah er etwas.

»Wegen der Lipase.«

Dieser Trottel Joel war vielleicht doch nicht so doof.

Frau Holopainen drehte sich nach hinten zum Bildschirm um. Sie lächelte beeindruckt. »Ach, da kommt gleich eine ganze Präsentation?« Noah lächelte. »Für Sie immer.« »Kannst du mir erklären, was Lipase ist?«, fragte die Lehrerin.

Noah senkte den Blick und spielte auf dem Tablet herum.

Zehn Sekunden später war die Definition auf dem Bildschirm.

»Lipase sind Enzyme, die freie Fettsäuren abspalten.«, erklärte Noah. »So wie die Salatöl-Flecken hier auf den Stoff-Fetzen.«

Frau Holopainen sah zufrieden aus.

Noah lächelte mild. Er würde sich definitiv dafür bei Joel bedanken nachher.



»Eine zwei!«

Wie Noah es geschafft hatte, dadurch eine zwei zu kriegen, war fragwürdig, aber irgendwo war es ihm auch ein bisschen egal.

»Krieg dich ein.«, meinte Noah nur. »Ohne meine Aktion hättest du das nie hingekriegt.«, gab Joel zu. »Jap. So scheiße war es nicht.«, überlegte Noah. »Danke.«

Das einzige, woran Noah jetzt nur denken konnte, war Freddy.

»Hoffentlich baut Colin keinen Mist.«, seufzte er. »Was soll denn passieren?«, fragte Joel. »Na, alles! Der braucht Zeit. Mit fremden Menschen ist der total misstrauisch. Das dauert ewig, bis er überhaupt-«

Als sie die Hütte erreicht hatten, blieb Noah abrupt stehen.

Colin saß da ganz entspannt und Freddy ließ sich von ihm streicheln.

»Hi.«

Joel rollte mit den Augen und guckte Noah an. »Jap. Er ist total misstrauisch.«, kommentierte er ironisch.

»Na? Wie war das Experiment?«, wollte Colin wissen. Noah kniete sich zu ihm und Freddy runter. Freddy guckte ihn mit großen Augen an und Noah streichelte sanft seinen Kopf.

»Super«, antwortete Joel, »dank mir hat Noah es gut hingekriegt.« »Wie hast du das geschafft?«, fragte Noah irritiert. »Ich hab ganz einfach deine ganzen Regeln ignoriert. Dann lief es prima.«, erwiderte er. »Gefressen hat er auch schon.«

Noah lächelte leicht.

Er guckte Colin an. Der Brünette lächelte ihn mild an, und Noah lächelte vorsichtig zurück. Sie senkten beide die Köpfe und streichelten Freddy am Rücken.

Eine Minute später hob Colin erneut den Blick, um Noah anzusehen. Noah tat es ihm gleich. Sie sahen sich in die Augen.

Colin hielt inne und stellte fest, dass Noah jetzt nicht mehr ganz so verschlossen war. Er lächelte. Fünf Sekunden später begann auch Noah zu lächeln. Colins Lächeln wurde breiter. Ein angenehmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus.

Er bemerkte nicht das freudige Herzklopfen in seiner Brust. Und was er auch nicht bemerkte, war Joel, der sie beide schweigend beobachtete.

5

»Sind wir jetzt eigentlich Freunde?«

»Hast du überhaupt bemerkt, dass ein neuer Tag angefangen hat?«

Es war stockduster, als Colin das Zimmer betrat. Er zog die Vorhänge auf.

»Witzig.«, kommentierte Noah trocken.

Colin musterte den Jungen. »Was guckst du?« »Trailer für 'nen neuen Horrorfilm«, erklärte Noah. »Hm. Viel Spaß beim nächsten Zusatzreferat.«, meinte Colin. »Hast du nicht gleich Chemie?«

Noah checkte seine Uhr. »Mist.« Er legte das Tablet beiseite. »Wird aber wieder nichts. Musst du Frau Holopainen sagen. Freddy muss raus; er wird anstrengend, wenn er hungrig ist.«

»Das soll ich alles Frau Holopainen sagen?«

Noah guckte den Jungen misstrauisch an.

Colin lächelte mild. »Das war ein Witz.«, sagte er, um Noah zu beruhigen. »Ich werd nichts sagen, versprochen.«

»Hat dir irgendwer schon mal gesagt, dass du nicht witzig bist?«, warf Noah ein.

Colin grinste leicht. Er zuckte mit den Schultern. »Bisher hat sich keiner beschwert.«

Ein winziges, unwillkürliches Lächeln schlich sich auf Noahs Lippen.

Colin lächelte breit. »Du lächelst.« »Überhaupt nicht.«, log Noah. »Du bist ein schlechter Lügner«, stellte Colin fest.

Noah erhob sich vom Bett und stellte sich direkt vor Colin hin. Wieder bemerkte er, dass Colin größer war, als er. Der Brünette guckte Noah ein bisschen perplex an. Er schluckte.

Colins Herz beschleunigte sich ein wenig, während Noah ihn so ansah. Er hätte beinahe vergessen, zu atmen, aber nur beinahe. Noahs Augen waren wahrscheinlich noch blauer, als seine eigenen. Sie waren einen Ticken dunkler. Colins Wangen wurden warm, als er kapierte, dass sie sich anstarrten. In nur wenigen Sekunden schlich sich ein rosa Ton auf seine Wangen. Noah musterte ihn; und als er den rosa Ton auf Colins Wangen bemerkten, schlich sich ein winziges Lächeln auf seine Lippen. Noah sah wieder in Colins Augen und er spürte, wie seine eigenen Wangen an Wärme gewannen. Colin traute sich, das Lächeln zu erwidern. Schüchtern.

Sie hatten sich jetzt fast eine Minute angestarrt.

Schnell räusperte sich Noah, um die Stille zu brechen.

»Das war kein Lachen. Ein Schmunzeln aus Mitleid.«, rechtfertigte sich Noah, obwohl sein Gehirn ihm leise zuflüsterte, dass das vielleicht nicht ganz stimmte. Colin seufzte leise. »Ist okay für mich«, lächelte er. Er ging rüber zu seinem Rucksack, öffnete den Reißverschluss und holte eine Packung Trockenfutter hervor. Er reichte sie Noah. »Hab dir hiermit schon mal einen Teil der Arbeit abgenommen.«

Noah guckte das Hundefutter überrascht an. Tatsächlich war es sogar das, was Freddy am liebsten mochte.

Er hob den Kopf, um Colin anzusehen.

Dieses Mal machte Noah sich nicht die Mühe, sein Lächeln zu verstecken. Auch Colin begann zu lächeln.

Sein Herz machte einen Freudensprung.



Heute war die Vorstellung der Zukunftsprojekte. Das Projekt von Joyce und Io kam sehr gut an. Jetzt sollten Colin und Joel ihr Projekt vorstellen.

»Mikka, erzähl doch bitte mal etwas über das Projekt von Joel und Colin.«, bat die Referendarin Frau Amani.

»Also .. bei der Kraft der Farben geht es um ..«

Joel seufzte entnervt und startete das Tablet. »Joel.« Frau Amani musterte Joel streng. Der Brünette hob abwehrend die Hände und zwang sich, nicht mit den Augen zu rollen.

Mikka drückte auf die Tasten. Helle Klänge ertönten und das Tablet leuchtete bunt.

»Die Farben machen Musik. Was cool ist.«, sagte Mikka.

»Ich hab dir doch gesagt, dass dein Algorithmus sinnlos ist«, flüsterte Joel vorwurfsvoll. Colin pikte ihm in die Seite. »Unser Algorithmus ist super.«, murmelte Colin.

»Du weißt, was meine nächste Frage ist?«, fragte Frau Amani und guckte Mikka abwartend an. »Projekt der Zukunft, genau, also ...«, stammelte Mikka, doch ihm fiel nichts ein. »Musik zu komponieren, war bisher ein Privileg derer, die Noten können.«, erklärte Joel. Er versuchte wenigstens, irgendeine sinnvolle Rechtfertigung zu finden. »Damit nicht mehr. Der Begriff Klangteppich wird mit unserem Algorithmus greifbar.«, erklärte er weiter. Frau Amani nickte verstehend. »Danke.« Sie guckte in die Runde. »Wer von euch würde in das Projekt von Colin und Joel investieren?«

Totenstille. Niemand hob die Hand.

Zögerlich und unbeholfen hob Mikka die Hand.

Auf dem riesigen Bildschirm erschien ein grüner Daumen.

Colin seufzte. Jetzt pikte ihm Joel in die Seite. »Darf ich es jetzt sagen?«, wollte Joel wissen. »Schön, wenn du dich danach besser fühlst.«, antwortete Colin trocken. »Ich hab's dir gesagt. Von Anfang an.«, sagte Joel genervt.

Frustriert senkte Colin den Blick.



Gelangweilt spielte Colin mit seinem Zauberwürfel.

Als er die Geduld für den Würfel verlor, schnaubte er genervt auf. Er legte den Würfel beiseite und lehnte sich gegen die Kissen. Er starrte hoch zur Decke.

Gott, ihm war so langweilig.

Er könnte theoretisch die Hausaufgaben für Chemie schon anfangen, aber wenn er genauer darüber nachdachte, langweilte er sich lieber.

Vier Minuten später vibrierte sein Handy.

Er griff danach, und als er sah, das Noah ihm eine Nachricht geschickt hatte, runzelte er verwirrt die Stirn.

Was machst du?

Nichts. Du?

Ich geh zu Freddy.

Colin biss sich auf die Unterlippe. Er fing an zu grübeln.

Dann tippte er eine Nachricht.

Wo bist du?

Er schickte sie ab. Colin fühlte das nervöse Herzklopfen in seiner Brust. Als Noah anfing zu schreiben, wurde das Herzklopfen in Colins Brust einen Ticken lauter.

Am Waldrand

Warte da

Colin sprang von seinem Bett, zog sich die Schuhe an und griff nach seinem Handy und den Schlüsseln. Er öffnete die Tür und schloss diese hinter sich.

Mit schnellen Schritten ging Colin nach Draußen.

Drei Minuten später erreichte Colin den Waldrand.

Er entdeckte Noah aus der Ferne. Er lächelte vorsichtig. Er näherte sich dem Blonden, und je näher er Noah kam, umso mehr klopfte Colins Herz.

»Hi.«, sagte er schüchtern. »Hey«, erwiderte Noah.

Colin wusste nicht so ganz, was er nun sagen sollte. Unbeholfen kratzte er sich am Hinterkopf.

»Ich ..- ich sollte mich wohl bei dir bedanken.«, sagte Noah ruhig. Er biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf. Colin runzelte die Stirn. »Wofür?« »Du weißt warum«, antwortete Noah und hob den Kopf. »Es ist Freddys Favorit.«

Ah. Davon redete Noah. Er sprach davon, dass Colin ihm Freddys Futter besorgt hat.

Colin lächelte mild. »Keine Ursache.«

Noah lächelte zurück.

Für etwa zehn Sekunden blieben sie still.

»Willst du mitkommen?«, bot Noah an.

Colin nickte sofort. Er zögerte keine Sekunde.

Noah drehte sich um und Colin folgte ihm.

[...]

Stille herrschte zwischen den beiden. Alles, was die zwei hörten, war das Rascheln der Blätter, Freddys Tapsen und ihre eigenen Schritte.

Noah musterte Colin von der Seite. Der Brünette sah nachdenklich aus.

»Du bist so still.«, sagte Noah. »Du auch.«, warf Colin ein. Die Jungs konnten sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

»Alles okay?«, fragte Noah. »Kraft der Farben ist einfach kein Geschäftsmodell.«, murmelte Colin frustriert. Noah sah den Jungen stumm an. »Im Zukunftsmodul«, redete Colin weiter, »meine KI erkennt Farben und kann sie in alles Mögliche übersetzen; Töne zum Beispiel.« »Klingt cool.«, überlegte Noah. »Findest du?«, fragte Colin unsicher. Noah nickte. Er sagte das nicht, um Colin aufzuheitern. Er fand die Idee wirklich cool. »Im Modul wollte allerdings keiner investieren.«, erzählte Colin entnervt. Er seufzte. »Joel findet es auch sinnlos.« »Der Typ ist 'n Trottel.«, warf Noah trocken ein. »Ist er nicht«, widersprach Colin. »Nur, weil er anderer Meinung ist, werde ich nicht gleich über ihn herziehen.« »Du kannst«, meinte Noah. »Du willst nur nicht.«

Er hob einen Ast vom Boden.

Sofort gewann er Freddys Aufmerksamkeit. Noah ließ das Tier daran schnuppern, dann warf er den Ast. Freddy rannte hinterher.

»Hast du keine Angst, dass Freddy dir mal abhauen kann?«, wunderte sich Colin.

Freddy kam drei Sekunden später auf Noah zugelaufen; mit dem Ast in seiner Schnauze. Noah lächelte das Tier an.

»Wenn Freddy einem vertraut, kommt er immer zurück.«, erläuterte Noah.

Er guckte Colin an. »Probier es mal.«, schlug er vor.

Noah kniete sich zu dem Hund herunter und kraulte ihm am Ohr. Colin kniete sich ebenfalls runter. Noah sprach im Flüsterton mit Freddy und der Hund ließ den Ast los. Colin griff nach dem Ast. Freddy guckte ihn neugierig an und wedelte mit dem Schwanz. Colin ließ das Tier an ihm schnuppern. Sachte strich er Freddy über den Kopf. Die Jungs erhoben sich wieder. Dann warf Colin den Ast. Sofort rannte Freddy dem Ast hinterher. Zehn Sekunden später brachte er den Ast brav zurück.

Colin grinste glücklich.

Noah musterte den Jungen von der Seite. Er lächelte.

[...]

Zehn Minuten später erreichten die Jungs die kleine Hütte.

»Er kann dich leiden.«, sagte Noah.

Der Blonde kniete sich zu dem Hund herunter und kraulte ihn.

Colin betrachtete die zwei. Ihm brannte eine Frage auf der Zunge. »Wie lange wollt ihr das noch so durchziehen?«, fragte er.

Noah antwortete nicht.

»Kann er nicht bei deinen Eltern wohnen?«

»Nein.«

»Wieso? Ich meine, Freddy ist 'n super Hund-«

»Es geht nicht.«, widersprach Noah.

»Warum?«

Colin kniete sich zu Noah und Freddy herunter.

»Meine Eltern sind 'n Albtraum.«, erwiderte Noah gereizt. »Ich bin bloß hier, weil meine Mum und ich uns dauernd streiten. Und meinem Papa bin ich echt egal.«

Noah wagte es nicht, Colin anzusehen.

Colin betrachtete den Jungen mitfühlend. »Das tut mir Leid«, sagte er vorsichtig. »Ich kenn das.« Noah hob langsam den Kopf und sah Colin überrascht an. »Deine Eltern sind auch getrennt?«, fragte er vorsichtig. Colin nickte stumm.

Die zwei erhoben sich und Noah kramte den Schlüssel hervor. Er öffnete das Schloss und die hölzerne Tür. Freddy ging brav hinein und Noah schloss die Tür.

»Mama wollte, dass Freddy ins Tierheim geht.«, gab Noah zu, während er die Tür ansah. Colin trat neben ihn. »Ich hab's nicht zugelassen. Es ist leicht, Leute zu verarschen, die nicht mehr miteinander reden.«

Colin ließ dies unkommentiert.

Er konnte Noah gut verstehen. Manchmal war es leichter, einfach nichts zu sagen. Colin zeigte Noah mit seinem Schweigen, dass er verstand.

Noah räusperte sich leicht. »Du sagtest, dass deine KI Bilder in Töne übersetzt, richtig?«, fragte er, um das Gesprächsthema zu wechseln. »Ja, unter anderem.«, bestätigte Colin. »Das bedeutet also, dass Filme ihre eigene Musik komponieren könnten«, überlegte Noah.

In Colin ging ein Licht auf. Begeistert begann er zu lächeln. Er grinste Noah an. »Das ist perfekt!« Noah grinste zurück.

Schnell griff Colin zu seinem Handy und suchte Joels Nummer heraus. Er rief ihn an und wippte mit den Füßen.

»Joel? Können wir nochmal über den Algorithmus reden?«

Noah blickte auf Colins Füße, während dieser mit Joel redete. Er konnte nicht mehr still stehen. Er wippte aufgeregt hin und her.

»Okay, danke. Bis gleich.«

Dann beendete Colin den Anruf. Er steckte sein Handy in die Hosentasche.

»Ich muss los«, sagte Colin. Noah verdrehte lächelnd die Augen. »Na los, hau ab.« Colin grinste ihn glücklich an. »Danke.«, sagte er aufrichtig.

Der Brünette drehte sich um und machte sich wieder auf den Weg ins Internat.

Noah sah dem Jungen hinterher. Er hatte ein breites Lächeln auf den Lippen.

Er bemerkte nicht das freudige Herzflattern in seiner Brust.



»Ein 4D Sessel?«

»Stell dir vor, du schaust 'nen Film«, begann Colin. »Und plötzlich ruckelt dein Stuhl. Und das, weil im Film etwas explodiert. Und das alles nur durch ..« Er beendete den Satz nicht und lächelte Joel vielsagend an. »Und das alles nur durch die Kraft der Farben.«, beendete Joel den Satz. Er grinste breit. Colin lächelte stolz und nickte. »Das heißt, wir könnten über die Bilder also alles Mögliche übertragen«, dachte Joel nach. Er lehnte sich gegen die Schaufensterpuppe. »Töne, Kälte, Wärme, Nässe, Geruch.«, zählte Joel auf. »Theoretisch, ja«, sagte Colin.

Joel guckte die Schaufensterpuppe an. Er lächelte begeistert. »Das wäre dann nicht nur 4D. Das wäre 9D!«

Colin grinste den Jungen skeptisch an.

Joel bemerkte Colins Grinsen. Er räusperte sich unbeholfen. »Die ist nur geliehen.«, sagte er schnell. »Wofür?« »Kann ich noch nicht verraten.« Colin hakte nicht weiter nach. Joel ließ die Puppe los.

Er ging rüber zum Flipchart, platzierte diesen vor Colin und fing an zu schreiben. Colin lehnte sich gegen die Schaufensterpuppe.

»Wir brauchen auf alle Fälle einen Prototyp«, sagte Joel. »Und mehr Man-Power.«

Colin fing dabei an, an Noah zu denken.

»Noah«, warf er ein.

Joel guckte ihn irritiert an.

»Er hat mich darauf gebracht«, erklärte er.

Joel nickte. Er schrieb Noahs Namen auf das Papier, dahinter drei Fragezeichen.

»Zielpublikum?«, fragte Joel als nächstes. »Kinobesucher«, antwortete Colin. »Es geht fast kein Mensch mehr ins Kino.«, meinte Joel. »Unser Sessel ist für zu Hause. Transportabel, bestellbar und für alle.« Colin nickte einverstanden.

»Das Heimkino der nächsten Generation.«, überlegte Joel.

Colin guckte die Schaufensterpuppe an. Er lächelte und nickte leicht. »Klingt gut.« »Klar klingt das gut«, erwiderte Joel, »die Frage ist nur: Kriegst du das hin?« »Mit deiner und Noahs Hilfe, vielleicht.«, meinte Colin. »Hm. Dann müssen wir wohl die Millionen durch drei teilen.«, sagte Joel.

Colin lächelte nur.

Joel musterte Colin irritiert.

»Du kannst sie jetzt auch loslassen«, warf Joel ein.

»Oh.« Skeptisch ließ Colin die Puppe los. »Wer sagt denn, dass das 'ne Sie ist?« »Für mich sieht sie wie eine Sie aus.«, kommentierte Joel. »Wenn du meinst.«, erwiderte Colin nur. Verwirrt musterte er die Puppe. »Na ja, es ist 'ne Puppe.«, warf Joel schulterzuckend ein. »Kann also genau so gut 'n Er sein.«



»Ich find Joel immer noch weird.«

»Ist er, ein bisschen. Aber ich mag ihn trotzdem.«

Mittlerweile war es Abends. Es war kurz vor 10, die Nachtruhe würde bald beginnen. Noah und Colin lagen bereits in ihren Betten. Wo sich Joel herumtrieb, wussten die zwei nicht.

»Ich hab übrigens gefragt, ob es okay für ihn wäre, wenn du im KI-Projekt mitmachst.«, erzählte Colin.

Noah runzelte überrascht die Stirn. »Echt?«

»Ich ..- ich würde es jedenfalls cool finden, wenn du mitmachst.«, sagte Colin. Seine Stimme hörte sich zaghaft an, beinah schüchtern. »Ich meine, es war schließlich deine Idee.«

Noah lächelte leicht.

Eigentlich wollte er gern ja sagen. Aber er zögerte.

»Du kriegst auch 'n Drittel der Millionen.«, scherzte Colin.

Noah grinste vorsichtig. Sein Herz machte einen Sprung.

»Hast du Lust?«, traute Colin zu fragen.

Noah biss sich unsicher auf die Unterlippe. »Morgen ist Stress«, sagte er, »ich hab zur ersten und muss vorher mit Freddy raus.« »Ich hab später. Ich kann zu ihm.«, bot Colin an. Noah sagte nichts. Colin seufzte. »War nur 'n Vorschlag.« »Könnten wir machen«, sagte Noah. »Freddy mag dich.«

Colin lächelte breit. Sein Herz machte einen Sprung. Er setzte sich auf und guckte rüber zu Noah, der sich ebenfalls aufsetzte.

Zwar war es dunkel, und nur die Nachttischlampen erfüllten das Zimmer mit Licht, aber Noah sah ein glückliches Lächeln auf Colins Gesicht.

»Bist du eifersüchtig?«, wollte Colin wissen. Noah grinste und verdrehte die Augen. »Du bist lächerlich.« »Also ja.«, grinste Colin. »Halt die Klappe!«, lachte Noah und bewarf Colin mit einem Kissen.

Colin fing das Kissen mit zwei Händen. Er blickte aufs Kissen.

Er realisierte, dass Noah gerade gelacht hat wegen ihm. Colin hat Noah zum lachen gebracht.

Wärme breitete sich in seiner Brust aus. Diese winzige Geste fühlte sich riesiger an, als sie eigentlich war.

Er verspürte Stolz. Und Freude. Vor allem Hoffnung.

Der Junge hob den Kopf, um Noah anzusehen. »Sind wir jetzt eigentlich Freunde?«, fragte er schüchtern. Noah lächelte sanft. »Sind wir.«

Colin lächelte noch mehr.

Er konnte fühlen, wie sein Herz ganz aufgeregt in seiner Brust flatterte.

Für zehn Sekunden sahen sie sich einfach nur an.

»Kann ich jetzt mein Kissen wieder haben?«, wollte Noah wissen. Colin verdrehte lächelnd die Augen. Dann warf er das Kissen zurück.

Sie knipsten beide das Licht aus und kuschelten sich unter ihre Decken.

Noah biss sich auf die Unterlippe. Sein Herz klopfte leise in seiner Brust.

»Colin?«

»Hm?«

»Danke.«

Noah wartete. Er konnte hören, wie Colin seufzte. Er konnte praktisch fühlen, wie Colin lächelte.

»Gute Nacht, Noah.«

»Nacht, Colin.«

Danach sagten sie beide nichts mehr.

Vielleicht, nur vielleicht, hatte seine Patentante Recht. Vielleicht könnte er hier wirklich Freunde finden.

Noah schlief mit einem Lächeln ein.



Heute war es schön sonnig. Freddy liebte die Sonne anscheinend, das hat Colin schnell festgestellt.

»Wir sind Kumpels, oder, Freddy?«

Er kniete sich zu Freddy runter. Der Hund guckte ihn mit großen Augen an. Colin kramte ein kleines Leckerli hervor. »Mach Sitz, Freddy.« Das Tier setzte sich brav hin. Colin grinste stolz und gab ihm das Leckerli.

Dann erregte ein Ast Freddys Aufmerksamkeit. Colin griff nach dem Ast und Freddy hüpfte aufgeregt.

»Ich vertrau dir Freddy«, murmelte Colin sanft. Dann löste er Freddy von der Leine. Colin warf den Ast und Freddy rannte blitzschnell hinterher.

Der Hund kam mit dem Ast zurück und Colin streichelte ihn. »Guter Junge«, flüsterte er stolz.

Colin erhob sich wieder und warf erneut den Ast.

Freddy rannte dem Ast sofort hinterher.

Colin wartete geduldig.

Er zählte in seinem Kopf.

Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs.

Seltsam. Normalerweise brauchte Freddy für sowas nicht lange.

»Freddy?«

Das Tier reagierte nicht.

Ein komisches Gefühl überkam Colin.

»Freddy!«

Das komische Gefühl verwandelte sich in nur einer Sekunde sofort in Angst. Er fing an zu rennen und suchte den Wald nach Freddy ab.

»Freddy! Hierher!«

Immer noch nichts.

Mist. Noah würde ihn umbringen, wenn Freddy etwas passierte.

»Freddy!«, rief Colin verzweifelt.

Sein Herz raste vor Angst.

Er erreichte eine offene Straße. Und Freddy war da. Er seufzte erleichtert und ging zu dem Tier rüber. Langsam kniete er sich hin und guckte Freddy besorgt an. »Mach das bitte nie wieder«, flüsterte er. Er versuchte, seine Angst herunter zu schlucken. Schnell legte er Freddy die Leine wieder an.

»Hey, Colin!«

Scheiße.

Colin starrte seinen Lehrer Herr Chung an. Er wusste zwar, dass Herr Hung jeden Morgen joggen ging, aber er hatte nicht damit gerechnet, ihn ausgerechnet jetzt zu treffen.

Herr Chung blickte verwirrt auf den Hund. Dann guckte er Colin fragend an. »Ist das dein Hund?«

Verdammt.

»Ähm ...«, stammelte Colin hilflos, »nun- nein- also ..- nicht direkt.«

»Sondern?«

Colin schluckte nervös.

Er traute sich nicht, Herr Chung anzusehen.

Nun ... das wird Noah ganz und gar nicht erfreuen.

6

»Ich- ich will dir nur sagen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst.«

»Das funktioniert nicht.«

»Was wissen Sie denn davon!?«

Herr Chung guckte Noah ernst an. »Freddy ist ein Hund. Er kann nicht ewig im Wald in einer Hütte leben.«, sagte er ruhig. »Und du kannst nicht ewig jeden Tag in den Wald gehen, um ihn zu versorgen. Was ist im Winter?«

Noah verdrehte genervt die Augen. »Dann lasse ich mir was einfallen!«

»Das ist kein Zustand.«, entschied Herr Chung. »Nicht für Freddy und auch nicht für dich. Du kennst die Regeln. Haustiere sind im Internat verboten.«

»Schmeißen Sie mich halt raus! Ich will sowieso gar nicht hier sein!«, rief Noah verärgert. »Freddy kommt nicht ins Heim!«

»Erst muss ich mit deinen Eltern reden. Bis dahin bleibt der Hund hier.«

Noah starrte Herr Chung bitter an. Seine Hände zitterten.

Er schluckte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen drehte er sich um und verließ das Büro.

Für zwei Sekunden sah er Colin. Er wippte ungeduldig mit den Füßen hin und her. Gott, Noah hasste sich gerade dafür, dass er diesem Idioten vertraut hatte.

»Wie ist es gelaufen?«, wollte Colin wissen.

Noah wagte es nicht, ihn anzusehen.

»Was ist jetzt mit Freddy?«

Noah drehte sich zu dem Jungen um. Er starrte ihn bitterböse an. »Er kommt ins Heim.«

Colin starrte Noah fassungslos an. »Was?«

Noah ging mit langsamen Schritten auf Colin zu.

»Das- das wollte ich nicht-«, stammelte Colin hilflos.

Noah starrte ihn finster an. Sein Herz raste vor Wut. Am liebsten wollte Noah ihn anschreien. Aber kein Wort kam aus ihm heraus. Colin fühlte sich seltsam klein gerade, so wie Noah ihn anstarrte. Er schluckte nervös.

Noah entriss Colin die Leine; dabei streiften sich ihre Fingerspitzen für zwei Sekunden. Colin erzitterte wegen dieser winzigen Berührung an einer Gänsehaut, und für zwei Sekunden vergaß er, zu atmen. Noah ignorierte den winzigen Schock, der durch seinen Finger floss.

Er drehte sich um und ging. Er musste raus hier.

»Noah!«

Noah reagierte nicht.

»Ich mach's wieder gut, ernsthaft!«

Übelkeit breitete sich in Noahs Magen aus, wenn er darüber nachdachte, dass Freddy ihn bald verlassen musste.

Mit schnellen Schritten ging Noah nach Draußen. Ihm war heiß und kalt zugleich. Seine Beine zitterten.

Fünf Minuten später war Noah im Wald bei der Hütte. Er blieb abrupt stehen.

Der Blonde atmete tief durch und schloss die Augen.

Und dann brach irgendwas in ihm. »Scheiße!«, fluchte er verzweifelt. Wütend stampfte er mit dem Fuß und Tränen flossen über seine Wangen. »Scheiße!«, rief er erneut. Er raufte sich die Haare.

Er zitterte überall. Er konnte nicht still stehen. Aufgewühlt tigerte er umher.

Gott. Nie wieder würde er Colin vertrauen. Dieser verdammte Vollidiot. Warum musste er sich nur einmischen? Wieso konnte er Noah nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso hat Noah zugelassen, dass Colin ihm half?

Er verspürte Hass. Hass auf Colin, weil er einfach ein Idiot war. Hass auf Herr Chung, weil er Freddy ins Tierheim stecken würde. Hass auf seine Mutter, weil sie so ein Problem damit gehabt hatte, Freddy zu behalten. Aber vor allem verspürte Noah Hass auf sich selbst. Weil er dumm genug gewesen war, Colin zu vertrauen.

Er würde Colin nie wieder vertrauen. Nie wieder.



»Und was ist, wenn wir nochmal mit Herr Chung reden?«

Colin schüttelte mutlos den Kopf. Julia strich sachte über seinen Arm. »Ich hab das schon versucht. Aber er sagt: Keine Haustiere im Internat. Tausend Gründe, warum das nicht geht, hat er gesagt.«

»Vielleicht findet Freddy ja eine neue Familie.«, überlegte Julia. »Das macht's nicht besser«, warf Ava ein, die an ihrem Fahrrad herum tüftelte. »Und selbst wenn, was ist denn mit Noah?«, sagte Colin frustriert. »Er hat niemanden hier.« »Er hat dich«, widersprach Julia.

Colin biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf. »Ich bin wahrscheinlich grad der letzte, mit dem er reden will.«, murmelte er. »Vielleicht gibt's 'ne Möglichkeit, wie du ihm zeigen kannst, dass es dir Leid tut.«, schlug Julia vor. »Ich weiß nicht so Recht.«, antwortete Colin.

Er dachte nur noch an Noah. Die ganze Zeit. Er hatte es gerade erst geschafft, dass die zwei Freunde wurden, und jetzt .. jetzt hat er möglicherweise alles ruiniert.

»Entweder du probierst es oder du lässt es«, meinte Julia. »Was mag er so?«, fragte Ava. Colin lachte bitter. »Freddy.«

Er fing an nachzudenken.

Bis ihm wieder einfiel, wie Noah eines Morgens einen Trailer für einen neuen Horrorfilm sah.

»Er mag Horrorfilme«, sagte Colin.

Julia klappte ihr Tablet auf und suchte im Internet nach dem aktuellen Horrorfilm.

»Fünfer-Sechskant-Schlüssel«, bat Ava. Colin reichte ihr das Werkzeug. »Morgen hat "Rise of Hell" Premiere in Erfurt«, sagte Julia. »Sicher, dass 'n Horrorfilm in dieser Situation wirklich angebracht ist?«, warf Ava ein. »Hast du den Trailer gesehen?«, fragte Julia ganz beeindruckt. »Ich liebe den Hauptdarsteller. Patrick Eilers ist sogar da!« »Du glaubst echt, dass ich da noch Tickets kriege?«, fragte Colin skeptisch.

Julia guckte nach zwei Karten. Jedoch war tatsächlich alles schon weg.

»Alles weg.«, gab sie zu. »Das wär 'n cooles Geschenk gewesen.«, murmelte Colin. »Vielleicht .. kann ich noch Karten besorgen.«, sagte Ava. Julia und Colin guckten das Mädchen überrascht an.

Irgendwann erhob sich Colin. »Ich muss mal weg.«, sagte er. »Wohin?« »Nachdenken.«, erwiderte Colin. Dann setzte er sich in Bewegung.

[...]

Gedankenverloren lief Colin hin und her. Er hatte kein Ziel. Er lief einfach nur herum.

Leider war es grad schwer für ihn, an etwas zu denken, was er nicht mit Noah verband.

Er erreichte den Basketballplatz.

Und als er da jemanden - Noah -  sah, blieb er abrupt stehen. Sein Herz blieb für zwei Sekunden stehen.

Noah warf einige Körbe. Manchmal traf er und manchmal nicht. Colin regte sich nicht von der Stelle. Er beobachtete für wenige Minuten, wie Noah den Ball warf.

Colin war nicht so weit weg. Er musterte Noahs Gesicht. Er lächelte nicht. Er sah traurig aus.

Colin schluckte schwer.

Er wollte sich von einer Klippe stürzen. Noah war traurig, und das war sein Verdienst. Noah würde Freddy verlieren und Colin war dafür verantwortlich. Er war so dumm. So, so dumm. Er hätte Freddy nicht von der Leine lassen sollen. Vielleicht hätte Herr Chung dann Freddy gar nicht erst entdeckt.

Irgendwann hatte Noah keine Lust mehr. Er ließ den Ball liegen und hockte sich im Schneidersitz auf den Boden. Er rieb sich die Stirn und seufzte.

Colin wollte sich entschuldigen. Für alles. Aber er traute sich nicht. Noah war zurecht wütend auf ihn, und er wollte es nicht verschlimmern.

Colin verspürte ein Stechen in seiner Brust. Schuldbewusst senkte er den Blick.

Eine Minute später hob Colin den Kopf. Sein Herzschlag setzte aus, als er zu Noah guckte, dessen Blick ebenfalls gerade auf ihm lag.

Er sah wütend und verletzt zugleich aus.

Colins Wangen gewannen an Röte, als er kapierte, dass er Noah jetzt fast vier oder fünf Minuten lang beobachtet hatte.

Er drehte sich um und ging. Er hatte zu viel Angst. Er konnte gerade einfach nicht mit Noah reden.

Gott. Hoffentlich bekam Ava diese Karten für den Horrorfilm.



Einige Stunden später hatte Colin tatsächlich die zwei Karten für den Horrorfilm.

Jetzt hatte er die Chance. Zwar hatte er riesige Angst, aber er wollte es wenigstens probieren.

Colins Herz fing an zu rasen, als er Noah entdeckte. Noah hatte eine Kiste bei sich; es war Freddys Zeug aus der Hütte.

Mit klopfendem Herzen ging Colin auf den Jungen zu.

»Noah.«

Der Blonde starrte Colin genervt an.

»Es tut mir Leid, echt. Das musst du mir glauben!«

Noah blieb nicht stehen. Er ging an Colin vorbei.

»Ich weiß, dass ich das nicht wieder gut machen kann.«

Noah drehte sich verärgert zu Colin um. Er stellte sie Kiste ab. »Warum laberst du mich dann voll?«, fragte er wütend. »Ich- ich will dir nur sagen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst.«, antwortete Colin mit geröteten Wangen. Noah lachte bitter. »Sag mal, willst du mich eigentlich verarschen?« Er trat auf den Jungen zu und starrte ihm in die Augen. »Du bist hier das Problem! Raffst du das überhaupt?« Colin schluckte schwer. »Freddy ist weg und das nur wegen dir! Weil ich bescheuert genug war, dir zu vertrauen!«

Noah kniete sich hin und hob die Kiste wieder hoch.

»Du bist ein Idiot!«, rief Colin. So langsam wurde er ebenfalls sauer.

Noah drehte sich zu Colin um.

»Freunde machen Fehler, das passiert. Aber gerade dann halten sie zusammen! Ich lauf dir nicht hinterher, weil ich nichts zu tun habe oder weil mir langweilig ist. Ich wollte dir nur helfen!«

Colin setzte sich in Bewegung. Er zerriss die Kinokarten und ließ diese fallen.

Noah sah ihm hinterher, bis Colin nicht mehr zu sehen war.

Noah stellte die Kiste zu Boden und hob die zerrissenen Karten hoch. Es war für den Horrorfilm, für den Noah sich interessierte.

Er hatte gewusst, dass bereits alle Tickets ausverkauft waren, also woher hatte Colin bitte noch zwei Karten bekommen?

Es spielte eigentlich keine Rolle.

Colin hatte sich extra die Mühe gemacht, sie zu besorgen.

Er schien sich wirklich um Noah zu sorgen. Er verstand nur nicht, warum. Er begriff nicht, warum Colin alles daran setzte, um das mit Noah wieder gerade zu biegen.



Noah stellte die Kiste mit Freddys Sachen auf den Tisch.

»Danke.«

Der Blonde kniete sich zu Freddy runter. Das Tier winselte leise. Noah schluckte schwer.

»Ich hab vorhin mit deiner Mutter telefoniert.«, sagte Herr Chung. »Ist mir egal.«, antwortete Noah trocken.

Herr Chung erhob sich von seinem Stuhl und betrachtete Noah, der Freddy kraulte.

»Wir haben uns gut verstanden. Wir waren auch zwei mal Gassi.«

»Sagen Sie denen im Heim, dass er Zeit braucht mit Fremden. Vielleicht helfen Knochen. Die liebt er. Oder mit Gummibällen.«

Noah erinnerte sich zurück daran, wie Freddy früher immer ganz verrückt nach quietschenden Spielzeug war. Bis heute liebte dieses Tier immer noch Gummibälle.

»Er hat 'ne Stelle hinterm Ohr. Er liebt es, dort gekrault zu werden.« Er lächelte wehmütig.

Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Er wollte nicht weinen.

»Noah .. hast du Zeit für 'nen Spaziergang?«

»Wenn's darum geht, was meine Mum sagt, dann-«

»Auch«, unterbrach ihn Herr Chung. Noah guckte ihn skeptisch an. »Aber nicht nur.«



Schweigend liefen Noah und Chung nebeneinander her, während Freddy den Wald erkundete.

Noah wusste nicht, was ihn erwarten sollte. Er hatte absolut keine Ahnung, was das hier werden sollte.

»Du hängst sehr an Freddy, oder?«, fragte Herr Chung irgendwann. Noah nickte ohne zu zögern. »Er ist der einzige, den ich hab.«, sagte er. Es war ihm egal, wie erbärmlich das gerade klang.

Herr Chung wartete einen Moment.

»Ich hätte da einen Vorschlag für dich.«

Noah guckte ihn fragend an.

»Wärst du damit einverstanden, wenn Freddy zu mir kommt?«, fragte er. »Ich würde mich in Zukunft um ihn kümmern. Und du kannst ihn immer sehen.«

Noah weitete überrascht seine Augen.

Er schaffte es nicht, zu reagieren.

»Ich hab mit deiner Mutter darüber gesprochen. Für sie wäre es in Ordnung.«

Noah traute sich, zu lächeln.

Er war gerade so verdammt erleichtert. Freddy musste nicht ins Heim.

Er nickte. »Okay.« Herr Chung lächelte ihn an und Noah lächelte zurück. »Danke.«, sagte er vorsichtig.



Mit klopfendem Herzen betrat Noah das Zimmer.

Joel war nicht da; Colin schon. Er saß in seinem Bett und las ein Buch. Er wendete den Blick nicht ab, als Noah ihr Zimmer betrat.

Noah schluckte nervös. Er setzte sich auf die Bettkante von Colins Bett. Er biss sich zögerlich auf die Unterlippe. Colin musterte ihn skeptisch. Er legte das Buch beiseite.

Er guckte Noah fragend an.

»Freddy muss nicht ins Heim.«, sagte Noah. »Chung nimmt ihn.« Ein kleines Lächeln schlich sich auf Noahs Lippen.

Colin traute sich, zu lächeln.

Er setzte sich ein Stück näher an Noah heran.

Noah holte aus seiner Hosentasche die Kinokarten. Er hatte sie mit Tesafilm wieder zusammengeklebt. Er sah Colin vorsichtig an. »Hast du noch Bock?«, fragte er schüchtern.

Colin grinste glücklich.

Noahs Herz machte einen Sprung.

Er übergab Colin die zweite Karte. Colin legte sie beiseite und dann tat er etwas, womit Noah nicht rechnete.

Er legte seine Arme um Noah und umarmte ihn fest.

Noah war zu perplex und schaffte es nicht, zu protestieren. Vielleicht wollte er das überhaupt gar nicht. Statt Colin wegzustoßen, legte er seine Arme vorsichtig um Colin.

Colin strich sanft über Noahs Rücken.

Noah konnte fühlen, wie Colin lächelte.

»Du bist so ein Idiot manchmal.«, murmelte Colin. Noah lachte leise auf. »Du auch.«

Sie brauchten keine Worte mehr. Diese Umarmung bedeutete Noah insgeheim jetzt schon so viel.

Ja, Colin hat Mist gebaut. Aber jetzt hatte Noah verstanden, dass Colin kein Idiot war. Er war sein Freund. Und er konnte ihm vertrauen.

Noah vergrub sein Gesicht in Colins Schulter.

Er bemerkte nicht das Prickeln in seinem Magen. Es fühlte sich einfach nur schön an. Hier, in Colins Armen.

7

»Wovor läuft die Hauptfigur wirklich weg?«

»Du bist so ein Schisser.« »Ich hab mich nur erschrocken, weil die hinter uns so gekreischt haben!« Noah lachte leise und Colin verdrehte grinsend die Augen. »Lach nicht, es stimmt!« »Mhm, genau«, kommentierte Noah ironisch. Colin schlug ihm sachte gegen seinen Arm und Noah versuchte, nicht noch mehr zu lachen.

Der Horrorfilm war cool gewesen. Zwar hat sich Colin oft erschrocken (auch, wenn er das nicht zugeben wollte, weil Noah ihn sonst dafür auslachen würde), aber insgesamt fanden die zwei den Film gut.

Schweigend liefen die zwei nebeneinander her. Es war Abends und so langsam wurde es dunkel.

Noah mochte das. Er konnte neben Colin hergehen und musste nichts sagen. Sie verstanden sich auch ohne Worte.

Colins Blick schweifte ab und zu rüber zu Noah. Der Blonde hatte den Blick gesenkt und starrte auf den Boden. Die Hände hatte er in den Jackentaschen.

Colin lächelte leicht.

Er war erleichtert.

Er war so froh, dass Freddy nicht ins Heim musste. Aber vor allem war er froh, dass Noah ihm nicht mehr böse war.

»Kann ich dich was fragen?«

Die zwei blieben stehen. Colin guckte den Jungen abwartend an. Er nickte. »Sicher.«

Noah biss sich verunsichert auf die Zunge. Er sah dem Jungen in die Augen. »Wieso?« »Was meinst du?«, fragte Colin verwirrt. »Warum das alles? Ich meine, wieso war es dir so wichtig, dass wir uns vertragen?«, wollte Noah wissen. Er kratzte sich am Hinterkopf. »Ich versteh nicht mal, wieso du mir die ganze Zeit hilfst, seit du das mit Freddy weißt.«

Colin antwortete nicht sofort. Er senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Dann sah er Noah vorsichtig an.

»Weil du mir nicht egal bist«, sagte er ruhig. »Du versuchst so zu tun, als ob du alles allein hinkriegst; als ob du niemanden brauchst.« Noah senkte unsicher den Blick. »Aber wir alle brauchen irgendwann mal jemanden.« Noah hob den Blick und sah Colin an. »Du bist mir nicht egal, Noah. Ich sorge mich um dich.«

Danach sagte Colin nichts mehr.

Ein rosa Ton schlich sich auf Noahs Wangen. Er lächelte zaghaft. Colin lächelte vorsichtig zurück.

»Darf ich dich umarmen?«, traute Noah zu fragen. Colins Lächeln wurde breiter.

Statt zu antworten, näherte er sich dem Jungen und nahm ihn in den Arm.

Noah vergrub sein Gesicht in Colins Schulter. Noahs Herz machte in diesem Moment hunderte Freudensprünge. Er konnte fühlen, wie er lächelte. Sanft strich Colin über Noahs Rücken.

Als sie sich wieder lösten, konnte Noah einen rötlichen Ton auf Colins Wangen sehen. Er lächelte schüchtern.

»Ich ..- ähm-«, stammelte Colin verlegen, »ich geh dann mal wieder rein.« Noah nickte. »Kommst du mit?« »Geh ruhig. Ich komm gleich.«, erwiderte Noah.

Und während Colin zurück ins Internat ging, konnte er nur lächeln. Er verspürte ein angenehmes Kitzeln in seinem Magen. Als er die Tür fast erreicht hatte, drehte er sich zu Noah um. Noahs Blick lag auf ihm. Er lächelte wie ein Trottel. Colins Magen kribbelte nur noch mehr. Er winkte Noah schüchtern zu, und Noah winkte zurück. Colins Wangen wurden ganz heiß. Dann drehte er sich wieder zur Tür um und ging rein.

Noah konnte nur lächeln. Sein Herz klopfte immer noch aufgeregt. Zwar war Colin längst weg, aber er konnte nicht aufhören, wie ein Idiot zu lächeln. Sein Magen kitzelte. Als wäre dort soeben ein riesiger Schwarm Schmetterlinge ausgebrochen.

Die ganzen Glücksgefühle wurden jedoch leider schnell zur Seite geschoben.

Plötzlich überkam Noah Angst.

War das normal, wenn man ständiges Herzrasen bekam wegen Freunden? Dass man wie ein Honigkuchenpferd grinste?

Nein, flüsterte eine Stimme in Noahs Gedanken.

Er schluckte.

Du magst ihn.

»Tue ich nicht«, ermahnte er sich streng im Flüsterton. Er schloss die Augen und atmete tief durch.

Ehrlich gesagt wusste Noah selbst nicht, ob das wirklich stimmte. Er wusste nur, dass er Colin mochte. Dass er doch nicht so ein Idiot war. Aber sich in Colin zu verlieben, war keine Option. Es sollte keine Option sein. Es würde sich in eine Katastrophe verwandeln.

Er würde sich nicht in Colin verlieben. Würde er nicht.

Er würde nicht zulassen, dass er sich auf dieses Desaster einlassen würde.

Zwar versuchte Noah sich vom Gegenteil zu überzeugen, aber ihm war nicht klar, dass er sein Herz schon längst an Colin verschenkt hat.

Wenn sie so im Nachhinein darüber nachdachten, wussten sie beide, dass das der Abend war, in dem sie sich verliebt haben.



Am nächsten Morgen war Colin früh auf. Wie jeden Morgen hatte Joel ihn mit der nervigen Yoga-Musik geweckt. Er hatte festgestellt, dass Noah bereits weg war.

Er hatte sich umgezogen und ging noch halb verschlafen runter in den Keller, um seine Wäsche wegzubringen. Eigentlich wollte er das schon gestern machen, aber er hatte keine Lust gehabt.

Er stellte den Wäschekorb auf dem Boden ab und gähnte halbherzig. Kurz streckte er sich. Er war immer noch müde.

»Buh!«

Beinahe hätte Colin aufgeschrien.

Es war Noah, der ihn so erschreckt hatte. Er schaltete das Licht an und grinste schadenfroh.

»Idiot.«, kommentierte Colin. Noah grinste nur und zwinkerte. Colin verdrehte die Augen. Seine Wangen wurden rosa.

Die zwei knieten sich hin. Colin öffnete die Waschmaschine und zusammen warfen sie die Wäsche rein.

Nichtsahnend griff Colin nach einem seiner Pullis. Er zuckte leicht zusammen, als er Noahs Finger spürte. »Sorry«, sagte er hastig. »Schon gut.«, meinte Noah schnell, um Colin zu besänftigen. Colin bemerkte, wie Noahs Wangen rosa schimmerten.

Sie guckten sich in die Augen und Colin konnte fühlen, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.

Er schluckte nervös. »Morgen läuft wieder 'n Horrorfilm«, warf er vorsichtig ein.

Er musterte Noah. Noah senkte verunsichert den Blick und biss sich auf die Unterlippe. »Ähm .. eigentlich geh ich lieber gern allein ins Kino. Sorry.«

Enttäuschung stieg in Colin auf.

»Ich- ich sollte los. Ich wollte zu Freddy.« Noah erhob sich und Colin sah dem Jungen hinterher.

Er seufzte frustriert.

Er hatte doch nicht schon wieder etwas falsch gemacht, oder?

Gestern war Noah so anders - er hatte gelacht, ihn geneckt, hatte ständig gelächelt und sie hatten sich umarmt. Es war gestern ihre zweite Umarmung gewesen.

Aber jetzt? Jetzt wirkte Noah irgendwie wieder so distanziert. Nun, eigentlich erst wieder, nachdem Colin ihm vorgeschlagen hatte, wieder ins Kino zu gehen. Denn davor war er wie gestern gewesen - er konnte es nicht mal richtig beschreiben. Er war einfach .. anders.

Es gab zwei Arten von Noah - die eine war distanziert, genervt wegen jeder Kleinigkeit, schnell reizbar, kalt und verschlossen.

Die zweite war die sanfte, freundliche und offene Art. Das komplette Gegenteil. Und Colin mochte diese Art. Er mochte, wenn Noah diese Seite von sich zeigte.

Anstatt sich weiter den Kopf zu zerbrechen, warf Colin die Wäsche in die Waschmaschine. Dann griff er nach dem leeren Korb, schaltete die Waschmaschine ein, schaltete das Licht aus und ging zurück nach oben.



Julia musterte Colin irritiert.

»Colin, bist du da?«

»Ja, bin ich.«

Julia legte den Kopf schief. »Alles okay mit dir?« »Ich bin verwirrt«, erwiderte Colin. »Wegen Mathe?« Er schüttelte den Kopf. »Was ist noch verwirrender als Mathe?«, wollte Julia wissen. »Mein Mitbewohner.«, sagte Colin trocken. »Joel ist komisch. Das ist nichts neues.«, warf Julia ein. »Ne, ich rede von Noah.«, meinte Colin. Julia runzelte die Stirn. »Habt ihr euch nicht letztens vertragen?« Colin nickte. »Wart ihr nicht zusammen im Kino?« Wieder nickte Colin. »Ja, und das war auch cool, aber ..- heute morgen war er wieder komisch.«, erzählte er frustriert. »Ich check's nicht.«

»Solche Stimmungsschwankungen sind typisch für missverstandene Alleingänger.«, meinte Julia. Colin legte den Kopf schief und guckte seine beste Freundin verwirrt an. »Du hast 'ne Bezeichnung für ihn?« »Ich nicht, aber mein Schauspielbuch.«, antwortete sie.

»Jeder spielt eine Rolle. Du zum Beispiel bist der typische nice guy. Ein Golden Retriever.« Colin verdrehte die Augen. »Ich bin kein Golden Retriever.« Julia lachte leise. »Sorry.«, kicherte sie.

»Wie hilft mir das mit Noah?«, wollte Colin wissen. »Ganz einfach: Bleib wie du bist und frag ihn, was sein Problem ist.«, sagte sie. »Vielleicht hat er einfach keinen Bock auf mich.«, murmelte Colin bitter. »Wäre doch auch okay.«

Wäre es nicht.

Julia legte ihren Arm um Colin. Der Junge verschränkte seine Arme ineinander und seufzte. Müde lehnte er sich mit seinem Kopf gegen Julias Schulter.

»Das glaub ich nicht.«, widersprach Julia. »Wieso?« »Ich kenne keinen Menschen, der dich nicht mag. Und ich werde nicht daran glauben, dass Noah dich doof findet.«, sagte sie und strich über Colins Schulter.

Colin seufzte und lächelte schwach.



»Ich hab sie!«, sagte Joel stolz.

»Die Mücke von gestern Abend?«, kommentierte Noah sarkastisch.

Joel guckte Noah an. »Nein, die rechtefreien Filme für die Präsentation.« »Ich dachte kurz, du bist noch für etwas anderes nützlich, als Chemie.«, warf Noah desinteressiert ein. Colin sagte nichts. Er hatte sich an diese kleinen Sticheleien zwischen den beiden gewöhnt.

Colin schloss den USB-Stick an seinen Laptop und öffnete die Datei.

Der Film war jedoch schwarz-weiß. Er starrte Joel an. »Echt jetzt?« »Was?« »Die sind schwarz-weiß.«, warf Colin trocken ein. »Klar«, sagte Joel skeptisch. »Wir dürfen nur Filme von Leuten verwenden, die seit 70 Jahren tot sind.« Colin seufzte. »Joel .. der Algorithmus erkennt Farben.« »Erkennt er nicht mittlerweile auch Bilder?«, hakte Joel nach.

Noah hörte dem Gespräch zu.

»Weißt du, wie viele Daten er da bräuchte?«, fragte Colin. »Der kann grad mal Feuer und Rosen auseinanderhalten.«

Joel presste entnervt die Lippen aufeinander.

»Kannst du neue Filme besorgen?«

»Ich bin eigentlich grad noch mit was anderem beschäftigt.«, seufzte der Brünette. Colin schnaubte genervt.

»Wir brauchen bunte Kleidung, Blumen, sowas eben«, zählte Colin auf. »Colin, niemand will von Blumen durchgeschüttelt werden.«, meinte Joel. Colin wollte seinen Kopf gegen den Tisch hauen. »Das ist doch egal!«, sagte er gereizt. »Es geht doch nur gerade darum, zu zeigen, wie der Algorithmus funktioniert.«

»Das wird 'n Reinfall.«, murmelte Joel und raufte sich die Haare.

»Was ist mit Explosionen?«, fragte Colin. »Die erkennt die KI ziemlich leicht. Da ergibt es auch Sinn, wenn der Stuhl wackelt.« »Soll ich jetzt etwas in die Luft jagen, oder was?«, fragte Joel gereizt.

Noah überlegte für einen Moment.

Aber bevor er es sich nochmal anders überlegen konnte, erhob er sich, griff nach seinem Rucksack und packte Kamera und Stativ ein.

Joel und Colin guckten ihm verwirrt hinterher.

Die zwei guckten sich an. Joel zuckte nur mit den Schultern.

Colin konnte jetzt nicht über Noah herum grübeln. Sie mussten beide mit ihrem Projekt weiterkommen.



Die Kamera klickte gerade pausenlos von Noah. Er drehte die Figur ein minimales Stück. Es war schwieriger, als er dachte.

Er wendete seinen Kopf in Richtung Tür, als er Schritte hören konnte - es war Julia.

»Oh, hi.« »Hey.« »Was machst du hier?«, fragte Julia. »Gegenfrage: Was machst du hier?«, wollte Noah wissen. »Ich suche Perücken für Frau Miesbachs Theatermodul.« »Die sind nicht hier«, antwortete Noah schnell, obwohl er wusste, dass das gelogen war.

Julia bemerkte das ganze Zeug hinter Noah. Sie guckte den Jungen an. »Drehst du einen Stop-Motion-Film?« »Das versuche ich zumindest. Das klappt aber nicht wirklich.«, meinte Noah. »Worum geht's?«, fragte Julia interessiert. »Um ein Mädchen, das vor Explosionen wegrennt und sich versteckt. Aber am Ende wird sie von einem Stuhl gefressen.«, erläuterte Noah. »Hm. Emotional noch 'n bisschen dünn«, überlegte Julia.

Noah senkte den Blick und guckte die Figur an.

»Wovor läuft die Hauptfigur wirklich weg?«

Noah hielt für zehn Sekunden inne.

Er schluckte. Seine Gedanken schweiften langsam zu jemandem.

»Sie .. sie läuft vor ihren Gefühlen weg.«

Seine Gedanken schweiften zu Colin.

Denn das war die Sache - Noah verpackte seine Gefühle in diese Figur. Er rannte weg, weil er Angst hatte. Er hatte Angst davor, sich in Colin zu verlieben.

»Interessant.«, erwiderte Julia. »Und die Explosionen simulieren, wie stark und unberechenbar sie sind?«

»Willst du helfen?«, schlug Noah vor.

Julia legte lächelnd den Kopf schief. »Ich bin eher vor der Kamera.«

»Wir können es auch in echt drehen, das ist viel einfacher«, sagte Noah.

Er übergab ihr das Drehbuch.

Sie guckte sich das für fünf Sekunden an und grinste irritiert. »Mein einziger Text ist "Ah!"?«

»Es geht um das Visuelle«, erklärte der Blonde.

Julia seufzte. Dann griff sie nach der Kiste mit den Perücken. »Ich werd drüber nachdenken.«



»Colin, ich hab sie!«

»Die neuen Filme?«, fragte Colin hoffnungsvoll.

Joel nickte. Colin griff dankbar nach dem Stick und öffnete die Datei auf seinem Laptop.

Im ersten Film ging es um Grammatik.

Colin und Joel wirkten jetzt schon gelangweilt.

»Der ist sogar mit Farbe.«, warf Joel ein, obwohl er den Film öde fand.

Colin biss sich auf die Unterlippe.

»Hey, ich find's auch langweilig«, gab Joel zu. »Aber was sollen wir denn machen?«

Colin guckte sich den zweiten Film an.

Der war sogar noch schlimmer, als der erste. Da ging es um den Alltag von Steuerberatern.

»Das ist auch nicht wirklich viel Farbe«, dachte Colin nach. »Es ist der Alltag von Steuerberatern.«, warf Joel ein. »Könnten die nicht wenigstens gelbe Ordner benutzen?«, fragte Colin verzweifelt.

Dann guckten sie sich den dritten und letzten Film an. In diesem ging es um Sexualkunde.

Colin und Joel sahen sich an. Colin wusste, dass sie beide an das gleiche dachten.

»Grammatik?«, fragte Colin. Joel nickte. »Grammatik.«

Die Jungs lächelten mild.

Dann piepte Joels Handy - er holte es hervor.

»Ich muss los.«, sagte er und steckte sein Handy wieder ein. »Zum Arzt?«, fragte Colin, da Joel gestern darüber gesprochen hatte. Der Brünette nickte lächelnd. »Exakt.« »Na dann, geh dir deine Hormone holen.«, lächelte Colin. Joel grinste leicht. »Bis nachher.«

Colin winkte dem Jungen, dann machte sich Joel auf den Weg.



»Okay, ich mach's. Aber nur unter einer Bedingung.«

Noah guckte Julia abwartend an.

»Ich versteh meine Rolle nicht so ganz. Ist sie wütend? Ist sie traurig? Meine Gefühle müssen klar werden.«, sagte sie.

»Wir könnten einen inneren Monolog hinzufügen.«, überlegte Noah.

Julia lächelte. »Super! Das kann ich toll.«

»Aber .. das ganze sollte eigentlich 'ne Technik-Demo werden.«, sagte Noah und kratzte sich im Nacken. »Deswegen ist ein Monolog 'n bisschen fehl am Platz.«

Julia starrte den Jungen an. »Eine Technik-Demo.«, wiederholte sie skeptisch. Noah nickte.

Noah blickte sie an. Julias Gehirn fing an zu rattern. Bis sie es kapierte. Sie weitete die Augen. »Du drehst das für Colin!« Es war keine Frage. »Für sein Projekt im Zukunftsmodul!«

Noah senkte panisch den Blick. Er wollte nicht, dass Julia seine geröteten Wangen bemerkte.

»Der nervt die ganze Zeit mit seinem Modul!«, versuchte er sich zu rechtfertigen. »Ich mach das hier nur, damit er die Klappe hält.«

Julia grinste dämlich.

»Sag es ihm nicht, bitte.«, flehte Noah.

»Warum?«

»Darum. Sag's ihm einfach nicht.«

Er konnte ihr unmöglich den Grund sagen, warum er sich für Colin so ins Zeug legte.

»Ich werd den Mund halten, keine Angst«, versprach Julia.

»Du kennst nicht zufällig wen, der sich mit Greenscreen auskennt?«, wollte Noah wissen. »Ich krieg den einfach nicht fixiert.« »Doch«, sagte sie. »Sie kriegt das Ding in Nullkommanichts wieder aufgebaut.« »Kannst du sie fragen? Ich brauche auch noch jemanden für das Licht.«

Julia lächelte den Jungen an.

Er verdrehte genervt die Augen. »Schön, okay, du kriegst deinen Monolog.«

Julia lächelte noch mehr. »Ich bin gleich zurück.«

Sie erhob sich vom Stuhl und machte sich auf die Suche nach Ava. Während sie den Dachboden verließ, grinste sie breit.

Unmöglich konnte Noah etwas gegen Colin haben. Warum sollte er denn sonst diesen Kurzfilm für Colin drehen?

»Wovor läuft die Hauptfigur wirklich weg?« »Sie .. sie läuft vor ihren Gefühlen weg.«

Abrupt blieb Julia stehen.

Ein Licht ging in ihr auf.

Vielleicht, nur vielleicht, ging es in diesem Kurzfilm um Noahs Gefühle.

»Er hat Gefühle für ihn«, flüsterte Julia sich selbst zu.

Fünf Sekunden später fing sie an, zu lächeln. Diesen Verdacht würde sie besser erstmal für sich behalten.



»Und Action!«

Julia versuchte mit dem Tempo des Laufbandes mitzuhalten, allerdings war's nicht so einfach.

»Cut.«

»Könnten wir das Tempo verlangsamen?«, fragte Julia mit roten Wangen. »Sorry, langsamer sieht unecht aus.«, erklärte Noah. Julia nickte. »Okay.« »Schaffst du noch einen Take?« »Sicher«, sagte Julia und nickte wieder.

Noah blickte rüber zu Ava. Er grinste dankbar. »Ava, das Licht sieht echt fett aus.« Ava lächelte zurück.

Noah wollte wieder wieder einen Take starten, bis er etwas bemerkte.

»Alles okay?«, fragte Julia. »Hast du vielleicht noch etwas Bunteres zum Anziehen?«, fragte er. »Für Colins Algorithmus?«, hakte Ava nach. »Genau. Vielleicht erkennt er die Farben. Und der Sessel bewegt sich so schnell, wie du läufst.« »Es ist, als würde man sich selbst bewegen«, grübelte Ava. »Ich werd nachschauen«, sagte Julia. Noah nickte und lächelte dankbar.



»Tut dein Arm immer noch weh?«, fragte Colin Joel. »Ja. Aber das ist okay.«, sagte er. Colin strich Joel sachte über die Schulter.

Joel seufzte. »Das wird 'ne Katastrophe.« »Nein. Der Akkusativ ist richtig spannend.«, kommentierte Colin ironisch. Die zwei Freunde grinsten sich an.

Plötzlich sah Colin einen fremden USB-Stick auf seinem Laptop. Er guckte Joel an. »Der ist nicht von dir, oder?« Joel schüttelte den Kopf.

Colin setzte sich auf den Stuhl, klappte den Laptop auf, schloss den Stick an den Laptop und öffnete die Datei.

Er zuckte vor Schreck zusammen. Es war Noahs fertiger Kurzfilm. Er lächelte begeistert und auch Joel sah beeindruckt aus.

»Das ist perfekt«, sagte Colin ohne zu zögern. Joel nickte sofort.

Colins Herz raste. »Ich muss zu Noah.«

Er schloss die Datei und zog den Stick heraus.

»Geh schon. Ich mach das schon.«, sagte Joel. Colin lächelte den Jungen dankbar an. Schnell flitzte Colin los, und währenddessen fuhr Joel den Laptop herunter.



Colins Herz beschleunigte sich, als er Noah endlich fand. Er war draußen auf dem Hof. Als Noah ihn bemerkte, hob er den Blick.

»Hey.«, lächelte Colin. Er setzte sich neben Noah hin. Er übergab ihm den USB-Stick. »Du hast Joel wieder traumatisiert.« Noah grinste leicht. »Ich weiß leider nicht, wovon du da redest.« Colins Lächeln wurde breiter. »Ich auch nicht.« Noah senkte schüchtern den Blick. Colin musterte seine Wangen, die rot schimmerten.

Sanft stupste er Noah von der Seite an.

Vorsichtig hob Noah den Blick, um Colin anzusehen.

Der Junge lächelte ihn an, und Noahs Magen begann wieder damit, sich mit Schmetterlingen zu füllen. Seine Wangen gewannen noch mehr an Röte.

Colin sah ihm in die Augen. Erst jetzt raffte Noah, wie schön Colins Augen waren.

Er versuchte, sich Colins Gedanken vorzustellen. Colin brauchte nichts zu sagen. Er hatte das Gefühl, dass Noah ihn verstand. Danke. Noah kicherte leise und Colin verspürte Wärme in seiner Brust. Noah konnte nur lächeln. Gerne. Die Botschaft war bei Colin angekommen. Er zwinkerte und Noah errötete schon wieder.

Noah lehnte sich sachte gegen den Jungen und legte seinen Kopf auf Colins Schulter. Er wusste nicht, warum er das tat. Er wollte es einfach.

Statt Noah wegzustoßen, lehnte sich Colin leicht gegen Noah. Aus dem Augenwinkel konnte er Noahs Lächeln sehen. Er schloss die Augen.

Vielleicht, ganz vielleicht, waren all diese Glücksgefühle, die Colin jedes Mal verspürte wegen Noah, nicht ganz platonisch. Vielleicht fühlte es sich so an, wenn man verliebt war.

Sein Herz flatterte aufgeregt, wenn er so darüber nachdachte.

Eigentlich sollte Noah davonlaufen. Aber er konnte nicht. Dieses Mal gewannen seine Endorphine. Dass er immer noch Angst hatte, war gerade nur Nebensache.

Während sie so da saßen und die Nähe des anderen genossen, bemerkten sie gar nicht, wie Julia die zwei aus der Ferne beobachtete.

Julia lächelte breit. Sie fand den Anblick absolut bezaubernd.

Sie wandte ihren Kopf zur Seite, als sie bemerkte, wie jemand neben sie trat - es war Joel.

Joel schaute ebenfalls rüber zu Colin und Noah.

»Ich hatte also Recht«, stellte Julia fest. »Womit?«, fragte Joel. »Na, mit der Tatsache, dass Noah verknallt ist.«, sagte sie. »Und was ist mit Colin?« »Ich hab ihn noch nie so lächeln gesehen.«, sagte sie.

Wie Colin Noah anlächelte, war besonders. Das konnte man unmöglich vergleichen.

»Wahrscheinlich hast du Recht.«, gab Joel zu. Julia grinste den Jungen an. »Sollten wir uns einmischen?«, fragte Joel. Julia schüttelte den Kopf. »Ich denk nicht. Die schaffen das auch ohne uns.«, meinte sie.

Sie drehte sich um und ging wieder zurück ins Internat.

Joel blieb noch da und beobachtete die zwei für ein paar Sekunden.

Er konnte sehen, wie Noah den Kopf hob und Colin anlächelte. Colin sagte irgendwas, und Noah lachte leise auf.

Joel lächelte. Er nickte leicht. »Jap«, murmelte er zu sich selbst, »definitiv verliebt.«

Dann drehte er sich um und ging ebenfalls zurück ins Internat.

8

Er hatte sich geschworen, sich nie verlieben zu wollen.

Nun .. ganz offensichtlich war er daran gescheitert.


Einige Tage vergingen, und je mehr Zeit Colin mit Noah verbrachte, umso intensiver wurden seine Gefühle.

Und nicht nur das - auch mit dem Stuhl kam er sehr gut voran. Sie hatten schon einige kleine Fortschritte gemacht. Colin und Joel waren wirklich stolz auf das Ergebnis.

Julia saß gerade im Sessel und Colin sah zu, wie das Programm auf die Bewegungen reagierte.

Er lächelte Noah stolz an, der neben ihm stand. Noah lächelte zurück.

Julia erhob sich vom Sessel.

»Das Programm reagiert jetzt auch auf Bewegungen, die zu sehen sind«, sagte Colin seiner besten Freundin. »Je schneller die Bewegung, desto schneller bewegt sich der Stuhl.« Colin erhob sich von seinem Stuhl. »Es fühlt sich echt an, als würdest du dich mit der Kamera bewegen.«, erwiderte Julia begeistert. Colin lächelte und nickte. »Das ist die Idee.« »Weiter so«, sagte Noah und ging mit seinen Fingerspitzen über Colins hellbraune Locken.

Colin errötete.

Noah hatte schnell rausgefunden, dass Colin mochte, wenn er mit seiner Hand durch seine Haare ging. Letztens sah er Colin morgens mit seinen natürlichen Locken - Noah dachte für einen Moment lang, er wäre wie gelähmt. Er hatte Colin noch nie mit lockigen Haaren gesehen, aber er sah so gut aus. Mittlerweile ließ Colin seine Haare öfter gelockt; weil er wusste, wie sehr Noah sie mochte.

»Immerhin muss die KI rechtzeitig fertig sein.«

Julia guckte Noah fragend an. »Rechtzeitig? Wofür?«

»Für meinen Film«, antwortete Noah.

In den letzten Tagen hatte Noah viel an dem Drehbuch gesessen, was er für seinen Film geschrieben hatte. Fast alles war fertig - nur noch das Liebesgeständnis fehlte.

»Bist du etwa schon fertig?«, fragte Colin überrascht. »Fast. Ich freu mich jetzt schon, wenn's endlich fertig ist. Denn dann geht der Spaß erst richtig los.«, sagte Noah.

»Ist das dieser Zombie-Film, von dem du grad redest?«, fragte Julia.

Noah nickte.

»Woher nimmst du dir denn bitte die Zeit?«

Colin grinste den Blonden an. »Er ist nachtaktiv.«, meinte er. »Ich fühl mich selber schon wie'n Zombie.«, kommentierte Noah.

Colin schmunzelte. »Du bist definitiv der coolste Zombie, den ich kenne.«

Noah errötete, verdrehte die Augen und pikte Colin in die Seite. »Idiot.«, murmelte er. Colin lachte leise auf.

Julia verdrehte die Augen. Die zwei neckten sich fast pausenlos.

»Wenn du willst, kann ich sofort anfangen, wenn alles fertig ist.«, warf Julia ein. Sie war sich sicher, dass sie die Hauptrolle kriegen würde, da Noah sehr zufrieden mit dem Ergebnis seines Kurzfilms gewesen war.

»Ähm, Julia, ich mach 'n Casting.«, warf Noah skeptisch ein. Julia starrte den Jungen verdattert an. »Casting?« »Wenn du mitmachen willst, schicke ich dir die Szene.«, antwortete Noah.

Noahs Handy bimmelte.

Er holte es hervor und checkte die Uhrzeit. »Ich muss los. Karate.« »Tu dir nicht weh.«, scherzte Colin. »Sehr witzig.«, kommentierte Noah sarkastisch. Die Jungs grinsten sich an.

Für einen Moment vergaßen die beiden, dass Julia immer noch hier war.

»Sehen wir uns später?«, fragte Colin hoffnungsvoll. Noah nickte. »Klar.«

Noah streckte seine Hand aus, um wieder kurz durch Colins Locken zu gehen. Colin guckte ihn mit geröteten Wangen an. »Bis später.«, murmelte er. Lächelnd drehte sich Noah um und ging.

Colin sah dem Jungen hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war. Er lächelte.

»Dir ist schon klar, dass ihr flirtet, oder?«, warf Julia ein.

Colin guckte seine beste Freundin etwas perplex an. Sie grinste dümmlich.

»Hä?« »Colin, du kannst mir nix vormachen.«, meinte Julia. Colin runzelte die Stirn. »Du bist verknallt.« Es war keine Frage.

Colins Herz setzte für eine Sekunde aus.

Unbeholfen senkte er den Blick. Er seufzte. »Schön. Ja. Du hast Recht.« »Ich weiß.«, grinste Julia.

Colin setzte sich wieder auf den Stuhl.

Er biss sich auf die Unterlippe. »Ich .. ich hab letztens im Internet recherchiert.«, sagte er ehrlich. »Worüber?« »Über Bisexualität.«, gab Colin zu. »Ich bin mir zwar nicht wirklich sicher, aber .. aber ich glaube, dass ich das wirklich sein könnte.« Er kratzte sich am Hinterkopf. Julia lächelte ihren besten Freund an. »Mach dir keinen Druck. Du musst noch nicht alles sofort wissen.«, sagte sie, um ihn zu besänftigen. »Danke«, sagte Colin und lächelte aufrichtig.

Es tat ehrlich gut, dass er darüber gesprochen hatte.

Am Abend, als Colin und Noah zurück vom Kino kamen, hatte Colin nachts immer noch wach in seinem Bett gelegen, weil er verwirrt gewesen war.
Er hat an diesem Abend angefangen, sich zu fragen, ob all diese Gefühle vielleicht mehr waren. Danach hatte er über Bisexualität gegoogelt.

Aber jetzt, wenn Colin mehr darüber nachdachte, fing er an zu glauben, dass es möglicherweise wirklich stimmte.



Langsam bewegten sich Noah und Joyce im Kreis.

»Weißt du, warum die Sachen da stehen?«, fragte Joyce. Es waren Requisiten, die Noah fürs Casting brauchte. »Ist für das Film Casting.«, erklärte Noah. Sie grinste ungläubig. »Du machst einen Film? Musstest du dir 'n neues Projekt suchen, weil du verloren hast gegen mich?«

Joyce wich rechtzeitig aus, bevor Noah sie am Arm packen konnte.

»Ich suche dafür übrigens kleine, nervige Zombies.«, warf Noah ein. »Du bist perfekt dafür.« »Zombie-Filme sind lahm. Denk dir was Neues aus!«, meinte Joyce gelangweilt. »Schön, dann sag du mir doch, was besser ist.«, wollte Noah wissen. »Karate-Zombies.«, schlug Joyce vor. Noah lachte. Joyce runzelte gereizt die Stirn. »Was? Das gab es noch nie.« »Ja, und dafür gibt's mindestens zwanzig Gründe.«, warf Noah trocken ein. Joyce ließ sich nicht davon verunsichern. »Okay. Wann ist dein dämliches Casting?«



Nach dem Karate war Noah in sein Zimmer gegangen. Da weder Joel noch Colin da waren, konnte er die Stille genießen und in Ruhe das Liebesgeständnis formulieren.

Er kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Dann fing er an zu tippen.

Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass ich Angst vor den Monstern habe. Aber das stimmt eigentlich nicht. Es gibt Dinge, die noch viel erschreckender sind, als hunderte von Zombies.

Kurz hielt Noah inne. Er griff in seine Tüte Salzstangen. Er griff nach einer und biss die Hälfte ab. Dann fing er wieder an zu tippen.

Ich hatte Angst dir zu sagen, dass ich in dich verliebt bin. Schon seit längerer Zeit. Ich wollte es verdrängen, aber ich kann das nicht mehr. Ich kann und will es nicht länger leugnen.

Ich bin dankbar. Für jeden Moment, den wir hatten.

Du hast mir nämlich gezeigt, was Liebe ist.

Noah lächelte leicht. Er las es sich einmal durch. Er nickte zufrieden. 

Er las es sich noch einige Male durch, während er wieder nach einer Salzstange griff und nachdenklich kaute.

Er hörte abrupt auf, zu kauen. Er las es sich nochmal durch.

Der Blonde schluckte, als er begriff, dass sich dieses Geständnis um seine eigenen Gefühle drehte. Es waren Noahs Gefühle für Colin.

Er klappte sein Tablet zu, zog die Knie zu sich und lehnte sich mit seinem Kopf gegen die Wand.

Es musste Colin sein, oder? Natürlich.

Er schluckte ängstlich.

Er hatte sich geschworen, sich nie verlieben zu wollen.

Nun .. ganz offensichtlich war er daran gescheitert.

Aber das konnte er Colin unmöglich sagen. Er konnte es nicht riskieren, ihre Freundschaft zu ruinieren. Sie waren sich so nah und Noah wollte das, was sie hatten, nicht kaputt machen. Er wollte nicht, dass Colin sich von ihm distanzierte. Er hatte Angst davor, dass Colin ihn auch als Freak sehen würde, wie Ben es einst tat.

Statt sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, schickte Noah die fertige Datei an Julia und an alle anderen, die sich gemeldet hatten.

Zehn Minuten später öffnete sich die Zimmertür. Es war Colin.

Er guckte Noah mit einem Lächeln an und Noahs Herz flatterte wieder in seiner Brust. »Na?« »Hey«, sagte Noah und machte Platz, sodass Colin sich neben ihn setzen konnte.

Müde legte Noah seinen Kopf auf Colins Schulter.

»Julia fängt grad schon damit an, den Text zu lernen.«, erzählte Colin. »Echt?« »Ja. Sie will die Rolle unbedingt.«, bestätigte Colin. »Na, am Ende entscheide das immer noch ich.«, meinte Noah. Colin nickte. »Ich hoffe, sie ist nicht zu enttäuscht, wenn's nicht klappt.«

Für eine kleine Weile kehrte Ruhe ein.

Noah hatte eindeutig zu wenig geschlafen in letzter Zeit. Er hatte so viel Zeit und Energie in sein Drehbuch gesteckt.

Er wusste gar nicht, wie lange sie so da saßen. Vielleicht zehn oder dreißig Minuten.

Colin musterte den Jungen ruhig von der Seite. Er sah ihm an, dass er müde war. Er fragte sich, ob Noah kurz davor war, einzuschlafen.

Irgendwann meldete sich Noahs Magen zu Wort - er grummelte.

Der Blonde stöhnte leise auf.

»Da hat wohl wer Hunger.«, murmelte Colin. »Anscheinend.«, murrte Noah und gähnte halbherzig.

Colin lächelte den Jungen von der Seite aus an. »Rate mal, was es heute gibt.« »Colin, ich hasse raten.«, erwiderte Noah müde. »Okay. Es gibt Milchreis.«

Noah hatte schon ewig keinen Milchreis mehr. Colin wusste, dass Noah Milchreis liebte.

»Wollen wir?«, fragte Colin den Jungen. Noah seufzte leise. Er lächelte mild und hob den Kopf von Colins Schulter. Erneut grummelte sein Magen. Er erhob sich vom Bett und Colin tat es ihm gleich.

Dann wanderten sie rüber in die Küche.

[...]

»Gott, du bist der Beste.«

Colin grinste den Jungen an und übergab ihm seine Schüssel mit Milchreis.

Noah löffelte glücklich in seinen Milchreis. Er schmeckte geradezu himmlisch mit dem Apfelmus.

»Gut?« »Perfekt.«, murmelte Noah glücklich.

Colin und Noah liebten die Tatsache, dass sie beide ihren Milchreis kalt mochten. Vorhin hatte sich Colin zwei Portionen Milchreis in den Kühlschrank gestellt.

Sie lehnten sich beide gegen die Küchentheke und aßen genüsslich ihren Milchreis.

Zwei Minuten später runzelte Noah verdutzt die Stirn. Er guckte zur Tür und Colin ebenfalls. Weißer Nebel war zu sehen.

»Und Action!«

Dramatische Musik spielte leise.

Und dann kam Julia hervor. »Sie kommen näher!« Noah lächelte irritiert. Er guckte Colin an. Der Brünette zuckte mit den Schultern. »Wer?«, wollte Noah wissen. »Die Untoten, Laros, die Untoten!«, rief Julia.

Noah gab sich noch etwas Zimt in seinen Milchreis.

Julia öffnete die Tür.

Ava hockte auf dem Boden und las etwas aus dem Drehbuch vor: »Shaya und Laros sind in einem Raum gefangen. Hinter der einen Tür lauert ein Feuer.« Sie schaltete eine grelle Taschenlampe ein. »Und hinter der anderen eine hungrige Zombie-Horde.«

»Hilfe! Die Biester reden!«

»Willst du noch Apfelmus?«, fragte Colin den Jungen. Noah sah ganz verdattert aus. Er griff dankend nach dem Glas Apfelmus und gab sich einen neuen Löffel Apfelmus in seinen Milchreis.

»Laros, du sollst eines wissen.«, redete Julia weiter.

Noah guckte sie abwartend an.

»Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass ich Angst vor den Monstern habe. Aber das stimmt eigentlich nicht. Es gibt Dinge, die noch viel erschreckender sind, als hunderte von Zombies.«

Noah schluckte stumm den Milchreis herunter.

»Ich hatte Angst dir zu sagen, dass ich in dich verliebt bin. Schon seit längerer Zeit. Ich wollte es verdrängen, aber ich kann das nicht mehr. Ich kann und will es nicht länger leugnen.«, sprach Julia dramatisch weiter.

Colin griff nach dem Glas Apfelmus und löffelte herein. Den Löffel schob er sich in Richtung Mundwinkel.

»Ich bin dankbar. Für jeden Moment, den wir hatten. Du hast mir nämlich gezeigt, was Liebe ist.«

Wieder las Ava eine Zeile vor: »Shaya und Laros bleibt nur ein Ausweg, das Fenster.«

Julia kletterte aus dem Fenster.

»Warte! Ich kenne noch nicht mal deinen Namen!«

»Ich bin Shaya!«

Dann ließ sich Julia nach hinten fallen.

Colin und Noah stellten ihre Schüsseln auf die Küchentheke und gingen rüber zum Fenster. Ava ebenfalls.

Julia lag da unten auf einer Matte.

Noah überlegte nicht lange. »Sorry, aber das überzeugt mich nicht.«

Er drehte sich um, ging wieder rüber zur Theke und griff nach seiner Schüssel mit Milchreis. Colin stellte sich zu ihm. Er guckte den Blonden an. Noah zuckte mit den Schultern. »Ich bin nur ehrlich«, sagte er leise. Colin nickte schweigsam.

Um ehrlich zu sein, fand er diesen ganzen Aufwand etwas zu dramatisch.

Sie aßen beide auf und stellten ihre Schüsseln in die Spülmaschine. Dann guckte Noah auf die Wanduhr. »Die zweite kommt gleich«, berichtete er. »Kommst du mit?« Colin nickte sofort. Er wollte beim Casting mit dabei sein.



»Danke dir. Ich melde mich.«

Das Mädchen lächelte Noah an und ging.

Colin hakte das Mädchen auf der Liste ab. Er ging rüber zu Noah.

»Ich will ja nichts sagen oder so, aber von allen war Julia bisher die beste.«, sagte er nachdenklich. »Sie spielt zu theatralisch. Im Film ist es was anderes.«, meinte Noah. »Das kann Julia mit Sicherheit auch.«, überlegte Colin. »Ich kann nur beurteilen, was ich sehe.«, antwortete Noah.

Sie wandten ihre Köpfe - sie hatten Joyce überhaupt nicht bemerkt.

Joyce hatte sich japanische Kleidung angezogen. Colin guckte Noah irritiert an. »Für welche Rolle ist das denn?«

Nach wie vor fand Noah die Idee mit den Karate-Zombies doof.

Und als Joyce mit ihrem ... nun, etwas komischem Auftritt fertig war, starrten sich Colin und Noah verstört an.

»Und?«, wollte Joyce wissen. »Hab ich dich überzeugt?«

»Ähm, nein.«

Joyce guckte den Jungen fassungslos an. »Was!?«



»Julia, er meint es nicht persönlich.«, sagte Colin vorsichtig. »Ich spiele also unecht?«, fragte Julia genervt. »Persönlicher geht es ja nicht!« Sie tigerte aufgewühlt hin und her. »Sei ehrlich: Spiele ich die Liebesszene unglaubwürdig?«, wollte Julia wissen.

Colin biss sich auf die Zunge. Unbeholfen kratzte er sich im Nacken.

»Ähm, na ja, also ...«

»Dein Ernst!?«, stöhnte Julia verzweifelt.

»Also, nein, so meine ich das nicht-«, warf Colin schnell ein, »vielleicht einfach ein bisschen zu theatralisch?«

Julia rollte mit den Augen.

»Aber nur ein bisschen, wirklich! Und dein Kostüm fand ich super glaubwürdig!«

Julia raufte sich genervt die Haare.

»Noah macht morgen nochmal 'n Casting«, erzählte Colin. »Probier es einfach nochmal.« »Und was soll mir das bringen?«, wollte sie wissen. »Ich weiß ja angeblich nicht, wie man verliebt sein richtig spielt.« »Du bist zu pessimistisch.«, überlegte Colin. »Du brauchst einfach 'n bisschen Inspiration. Damit du zu deiner Rolle findest. Das ist alles.«

Julia fing an zu überlegen.

Sie seufzte. »Ich werd's versuchen.« Sie erhob sich vom Stuhl und ging an Colin vorbei. »Viel Erfolg.« »Danke dir. Bis später.«

Colin winkte seiner besten Freundin und sie winkte zurück, dann schloss sie die Zimmertür hinter sich.



»Hast du schon Aufgabe 5 angefangen?«, fragte Joel.

Colin nickte. »Brauchst du Hilfe?«

Joel hielt ihm seinen Collegeblock hin mit der Aufgabe, wo er Probleme hatte.

»X ist elf.«, sagte Colin. »Danke dir.« Joel griff nach seinem Kugelschreiber und schrieb die Aufgabe schnell bei Colin ab.

Joel hatte nicht so viele Probleme in Mathe, und wenn doch, dann konnte er sich darauf verlassen, dass Colin ihm half.

Joel seufzte entnervt. »Ich hasse Gleichungen.« »Versteh ich.«, erwiderte der Brünette. »Was war dein Lieblingsthema bisher?«, erkundigte er sich. »Ich hab Geometrie geliebt.«, gab Joel zu. »Oh Gott.« »Was?« Joel runzelte die Stirn. »Geh mir bloß weg damit.«, seufzte Colin. »So schlimm?«, wunderte sich Joel. »War überhaupt nicht mein Gebiet.«, meinte Colin.

»Worüber redet ihr?«

Joel und Colin hoben die Köpfe, als sie Julias Stimme wahrnehmen konnten. Sie sah frustriert aus.

»Mathe«, sagte Joel schlicht. Julia grummelte und setzte sich neben Colin auf die Tischtennisplatte. »Ich hab voll vergessen, dass wir da Hausaufgaben haben.«, gab sie zu. »Wir sind fast fertig.«, warf Joel ein. »Schön für dich.«, murrte Julia.

Colin guckte Julia irritiert an. »Alles okay mit dir?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

Joel steckte seinen Kugelschreiber in sein Etui, steckte es dann in seinen Rucksack und warf ihn sich über die Schulter. »Ich geh mal wieder rein.«, beschloss er. Colin und Joel gaben sich zum Abschied einen Handschlag und Julia reichte ihm die Faust. Dann machte sich Joel wieder auf den Weg ins Internat.

»Gustav und Reena. Voll das Traumpaar.«, begann Julia zu erzählen. »Sie sehen sich nur für eine Woche. Die müssten ausrasten vor Liebe!« »Vielleicht wirken sie verliebter, wenn sie allein sind.«, meinte Colin. »Tun sie nicht.«, widersprach Julia trocken. »Ich hab die zwei im Keller beobachtet. Ich wäre fast eingepennt, weil es so langweilig war.« Sie seufzte. »Wie soll man sich denn davon inspirieren lassen?« »Na ja, vielleicht ist Liebe etwas, was man von außen nicht sehen kann.«, dachte Colin nach.

Julia guckte ihren besten Freund mit einem genervten Willst-du-mich-komplett-veräppeln-Blick an.

»Colin, bei dir sieht man, dass du verliebt bist.«

»Nur, weil du es mir ansiehst, heißt das nicht, dass man es bei allen ansieht«, argumentierte er.

Julia ließ dies unkommentiert.

Schließlich packte Colin seine Schulsachen ebenfalls in seinen Rucksack und erhob sich von der Tischtennisplatte.

»Ich geh mal zu Noah.«



Stille herrschte zwischen Colin und Noah.

Bereits mehrere hatten am Casting teilgenommen, aber keiner war dabei gewesen, der Noah zu hundert Prozent überzeugt hatte.

Colin musterte den Jungen nachdenklich von der Seite.

»Vielleicht solltest du weniger streng sein«, schlug er vorsichtig vor.

Noah seufzte und legte seinen Kopf auf Colins Schulter.

Colins Herz beschleunigte sich um das dreifache.

»Ich kann doch nicht vor dem Dreh schon Kompromisse machen«, sagte er frustriert. »Der Film muss gut werden.«

Colin zögerte kurz und blickte auf Noahs Hand.

Er fasste sich sein Herz und umgriff vorsichtig die Hand von Noah.

Noahs Atem stockte für eine Sekunde. Er starrte Colin perplex an.

»Und er wird gut«, sagte Colin. »Woher willst du das wissen?«, fragte Noah mutlos, der noch immer perplex über die Tatsache war, dass Colin seine Hand hielt. »Ich weiß es einfach«, antwortete Colin und strich behutsam über Noahs Hand. Er lächelte vorsichtig. »Ich glaub an dich.«

Noah schluckte.

Er konnte fühlen, wie seine Wangen heiß wurden. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Er senkte den Blick und sah auf Colins Hand. Schüchtern umgriff er Colins Hand fester und verschränkte ihre Finger ineinander.

Noahs Liste, warum er Colin so mochte, schien jeden Tag größer zu werden.

Colin strich behutsam mit seinem Daumen über Noahs Hand.

Am liebsten würde Noah seine Hand nie wieder loslassen.

»Es wird schon gut gehen«, sagte Colin ruhig. »Okay?«

Noah wollte gerade etwas sagen, aber dann betrat Julia den Raum. Sie guckten Julia an und schnell ließ Noah die Hand von Colin los, wenn auch nicht ganz freiwillig.

»Ich will's nochmal versuchen«, sagte Julia. »Bitte.«

»Na gut. Von mir aus.«, seufzte Noah.

Colin und er erhoben sich und lehnten sich beide gegen den Tisch. Noah sah Julia an. »Also: Shaya und Laros sind in dem Raum gefangen. Shaya macht ihm ihr Liebesgeständnis.« Er nickte ihr zu. »Und bitte.«

Julia schloss für zwei Sekunden die Augen, dann atmete sie tief durch. Sie öffnete ihre Augen und begann zu sprechen: »Ich habe die ganze Zeit gedacht, dass ich Angst vor den Monstern habe. Aber das stimmt eigentlich nicht. Es gibt Dinge, die noch viel erschreckender sind, als hunderte von Zombies.«

Dieses Mal klang es nicht ganz so dramatisch. Viel ruhiger.

Julia lächelte leicht. »Ich hatte Angst dir zu sagen, dass ich in dich verliebt bin. Schon seit längerer Zeit. Ich wollte es verdrängen, aber ich kann das nicht mehr. Ich kann und will es nicht länger leugnen.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich bin dankbar. Für jeden Moment, den wir hatten. Du hast mir nämlich gezeigt, was Liebe ist.«

Noah lächelte. Er sah Colin an. Dieser sah beeindruckt und überrascht zugleich aus.

Sie guckten beide Julia an.

»Es war perfekt.«, sagte Noah simpel.

Julia lächelte breit. »Heißt das, ich hab die Rolle?«

Noah nickte lächelnd.

Julia begann zu strahlen und Colin grinste seine beste Freundin stolz an.

Sie ging auf die Jungs zu und nahm sie in den Arm.

Noahs Blick wanderte zu Colin. Colin lächelte sanft und Noahs Magen begann zu kitzeln.

Sachte griff Noah nach Colins Hand.

Colins Augen fingen an zu strahlen und seine Wangen wurden rosa.

In dieser Sekunde verliebte sich Noah noch mehr in Colin.

9

»Danke.« »Wofür?« Noah zuckte mit den Schultern. »Alles irgendwie.«

Noahs Herz klopfte aufgeregt.

Er konnte nicht stillstehen.

Endlich hörte es auf, zu tuten.

»Hey.«

Noah hatte, seit er am Einstein war, nicht mehr mit seiner Mutter gesprochen. Vielleicht war es irgendwie etwas wahnsinnig, dass gerade sie diejenige war, die Noah fragen wollte.

Er räusperte sich leise. »Hi, Mama.« »Du meldest dich mal«, stellte sie etwas verwundert fest.

Noah kratzte sich am Hinterkopf und lehnte sich gegen die Wand. »Ich ..- ich wollte Danke sagen.« »Wofür?« »Wegen Freddy.«, erwiderte der Blonde. »Schon in Ordnung.«, meinte seine Mutter.

Zögerlich biss sich Noah auf die Unterlippe.

»Wie ist es bisher so?«, fragte sie. »Es ist in Ordnung. Es ist nicht so schlimm.«, gab Noah zu.

Mittlerweile hatte sich Noah ans Einstein gewöhnt. Es war erträglicher geworden.

»Das freut mich.« Noah seufzte nervös. »Es ist bloß ..- äh, na ja-« »Ja?« »Ich ..-«

Mama, ich mag Jungs. Und ich hab mich in meinen Mitbewohner verknallt.

Kein Ton kam aus ihm heraus.

»Du hast jemanden kennengelernt?«

Noahs Herz raste. Seine Wangen wurden warm. »Woher weißt du das?« »Mamas spüren sowas.«, erklärte Carlotta schlicht. Noah grummelte leise. »Schön, ja, hast Recht.« »Das ist doch schön, oder nicht?« Noah zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht so Recht.«, gab er unbeholfen zu. »Wir sind gute Freunde, und ich will's nicht ruinieren.« »Und du brauchst jetzt einen Rat, nicht wahr?«, wollte Carlotta wissen. »Ja, irgendwie schon.«, gab Noah zu.

Seine Mutter überlegte für einen Moment.

»Ich bin vermutlich nicht grad die beste Ansprechpartnerin für sowas.«, überlegte sie. »Aber .. ich weiß nicht, versuch deinem Instinkt zu vertrauen.« »Meinem Instinkt?«, wiederholte Noah skeptisch. »Genau. Du hast schon immer auf deinen Instinkt gehört. Und meistens hast du damit richtig gelegen.«

Noah lächelte schwach. »Okay.«

Seinem Instinkt vertrauen.

Nun .. das sollte nicht so schwer sein, oder?



Noah sah Julia dabei zu, wie sie durch den Raum lief. Sie sah Noah verängstigt an. Colin spielte gerade einen Zombie und trottete ihr hinterher.

»Wie soll ich reinkommen? Hier ist alles zu! Sie kommen näher!«

Colin gab Zombie-Geräusche von sich und Noah konnte sich ein winziges Grinsen nicht verkneifen.

»Laros!«

»Ein bisschen zu viel Drama«, meinte Noah. »Entschuldige, ich bange hier um mein Leben!«, sagte Julia empört. Noah lachte leise und Julia grinste schwach.

Sie seufzte und senkte den Blick.

Colin guckte sie fragend an. »Alles okay?«, fragte er. Julia nickte schnell. »Ja.« Sie gab Colin die Zombie-Maske. »Kannst du die bitte aufsetzen? Dein richtiges Gesicht kann ich nicht ernstnehmen.« »Friss sie, Colin!«, scherzte Noah.

Erneut gab Colin Zombie-Geräusche von sich. Er packte Julia am Arm und tat so, als würde er sie beißen.

Julia lachte herzlich auf.

»Noah, bitte schmeiß ihn raus.«

Noah erhob sich und ging auf Colin zu. »Ne. Ich find Colin super.« Der Brünette lächelte den Jungen an und verbeugte sich. »Danke, danke.« »Als Platzhalter.«, fügte Noah spaßeshalber hinzu.

Ein ungläubiges Lächeln breitete sich auf Colins Lippen aus und Noah lachte leise.

»Autsch. Du hast meine Gefühle verletzt.«, kommentierte Colin ironisch. Noah pikte ihm in die Seite. »Zombies haben keine Gefühle. Zombies stinken.« »Ich wette, ich kann stinken wie zehn Zombies.«, überlegte Colin und grinste.

Die Jungs lehnten sich beide gegen den Tisch.

Colin legte seinen Kopf auf Noahs Schulter. Sie verschränkten beide ihre Arme vor der Brust. Noah schmunzelte und musterte den Jungen von der Seite.

Es war einfach ihr Ding geworden. Sie liebten es, ihre Köpfe auf die Schulter des jeweils anderen zu legen.

»Joel hat mir erzählt, dass er für euren Stuhl schon an der Geruchs-Funktion arbeitet«, sagte Noah leise. Colin schnaubte und lächelte mild.

»Ich will euch echt nicht beim flirten stören, aber kommt Ava noch zur Technik-Probe?«

Sowohl Noah als auch Colin ignorierten den ersten Teil des Satzes. Noah sah Julia an. »Die hat für heute abgesagt«, sagte er. »Vielleicht redet sie doch nochmal mit ihren Bruder.«

Als Noah herausfand, dass Ava die Schwester von Patrick Eilers war, war er ganz aufgedreht gewesen. Insgeheim betete er dafür, dass Patrick in seinem Film mitmachen würde.

»Noah, echt jetzt?« »Was?« Julia seufzte. »Ich mach mir Sorgen, und du denkst nur an Patrick.«, antwortete sie vorwurfsvoll.

Colin hob seinen Kopf von Noahs Schulter. Der Blonde sah Colin von der Seite an und legte schließlich seinen Kopf auf die Schulter von Colin.

»Julia, entspann dich. Wahrscheinlich zockt sie nur.«, meinte Colin.

Die Blonde biss sich verunsichert auf die Unterlippe.

Colin und Noah musterten das Mädchen stumm.

»Wir können für heute erstmal aufhören.«, warf Noah ein.

»Okay.«, sagte Julia nur.

Julia verabschiedete sich von den Jungs, dann ging sie und schloss die Tür hinter sich.

Colin sah immer noch zur Tür, während Noah ihn von der Seite aus musterte.

Als der Brünette bemerkte, dass Noah ihn ansah, drehte er seinen Kopf ein wenig, sodass er Noah ansehen konnte.

Noah lächelte.

Colin verspürte wieder so viele Endorphine in dem Moment. Sein Magen kitzelte.

Plötzlich kam ihm wieder dieser Satz von Julia in den Sinn. Es war schon das zweite Mal, dass sie sagte, dass die beiden flirteten miteinander.

»Woran denkst du?«, fragte Noah. »Nichts.«, sagte Colin. »Du bist 'n schlechter Lügner.«, stellte Noah fest und hob seinen Kopf von Colins Schulter. Er sah den Jungen abwartend an. »Sag schon. Worüber denkst du nach?«

Colins Wangen wurden rosa. Er biss sich auf die Zunge.

»Flirten wir miteinander?«, fragte er und sein Gehirn flüsterte ihm ganz leise ein Ja zu.

Noah runzelte die Stirn und lächelte unschuldig. »Was? Wir?«, fragte er und tat so, als wäre er völlig ahnungslos. »Niemals.« Er grinste leicht und Colin verdrehte lächelnd die Augen. »Eigentlich kann ich dich überhaupt nicht leiden.« »Idiot.«, murmelte Colin mit geröteten Wangen.

Irgendwas in Colin sagte ihm, dass seine Gefühle vermutlich nicht ganz einseitig waren, aber er hatte bisher nicht den Mut aufgebracht, mit Noah darüber zu reden. Noah sprach nicht gern über Gefühle.

»Mittagessen?«, fragte Noah irgendwann und unterbrach Colins Gedanken.

Wie auf Kommando begann Colins Magen zu grummeln. »Mittagessen.«

Die zwei schnappten sich ihre Rucksäcke und machten sich auf den Weg in die Küche.



»Laros! Laros!«

Noah kam aus dem Gebüsch hervor. Julia ging hektisch und besorgt auf ihn zu.

»Nein, bitte nicht-«, stammelte sie. »Bitte sag mir, dass das nur ein Kratzer ist!«

Noah öffnete die Augen und guckte direkt in Colins Kamera.

Irgendwas gefiel ihm gerade daran nicht. »Kannst du das vielleicht von da drüben nochmal drehen?«

Julia runzelte verdattert die Stirn. »Äh, hallo? Die Szene war noch gar nicht fertig!«

Heute wollten sie anfangen, schon einige Szenen zu drehen. Und, nun .. es lief nicht wirklich alles nach Plan. Noah war äußerst kritisch und änderte Kleinigkeiten sehr schnell. Und so langsam verlor Julia die Geduld.

Noah ging rüber zu Ava. »Das Blut ist zu wenig«, sagte er ihr. Ava nickte und tupfte noch etwas mehr Kunstblut auf Noahs Hals.

»Können wir die Szene bitte einmal komplett durchspielen?«, wollte Julia gereizt wissen.

»Ja, bin bereit. Von Anfang an.«

Julia und Noah gingen zurück auf ihre Positionen.

»Und Action!«

Colin startete die Aufnahme.

Noah versteckte sich hinter einem Busch.

»Laros! Laros!«

Plötzlich fiel Noah wieder etwas ein.

»Hatten wir nicht 'ne Perücke für Shaya?«

»Äh, nope. Die hab ich zu Zombiehaaren gemacht.«, antwortete Ava.

Julia sah Noah genervt an. »Ich spiel hier 'ne Szene!«

»Hat sich eh erledigt. Wir drehen von Anfang.«

Wieder gingen die zwei auf ihre Positionen.

»Und Action!«

Julia wollte wieder beginnen, aber dann-

»Wartet mal kurz.« Noah kam aus dem Gebüsch.

Julias Wut fing an, überzukochen. Sie starrte Noah sauer an. »So kann ich unmöglich arbeiten!«, rief Julia verärgert. »Du bist null in deiner Rolle!« »Ich bin auch der Regisseur.«, warf Noah entnervt ein. »Dann muss halt wer anders Laros spielen!«, meckerte Julia. »Es können ja nicht alle schlecht beim Casting gewesen sein!« Noahs Blick schweifte zu Colin. Er lächelte den Jungen an. »Colin war gut.«

Colin lächelte verunsichert und kratzte sich am Hinterkopf.

Julia stöhnte genervt auf.

Für Colin war diese Situation wirklich nicht einfach. Es waren beide seine absoluten Lieblingsmenschen. Er verstand Julias Wut, aber er konnte auch Noah nachvollziehen. Er hatte so viele Sachen, um die er sich kümmern musste.

Noah guckte wieder Julia an. »Aber er hat anderes zu tun. Es bleibt also nur ich.« Julia rollte verärgert mit den Augen.

Noah ging rüber zu Colin. Ava versuchte Julia aufzuheitern, doch sie scheiterte. Diese starrte Noah finster an. Noah starrte böse zurück.

Noch immer blieb Colin still.



»Du könntest ruhig auch mal was sagen.«, murmelte Julia wütend, während sie mit ihrem Textmarker einige Zeilen aus dem Text markierte. Herr Zech hat schon wieder neue Hausaufgaben aufgegeben.

»Ich versteh dich ja«, gab Colin zu, »aber du musst mal Noahs Lage betrachten. Er muss sich um so viel kümmern.«

»Du stehst also auf seiner Seite?«

»Ich will auf keiner Seite stehen.«, erwiderte Colin. »Ich versuche nur, beide Seiten zu verstehen. Ich versteh, dass du gestresst bist, aber versuch einfach 'n bisschen mehr Geduld mit Noah zu haben.«

Julia grummelte.

Sie legte genervt den Kopf auf den Tisch.

Drei Sekunden später seufzte sie und erhob sich vom Stuhl. Sie packte ihre Sachen zusammen und ging.

»Julia, ich meine es gar nicht böse-«, sagte der Brünette hastig. »Ich bin nicht sauer.«, widersprach sie. »Ich mach einfach später die Hausaufgaben. Ich will grad ehrlich gesagt nur meine Ruhe haben.« Colin biss sich unsicher auf die Unterlippe. Statt Julia aufhalten zu wollen, ließ er sie gehen.

Der Junge seufzte müde. Er rieb sich die Stirn und legte seinen Kopf in den Nacken.

Wenige Minuten später konnte Colin Schritte hinter sich hören - es war Noah.

Als er Colin entdeckte, begann er zu lächeln. Er lächelte viel in Colins Gegenwart.

Der Brünette lächelte schwach. »Hey.« »Hi. Hast du schon mit Geschichte angefangen?« Noah setzte sich neben ihn. Colin seufzte müde. Er legte seinen Kopf auf Noahs Schulter. »Hab grad ehrlich gesagt keine Nerven dafür.«, gab Colin zu. »Julia ist genervt.« »Hm.«

Colin biss sich verunsichert auf die Zunge. Er hob den Kopf von Noahs Schulter.

»Gibt's wirklich keinen, der Laros spielen kann?« Noah schüttelte den Kopf. »Nein.« »Ich versteh, dass der Film gut werden soll, aber .. ich glaube nicht, dass es schlau ist, wenn du Laros und Regisseur gleichzeitig bist.«, warf Colin verunsichert ein. Noah verdrehte die Augen. »Ich mein es nur gut«, sagte der Brünette. »Für Julia ist das wirklich wichtig-« »Für mich doch auch«, unterbrach Noah gereizt. »Ich weiß, aber sieh mal: Du musst dich um so viel Zeug kümmern, dass du kaum Zeit hast, dich auf deine Rolle zu konzentrieren.«, erklärte Colin. »Tja, es gibt aber eben nur mich.«, gab Noah schroff von sich und verschränkte die Arme ineinander. Er wandt stur den Blick ab.

Colin musterte den Blonden nachdenklich. Vielleicht sollte Colin sich einfach da raushalten. Er wollte Noah nicht noch weiter reizen und er hatte keine Lust, sich zu streiten.

»Weißt du was? Klärt das unter euch.«, sagte er einfach. »Ich werd mich da nicht weiter einmischen.«

Er erhob sich und packte seine Schulsachen in den Rucksack. Dann schmiss er sich seine Tasche um die Schultern.

»Wo gehst du hin?«

»Ich geh zu Joel. Ich muss sowieso mit ihm noch über den Stuhl reden.«

Das war gelogen. Zumindest die Sache mit dem Stuhl. Aber Joel war grad der Einzige, der Colins Nerven nicht auf die Probe stellte.

Noah spürte, wie die Enttäuschung in ihm aufstieg. Er raufte sich frustriert die Haare.



»Du siehst genervt aus.«, kommentierte Joel, der auf seinem Bett im Schneidersitz saß. »Kann sein«, gab Colin zu und stellte seinen Rucksack ab. Joel musterte den Jungen. »Und weswegen?«

Colin setzte sich neben Joel aufs Bett im Schneidersitz. Er spielte ein wenig mit Joels Stoff-Känguru herum.

»Julia und Noah haben Stress.«, erklärte Colin. »Noah ist Regisseur und Laros gleichzeitig; was super schwierig ist, weil er sich auf hundert Sachen konzentrieren muss und dabei nicht wirklich Zeit findet, sich auf seine Rolle zu konzentrieren.« »Und Julia gefällt das natürlich nicht.«, dachte Joel nach. Colin nickte. »Mhm. Ich will mich da aber echt nicht weiter einmischen. Die sollen das unter sich klären.«

Der Brünette rieb sich müde die Stirn.

»Kann man irgendwie den Kopf ausschalten?«, wollte Colin wissen.

Joel lächelte vielsagend.

Colin musterte den Jungen irritiert.

Der Junge schaltete sein Tablet ein und öffnete YouTube. Zehn Sekunden später lief auf seinem Tablet Meditationsmusik.

Colin grinste leicht. Er hob die Augenbraue und Joel grinste zurück.

»Mediation hilft nicht nur zur Verbesserung der eigenen Konzentration oder Emotionsregulierung; sie hilft auch dabei, den Geist zu beruhigen und Stress abzubauen.«, erklärte Joel sachlich.

Colin nickte interessiert.

Joel setzte sich gerade hin und schloss die Augen.

»Augen zu.«

Gesagt, getan. Colin schloss seine Augen.

Die ersten vier Minuten konnten die zwei überhaupt nicht ernst bleiben - Colin fing teilweise an zu lachen oder pikte Joel in die Schulter, wodurch Joel ebenfalls lachen musste.

Irgendwann rissen sich die zwei doch schließlich zusammen.

Sie schlossen beide die Augen und atmeten tief ein. Colin hielt für zehn Sekunden die Luft an, dann atmete er durch die Nase wieder aus.

Und so ging das für eine kleine Weile. Vielleicht fünfzehn oder dreißig Minuten. Sie saßen stumm nebeneinander, lauschten der Meditationsmusik und atmeten immer wieder ruhig durch die Nase ein und wieder aus. Und tatsächlich hatte Joel Recht. Colin fühlte sich jetzt viel entspannter.

Irgendwann öffnete Colin seine Augen. Sein Blick schweifte rüber zu Joel, der die Augen immer noch zuhielt und soeben die Luft anhielt.

Er wusste noch, wie er Joel am Anfang etwas nervig und seltsam gefunden hatte. Ja, er war immer noch ein bisschen nervig, und er war manchmal ein kleiner Trottel, aber er war absolut liebenswert. Colin würde ihn insgeheim schon fast als seinen besten Freund bezeichnen.

Auf Colins Lippen bildete sich ein Lächeln.

Dann öffnete auch Joel seine Augen. Er lächelte Colin an.

»Hilft es?«, fragte er. Colin nickte sofort. »Ja, total.«



Noah blätterte durch das Drehbuch.

Julia hatte einige Zeilen gestrichen, und, nun .. Noah gefiel das ganz und gar nicht.

Er guckte Julia an. »Glückwunsch. Die Story ist komplett ruiniert, wenn du das erreichen wolltest.« »Was? Wie das denn?«, fragte Julia perplex. »Laros wird direkt zum Zombie und steht nur rum!«, warf Noah ein. »Ja, und Shaya hofft den ganzen Film über, dass sie ihn noch retten kann.«, meinte Julia. »Nein!«, widersprach Noah. »Wieso?«, stöhnte Julia. »Es bleibt, wie es ist!«, antwortete Noah gereizt. »Aber-« »Was, aber?«, fauchte der Blonde. Julia schluckte und versuchte, ruhig zu bleiben. »Noah, du bist überhaupt nicht in deiner Rolle. Und das verstehe ich! Du musst dich um tausende Sachen kümmern. Und damit du dafür Zeit hast, muss Laros früher zum Zombie werden. Den dann jemand anderes spielen kann, okay?«

Julia betete dafür, dass sie Noah überzeugen konnte.

»Ich könnte die Zombie-Maske von Laros in mehreren Verwesungsstufen machen«, schlug Ava vor.

Julia nickte sofort. »Das ist doch super! Das bringt noch mehr Drama rein!«

Noah schluckte seine Wut herunter. Er ließ das Drehbuch auf den Boden fallen. »Was an "Nein" kapierst du nicht!?« Wütend trottete er davon.



Mittlerweile war es Abends. Die Sonne begann, so langsam unterzugehen.

Noah hatte Colin den restlichen Tag über nicht gesehen. Er wollte es nicht zugeben, aber er vermisste diesen Idioten. Er wollte Colin einfach sehen.

Und nicht nur das - er hatte sich vorhin einmal das Material angeschaut, und leider war es wirklich nicht gut. Er hasste es, dass Julia Recht hat.

Schlimmer war die Tatsache, dass es ohne Laros keinen Film geben würde.

Vielleicht würde Kuchen die Laune von Noah etwas verbessern.

Als Noah die Küche betrat, sah er Colin und Joel - sie aßen vom Kuchen und Colin erzählte Joel soeben einen Witz, weswegen Joel herzlich lachen musste.

Noahs Herz begann zu rasen, als er sich den beiden näherte.

Die Jungs hoben ihre Köpfe, um Noah anzuschauen. Colin lächelte leicht. »Hey, na?« »Hi«, sagte Joel und winkte ihm zu. Noah schaffte es nicht, zu lächeln. »Hi.« Colin bemerkte seinen enttäuschten Gesichtsausdruck.

Noah holte sich einen kleinen Teller, dann ging er rüber zur Theke und schnitt sich ein kleines Stück vom Kuchen ab. Er stellte sich neben Colin hin. Ihre Arme berührten sich.

»Alles okay?«, fragte Colin ruhig. Noah schüttelte den Kopf. »Was ist los?« Noah seufzte deprimiert. »Julia hatte Recht. Ich hab mir vorhin das Material angesehen. Es sieht scheiße aus. Und ohne Laros ist das nicht länger mein Film.« Colin und Joel betrachteten den Blonden mitfühlend. »Oh.« »Tut mir Leid«, sagte Joel aufrichtig. »Egal«, murmelte Noah und biss ein Stück von seinem Kuchen ab.

Auch der Kuchen machte es nicht besser. Zwar schmeckte er, aber es besserte seine Laune nicht gerade.

Colin musterte den Jungen mitfühlend.

Er blickte stumm zu Joel. Colin brauchte nichts zu sagen; Joel verstand ihn auch ohne Worte. Er konnte Colins Gedanken praktisch lesen und nickte. Colin lächelte dankbar. Danke dir. Joel lächelte zurück und nickte Colin zu, um ihm zu signalisieren, dass seine Botschaft angekommen war.

Als Joel aus der Küche verschwunden war, betrachtete Colin wieder den Jungen neben sich.

Noah schluckte das Stück Kuchen herunter. »Sorry.« Der Brünette runzelte die Stirn. »Wegen was?« »Ich wollte vorhin nicht so grob sein.«, antwortete Noah. »Ich bin einfach nur gestresst. Tut mir Leid.« »Ist schon gut«, erwiderte Colin ruhig und strich über Noahs Schulter.

Er biss sich zögerlich auf die Zunge. »Gibt's irgendwas, was ich grad sagen kann, was dich aufheitern würde?«

»Wahrscheinlich nicht«, gab Noah ehrlich zu.

»Willst du 'ne Umarmung?«

Noah blickte den größeren Jungen an. Er wollte wirklich lächeln, aber er schaffte es nicht.

Stumm lehnte sich der Blonde gegen Colin. Sofort drückte Colin den Jungen fest an sich. Noah versteckte sein Gesicht in Colins Brust. Dadurch konnte er Colins Geruch tief einatmen. Er roch wirklich gut. Er liebte Colins Duft.

Der Brünette strich zaghaft über Noahs blonde Haare.

Noah entfernte sich ein kleines Stück von Colin, sodass er ihn ansehen konnte. Seine Wangen schimmerten rosa.

»Danke.« »Wofür?« Noah zuckte mit den Schultern. »Alles irgendwie.«

Der Brünette versuchte ein kleines Lächeln, in der Hoffnung, dass er damit Noah trösten konnte.

Noahs Magen begann zu prickeln. Colin hatte mehrere Arten, wenn er lächelte. Ganz besonders liebte Noah die Art, wenn Colin ihn voller Schüchternheit und Vorsicht anlächelte. Er sah bezaubernd mit diesem Lächeln aus.

Dann begann Noah langsam zu lächeln.

Colins Lächeln wurde automatisch breiter. Sein Herz machte einen Hüpfer.

Dieses Lächeln liebte Noah auch. Wenn er anfing zu lächeln, wurde Colins Lächeln automatisch größer.

Vielleicht war das einer der Gründe, warum Noah sich so verliebt hatte in ihn.

Weil Colin ein absoluter Herzensmensch war.

Noahs Wangen schimmerten rötlich. Colin musterte seine Wangen und Noah sah zu, wie Colins eigene Wangen rosa wurden.

Als der Größere wieder in Noahs Augen sah, machte Noahs Herz einen Sprung.

Gott. Er liebte Colins Augen.

Vielleicht war das auch einer der Gründe, wieso Noah sich in Colin verliebt hatte.

Colin hatte einfach die schönsten Augen, die Noah kannte.

Sie begriffen, dass sie sich anstarrten.

Freunde starrten sich nicht so intensiv an. Das wusste er ohne Zweifel. Und es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie sich anstarrten.

Noah schluckte.

Irgendwann fiel sein Blick auf Colins Lippen.

Für drei Sekunden vergaß Noah, wie atmen funktionierte.

Colin bemerkte, dass Noah auf seine Lippen sah. Sein Herz begann zu rasen.

Zögerlich sah Noah wieder in Colins Augen.

Sein Herz klopfte ganz aufgeregt, seine Wangen waren tiefrot.


»Noah?«

Vor Schreck entfernten sich die Jungs voneinander, als sie eine weibliche Stimme wahrnehmen konnten.

Zwei Sekunden später betrat Ava die Küche. Abrupt blieb das Mädchen stehen, als sie die verdatterten Gesichter von Colin und Noah sah.

»Äh, alles okay bei euch?«

Noah und Colin nickten schnell. »Ja«, sagten sie synchron. Noahs Herz raste. Seine Wangen gewannen wieder an Hitze. Für drei Millisekunden sahen sich die Jungs wieder an. Colins Wangen waren mindestens genau so rot, wie die von Noah.

Noah wandte verkrampft den Blick von dem Jungen ab und sah Ava an. »Was ist?«, fragte er und versuchte verzweifelt, das Herzrasen in seiner Brust zu ignorieren.

»Ich ...- ich hab mit Patrick grad geredet.«

Überrascht weitete Noah seine Augen.

»Ich hab ihn gefragt, ob er Zeit hätte, in deinem Film mitzumachen.«, sagte Ava. Sie lächelte mild. »Er ist einverstanden.«

Noah blinzelte ungläubig.

Er brauchte fünf Sekunden, bevor er raffen konnte, dass Patrick in seinem Film mitmachen würde.

Ein riesiges Strahlen breitete sich aus seinem Gesicht aus.

Ava lächelte zurück. »Du brauchst dich nicht bedanken.«, sagte sie schlicht. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie sich um und verließ die Küche.

Colin hatte es immer noch nicht realisiert. Er sah Noah an, der wie bekloppt lächelte.

»Ist das grad echt passiert?«, fragte Colin dümmlich.

Noah lachte leise auf. »Ja!«

Er schmiss sich Colin um den Hals und Colin erwiderte die Umarmung sofort, wenn auch etwas überfordert und perplex.

Tausende Endorphine überströmten Noah in der Sekunde. Er konnte es wirklich nicht in Worte fassen, wie glücklich er gerade war. Er hatte seinen Laros. Sein Film musste nicht ins Wasser fallen.

Colin strich behutsam über Noahs Schulter. Langsam hob der Blonde seinen Kopf, um Colin anzusehen.

Der Brünette lächelte Noah an. »Das wird super«, versicherte er dem Jungen. Noah nickte sofort. Er grinste glücklich, dann schmiegte er seinen Kopf wieder an Colins Schulter.

Die Situation von vorhin geisterte allerdings immer noch in Colins Kopf herum.

Er fing an, sich zu fragen, was passiert wäre, wenn Ava sie nicht gestört hätte.

Aber darüber konnte er wann anders nachdenken. Er freute sich gerade einfach über die Tatsache, dass Noahs ganze Arbeit für den Film nicht umsonst war.

10

»Ich werd jetzt nur noch die Decke anstarren und den Kopf ausschalten. Machst du mit?«

Noch immer dachte Colin über gestern nach. Es ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Zwar haben sich Noah und Colin öfter angestarrt, aber gestern .. Es hat sich anders angefühlt. Intensiver.

Wenn Ava nicht gewesen wäre, hätten sie sich wahrscheinlich-

Colin hat nach der Trennung von Julia niemanden mehr geküsst. Aber gestern hatte Noah ihn so intensiv angeschaut, dass Colin anfing, sich zu fragen, wie es wäre, Jungs zu küssen.

Gott. Das war absolut nicht mehr platonisch. Noah hatte ihn angestarrt, als wollte er Colin küssen.

Die Hoffnung, dass Colins Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten, wurden langsam größer. Es war wie ein kleines Licht, was sich noch nicht traute, zu strahlen.

Er schielte heimlich rüber zu Noahs Bett.

Noah saß da und schrieb etwas in seinen Collegeblock.

Colins Herz klopfte nervös. »Hast du schon Bio angefangen?«, fragte er, um die Stille zwischen ihnen zu brechen. Noah sagte nichts. »Brauchst du Hilfe?« »Nein.«, lehnte Noah ab.

Colins Handy vibrierte. Es war Joel. Heute Morgen hatte Joel wieder neue Ideen für ihren Stuhl bekommen und redete quasi über nichts anderes mehr.

»Find's immer noch krass, dass Avas Bruder in deinem Film mitmacht.«, gab Colin zu. »Bist du schon aufgeregt?« »Blöde Frage.«, erwiderte Noah.

Colins Handy vibrierte schon wieder.

»Hast du Hunger?«

»Nein.«

»Wenn Julia nervös ist, vergisst sie immer zu essen.«, erzählte Colin.

Noah seufzte.

Wieder sah Colin rüber zu Noah. »Joel hat schon wieder zig Ideen für den Stuhl.«

Noah verdrehte die Augen. Er sah den Jungen an. »Colin, von allen Menschen auf dem Einstein, gehst du mir am wenigsten auf die Nerven. Also tu mir bitte den Gefallen und geh mir nicht auf den Keks.«

Colin musterte den Jungen etwas perplex. »Okay, sorry, dass ich mit dir rede.«, entschuldigte er sich.

»Red mit der Wand. Bitte.«

Noah senkte den Blick und schrieb wieder in seinen Collegeblock.

Colin betrachtete ihn stumm. Statt noch etwas zu sagen, warf sich Colin seine Schultasche um die Schultern. Er ging rüber zur Tür. Noah sah ihm nach, bis Colin die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Noahs Blick verweilte für fünf Sekunden bei der Tür. Dann senkte er den Blick wieder auf seinen Collegeblock.

Warum ich dich mag

1. Du bist ein Trottel. Ein liebenswerter Trottel.
2. Weil du so anders bist, als alle anderen.
3. Ich liebe es, wenn du lächelst.
4. Ich liebe es, wenn ich meinen Kopf auf deine Schulter lege oder du deinen auf meine legst.
5. Du bist witzig. Manchmal.
6. Du bist nett.
7. Du hörst zu.
8. Du bist verständnisvoll.
9. Du hast mir mit Freddy geholfen, obwohl ich dich nicht darum gebeten hab.

Noah schluckte.

Er hat diese Liste an dem Tag angefangen, als Colin sich bei ihm für den Kurzfilm bedankt hat.

Mit jedem Tag schien die Liste größer zu werden.



Colin ging nach draußen. Es war warm heute, also würde es sicherlich nicht schaden, wenn er seine Hausaufgaben draußen machen würde.

Sein Handy vibrierte. Noah hatte ihm geschrieben. Colins Herz machte einen kleinen Hüpfer.

Sorry ..

Colin lächelte leicht.

Er hob den Kopf, als er Schritte hören konnte; es war Joel.

Er sah irritiert aus. »Ich dachte, du bist mit mir im Share-Space. Alle sind da. Ich hab uns extra Platz reserviert.« »Das scheint in deinen dreißig Nachrichten untergetaucht zu sein.«, überlegte Colin. »Kommst du jetzt?«, wollte Joel wissen. Colin seufzte. »Ich muss eigentlich noch Hausaufgaben machen.«, meinte er.

Die zwei bewegten sich in Richtung Tischtennisplatte.

»Hast du meine Nachricht wegen der Geruchsfunktion bekommen?«, wollte Joel wissen. Colin hockte sich auf die Tischtennisplatte. »Ja, hab ich«, bestätigte er. »Das ist absolut irre.« »Alle sagen immer, es geht nicht. Bis jemand kommt und es macht.«, antwortete Joel. Colin schwieg. Joel starrte ihn an. »Es geht nicht, oder?« »Ich glaub, es geht.«, warf Colin ein. »Am Stuhl klebt schon ein Kanister. Wir können Aromen über Wasserdampf vernebeln. Und ich denke, über mehrere Kammern könnten wir Gerüche ansteuern.« Joel nickte zufrieden.

»Äh, sag mal, könntest du das Sirius im Share-Space vermitteln? Der schreibt was für den RocketXpress.« Colin guckte Joel an. »Ich wiederhole es nochmal für dich: Ich wollte Hausaufgaben machen.«, stellte er klar. »Ich versteh dich, aber du musst 'nen Gang runterkommen. Du ballerst mich die ganze Zeit mit Aufgaben zu.« »Sorry«, entschuldigte sich Joel. »Vorschlag: Du machst die Hausaufgaben, dann kommst du ins Share-Space fürs Interview und dann kümmern wir uns um die Geruchsfunktionen. Okay?« Colin seufzte. Joel räusperte sich nervös. »Gut, äh .. dann bis gleich!« Colin guckte dem Jungen hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war.

Statt sich Gedanken über Joel zu machen, fing Colin mit Bio an. Er senkte den Blick und fing an, den Text zu lesen.



»Wirst du nicht grad von irgendjemandem gebraucht?«

Colin lächelte mild und schloss die Tür. Dann stellte er den Rucksack ab und hockte sich aufs Bett.

»Ich dachte, ich geh lieber dir auf den Keks.«, meinte Colin.

Noah verdrehte lächelnd die Augen und Colin verspürte Stolz in sich. Er liebte es, wenn er Noah zum lächeln brachte.

»Sorry wegen meiner miesen Laune vorhin«, entschuldigte sich Noah. Colin lächelte den Blonden sanftmütig an. »Schon okay.«

Noah packte seinen Collegeblock in seinen Rucksack. Dann hockte er sich aufs Bett.

»Ich glaub, ich mach jetzt einfach mal gar nichts.«, überlegte er. »Ich boykottiere jetzt gegen den ganzen Stress.« Er lehnte sich gegen sein Kissen und guckte hoch zur Decke. »Ich werd jetzt nur noch die Decke anstarren und den Kopf ausschalten. Machst du mit?«

Colin zögerte. Sein Handy vibrierte; wieder eine Nachricht von Joel.

»Ich weiß nicht.«, gab Colin unsicher zu.

Nichts tun klang geradezu verlockend für ihn. Aber Joel würde ihm wahrscheinlich den Kopf abreißen.

Er schluckte. »Ich kann das nicht.«

»Schon okay.«

Colin blieb noch einige Sekunden sitzen und sah zu, wie Noah einfach da lag und die Decke anstarrte.

Er seufzte. Widerwillig erhob sich der Brünette vom Bett, ging zur Tür und schloss diese hinter sich.



Acht Minuten später hat Colin das Share-Space erreicht.

Er sah Joel, und dieser sah leicht genervt aus.

»Sirius ist weg.« »Jetzt schon?«, wunderte sich Colin. »Wo zum Henker warst du?«, wollte Joel wissen. »Ich hab dich angerufen, aber du hast mich natürlich ignoriert.« »Joel, ich bin jetzt grad extra hergekommen. Dabei hätte ich noch anderes Zeug zu tun.«

Hast du nicht.

Colin ignorierte die Stimme in seinem Kopf.

»Das Interview mit Sirius kann doch noch warten.«, meinte Colin. Joel seufzte frustriert. »Was ist los mit dir, Colin?«, fragte er. Joel blieb stehen. »Ich dachte, ich hätte mir einen Gewinner ausgesucht.«

Colin blieb stehen.

Genervt verdrehte er die Augen, drehte sich zu Joel um und trat auf den Jungen zu. »Joel, wir sind Freunde. Ich bin kein Preis, den man gewinnen kann.«

Dann ging er an Joel vorbei. Joel sah ihm verdattert hinterher.



Mit klopfendem Herzen betrat Colin sein Zimmer. Er blickte rüber zu Noahs Bett. Noch immer lag er da und starrte die Decke an.

Noah setzte sich auf und sah Colin an. Der Brünette musterte ihn fragend. Kann ich mitmachen? Zögerlich biss Colin sich auf die Unterlippe. Er hoffte, dass Noah ihn auch so verstand.

Der Blonde lächelte nur. Er rückte einen Stück näher an die Wand, sodass Colin sich neben ihn legen konnte. Ihre Betten waren nicht sonderlich groß, aber der Platz reichte für die zwei. Ihre Arme berührten sich. Es störte weder Colin noch Noah.

Er drehte seinen Kopf, sodass er Noah ansehen konnte. Dann sah er wieder hoch zur Decke.



Aus fünf Minuten wurden zehn Minuten. Aus zehn Minuten wurden zwanzig, dann dreißig.

Noah drehte seinen Kopf, sodass er Colin ansehen konnte. Der Brünette hatte die Augen geschlossen. Er seufzte.

»Alles klar?«, fragte Noah ruhig. »Ich hab grad an die Kanister gedacht.«, antwortete Colin. »Schalte dein Hirn aus.«, meinte Noah und sah wieder zur Decke. »Ist schwer«, gab Colin zu.

Ohne Meditationsmusik fiel es ihm schwerer, seinen Kopf auszuschalten.

Der Brünette guckte Noah an. »An was denkst du denn nicht?«, wollte er wissen. »An Freddy, wie er einen Ball fängt.«, erklärte Noah simpel. »Werfen, Hund rennt, fangen, werfen, fangen. Die ganze Zeit.«

Noah sah Colin an. »Du denkst schon wieder an was.« Colin versuchte, nicht zu lächeln. »Das stimmt nicht.«

Er dachte an Noah.

Noah, Umarmung, Nähe, Starren.
Noah, Umarmung, Nähe, Starren.

»Es war nichts Wissenschaftliches.«

»Wow.«

Jetzt musste Colin über Joel nachdenken.

»Joel.«, seufzte der Junge. »Das macht es nicht besser.«, warf Noah ein. »Wie er ständig in seinem Stuhl rumlungert. Und wie er andauernd neue Ideen hat. Kaum ist die eine Idee fertig, schon kommt die nächste. Das ist wie mit deinem Ball: weg, da, weg, da.«

Noah schloss die Augen. Colin musterte ihn schweigend.

»Vielleicht hilft's dir, den Kopf auszuschalten, wenn du die Augen zumachst.«, schlug Noah vor.

Colin sah wieder zur Decke, dann schloss er die Augen.

Er hielt für zehn Sekunden die Luft an. Dann atmete er ruhig durch die Nase wieder aus.

Und immer so weiter, wie letztens, als er mit Joel meditierte. Er verbannte ihn aus seinem Kopf.

Wenige Minuten später fühlte sich Colin deutlich entspannter. Er stellte zufrieden fest, dass sein Kopf leer war.



Aus fünfunddreißig Minuten wurde fast eine Stunde.

Noahs Kopf dachte an Colin.

Umarmung, Starren, rote Wangen, blaue Augen.

Die ganze Zeit.

Er versuchte vergeblich, an nichts zu denken, aber er scheiterte. Noahs Gehirn dachte nur noch an Colin.

Sein Blick schweifte zu Colin. Der Brünette hatte die Augen geschlossen.

Irgendwann öffnete Colin die Augen.

Noah schluckte. Er konnte seinen Blick nicht von Colin abwenden.

Langsam drehte Colin seinen Kopf, sodass er Noah ansehen konnte.

Der Blonde spürte, wie sein Herz anfing zu rasen. Er schluckte. Seine Wangen gewannen an Röte.

Er musterte Colins hellbraune Locken. Sie sahen flauschig aus. Dann fiel sein Blick auf Colins Wangen. Er stellte fest, dass der Junge Sommersprossen hatte; wenige, aber er konnte sie erkennen.

Er sah in Colins Augen.

Gott. Noah liebte seine Augen wirklich. Er könnte Colin ewig angucken, und ihm würde nicht langweilig werden.

Er realisierte, dass auch Colin ihn musterte. Er sah auf seine blonden Haare, die Noah wie immer mit seinem Haargummi zusammenband. Er musterte Noahs Gesicht. Noahs Nase war vermutlich etwas zierlicher, als die von Colin. Colins Blick landete auf Noahs Lippen.

Noah, Lippen, Küssen.

Hilfe.

Colins Gehirn fing an, ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Zögerlich sah er in Noahs Augen, die auf Colins Lippen sahen.

Der Brünette schluckte.

Zögerlich sahen sich die Jungs an. Noahs Wangen waren tiefrot. Er sah gut aus. Es war niedlich, wenn Noah errötete.

Noah atmete zittrig aus. Er wandte den Blick von Colin ab.

Der Blonde setzte sich auf und Colin tat es ihm gleich.

Noah sah Colin schüchtern an.

Zaghaft griff der Junge nach Noahs Hand. Er versuchte, seinem Gefühl zu vertrauen. Noah umfasste Colins Hand fester, bis sich ihre Finger ineinander verschränkten.

Wärme stieg in Colins Brust auf. Tausende Schmetterlinge flatterten aufgeregt in seinem Magen.

Voller Vorsicht strich Noah über Colins Hand.

»Ich muss dir was sagen«, sagte Noah leise.

Colin hob langsam den Kopf, um den Jungen anzusehen.

Noah errötete noch mehr.

Kein Ton kam aus ihm heraus. Als hätte ihn sein Gehirn gerade verlassen.

Colin, ich mag dich.

Ich mag dich.

Ich mag dich.

Er schaffte es nicht.

Colin schluckte. Sein Herz raste, als er begriff, dass seine Gefühle unmöglich auf Einseitigkeit beruhen konnten.

Ängstlich und vorsichtig näherte er sich Noah. Er setzte sich näher an den Jungen heran.

Noah war wie erstarrt.

Noah, Lippen, Küssen.

Colin wollte Noah küssen. Er wollte es. Er wollte es wirklich.

Colin biss sich auf die Unterlippe. Noah schluckte schwer.

Zaghaft näherte er sich Colin, um ihm zu zeigen, dass er es wollte.

Noch nie hatte Noah einen Jungen geküsst, aber er wusste, dass er das wollte.

Ihre Nasen berührten sich fast, und je näher sie sich kamen, umso mehr wollte Noah ihn küssen.

Doch in dem Moment riss die Zimmertür auf.

Erschrocken entfernten sich die Jungs voneinander. Colin zwang sich, seine Wut runter zu schlucken und nicht schreien zu wollen.

Es war Joel.

Noch nie hatte Noah so viel Hass auf seinen Mitbewohner verspürt, wie jetzt gerade.

»Colin, hast du kurz Zeit?«

Colin zitterte. »Was ist?«, fragte er. Sein Gehirn fing wieder an, zu arbeiten.

Joel biss sich verunsichert auf die Lippe. »Ich ..- ich wollte mich entschuldigen. Mein Verhalten war doof.«

Colin schluckte mühsam.

Gott. Wenn Joel nicht gewesen wäre, hätte er Noah geküsst.

»Ich brauche dich. Du bist mein Jackpot.«

Er versuchte, Colin anzulächeln.

Am liebsten wollte Colin diese verdammte Zimmertür verriegeln, sodass niemand stören konnte. Er hätte Noah fast geküsst und er konnte an nichts anderes mehr denken.

Stattdessen lächelte er Joel schwach an.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schloss Joel die Zimmertür wieder.

Noah senkte den Blick und starrte auf seine Hände.

Dann sah er wieder Colin an, der zur Tür guckte.

»Willst du lieber gehen?«, fragte er vorsichtig. Colin seufzte schwer. »Ich bringe ihm mal eben die Geruchskammern.«, beschloss er. Noah nickte verständnisvoll. »Okay.«

Colin erhob sich und ging rüber zu seinem Nachttisch und griff nach den Geruchskammern.

Er legte seine Hand an die Türklinke, zögerte aber kurz.

»Kommst du klar?«, fragte er den Jungen.

Noah lächelte schwach. Er nickte. »Hau ab, Jackpot.«, murmelte er. Colin errötete und warf Noah ein sanftes Lächeln zu. Dann öffnete er die Tür und ging.

Noah brauchte ganze fünf Sekunden, um zu kapieren, dass sich die zwei fast geküsst hätten.

Seine Wangen wurden heiß. Er zog die Knie zu sich und stützte sich mit seinem Kopf gegen sein linkes Knie.

Er zitterte überall und sein Herz schlug wie verrückt.

Sie würden sich küssen.

Bald.

Das wusste Noah einfach.

11

»Aber beste Freunde gucken sich nicht so verliebt an, wie ihr zwei.«

Colin lächelte, als er seine beste Freundin auf der Hängematte im Gemüsegarten entdeckte.

»Hey«, sagte er. Julia hob den Kopf und guckte den Jungen lächelnd an. »Hi, na?« »Bock auf 'ne Challenge?«, bot Colin an. »Eher nicht. Sorry.«, erwiderte Julia.

Colin holte hinter seinem Rücken die kleinen Flaschen hervor.

»Guck mal. Die hab ich für unseren Stuhl bestellt. Die Flaschen sind mit Aromen gefüllt.«, erzählte er. »Nach was riechen die?«, fragte Julia. Colin grinste. »Das ist die Challenge. Kipp dir eine über den Kopf. Ohne vorher daran zu riechen.« »Ich verzichte«, meinte Julia, die auf ihr Handy guckte.

Colin setzte sich auf die Hängematte.

»Wann bist du mal nicht am Handy?«, warf Colin ein. »Du klingst wie meine Oma.«, kommentierte Julia. »Wer soll dich denn jetzt anrufen?«, wollte Colin wissen. »Niemand.«, sagte Julia nur. »Ich mag mein Handy halt.«

Der Brünette glaubte ihr nicht so ganz.

»Glaubst du echt immer noch, dass Ava dir die Nummer von Patrick gibt?«, hakte Colin nach.

Julia setzte sich im Schneidersitz hin und steckte ihr Handy in die Hosentasche.

»Bis der Typ da ist, riechst du hoffentlich wieder normal.«, meinte der Brünette.

Er griff nach einem der Flaschen und öffnete sie. Er hielt die Flasche über Julias Kopf. »Colin, nein!«, lachte sie. »Ich bring dich um!«

Der Junge lachte herzlich und zog den Arm mit dem Aroma wieder zu sich.

Ohne großartig nachzudenken schüttete er sich die Flüssigkeit über den Kopf.

Ihm kroch sofort der vertraute Duft von Apfel und Zimt in die Nase.

»Das riecht nach Weihnachtsmarkt«, überlegte Julia. »Zimt und Apfel«, sagte Colin ohne Zweifel.

Er erhob sich wieder von der Hängematte.

»Ich geh zu Noah.«, beschloss er und setzte sich in Bewegung.




Langsam strich Noah mit seinen Fingerspitzen über das schneeweiße Klavier. Es fühlte sich nicht verstaubt an.

Er hatte schon Ewigkeiten nicht mehr gespielt, aber jetzt packte ihn die Neugier. Er wollte rausfinden, ob er immer noch spielen konnte.

Der Blonde setzte sich auf den Klavierhocker und überlegte.

Als er sich für ein Stück entschieden hatte, legte er seine Finger auf die Tasten. Sein Herz klopfte aufgeregt. Schließlich begann er zu spielen.

Die ersten Töne klangen etwas wackelig und er musste drei mal neu anfangen, weil er die Töne nicht traf, aber beim vierten Versuch funktionierte es besser. Seine Finger flogen praktisch über die Tasten und er lächelte; überrascht und stolz zugleich über die Tatsache, dass er immer noch spielen konnte.

Als er fertig war, lächelte er zufrieden.

Plötzlich konnte Noah zwei vertraute Arme von hinten fühlen. Sein Herz begann zu rasen, als er feststellte, dass es Colin war. Der Brünette stützte seinen Kopf auf Noahs Schulter. Er konnte Colin lächeln spüren. Noahs Herz füllte sich mit Wärme. Er liebte Colins Umarmungen total. Der Junge gab ihm das Gefühl, zuhause zu sein.

»Hi«, murmelte Colin sanft. Noah konnte nicht anders, als zu lächeln. »Hi.« »Hab dich gesucht.«, gab Colin ruhig zu. »Ach ja?«, lächelte Noah und genoss es, wie Colin über seine Schulter strich. »Ja. Hab dich vermisst.«

Noah schmunzelte glücklich und strich behutsam mit seiner Hand über die von Colin.

Colin löste sich von Noah und der Blonde machte Platz, sodass Colin sich neben ihn setzen konnte.

Noah konnte diesen Duft von Colins Aroma riechen.

»Was ist das für'n Duft?«, fragte Noah. »Ist Zimt und Apfel. Ich hab für den Stuhl einige Aromen bestellt.«, erzählte Colin. Noah nickte verstehend. Er legte seinen Kopf auf Colins Schulter. Er schnupperte. Er lächelte leicht. »Du riechst gut.«, gab er zu. Er konnte fühlen, wie Colin lächelte.

»Spielst du?«, fragte Colin irgendwann. Er hat vor kurzem rausgefunden, dass Noah früher Klavier spielte. Noahs Mutter war mächtig stolz gewesen. Allerdings hatte Noah wieder aufgehört, als sich seine Eltern trennten. »Hast du 'nen Wunsch?«, fragte Noah. Colin schüttelte den Kopf und lächelte. »Überrasch mich.«

Kurz überlegte Noah.

Er hielt inne, dann schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Dann legte er seine Finger wieder auf die Tasten, atmete tief durch und begann zu spielen.

Colin lauschte dem Lied, und als er begriff, was für ein Lied das war, begann er freudig zu strahlen.

Noah hat früher beim Klavierunterricht Disney Lieder gespielt - am liebsten mochte er "Bella Notte". Das konnte er von allen Kindern am besten spielen.

Colin sah erstaunt zu, wie Noahs Hände über die Tasten flogen - es war, als würde Noah den ganzen Tag nichts anderes tun, als Klavier zu spielen.

Als der Blonde fertig war, klatschte Colin leise und Noah kicherte. Colin grinste den Jungen stolz an.

»Ich wusste gar nicht, dass du Disney magst.«, sagte Colin. Noah schmunzelte und zuckte mit den Schultern. »Na ja, es gibt so einiges, was du noch nicht von mir weißt.«, warf er ein. Colin grinste leicht. »Ah, was zum Beispiel?«

Ich mag dich.

»Verrate ich noch nicht.«, antwortete Noah.

Colin nickte nur. Er wollte nicht weiter fragen. Er wollte Noah nicht zu irgendwas drängen.

Statt noch irgendwas zu sagen, legte Colin seinen Kopf auf die Schulter des Jungen. Noahs Herz flatterte glücklich in seiner Brust und er drückte seine Nase in Colins hellbraune Locken. Währenddessen strich er Colin sanft über die Schulter.



Noah hasste sich dafür, dass er sich von Colin überreden lassen hatte, mit Joel und ihm für Erdkunde zu lernen.
Aber Colin hatte darauf bestanden, dass Noah mit ihnen lernte, denn sonst würde Noah nie damit anfangen, für die Klausur zu lernen.

Gelangweilt spielte Noah mit seinem Kugelschreiber herum, während Joel von Colin abgefragt wurde.

»Wie viele Ozeane gibt es?«

»Fünf«, sagte Joel, »es gibt den Pazifischen, den Atlantischen, den Indischen, den Antarktischen und den Arktischen Ozean.«

Colin nickte zufrieden.

»Noah?« Der Blonde guckte Colin fragend an. »Hm?« »Bis zu wieviel Kilometer kann das Meer tief sein?«, fragte der Brünette. Noah verdrehte lächelnd die Augen. »Elf.«, erwiderte Noah. Colin nickte zur Bestätigung.

Jetzt wollte Noah Colin eine Frage stellen. Er griff zu seinen Unterlagen.

»Colin«, sagte er und der Junge guckte ihn abwartend an, »welchen Einfluss hat das Meer aufs Klima?« »Das ist zu leicht.«, warf Joel ein. »Egal«, meinte Noah. »Zech meinte, dass das dran kommt.« »Du hörst im Unterricht zu?«, scherzte Colin. Noah pikte dem Jungen in die Seite. »Ja, stell dir vor.« Die drei Jungs grinsten. »Okay. Das Meer absorbiert 'ne riesige Menge an Wärme und Kohlenstoffdioxid, wodurch es dazu beiträgt, den Planeten kühl zu halten und den Treibhauseffekt zu mildern.«, erklärte Colin sachlich. Noah nickte.

Er legte seinen Collegeblock wieder weg. Er setzte sich näher an Colin heran, lehnte sich gegen den Jungen und legte seinen Kopf auf Colins Schulter.

Joel ließ dies unkommentiert und markierte sich stattdessen wichtige Textzeilen aus dem zweiten Blatt, was Herr Zech ihnen gestern gegeben hat.

»Bist wohl wieder anhänglich.«, murmelte Colin. Noah schloss die Augen und lächelte müde. »Vielleicht.«

Colin störte das nicht - im Gegenteil, er liebte es, wenn Noah seine Nähe suchte. Sie waren mittlerweile so vertraut miteinander. Colin wusste, dass er der einzige war, bei dem Noah so war. Insgeheim war er glücklich darüber. Er liebte Noahs Anhänglichkeit.

Colin sah zu, wie Noah nach seiner Hand suchte. Schnell fand er sie. Sachte umgriff Colin die Hand des Jungen und strich mit seinem Daumen über Noahs Handrücken. Noah lächelte mit geschlossenen Augen und lehnte sich ein Stück näher an ihn heran.

Nicht sonderlich platonisch, flüsterte eine Stimme in Colins Gehirn.

Vielleicht hatte sein Gehirn Recht.

Die drei lernten noch etwa zwanzig Minuten. (Eigentlich waren es nur Joel und Colin. Sie fragten sich gegenseitig ab, und manchmal stellten sie Noah einige Fragen.) Als Colin die Uhrzeit auf seinem Handy checkte, stupste er mit seiner Nase gegen Noahs Kopf. Der Blonde regte sich leicht und öffnete die Augen.

»Du hast gleich Karate«, erwiderte Colin.

Noah seufzte müde. Am liebsten würde er Karate schwänzen. Er liebte es in Colins Armen liegen zu können. Aber andererseits würde er Joyce nicht die Gelegenheit geben, ihn als Angsthasen zu bezeichnen. Mühsam rappelte sich Noah vom Boden auf und griff nach seinem Rucksack.

Die zwei winkten sich zu und Joel winkte Noah ebenfalls, hob aber seinen Kopf nicht, da er gerade am Schreiben war, dann schloss Noah die Tür hinter sich.

Dann griff Colin zu dem Informationstext und suchte sich einen Textmarker aus seinem Etui. Er begann zu lesen.

Joel hob den Kopf und guckte Colin fragend an. »Wann wirst du ihn endlich küssen?«

Perplex hob Colin den Kopf. Er guckte den Jungen verdattert an. »Äh, was?«

»Du hast mich schon verstanden.«

Röte stieg in Colin auf.

»Seit wann weißt du das denn?«, wollte er wissen. Er konnte sich nicht daran erinnern, Joel jemals von seinen Gefühlen zu Noah erzählt zu haben. »Lange genug.«, warf Joel ein. »Also: Wann wirst du ihn küssen?« »Ich hätte ihn letztens fast geküsst, wenn du nicht ins Zimmer reingeplatzt wärst.«, stellte Colin nüchtern fest.

Der Gedanke, dass er Noah fast geküsst hätte, bereitete ihm ein Prickeln in seinem Magen.

»Mach es einfach.«, sagte Joel. »Ihr zwei seid längst wie ein verheiratetes Ehepaar.« »Sind wir nicht.«, log Colin trocken. Joel verdrehte die Augen. »Klar. Ihr kuschelt einfach nur, haltet einfach so die Hand des anderen und starrt euch auch gar nicht total verknallt an. Das ist natürlich alles rein platonisch.«, kommentierte Joel sarkastisch.

Colin schnaubte durch die Nase. Er zog die Knie zu sich und lehnte sich mit seinem Kopf gegen sein Bett.

Er schluckte.

»Ich will's nicht ruinieren«, sagte Colin. »Ich will nicht, dass unsere Freundschaft irgendwie kaputt geht.« »Aber beste Freunde gucken sich nicht so verliebt an, wie ihr zwei.«, meinte Joel.

Colin sagte nichts.

Joel senkte wieder den Blick auf sein Blatt und griff nach seinem Kugelschreiber. Dann fing er an zu schreiben.

Währenddessen versuchte Colin den Text zu lesen, was aber echt schwer war. Sein Kopf dachte an Noah.



Der ganze Klassenraum war voll mit Noahs Requisiten, die für Noahs Zombie-Film waren.

Zufrieden sah er sich um.

Er hob den Kopf, als er Schritte hören konnte. Es war Colin. Der Brünette lächelte und Noah lächelte zurück. Der Junge sah sich beeindruckt um. »Wow.«, sagte er überrascht. »Das schreit praktisch nach verrücktem Wissenschaftler.« Noah schmunzelte.

Er griff zu seiner kleinen Dose, in der die Glotzer drin waren; Noah liebte diese Süßigkeiten. »Hast du die schon mal gegessen?«, fragte er den Jungen und gab ihm ein Auge. Sein Finger kribbelte durch die leichte Berührung. Colin schüttelte den Kopf. Er entfernte das Plastik von dem Auge. »Aber pass auf, dass du dich nicht infizierst.«, scherzte er. »Sehr witzig.«, antwortete Colin. Das Auge schob er sich in Richtung Mundwinkel.

Sofort verzog er das Gesicht und Noah begann zu lachen.

Schnell schluckte Colin das Ding herunter.

»Wie kannst du die nur mögen?«, fragte er. »Die schmecken nach purem Zucker.«

Er war froh, als der Geschmack in seinem Mund nachließ.

»Wann bist du hierfür bitte aufgestanden?«, fragte Colin. »Die Frage ist eher: Wo stecken die anderen?«, meinte Noah. »Patrick ist 'n Star. Der kommt aus Prinzip zu spät.«, überlegte Colin. »Was ist mit Ava und Julia?«, hakte Noah nach.

Colins Handy bimmelte.

Er holte es hervor. Julia hat ihm geschrieben. Als er ihre Nachricht las, breitete sich Panik und Sorge in Colins Augen aus.

»Was ist?«, fragte Noah verwirrt.

Der Junge hob den Kopf. Er guckte Noah mitfühlend an. Noah runzelte die Stirn. »Colin, was ist los?«, wollte er wissen. Colin schluckte. »Julia sagt, dass Patrick abgesagt hat.«

Entsetzt weitete Noah die Augen.

»Was?«

»Ihr tut es Leid«, sagte Colin, der sich völlig überfordert mit der Situation fühlte.

Noah zitterte. Enttäuscht, wütend und verzweifelt senkte er den Blick. Seine Hände ballte er zu Fäusten.

Ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich um und ging.

Colin sah ihm besorgt hinterher.



»Du hast Patricks Nummer geklaut?«, fragte Colin fassungslos.

Julia traute sich nicht, ihren besten Freund anzusehen. Sie schämte sich total. Sie nickte schwach.

»Ich- ich dachte nur, dass Ava es verstehen würde-«, stammelte sie. Colin rieb sich die Stirn und seufzte.

Er wollte nicht sauer sein auf Julia. Er war einfach nur erschrocken über die Tatsache, dass Julia die Nummer von Avas Bruder hatte, ohne dass sie Ava um Erlaubnis gefragt hatte.

»Ich bin die schlimmste Freundin der Welt.«, murmelte Julia bitter. Sie raufte sich ihre blonden Haare. Colin setzte sich neben seine beste Freundin aufs Bett und strich ihr über die Schulter. »Bist du nicht.« »Doch. Ava wird nie wieder mit mir reden.«, überlegte Julia schuldbewusst. Sie lehnte sich gegen Colin und der Junge musterte das Mädchen nachdenklich, während er über ihre Schulter strich.

Er sagte nichts.

Vielleicht wollte er aber auch gar nichts sagen.

Eine Weile blieb es ruhig.

»Du solltest zu Noah«, murmelte Julia irgendwann. Sie hob den Kopf, um Colin anzusehen. Der Junge musterte sie fürsorglich. »Kommst du klar?« »Ja. Mach dir keine Sorgen.« »Okay.« Der Brünette erhob sich von Julias Bett.

Gott, hoffentlich ging es Noah nicht ganz so schlecht.



Noah lag seit Minuten in seinem Bett und starrte nur noch die Decke an.

Er war sauer. Sauer auf Julia, weil sie Mist gebaut hat. Traurig darüber, dass seine ganze Arbeit und Mühe jetzt völlig umsonst war.

Die Zimmertür öffnete sich - es war Colin.

Sein Blick landete sofort auf Noahs Bett. Besorgt sah er den Jungen an.

»Hey.«, murmelte Colin. »Hallo.« Gott, Noah fühlte sich absolut erbärmlich.

Der Junge setzte sich auf Noahs Bett. Mühsam setzte sich Noah auf.

»Wie fühlst du dich?«, fragte Colin verunsichert. Noah seufzte deprimiert. »Scheiße.«, sagte er trocken. »Wollen wir mit Freddy raus?«, schlug der Junge vor. Noah schüttelte den Kopf. Er schluckte. »Ich will grad einfach nichts machen.«, antwortete Noah lustlos.

Zögerlich biss sich Noah auf die Unterlippe. Er sah Colin an. »Machst du mit?«, fragte er leise. Colin nickte sofort. »Natürlich.«

Die Jungs legten sich wieder hin und starrten hoch zur Decke.

Lange blieb es nicht dabei.

Colins Blick landete auf Noah. Als Noah bemerkte, wie Colin ihn anstarrte, drehte der Blonde seinen Kopf, um Colin anzusehen.

Sie drehten sich langsam auf die Seite.

Noah konnte seinen Blick überhaupt nicht mehr von Colin abwenden. Colin ging es nicht anders. Alles, woran er jetzt denken konnte, war Noah.

Noah konnte nicht fassen, wie schnell sich Colin in sein kleines Herz geschlichen hatte. Er hatte noch nie so große Gefühle für irgendwen empfunden.

Er schluckte.

Gott, er war so verliebt in Colin, dass es ihn umhaute.

Seine Augen wurden nass.

Er wollte sich überhaupt nicht verlieben. Nie.

Dieses Prinzip hatte er aus dem Fenster geworfen.

Eine Träne rollte über Noahs Wange. Er verspürte einen Kloß in seinem Hals.

Colin spürte ein Stechen in seiner Brust. Er schluckte schwer. Noch nie hatte Noah in seiner Anwesenheit geweint. Es tat entsetzlich weh.

Colin griff nach Noahs Hand und Noah umfasste sie fester, bis sich ihre Finger ineinander verschränkten. Liebevoll strich Colin über Noahs Hand.

Noah wollte für immer Colins Hand halten. Es war ihm egal, wie erbärmlich das klang. Er wollte einfach nur die Hand von Colin halten. Mühsam schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter.

»Colin ..«, wisperte er mit feuchten Augen.

Ich mag dich.

Es waren drei simple Worte, aber Noah schaffte es einfach nicht, sie auszusprechen.

Colin erzitterte. Für vier Sekunden vergaß er zu atmen.

Noahs Stimme hatte noch nie so traurig und verletzlich geklungen.

»Ich bin hier«, flüsterte Colin und legte sich näher an Noah heran, bis sich beinah ihre Nasen berührten. »Ich bin hier.«

Ein paar Tränen rollten über Noahs Gesicht. Er schniefte leise. Er kniff die Augen zusammen, weil sie so brannten durch die Tränen.

Mühsam legte sich Noah so nah an Colin heran, bis sich ihre Nasen berührten. Röte stieg in Colins Wangen auf.

»Colin ..- ich-«

Ich mag dich.

In diesem Moment verstand Colin, was Noah ihm so sehr sagen wollte. Er wusste es einfach.

Noah mochte ihn und Colin wollte nichts lieber, als das.

Aber das konnte warten.

»Sht«, murmelte Colin. »Nicht jetzt.«

Noah öffnete zaghaft die Augen. Mühsam blinzelte er sich die Tränen weg.

Der Junge nickte schwach.

Er wollte nicht mehr reden. Er wollte einfach nur hier liegen und Colins Hand halten.

Statt noch irgendwas zu sagen, zog Colin den Jungen zu sich und schloss ihn in eine Umarmung. Noah schmiegte sich an Colins Brust und atmete tief ein. Der Junge roch nicht mehr nach Apfel und Zimt. Aber er roch trotzdem gut. Noah liebte Colins Duft so sehr. Behutsam strich der Brünette über Noahs Schulter. Seine Hand wanderte langsam rüber zu Noahs Nacken. Seine Finger verweilten dort erstmal. Mit federleichten Berührungen strich Colin über Noahs Nacken. Er spürte, wie Noah erzitterte. Eine Gänsehaut kroch ihm in den Nacken. Dann wanderte Colin mit seiner Hand vorsichtig zu Noahs Kopf. Mit seinem Daumen strich er über Noahs blonde Haare. Noah konnte Colins Herzschlag hören. Es beruhigte ihn.

Nach und nach ließ Noahs Spannung nach und Colin konnte fühlen, wie der Junge sich vollkommen in seinen Armen entspannte.



Colin hielt sich sofort die Nase zu, als er das Share-Space betrat. Es roch fürchterlich hier drinnen.

»Was ist passiert?«, fragte Colin, als er Joel entdeckte.

Charlotte, die im Share-Space öfter Aufsicht hatte, versuchte, irgendwas gegen den Gestank zu machen.

Joel trug eine Taucherbrille. »Ich- ich weiß es nicht.«, gab er frustriert zu. »Ich hab versucht, eine der Schrauben zu lockern. Das sollte dir die Arbeit etwas leichter machen.« Colin griff nach der zweiten Taucherbrille und zog sie sich sofort um. »Glaubst du, du kriegst das hin?«, fragte Joel hoffnungsvoll. »Wir verlieren den Zukunfts-Pitch, wenn wir das Ding nicht ganz kriegen.« »Joel, mach dir keine Sorgen«, sagte Colin und strich dem Jungen über die Schulter. »Wir schaffen das schon. Okay?«

[...]

»Glaubst du, es wird wieder funktionieren?«, fragte Joel unsicher.

Colin zog sich die Taucherbrille ab und legte sie auf den Tisch. Er seufzte. »Hoffentlich.«

Er blickte nachdenklich auf den Sessel.

Seine Gedanken schweiften rüber zu Noah.

Joel musterte Colin fragend. »Alles gut?«, fragte er den Jungen. Colin zuckte mit den Schultern. »Eigentlich schon.«, erwiderte er. »Du siehst nachdenklich aus.«, meinte Joel. »Noah«, erklärte Colin schlicht. »Hast du ihn geküsst?«, wollte Joel wissen. »Noch nicht.«, sagte Colin. Seine Wangen gewannen an Röte.

Bald hoffentlich, betete Colin.

Joel griff nach seiner Tasche und dann verließen die beiden das Share-Space.

»Ich hätte ihn heute wahrscheinlich geküsst, wenn sein Film nicht in die Brüche gefallen wäre.«, erzählte Colin ruhig. Joel runzelte skeptisch die Stirn. »Was ist passiert?« »Patrick hat abgesagt«, erläuterte Colin. Er seufzte. »Und Noah war total enttäuscht.« Er biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick.

Schweigend liefen die zwei nebeneinander her.

Irgendwann blieb Joel jedoch stehen und packte Colin am Arm, sodass dieser sich dazu zwang, stehen zu bleiben. Irritiert sah er den Jungen an.

»Colin Thewes«, begann Joel und legte seine Hände auf Colins Schultern, »ich sage dir das hier nun, weil du mein bester Freund bist.«

Colin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Küss ihn endlich. Mir egal wo oder wann. Mach es einfach. Ich schwör's dir, wenn's sein muss, werd ich mit Julia dich mit Noah in unserem Zimmer einsperren. Ich lass euch da erst wieder raus, wenn du Noah geküsst hast.«

Eigentlich wollte Colin über diesen Satz lachen. Aber vielleicht hatte er diesen Anstoß gebraucht.

Er wollte Noah endlich küssen, aber hat sich bisher nur noch nicht getraut, oder weil immer irgendwas dazwischen kam.

Er senkte den Blick und hielt inne. Joel ließ ihn los.

»Okay?«, fragte Joel.

Colin schluckte. Dann nickte er. Er sah Joel an. »Okay.«

Er würde Noah küssen.

Bald.

Sein Herzschlag beschleunigte sich.



Nachdenklich lief Noah im Wald umher. Er musste an die Luft, um mal wieder in Ruhe nachdenken zu können. Die Waldluft tat ihm gut. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Zehn Sekunden hielt er die Luft an. Dann atmete er ruhig durch die Nase wieder aus.

»Freddy!«

Der Junge zuckte vor Schreck zusammen.

»Freddy!«

Noah begann zu lächeln, als er Freddy sah. Freddy bellte und rannte auf ihn zu. Noah kniete sich zu dem Tier runter und kraulte ihn. »Hi Großer«, murmelte er glücklich. Freddy schleckte ihm die Nase ab.

»Freddy!«

Der Blonde hob grinsend den Kopf. Herr Chung war völlig außer Atem und kletterte den kleinen Hügel hoch.

Herr Chung lächelte erschöpft. »Hallo Noah.« »Hi«, grinste Noah. »Alles okay mit Ihnen?« »Mehr oder weniger.«, meinte Herr Chung und kratzte sich am Hinterkopf. Noah erhob sich wieder. »Willst du 'n Stück mitgehen?«, schlug Herr Chung vor. Noah lächelte. Er nickte. »Gern.«

Die zwei setzten sich in Bewegung.

»Wie geht's dir?«, fragte Herr Chung. Noah kratzte sich am Hinterkopf. »Mehr oder weniger.«, gab er zu. »Ich hab gehört, dass du einen Zombie-Film drehen möchtest.«, sagte Herr Chung. »Der Film ist tot.«, erwiderte Noah nur. Er hoffte, dass Herr Chung ihm seine Enttäuschung zu sehr anmerkte. »Oh, das tut mir Leid.«, meinte der Lehrer vorsichtig.

Noah schwieg. Er kniete sich runter zu Freddy und ließ ihn von der Leine. Er griff nach einem Ast und warf diesen. Freddy rannte ihm blitzschnell hinterher.

»Aber das ist nicht das einzige, was dich belastet, nicht wahr?«

Noah musterte seinen Lehrer verdutzt. »Woher wissen Sie das?« Herr Chung lächelte mild. »Ich bin Lehrer. Ich spür sowas.« »Hm.« Der Junge senkte den Blick. Er steckte seine Hände in seine Jackentaschen.

Für zwei Minuten sagten die zwei nichts. Alles, was Noah hören konnte, war der Wind, Freddys Tapsen, seine und Herr Chungs Schritte und zwischendurch einen Specht.

Noah schluckte nervös. Er guckte seinen Lehrer verunsichert an.

»Kann ich Sie was fragen?«

Herr Chung nickte. »Sicher.«

»Waren Sie schon mal verliebt?«

Der Lehrer lächelte. »Klar.«

»Hatten Sie Angst?«

»Selbstverständlich.«

Der Blonde biss sich verunsichert auf die Unterlippe. Er senkte den Blick und sah auf seine Schuhe.

»Liebe kann einem Angst machen, aber sie sollte einen nicht davon abhalten, etwas zu riskieren.«, meinte Herr Chung.

»Und wenn die Angst zu groß ist?«, murmelte Noah.

Er hatte mehr Angst, als er zugeben wollte.

Er hob den Blick und sah Herrn Chung unsicher an.

Herr Chung lächelte. »Sei größer, als die Angst selbst.«

»Hat das Ihnen geholfen?«, fragte Noah skeptisch. »Ja«, bestätigte er. »Heute bin ich froh, die Angst überwunden zu haben.« »Wirklich?« Herr Chung nickte. Noah sah ein sanftes Lächeln in seinem Gesicht. »Ich weiß noch, als ich Martin das erste mal sah. Da wusste ich sofort, dass er es ist.«

Noah blieb abrupt stehen. Verdutzt sah er stehen.

Zwar hatte er gewusst, dass Herr Chung verheiratet war, aber .. aber dass er mit einem Mann verheiratet war, überraschte ihn ein bisschen.

Plötzlich traute er sich zu lächeln.

Herr Chung drehte sich zu dem Blonden um. Freddy tapste rüber zu Noah und guckte ihn mit großen Augen an.

Noah senkte den Blick. Er betrachtete Freddy nachdenklich.

Vielleicht .. vielleicht war es doch nicht so schlimm, dass Noah schwul war.

Vielleicht war es gar nicht schlimm, dass Noah etwas anders war.

Wenn alle damit zurechtkommen, dass Herr Chung nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann verheiratet war, dann wäre es doch bestimmt nicht schlimm, wenn auch Noah eines Tages sein Leben mit einem Jungen verbringen konnte.

Noahs Herz hüpfte, weil er dabei an Colin denken musste.

Noah und Colin.

Colin und Noah.

Auch wenn das super kitschig klang. Das war ihm allerdings egal. Noah könnte sich nichts schöneres vorstellen, als sein ganzes Leben mit Colin verbringen zu dürfen.

Erneut hüpfte sein Herz.

Ja. Ja, das klang wirklich schön.

Er hob den Kopf, um Herrn Chung anzusehen.

»Haben Sie einen Tipp? Wie man die Angst nicht gewinnen lässt?«, fragte er. Der Lehrer lächelte leicht. »Hör auf deinen Instinkt. Das hab ich auch gemacht.«

Hör auf deinen Instinkt.

Fast ein bisschen witzig, dass Herr Chung ihm das gleiche riet, wie seine Mutter.

Sie spazierten noch einige Minuten mit Freddy im Wald umher, dann verabschiedeten sie sich voneinander.

Noah sah Herr Chung und Freddy nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Er seufzte.

Noah und Colin.

Er lächelte.

Dann vibrierte Noahs Handy. Er holte es aus seiner Jackentasche und stellte fest, dass Colin ihm geschrieben hatte. Sein Herz machte einen Sprung. Er begann zu lesen.

Egapark
Morgen, 19:45 Uhr

Noahs Herz begann zu rasen. Erneut las er sich die Nachricht durch. Und nochmal.

Ein Gedanke kam ihm auf.

Wird das ein Date?

Oh Gott.

Noahs Herz setzte für einen Schlag aus.

Ja, ist es, flüsterte eine Stimme in Noahs Kopf.

Er schluckte.

Tausende Schmetterlinge brachen soeben in Noahs Magen aus. Ihm wurde warm.

Oh Gott.

Noahs Instinkt ließ ihn fast nie im Stich. Und gerade läuteten alle Glocken in Noah.

Morgen.

Morgen würden sie sich küssen.

Morgen würde er Colin küssen.

Er würde morgen sterben vor Nervosität, das wusste er mit Sicherheit.

Aber wenigstens würde er glücklich sterben.



Der Donnerstag hatte sich grauenhaft in die Länge gezogen. So kam es jedenfalls Colin vor.

Es war, als hätte irgendwer die Uhr eingefroren. Und das Schlimmste war, dass ausgerechnet heute die Erdkunde Klausur geschrieben wurde. Colin hatte einen riesigen Black Out. Teilweise hat er doof herum geraten und irgendwas angekreuzt (es könnte ja vielleicht mit etwas Glück richtig sein).

Zwei Mal bekam Colin fast eine Panikattacke.

Einmal hatte sein Gehirn darüber nachgedacht, das Treffen für heute Abend einfach abzusagen. Doch das tat er nicht. Zwar verlor er schon den Verstand, aber noch hatte Colin genug Gehirnzellen, um keinen Blödsinn anzurichten.

Er fing an, sich zu fragen, ob er verrückt war.

Die Antwort war ja.

Es war nicht so, als wäre das ein Date.

Oder?

Doch. Es war eigentlich ein Date, wenn Colin genauer darüber nachdachte.

Er konnte jetzt nicht mehr absagen. Dafür war es schon zu spät. Und das wollte er auch gar nicht.

Es wurde wirklich Zeit, dass Colin und Noah endlich über ihren Schatten sprangen.


Colins Herz schien beinahe vor Aufregung zu explodieren. Seine Beine zitterten. Er hockte sich auf die Bank. Er durfte jetzt nicht durchdrehen. Er wippte mit seinem Bein.

Es war 19:35 Uhr.

Die Aufregung wurde immer riesiger.

Das Geräusch des Wassers vom Springbrunnen besänftigte Colin nur sehr wenig.

Mit zittrigen Beinen erhob sich der Brünette und tigerte umher.

Er zuckte leicht zusammen, als sein Handy vibrierte. Noah hatte ihm geschrieben.

Gleich da

Wo bist du?

Colin schickte Noah seinen Standort. Dann steckte er sein Handy wieder in die Jackentasche. Seine Beine zitterten nur noch mehr und sein Herz raste. Übelkeit breitete sich in seinem Magen aus. Ihm war heiß und kalt zugleich. In seinem gelben Hoodie war ihm gerade zweifellos viel zu warm. Er atmete tief ein, dann wieder aus. Gott. Colin würde heute vor Nervosität sterben. Er raufte sich seine brünetten Locken, die wild verteilt auf seinem Kopf lagen.

»Buh!«

Vor Schreck hätte Colin beinah aufgeschrien. Sein Herzschlag setzte für zwei Sekunden aus. Mit zittrigen Beinen drehte er sich um. Noah lachte leise auf.

»Idiot«, murmelte Colin und lachte nervös auf. »Du hast mich zu Tode erschrocken.« Der Blonde biss sich lächelnd auf die Unterlippe. »Sorry.«

Röte stieg in Colins Wangen auf. Sein Herz flatterte aufgeregt in seiner Brust. Er blickte den Jungen schüchtern an. Noah lächelte vorsichtig zurück.

Er sah gut aus. Er trug seinen hellblauen Pulli; Colin wusste, dass das Noahs Lieblingspulli war. Eigentlich sah Noah immer gut aus.

»Hi.«, murmelte Colin schüchtern. Noah kicherte leise und Colin verliebte sich nur noch mehr in ihn. »Hi.«, sagte Noah leise. Seine Wangen schimmerten rosa.

Die zwei lächelten sich verlegen an.

Noah kratzte sich unbeholfen am Hinterkopf.

»Also .. was ist hier?«, traute er zu fragen.

Colin lächelte den Jungen sanft an. »Ich bin hier.«, antwortete er, fast ein bisschen schüchtern.

Wieder konnte Noah nicht anders als leise zu kichern. Colins Herz gewann an Wärme.

Noah hatte so eine riesige Wirkung auf ihn. Es war verrückt, wie schon Kleinigkeiten ausreichten, dass Colin sich mit jeder Sekunde nur noch mehr in Noah verliebte.

»Wollen wir rumlaufen?«, bot Colin schüchtern an. Noah strahlte. Er nickte. »Gern.«

Dann setzten sich die zwei Jungs in Bewegung.

Sie hatten kein Ziel. Sie liefen einfach herum und erkundeten den Park. Sie waren beide noch nie hier gewesen und sie fanden es absolut schön hier.

Während sie herum liefen, erwischten sich die zwei dabei, wie sie sich stumme Blicke zuwarfen. Voller Verlegenheit. Colin bemerkte, wie Noah immerzu wegen ihm errötete. Und Noah bemerkte, wie Colin ihm immer wieder ein bezauberndes Lächeln zuwarf.

Es war einfach nur schön. Zwischendurch sprachen sie miteinander, aber manchmal schwiegen sie einfach. Es war jedoch kein unangenehmes Schweigen. Es fühlte sich gut an.

[...]

»Wo bringst du mich hin?«, fragte Noah irritiert.

Es war mittlerweile dunkel und Colin hielt Noah an der Hand, während sie die Treppe hochgingen.

»Lass dich überraschen.«, antwortete Colin und Noah konnte sein Lächeln praktisch fühlen.

Oben angekommen, sah Noah sich um.

»Sirius hat mir von der Sternwarte hier erzählt«, erklärte Colin simpel. Er hielt immer noch Noahs Hand. Sie wanderten rüber zur hölzernen Bank und setzten sich. »Er sagt, dass man von hier oben den besten Ausblick hat.«

Noah legte seinen Kopf in den Nacken und guckte hoch zum Nachthimmel.

Und wow, die Aussicht war wirklich wunderschön. Es war absolut wolkenfrei. Tausende Sterne leuchteten am Himmel.

Er begann zu lächeln.

Colin musterte ihn lächelnd.

»Wow.«, murmelte Noah.

Kurz sah Colin ebenfalls hoch zum Himmel.

»Es ist wunderschön.«, gab Noah ehrlich zu.

Dann senkte Colin wieder den Blick, um Noah anzuschauen. Er begann wieder zu lächeln. Es war so schön für ihn zu sehen, wie Noah den Sternenhimmel betrachtete.

Colin sah wieder hoch zum Sternenhimmel. Er suchte nach etwas.

Er lächelte, als er fand, wonach er gesucht hatte.

»Der kleine Bär.«, sagte Colin leise.

Noah blickte ihn fragend an.

Colin zeigte dem Jungen mit seinem Zeigefinger das Sternbild.

»Seit wann kennst du dich mit Astronomie aus?«, fragte Noah. Colin grinste leicht. Er zuckte mit den Schultern. »Schon immer eigentlich.«, gab er zu. »Julia findet es öde. Aber ich find's spannend.« »Echt?« Der Junge nickte. »Ich hab mich früher echt viel mit Astronomie und Astrologie beschäftigt.«

Noah sah hoch zum Sternenhimmel und betrachtete das Sternbild. Dann sah er wieder Colin an.

»Erzählst du mir von der Geschichte?«, fragte er.

Colin begann glücklich zu lächeln. Er sah hoch zum Himmel, Noah setzte sich näher an den Brünetten heran und legte seinen Kopf auf Colins Schulter.

»In der griechischen Mythologie wird das Sternbild mit der Nymphe Kallisto in Verbindung gebracht, die von Zeus in einen Bären verwandelt wurde.«, erzählte Colin. »Ihr Sohn Arkas wurde später ebenfalls in einen Bären verwandelt und gemeinsam wurden sie am Himmel als Großer und Kleiner Bär verewigt.«

Noah war insgeheim wirklich erstaunt und beeindruckt.

Gott. Colin war so schlau.

Wieder ein Grund, warum Noah ihn mochte.

»Der kleine Bär ist zirkumpolar.«, fügte Colin hinzu. »Wärst du so nett und erklärst mir kurz den Begriff?«, fragte Noah. Colin grinste und Noah ebenfalls. »Er bezieht sich auf Sterne oder Objekte am Himmel, die sich in einer bestimmten geografischen Region ständig über dem Horizont befinden und somit nie untergehen.« Noah nickte interessiert.

Einige würden es sicherlich langweilig finden.

Doch Noah liebte es, Colin zuzuhören.

»Hast du ein Lieblingssternbild?«, fragte Noah interessiert.

Er schielte zu Colin, der wieder den Sternenhimmel absuchte. Als er etwas fand, lächelte er.

»Sieh mal«, sagte Colin und Noah hob seinen Kopf. Colin zeigte ihm ein anderes Sternbild. Das Sternbild sah schön aus.

»Der Drache«, murmelte Colin glücklich. »Der ist ebenfalls zirkumpolar. Er geht nie unter.« »Wann hast du ihn das erste mal gesehen?«, hakte Noah nach, während er das Sternbild betrachtete. »Mit elf«, erzählte Colin. »Ich hab sofort angefangen ihn zu lieben.« Noah lächelte. »Er ist schön.«, gab er ehrlich zu.

Colin lehnte sich mit seinem Kopf gegen Noahs Schulter.

Alles war ruhig. Alles, was sie hören konnten, war eine Eule, die in der Abendluft umher flog.

Er konnte spüren, wie Noah seinen Arm um ihn legte und mit seiner Hand über seine Schulter strich.

Als eine Sternschnuppe an ihnen vorbei flog, begannen sie beide zu lächeln. Es war Noahs zweite Sternschnuppe. Die erste sah er mit neun. Für Colin war es die erste.

Irgendwann hob Colin seinen Kopf, um Noah anzusehen.

Er schluckte. Sein Herz fing an zu rasen.

Noah konnte nicht anders, als Colin anzustarren. Ein winziges Lächeln schlich sich auf Noahs Lippen. Colins Herz machte einen Hüpfer. Er lächelte vorsichtig zurück. Obwohl es dunkel war, wagte Colin zu glauben, dass Noah gerade errötete.

Colin fasste sich sein Herz. Zaghaft griff er nach Noahs Hand.

Er wartete auf eine Reaktion. Fünf Sekunden später konnte er fühlen, wie Noah seine Finger mit denen von Colin ineinander verschränkte.

Colins Magen begann zu kitzeln.

Sie senkten beide den Blick und sahen auf ihre Hände.

Colin hatte den ersten Schritt gemacht.
Jetzt wollte Noah einen Schritt weiter gehen.

Als sie langsam und zögerlich die Köpfe hoben, begriff Noah, wie Colin ihm vorsichtig näher kam, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten.

Er fragte Noah stumm um Erlaubnis und betete dafür, dass Noah ihn verstand.

Noah verstand ihn.

Colin senkte seine Augen und sah auf Noahs Lippen.

Noah konnte nicht mehr warten.

Er näherte sich dem größeren Jungen, bis sich ihre Nasen berührten.

Sie schlossen gleichzeitig die Augen und dann tat Noah endlich das, was er schon die ganze Zeit über tun wollte.

Er küsste Colin.

Colin zögerte keine Millisekunde und erwiderte den Kuss sofort.

Noah zog scharf die Luft ein, als er begreifen konnte, dass er Colin gerade küsste. Er küsste Colin und Colin küsste ihn zurück.

Gott. Es war absolut gigantisch.

Colin küsste ihn schüchtern und vorsichtig, aber gleichzeitig mit so viel Zuneigung, Sehnsucht und Liebe. Mit jeder Sekunde wurden sie sicherer in ihrem Kuss und Noahs Herz machte hunderte Freudensprünge. Er schlang seinen anderen Arm um Colin und der Junge lächelte glücklich in den Kuss hinein.

Noahs Finger wanderten in Colins Nacken. Mit federleichten Berührungen strich er über Colins Nacken. Colin seufzte in den Kuss hinein und er erzitterte an einer riesigen Gänsehaut. Noah grinste glücklich in den Kuss hinein. Offensichtlich reagierte Colin genau so intensiv darauf, wenn man ihm über den Nacken strich, wie Noah es tat. Colin lachte leise in den Kuss hinein und Noah vergrub seine Hände in Colins Locken.

Es war das allerschönste Gefühl der ganzen Welt.

In Noah verliebt zu sein, war das beste überhaupt.

Zaghaft lösten sie sich voneinander, um Luft zu holen. Colin entfernte sich nur ein kleines Stück. Er lehnte sich gegen Noahs Stirn.

Sein Gehirn brauchte zwanzig Sekunden, um zu kapieren, dass er soeben Noah geküsst hatte.

Zaghaft strich Noah mit seinen Fingerspitzen über Colins Wange.

Colin lachte zittrig auf.

Vorsichtig öffnete er die Augen.

Noahs Augen leuchteten und er hatte in dem Moment das wunderschönste Lächeln, was Colin je sah.

Colin lächelte wie ein Idiot, aber das war ihm so egal.

Er hatte Noah geküsst. Endlich.

Er war gerade ehrlich gesagt echt froh, dass Joel ihm diesen Anstoß gegeben hat.

Colin schluckte. Er fasste sich sein Herz und strich mit seiner Hand über Noahs Kopf. Vorsichtig löste Colin mit zittrigen Fingern den winzigen Zopf an Noahs Kopf. Seine blonden Haare fielen ihm nach hinten. Schnell zog sich Colin das Haargummi über sein Handgelenk, damit es nicht verloren ging. Er wusste nicht, warum er das tat, aber es störte ihn nicht und Noah störte es auch nicht.

Noah rieb sanft seine Nase gegen die von Colin.

Colins Magen prickelte und kitzelte. Es fühlte sich fantastisch an.

»Du bist so schön.«, flüsterte Colin glücklich.

Noah lachte leise auf.

Gott. Colin konnte nicht fassen, wie viel Liebe er gerade für diesen Jungen empfand.

Der Brünette begann sich zu fragen, warum er Noah nicht schon viel früher geküsst hatte.

Schnell schob er diesen Gedanken beiseite.

Statt weiter nachzudenken, zog Colin Noah wieder zu sich, um ihn zu küssen.

Noah schlang sehnsüchtig seine Arme um Colin.

Noahs Angst davor, verletzt zu werden, war für diesen einen Moment nicht mehr existent. Es war wie erloschen. Er konnte nur noch daran denken, wie schön es sich anfühlte, Colin endlich küssen zu können.

Sie küssten sich unter dem Sternenhimmel, und sie schienen heute noch heller zu leuchten.

Es war, als würden die Sterne heute nur für Noah und Colin leuchten.

12

»Du bist der seltsamste und beste Mensch, den ich je getroffen hab.«

Der Freitag war super schnell vorbei geflogen an Colin und Noah.

Ehe sie sich versahen, war es schon Samstag.

Wie jeden Morgen wurden Noah und Colin durch die Yoga Musik wach. Colin hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Noah würde sich vermutlich nie daran gewöhnen.

Als Joel endlich fertig war, hatte er sich umgezogen und war gegangen.

Colin war der erste, der es schaffte aufzustehen. Noah blieb noch immer liegen.

Als Colin sich seinen gelben Pulli überzog, sah er rüber zu Noah. Noah sah so niedlich aus, wenn er müde war. Sein Herz flatterte.

»Willst du immer noch liegen bleiben?«

Noah setzte sich auf, lehnte sich gegen sein Kissen und gähnte halbherzig.

»Es ist Wochenende. Heute mach ich gar nichts.«, antwortete Noah.

Colin hielt inne. Dann lächelte er. Er ging rüber zu Noahs Bett. Noah rückte näher an die Wand, sodass Colin Platz hatte.

Kaum war Colin unter die Decke gekrochen, landete Noahs Kopf auf seiner Schulter.

Dieses Mal fühlte es sich aber noch schöner an. Ihre ganzen Berührungen fühlten sich jetzt zehn mal besser an.

Die zwei legten sich irgendwann hin und Noah schmiegte sich an Colins Schulter. Zwischendurch ging Noah mit seiner Hand durch Colins brünette Locken. Er konnte fühlen, wie Colin mit seiner Hand liebevoll durch seine blonden Haare strich.

Zaghaft öffnete Noah die Augen. Colins Blick lag auf ihm. Sofort begann Noahs Magen zu kitzeln.

Colin lächelte.

Und mit jeder Sekunde verliebte sich Noah nur noch mehr in ihn.

Er näherte sich dem Jungen, bis sich ihre Nasen berührten, und Colin überbrückte die winzige Lücke zwischen ihnen, um Noah küssen zu können.

Es fühlte sich immer noch unglaublich an.

Er fing an nachzudenken.

Er streichelte Noahs Haare, während er den Jungen musterte. Noahs Blick lag die ganze Zeit auf ihm. Er konnte seit Donnerstag nicht mehr aufhören, ihn anzusehen.

»Du guckst so nachdenklich«, murmelte Noah.

Er suchte nach Colins Hand und fand sie schnell. Colin malte behutsam über Noahs Hand, bevor sich ihre Finger ineinander verschränkten.

Colin konnte nicht fassen, dass das hier echt war.

Er konnte sich noch daran erinnern, wie Noah ganz am Anfang total distanziert war. Er hatte wirklich niemanden an sich rangelassen.

Und jetzt .. jetzt lag er hier mit Noah, während sie kuschelten und sich küssten, als wäre es das Normalste überhaupt. Als hätten sie schon immer diese Gefühle gehabt.

Vielleicht waren sie die ganze Zeit schon da.

»Warum bist du so vorsichtig?«, fragte Colin leise, während er mit seinen Fingern über Noahs blonde Haare strich. Noah sagte nichts. »Ich meine .. ganz am Anfang. Du wolltest mit keinem reden.«, fügte Colin hinzu.

Noah senkte den Blick. Er sah auf Colins Hand. Der Brünette strich ganz langsam mit seinem Daumen über Noahs Hand.

Der Blonde schluckte.

»Ich hab mich schon immer anders gefühlt, als die anderen.«, fing Noah irgendwann an. Leise und zögerlich. »Ich hab allerdings nicht verstanden, warum.«

Er hob den Blick, um Colin anzusehen. Er hatte aufgehört, Noahs Haare zu streicheln, aber er zog es gar nicht erst in Erwägung, seine Hand aus Noahs Haaren zu ziehen. Noahs Haare waren ganz weich.

»Mit dreizehn begriff ich, dass ich Jungs mag.«, erzählte Noah leise. »Ich hatte diesen Freund. Ben. Ich fand ihn toll.«

Noah hat das noch nie irgendwem erzählt. Er hatte nie irgendwem von Ben erzählt.

»Ich hab's Ben erzählt. Ich dachte, dass er mich auch mag.«

Der Blonde schluckte schwer. Er lächelte wehmütig. Vier Sekunden später verschwand sein Lächeln wieder.

»Er hat mich "Freak" genannt.«, gab Noah zu.

Er hielt inne und seufzte schwer.

»Danach hat er nie wieder mit mir geredet.«

Colin betrachtete den Jungen mitfühlend.

»Es ging mir danach echt scheiße«, erzählte Noah nach einer kleinen Pause. Er senkte den Blick und sah auf seine Hand, die in Colins Hand lag. Mit federleichten Berührungen spielte er mit der Hand des Jungen. Er schmiegte sich ein bisschen näher an Colin heran. Colin begann wieder mit seiner anderen Hand durch Noahs Haare zu streicheln.

»Ich konnte mit keinem darüber reden.«, sagte Noah ruhig. »Schon gar nicht mit meinen Eltern. Es ging nur noch bergab mit ihnen.«

Er schluckte. Er schloss die Augen und seufzte.

»Meine Mum fand raus, dass mein Vater 'ne Affäre hat. Die zwei haben nur noch gestritten. Nach der Scheidung ist mein Vater ausgezogen. Und seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Alles, was ich von ihm zu hören kriege, sind Geburtstagskarten. Die sind mir aber ehrlich gesagt egal.«

Colin strich behutsam über Noahs Hand.

»Und meine Mum .. sie ist halt nicht so einfach. Wir haben nach der Scheidung nur noch mehr gezofft. Und dann hat sie mich irgendwann fürs Einstein angemeldet.«

Für eine Weile blieb Noah leise.

Irgendwann drehte er sich auf die Seite. Colin tat es ihm gleich.

Noah sah dem Jungen in die Augen.

»Ich wollte zuerst gar nicht hier sein.«, gab Noah ehrlich zu.

Er hielt inne. Eine halbe Minute später schlich sich ein sanftes Lächeln auf Noahs Lippen.

»Und danach warst plötzlich du da.«, murmelte er. Seine Wangen wurden rosa. Colin traute sich ein bisschen zu lächeln. »Du hast alles irgendwie auf den Kopf gestellt.«

Colins Wangen schimmerten innerhalb weniger Sekunden rötlich.

Der Brünette legte sich näher an Noah heran. Er drückte dem Jungen einen Kuss auf die Stirn.

Noahs gesamter Körper gewann an Wärme.

»Du bist kein Freak«, flüsterte Colin.

Noah schluckte.

Colin strich mit seinem Daumen behutsam über Noahs Hand.

»Du bist der seltsamste und beste Mensch, den ich je getroffen hab.«

Colin küsste Noahs Stirn, dann seine Nase, und dann vereinte er seine Lippen mit denen von Noah.

Noah erwiderte den Kuss sofort.

Sie küssten sich immer und immer wieder.



Und so ging das ganze eine Woche lang. Colin und Noah verbrachten fast ununterbrochen Zeit zusammen. Und wenn sich die beiden sahen, taten sie meist nichts anderes, als sich zu küssen, zu kuscheln, die Hand des jeweils anderen zu halten und sich gegenseitig zu necken.

Das fiel offensichtlich auf - Joel und Julia bemerkten das Verhalten von beiden. Julia war es sofort aufgefallen, als sie zusammen mit Colin versucht hat, das Fahrrad von Ava zurück zu klauen. Noah war dabei gewesen und hat versucht, ihnen zu helfen. Als die drei zurück ins Internat gegangen waren, hatte Julia sofort die Blicke von Colin und Noah bemerkt, die sie sich gegenseitig zugeworfen haben.

Joel hatte bei Colin nachgehakt, ob er Noah denn endlich geküsst hätte. Denn Joel hatte Augen im Kopf und ihm war aufgefallen, dass Noah noch anhänglicher geworden war. Da Colin ihn nicht anlügen wollte, hatte er sich dazu entschieden, die Wahrheit zu sagen. Danach hat Joel nicht mehr weiter nachgehakt. Aber Colin wusste, dass Joel insgeheim sehr stolz auf ihn war.

Auch Julia hakte nicht großartig nach. Sie war zwar neugierig, aber sie hielt sich zurück. Sie wollte Colin zu nichts drängen.

Colin hatte noch kein Bedürfnis dazu, offen zuzugeben, dass er Noah mochte. Er schämte sich nicht, aber er wollte sich einfach Zeit lassen. Es reichte für ihn, dass seine beiden besten Freunde Bescheid wussten.


Noah hatte einen Weg gefunden, mit seiner Homosexualität einigermaßen klarzukommen.

Allerdings gab es immer noch ein Problem, und ja, das mag sehr doof klingen, aber Noah hatte immer noch Angst.

Er hatte immer noch Angst davor, verletzt zu werden.

Ben hatte ihn zutiefst verletzt, und Noah hatte seitdem immer noch Probleme mit seinem Selbstwertgefühl. Manchmal fing er an sich zu fragen, warum man überhaupt mit ihm befreundet sein wollte. Noah war der Meinung, dass er selbst die nervigste Person war, die er kannte. Als Ben sich von Noah abgewiesen hatte, bekam Noah manchmal diesen bösen Gedanken, dass es vielleicht manchmal besser wäre, wenn er gar nicht erst existieren würde, damit er keinem zur Last fiel.

Ehrlich gesagt hatte Noah Angst, dass Colin irgendwann merken würde, dass Noah doch komplizierter und anstrengender war.

Was, wenn er Colin so sehr auf die Nerven gehen würde, dass Colin die Nase voll hätte von ihm?

Was, wenn Noah ihm zur Last fiel?

Oder noch schlimmer - was, wenn Colin nur bei Noah blieb, nur damit Noah nicht völlig einsam war? Was, wenn der Junge nur aus Mitleid bei Noah blieb, weil er sonst niemanden hatte?

Noah würde niemals jemanden so nah an sich heran lassen wie Colin.

Noah glaubte nicht, dass jemand ihm so ein gutes Gefühl geben könnte, wie Colin es tat.

Er würde sich bei niemandem sonst so wohl fühlen, wie bei Colin.

Colin war ein kleiner Trottel, aber er war so nett und liebenswert, dass Noah es gar nicht geschafft hatte zu verhindern, sich in ihn zu verlieben. Er hatte sich in Noahs Herz geschlichen, bevor Noah es überhaupt bemerken konnte.



Stille herrschte zwischen Noah und Colin. Noah strich gedankenverloren über die brünetten Locken des Jungen, während Colin sich an seine Schulter gekuschelt hatte.

Colin spürte, dass irgendetwas los war. Noah war heute noch ruhiger als sonst.

Er musterte Noahs Gesicht. Er sah nachdenklich aus, und irgendwie traurig.

»Du bist so ruhig.«, murmelte Colin.

Er suchte nach Noahs Hand. Schnell fand er sie. Mit seinem Daumen strich er über Noahs Handrücken.

Noah schluckte schwer.

»Ist alles okay?«

Nein.

»Ja.«

»Du bist ein schlechter Lügner«, wisperte Colin. Noah seufzte.

Der Blonde erhob sich widerwillig von Colins Bett. Er verschränkte die Arme ineinander und erhob sich. Er ging rüber in Richtung Fenster. Colin erhob sich und ging rüber zu dem Jungen.

Er umarmte den Blonden von hinten und legte seinen Kopf auf Noahs Schulter.

»Was ist los?«, fragte Colin ruhig.

Noah senkte den Blick.

»Es ist nichts«, sagte er mit zittriger Stimme.

Es war eben nicht nichts.

»Und warum wirkst du dann so traurig?«

»Ich bin nicht traurig.«, widersprach Noah und befreite sich widerwillig aus Colins Armen. Er drehte sich zu dem Brünetten um und lehnte sich gegen das Fenster.

Colin sah ihn nachdenklich an.

Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf.

»Es ist nur ..-«, begann Noah mit zittriger Stimme. Er senkte den Blick und biss sich verunsichert auf die Unterlippe. »Ich- ich kann das nicht.«

Colin verstand nicht ganz, was Noah meinte.

»Das hier«, sprach Noah weiter, als er Colins irritierten Gesichtsausdruck sah.
»Das alles einfach.« Noah fühlte einen Stich in seiner Brust. »Vielleicht wär's besser, wenn wir das ganze sein lassen.«

Entsetzt weitete Colin die Augen. Für zwei Sekunden setzte sein Herzschlag aus.

»Was?«, fragte er völlig fassungslos. »Wieso?«

Noah senkte beschämt den Blick. »Colin, ich- es ist zu schwierig, als dass ich's dir erklären kann-«

»Ist es nicht!«, unterbrach Colin verzweifelt. »Sag mir einfach, was das Problem ist, bitte-«

»Ich will dir nicht wehtun, Colin.«

Noah traute sich nicht, ihn anzusehen. Er bekam das Gefühl, dass er sonst anfangen würde zu heulen.

Er wollte Colin nicht wehtun. Wollte er wirklich nicht. Er wollte nur nicht, dass sich alles in eine riesige Katastrophe verwandelte.

Colins Lippen zitterten.

Er starrte Noah verzweifelt an.

»Das kann unmöglich dein Ernst sein.«, brachte er schwach hervor. »Hab ich was falsch gemacht?« Noah sah Colin verängstigt an. »Hast du nicht.«, widersprach er. »Es- es liegt an mir.«

Noah setzte sich in Bewegung. Er ging mit zittrigen Beinen an Colin vorbei.

Colin drehte sich zu dem Jungen um.

Noah griff nach seinem Rucksack und schmiss sich diesen um die Schultern.

»Du willst das alles jetzt einfach beenden?«, fragte Colin verzweifelt. Seine Augen wurden nass.

Noah verschränkte seine Arme ineinander. Er schwieg und senkte den Blick.

Gemischte Gefühle kochten in Colin soeben über. Verzweiflung, Verwirrung, Wut und Traurigkeit.

Eine Träne rollte über seine Wange.

»Du bist ein Idiot.«, murmelte Colin schwach.

»Das hast du doch schon von Anfang an gesagt«, erwiderte Noah verletzlich.

Die Traurigkeit wechselte rasch zu Wut.

»Ja, aber das hab ich nur gesagt, weil ich sauer und genervt war!«, antwortete Colin verzweifelt. »Das bestätigt sich aber grad!«

»Colin, ganz ehrlich, ich wusste von Anfang an, dass es ein Fehler sein wird, wenn ich mich darauf einlasse.«

Colins Herz zerbrach in mehrere tausend Teile.

»Dann hättest du mir lieber einfach von Anfang an sagen sollen, dass du das alles nicht willst! Aber stattdessen hast du mir die ganze Zeit blöde Hoffnungen gemacht!«

Noah zwang sich, nicht zu weinen.

Der Brünette starrte ihn mit nassen Augen an. Er war wütend und traurig zugleich.

Colin schaffte es endlich, sich in Bewegung zu setzen. Mit schnellen Schritten ging er an Noah vorbei, öffnete verkrampft die Tür und ging.

[...]

Vier Minuten später erreichte Colin endlich das Zimmer von Julia.

Er hob die Hand, wollte klopfen, aber er zögerte.

Vielleicht sollte er doch lieber wieder umdrehen. Er wollte Julia nicht vollheulen.

Er drehte sich nicht um.

Er klopfte, und fünf Sekunden später öffnete sich die Tür.

Julia guckte Colin verwirrt an; Ava war auch da.

»Colin?«

Der Junge sagte nichts.

Alle Alarmglocken schalteten sich bei Julia ein.

»Colin, was ist passiert?«

Julia und Ava machten Platz, sodass Colin eintreten konnte. Die drei setzten sich auf Julias Bett.

Julia musterte ihren besten Freund besorgt. »Was ist los?«

Der Brünette schaffte es nicht, zu antworten.

Fünf Sekunden später rollten mehrere Tränen über seine Wangen.

Wortlos legte der Junge seinen Kopf auf Julias Schulter. Sie ließ es zu und legte ihren Arm um Colins Schulter.

Colin zitterte überall und Julia nahm ihn fest in den Arm.

»Vielleicht wär's besser, wenn wir das ganze sein lassen.«

Colin war es gewohnt, wenn Noah sich distanzierte. Er hätte nur nie damit gerechnet, dass es ihn so sehr verletzen würde.

13

»Colin .. ich weiß, dass du dich grad echt allein fühlst, aber du bist es nicht.«

Noah hatte von Liebeskummer gehört und gelesen.

Er hatte erlebt, wie seine Mutter mit Liebeskummer zurechtkommen musste.

Noah selbst wusste, dass er damals wegen Ben keinen Liebeskummer hatte. Er war nur verletzt und enttäuscht gewesen.

Generell könnte man sagen, dass Noah sich Liebeskummer schlimmer vorgestellt hatte. Er hatte sich mehr Tränen und Traurigkeit vorgestellt.

Aber jetzt? Er fühlte nichts. Er fühlte ganz einfach nichts. Es war eine tiefe, dunkle und endlose Leere. Sein Hungergefühl war weg, seine Emotionen waren wie ausgeschaltet. Es ist, als ob Noah gar nicht mehr wüsste, wie man lacht. Noah wusste schon gar nicht mehr, wann er das letzte mal gelacht hat. Er wusste nur, dass, wenn er gelacht hat, Colin der Auslöser gewesen war.

Zwei Tage waren vergangen, seit Noah Colin gesagt hat, er will die Sache beenden. Seitdem gingen sich die zwei aus dem Weg. Sie weigerten sich, miteinander zu reden.

Und weil Noah es nicht ertragen konnte, in der Nähe von Colin zu sein (geschweige denn überhaupt im gleichen Zimmer zu schlafen), war er zur Frau Schiller gegangen und bat sie, das Zimmer zu wechseln.

Natürlich hat Frau Schiller nachgehakt. Sie wollte herausfinden, was das Problem ist, aber Noah war stur gewesen. Schließlich gab sie nach und seit gestern war Noah im neuen Zimmer. Seine neuen "Mitbewohner" (sie würden niemals Colin oder Joel ersetzen) waren in Ordnung. Jannis und Tarik waren still, nicht zu chaotisch und keiner der beiden hatte komische Morgen-Routinen, wie Joel. Da sie beide nicht in Noahs Jahrgang waren, hatte Noah recht wenig mit ihnen zu tun. Aber es war okay.

Heute Morgen, als Noah aufgewacht war, hatte er sich gewundert, warum ihn keine komische Yoga Musik geweckt hatte - bis sein Gehirn ihn wieder daran erinnert hatte, dass er ein neues Zimmer hatte.

Es klang beinah banal, aber für einen Moment hatte er sogar Joels bescheuerte Yoga Musik vermisst, weil er sich so daran gewöhnt hatte, morgens davon wach zu werden.

Er fand Joels Routine super nervig, und Noah würde es niemals laut zugeben, aber er glaubte, dass die beiden irgendwie auf eine seltsame Art und Weise Freunde geworden waren. Seine Freundschaft mit Joel war die seltsamste, die Noah je hatte.

Ehrlich gesagt wusste Noah selbst nicht wirklich, ob Joel und er wirklich Freunde waren, aber ihm fiel einfach kein anderes Wort dafür ein. Joel nur als seinen Mitbewohner bezeichnen, klang für Noah irgendwie zu unpersönlich.

Was Colin betraf .. nun, Noah zwang sein Gehirn, nicht an ihn zu denken.

Natürlich scheiterte er.

Sein Kopf fragte sich, wie es Colin ging oder was er gerade machte. War er allein? War er bei Julia oder Joel? Wie fühlte er sich? Ging es ihm schlecht? Fühlte er sich auch so leer wie Noah?

Es waren dämliche Kleinigkeiten. Noah fragte sich teilweise, was Colin zum Frühstück oder Abendessen hatte. Bastelte er vielleicht gerade am Stuhl? Lernte er mit Joel? Hing er mit Julia ab?

Noah fühlte sich absolut lächerlich.

Er war ein Idiot. Er war ein verdammter Idiot.

Er hätte das alles gar nicht erst zulassen sollen.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er Colins Hilfe niemals angenommen hätte. Vielleicht hätte sich Noah dann niemals in Colin verliebt.



Colin packte gedankenverloren seine Schulbücher in den Schrank.

Leider half ihm das absolut nicht, nicht an Noah zu denken. Er hatte soeben Chemie und Noah - leider - auch. Zum Glück hat Noah hinter ihm gesessen. Colin konnte den Jungen gerade einfach nicht ansehen, ohne daran zu denken, dass Noah ihn abgewiesen hatte.

»Hey, Colin.«

Der Brünette drehte sich um, als er Joels Stimme wahrnehmen konnte. Er guckte den Jungen trüb an. »Hey.«

»Können wir mal reden?«

Colin runzelte irritiert die Stirn. »Äh, ja, klar.«

Joel musterte ihn besorgt. »Ich ..- ich wollte mich nicht einmischen, weil's mich nichts angeht, aber ich kann nicht so tun, als wäre nichts.«

Colin senkte verunsichert für zwei Sekunden den Blick. Er umgriff seine Schultasche fester.

»Was ist los?«

Der Brünette schwieg.

Er starrte auf seine Hände, die sich an seinen Rucksack klammerten.

Er schluckte schwer.

Zehn Sekunden später hob Colin den Kopf und guckte Joel an.

»Noah will nichts von mir.«

Joel starrte den Jungen entsetzt an. »Was?«

Colin nickte schwach. Er seufzte. »Er ..- er hält es für besser, wenn wir das alles sein lassen.«

»Colin, warum sagst du denn nichts?«, wollte Joel besorgt wissen.

Der Brünette lachte leise vor Verzweiflung auf. »Weil's sich nicht ändern würde, wenn ich darüber rede«, murmelte er. Colin konnte fühlen, wie der Kloß in seinem Hals größer wurde. »Ich will weder dich noch Julia nerven.«

»Colin, du nervst nicht!«, unterbrach ihn Joel. »Okay? Du nervst nicht

Colins Augen wurden nass. Er fühlte sich beinah erbärmlich, weil schon Kleinigkeiten ausreichten, wegen denen er im Moment weinen wollte.

»Noah hat mir gesagt, dass er von Anfang an wusste, dass es dumm ist, wenn er sich darauf einlässt-«, stammelte Colin verzweifelt. »Weißt du, wie beschissen sich das anfühlt?«

»Colin-«

»Statt mir zu sagen, er will es nicht, hat er mir die ganze Zeit scheiß Hoffnungen gemacht. Ich hab wie ein Idiot die ganze Zeit gehofft, dass da mehr ist zwischen uns-«

Eine Träne floss über seine Wange.

»Aber das kann unmöglich mehr für ihn gewesen sein, wenn er mir dann nach 'ner Woche plötzlich sagt, dass er das alles nicht mehr kann.«

Die Woche, in der alles perfekt gewesen war, war wahrscheinlich die schönste und beste Zeit in Colins Leben. Er hatte sich noch nie so sehr geliebt gefühlt.

Der Junge begann zu zittern.

»Ich bin einfach ein Vollidiot, Joel, echt. Ich hätte ihn einfach ihn Ruhe lassen sollen, statt ihm hinterher zu rennen.«

»Colin, was-«

»Ich hätte ihm gar nicht erst meine Hilfe anbieten sollen.«, murmelte Colin bitter.
»Die ganze Zeit hab ich daran geglaubt, dass mehr hinter dieser Fassade steckt. Ich wollte so sehr daran glauben, dass-«

Weiter kam Colin nicht. Der Kloß in seinem Hals ließ es nicht zu. Eine weitere Träne floss über seine Wange.

Colins Beine zitterten so sehr, dass er nicht mehr stehen konnte. Er lehnte sich gegen die Schließfächer und rutschte herunter auf den Boden.

Joel setzte sich neben ihn.

Colin umklammerte seinen Rucksack fester. Er kniff die Augen zusammen und lehnte sich mit seinem Kopf gegen den Spind.

»Ich bin so blöd.«, murmelte er.

Joel stupste ihn am Arm an. »Hör auf das zu sagen.«

»Aber es stimmt doch«, widersprach Colin, »wieso konnte ich ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso war ich dumm genug, ihm helfen zu wollen?«

»Weil du in Noah etwas gesehen hast, was sonst keiner sah.«

Colin stützte mit seiner Hand seinen Kopf. Er rieb sich die Stirn.

»Du hast dich verliebt, Colin, das ist nichts schlimmes.«

»Aber gerade fühlt es sich so an.«, murmelte Colin.

Joe strich ihm behutsam über die Schulter.

Colin schluckte mühsam den Kloß in seinem Hals herunter.

»Colin .. ich weiß, dass du dich grad echt allein fühlst, aber du bist es nicht.«, sagte Joel ruhig. »Okay?«

Mutlos hob Colin den Kopf, um Joel anzusehen.

»Du musst das nicht alleine durchmachen.«

Joel versuchte, Colin ein kleines Lächeln zu schenken, in der Hoffnung, dass es den Jungen irgendwie tröstete.

Der Brünette nickte schwach.

Die beiden hoben die Köpfe, als sie Schritte wahrnehmen konnten. Mehrere Schüler liefen gerade im Flur umher - darunter leider auch Noah.

Colins Blick klebte praktisch auf dem Jungen. Sehnsüchtig und traurig.

Als Noah spürte, wie er beobachtet wurde, hob er kurz den Blick, und als er Colin sah, wandte er schnell den Blick ab und ging weiter.

Colin sah dem Blonden hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war.

Für Colin fühlte es sich so an, als wäre Noah weit weg von ihm. Er hatte sich noch nie so weit entfernt gefühlt von ihm, auch nicht bei ihrem ersten Streit.

Der Brünette schluckte, schloss die Augen, als zwei Tränen über seine Wangen flossen.

Fünf Sekunden später konnte Colin eine sanfte und weiche Hand auf seiner eigenen Hand fühlen. Colin öffnete die Augen und sah zu, wie Joel seine Hand umgriff und ihre Finger ineinander verschränkte.

Joels Hand fühlte sich anders an, als die von Noah. Sie war noch weicher, als Noahs. Wahrscheinlich lag das daran, dass Joels Körper immer noch dabei war, sich zu entwickeln.

Es war nicht dasselbe Gefühl, wie wenn Colin die Hand von Noah hielt. Noahs Hand zu halten, hatte Colin immerzu ein schönes Gefühl gegeben. Er hat überhaupt nicht gezählt, wie oft er Noahs Hand schon gehalten hat. Für Colin war es eines der schönsten Gefühle überhaupt, wenn er Noahs Hand gehalten oder wenn sie sich umarmt hatten.

Es mochte nicht das gleiche Gefühl sein, Joels Hand zu halten, aber Colin war froh, dass der Junge versuchte, ihn zu trösten.

Er hob den Blick, um Joel anzusehen.

Joel strich behutsam über Colins Hand. Er lächelte mild. »Du bist nicht allein.«

Colins Augen wurden wieder nass. Er blinzelte. Drei Tränen flossen über seine Wange.

Colin hielt inne, und dann schaffte er es endlich zu lächeln. Es war ein schwaches Lächeln. Colin hatte seit zwei Tagen nicht mehr gelächelt.

»Danke.«, murmelte er schwach.

Joel lächelte nur.

Colin verspürte immer noch diesen leichten Schmerz in seiner Brust, aber für diesen einen Moment tat es nicht ganz so doll weh. Das Gefühl von Einsamkeit war immer noch da, aber nicht ganz so stark. Ausnahmsweise fühlte Colin sich gerade nicht einsam, weil er nun verstanden hatte, dass er nicht alleine war.



Gelangweilt spielte Noah mit seinem Gummiball herum.

Es war kalt heute. Es hat den halben Tag geregnet, und Noah musste mal an die Luft. Die Hängematte von Sirius war immer noch etwas nass, aber das war Noah egal. Er wollte einfach nur an die frische Luft.

Irgendwann steckte Noah den Gummiball in seinen Pulli.

Er runzelte irritiert die Stirn, als er etwas in seinem Pulli erfühlen konnte. Er holte es heraus.

Sein Herz setzte für eine Sekunde aus, als er die Kino-Karte sah.

Er hatte vollkommen vergessen, dass er sie immer noch besaß. Sie hatte jetzt mehr Knicke, aber der Tesafilm hielt die zwei Hälften immer noch zusammen.

Stumm guckte er die Karte an.

Mit seinem Daumen strich Noah über die Karte.

Er seufzte.

Der Blonde schloss die Augen.

Und weil Noahs Gehirn ihn gerne ärgerte, konnte Noah praktisch alle Erinnerungen mit Colin von neuem abspielen.

Er erinnerte sich zurück daran, wie Colin versucht hat, cool zu sein, er aber gegen den Punchingball gestolpert war. Noah hatte ihn komisch gefunden.

Er erinnerte sich an die Blicke des Jungen, die er ihm zugeworfen hatte, bevor er von Freddy erfuhr. Noah erinnerte sich daran, wie Colin mit Julia im Flur saß. Colin hatte ihn angeschaut und Noah hatte schnell den Blick abgewendet.

Er erinnerte sich daran, wie sie sich immer vorsichtig angelächelt haben. Schüchtern. Noah begriff soeben, dass sein Herz schon dort immer kleine Hüpfer gemacht hat.

Und wie Colin ihm am Abend angeboten hat, mit Joel und ihm im KI-Projekt mitzumachen. Noah hatte abgelehnt, weil er noch nicht bereit gewesen war, einen weiteren Schritt zu gehen.

Er erinnerte sich an den Abend, als die zwei vom Kino zurückgekommen waren. Colin war so verlegen und schüchtern gewesen. Colin sagte an diesem Abend, dass Noah ihm nicht egal sei. Er erinnerte sich an das Gefühl, wie sie sich an dem Abend zugewunken haben. Noahs Herz hatte hundert Freudensprünge gemacht.

Er erinnerte sich einfach an alles. Er erinnerte sich an jede noch so kleine Berührung zwischen ihnen, an ihre Blicke, an jeden Kuss, den sie geteilt haben, an jedes Lächeln, an ihre ganzen Neckereien, die - wenn Noah genauer darüber nachdachte - wirklich ans Flirten gegrenzt haben.

Noah zuckte leicht zusammen, als eine Träne über seine Wange kullerte.

Schnell rieb er sich die Träne weg.

Doch das half nicht. Plötzlich flossen mehrere Tränen über Noahs Wangen.

Das Gefühl von Leere, das er empfunden hatte, verwandelte sich soeben in Traurigkeit.

»Fuck.«, fluchte er unter Tränen.

Er hatte nur auf seinen Instinkt gehört. Sein Instinkt hat ihm geraten, sich erneut zu distanzieren. Und das tat er. Weil Noah nicht das Risiko eingehen wollte, alles irgendwann zu ruinieren.

Noah hat gesagt, dass er die Sache beenden will.

Und das war wahrscheinlich der aller dümmste Fehler, den er je gemacht hat.

Er konnte unmöglich nach allem jetzt noch mit Colin befreundet sein. Das war gar keine Option.

Und jetzt .. jetzt hatte Noah ihn verloren.

Als der Blonde Schritte hinter sich wahrnehmen konnte, steckte er schnell die Kino-Karte weg und rieb sich hastig die Tränen weg.

Er hob den Kopf und stellte fest, dass es Joel war.

Noah runzelte verwirrt die Stirn.

»Hey«, sagte Joel.

»Was machst du hier?«, wollte Noah wissen.

Noah machte Platz, sodass Joel sich nicht auf die feuchte Wiese setzen musste. Joel setzte sich mit etwas Abstand neben ihn.

»Wollte mit dir reden.«, meinte Joel schlicht. »Aha. Und worüber?«, fragte Noah trocken. »Ich glaube, das kannst du dir selber denken«, antwortete Joel. »Chemie?«, witzelte Noah sarkastisch. »Sehr witzig.«

Noah lächelte bitter.

»Was ist los mit dir?«, wollte Joel wissen.

»Du bist zwar nicht mehr in unserem Zimmer, aber mir ist aufgefallen, dass es dir wahrscheinlich genauso schlecht geht, wie ihm.« Joel sprach Colins Namen nicht aus.

»Wieso interessiert dich das?«, murmelte Noah bitter. »Es ist ja nicht so, als wären wir Freunde.«

»Wir sind Freunde«, stellte Joel klar.

Noah guckte den Jungen misstrauisch, verwirrt und überrascht zugleich an.

»Hör zu, Noah, Colin ist mein bester Freund und ich will nicht, dass er leidet.«, meinte Joel.

Noah senkte den Blick. Er verschränkte seine Arme ineinander.

Joel drängte ihn nicht. Er wartete.

Irgendwann seufzte Noah leise.

»Ich hab Colin gesagt, ich will nichts von ihm.«

Noah könnte sich dafür eine reinhauen.

»Ich hab nur auf meinen Instinkt gehört.«, versuchte er hilflos zu erklären. »Und jetzt .. jetzt fühlt sich das richtig beschissen an.«

»Dein Instinkt hat dir gesagt, dass du die Sache mit Colin beenden sollst?«

Der Blonde nickte stumm.

»Und warum fühlst du dich dann so miserabel?«

»Weil ich dachte, dass das richtig wäre, aber das ist es nicht.«, antwortete Noah frustriert.

»Noah, wieso sagst du ihm nicht ganz einfach, was das Problem ist?«, wollte Joel wissen. »Er wird's nicht verstehen.«, murmelte Noah.

»Ich bin die nervigste Person, die ich kenne, und ich wollte nicht, dass Colin irgendwann plötzlich merkt, wie anstrengend ich eigentlich bin. Ich- ich hatte Angst, dass ich ihn dann wieder verliere, und das wollte ich nicht.«

Noah legte seinen Kopf in den Nacken. Er sah hoch zum bewölkten Himmel. »Ich weiß, dass Colin mich nicht für einen Freak hält, aber ..-«, er stockte, »aber ich glaub's immer noch.«

Noah seufzte schwer. Er senkte den Blick. Er starrte auf die Wiese.

»Es wird immer Leute geben, die einen als Freak sehen.«, gab Joel leise zu. »Ich hab das auch tausend Mal gehört.« Noah sah den Jungen an. »War es schlimm?« Joel zuckte mit den Schultern. »Ja, klar. Transphobe Leute sind überall. Und ich konnte es denen nie Recht machen.« Er sah Noah an. »Es hat 'ne Weile gedauert, bis ich gecheckt hab, dass ich niemandem eine Rechtfertigung schulde. Und als mich meine Eltern endlich von der Schule abgemeldet haben, war ich froh zu wissen, dass ich die alle nie wieder sehen muss.«

Noah senkte nachdenklich den Blick.

»Es ist nicht schlimm, anders zu sein«, sagte Joel schließlich. »Man muss nur die richtigen Leute um sich haben.«

»Na, den richtigen hatte ich bei mir«, antwortete Noah trüb. »Und ich hab's kaputt gemacht. Einfach alles.«

»Du hast nichts kaputt gemacht.«, widersprach Joel.

»Colin wird nie wieder mit mir reden wollen, Joel. Natürlich hab ich's kaputt gemacht. Ich hab ihn verletzt, nur weil ich nicht verletzt werden wollte.«

»Du kannst es aber immer noch retten«, warf Joel ein. »Colin kann grad nichts anderes, als an dich zu denken.« Der Blonde guckte Joel skeptisch an. »Echt jetzt?« Joel nickte.

Noah senkte den Blick.

»Versuch es wenigstens.«, sagte Joel nach einer kleinen Weile.

Tu es, sagte ihm sein Verstand.

Noah überlegte.

Er brauchte fast zwei Minuten, bevor er es endlich schaffte, sich von der Hängematte zu erheben.

Bevor er ging, drehte er sich nochmal zu Joel um.

Der Junge sah ihn abwartend an.

Unbeholfen kratzte sich der Blonde am Hinterkopf. »Ich ..- ähm-« Er schluckte nervös. Dann atmete er tief aus. »Danke.« Joel sah ihn mit einem milden Lächeln an. »Schon okay.« Noah lächelte vorsichtig zurück.

Dann drehte er sich um.

Mit schnellen Schritten ging Noah zurück ins Internat.



Es war dunkel, als Colin und Julia wieder ins Internat kamen.

Julia hatte ihn gezwungen, rauszukommen, und sie hatte den Jungen so lange genervt, bis Colin zugestimmt hatte.

Sie hatten nach dem Regenwetter ein bisschen Basketball gespielt (Ava und Joel haben sogar mitgemacht), und für einen kleinen Moment hatte Colin es geschafft, mal nicht an Noah zu denken.

Er war einfach nur froh, dass er diesen Kummer nicht in sich hineinfressen musste. Er war froh, dass seine Freunde da waren. Das machte den Kummer ein bisschen erträglicher.

Julia und Colin verabschiedeten sich im Flur voneinander. Sie nahm Colin sanft in den Arm, dann war sie zum Abendessen gegangen. Colin selbst hatte keinen Hunger. Also beschloss er, zurück ins Zimmer zu gehen.

[...]

Als Colin im Zimmer war, stellte er fest, dass er allein war.

Joel war nicht da. Wahrscheinlich war er beim Abendessen.

Colins Blick schweifte zu dem leeren Bett, das einst Noah noch gehört hatte. Die Bettwäsche war frisch bezogen und Noahs ganzer Kram war weg.

Er seufzte.

Er wollte sich auf sein Bett setzen, blieb aber abrupt stehen, als er einen Brief auf seinem Kopfkissen sah. Nur sein Name stand drauf.

Er setzte sich und griff nach dem Brief.

Sein Herz raste. Es war Noahs Schrift.

Seine Finger öffneten zittrig den Briefumschlag.

Mit klopfendem Herzen entfaltete der Brünette den Brief. Dann begann er zu lesen.

Warum ich dich mag

1. Du bist ein Trottel. Ein liebenswerter Trottel.
2. Weil du so anders bist, als alle anderen.
3. Ich liebe es, wenn du lächelst.
4. Ich liebe es, wenn ich meinen Kopf auf deine Schulter lege oder du deinen auf meine legst.
5. Du bist witzig. Manchmal.
6. Du bist nett.
7. Du hörst zu.
8. Du bist verständnisvoll.
9. Du hast mir mit Freddy geholfen, obwohl ich dich nicht darum gebeten hab.
10. Dein blödes Lächeln bereitet mir tausende Endorphine.
11. Du siehst niedlich aus, wenn du errötest.
12. Du hörst mir zu, auch wenn ich dich nicht darum bitte.
13. Deine Locken.
14. Deine Augen.
15. Ich liebe deine Umarmungen.
16. Du riechst gut.
17. Du zwingst mich nie zu reden
18. Weil wir miteinander schweigen können
19. Du bringst mich ständig in Verlegenheit
20. Weil du mich andauernd zum erröten bringst
21. Weil Freddy dich mag
22. Weil es witzig ist, wenn du dich erschreckst
23. Du liebst kalten Milchreis
24. Weil du Joels Morgen-Routine genauso nervig findest, wie ich
25. Dir ist es egal, was andere von dir denken
26. Du bist mutig
27. Weil ich es liebe, wenn du mich von hinten umarmst
28. Weil ich es liebe, deine Hand halten zu dürfen
29. Weil du schlau bist
30. Weil du mir gezeigt hast, wie schön ein verdammter Sternenhimmel sein kann
31. Weil ich mich bei niemandem so wohl fühle, wie bei dir
32. Weil ich dir vertraue
33. Weil du mir nie böse bist, wenn ich dich necke (Ja, wir haben schon davor die ganze Zeit geflirtet, du Trottel.)
34. Weil du an mich glaubst.
35. Weil du in mir etwas gesehen hast, von dem ich dachte, es existiert gar nicht.
36. Weil du mir das Gefühl gibst, kein Freak zu sein (Obwohl ich mich immer noch wie einer fühle)
37. Ich liebe dein Lachen
38. Du bist zwar manchmal anstrengend, aber ich halte das aus.
39. Du bist mein Lieblingsmensch.
40. Weil du mir gezeigt hast, wie sich Liebe anfühlt.

- Noah

PS: Das Liebesgeständnis im Film ist für dich.

Colins Augen wurden feucht. Seine Hände zitterten. Als er seine Augen schloss und Tränen über seine Wangen rollten, zitterten nicht nur seine Hände, sondern sein ganzer Körper.

»Du Idiot«, flüsterte Colin unter Tränen.

Er lachte zittrig auf.

Schnell rieb sich Colin die Tränen weg.

Hastig erhob sich Colin vom Bett. Sein Herz raste. Er musste zu Noah.

Er ging rüber zur Tür, öffnete sie, und sein Herz setzte kurz aus, und er hätte beinahe aufgeschrien, als er plötzlich ihn vor der Tür sah.

Colin starrte den Jungen mit geweiteten Augen an.

Noah sah so verletzlich aus. Aber Colin sah in seinen Augen gleichzeitig so viel Sehnsucht.

Sie sagten beide kein Wort.

Colin wollte nicht reden. Noah auch nicht.

Bevor Colin es rechtzeitig bemerken konnte, näherte sich Noah ihm, legte seine Hände sachte an Colins Wangen und küsste ihn.

In der Sekunde schalteten die Sinne von Colin ab. Er wollte nur noch fühlen.

Er küsste Noah mit so viel Sehnsucht, zog den Jungen ins Zimmer und schloss die Zimmertür.

Überall kitzelte und kribbelte es in Colin und gott, er hatte dieses Gefühl vermisst. Er hatte es schrecklich vermisst.

Noah vergrub seine Hände in Colins Locken und schob den Jungen vorsichtig in Richtung Bett. Der Brünette hockte sich aufs Bett und zog Noah vorsichtig zu sich, bis Noah direkt vor ihm stand.

Sie lösten sich, um Luft zu holen.

Noah atmete nervös aus. Zaghaft öffnete er die Augen.

Colin sah ihn mit so viel Verlangen und Sehnsucht an. Er schluckte schwer.

Als Noah den Wunsch des Jungen verstand, konnte er fühlen, wie sein Herzschlag sich um ein vierfaches beschleunigte. Er nickte schwach, um Colin zu zeigen, dass er es wollte.

Colin lehnte sich gegen die Wand und Noah kletterte vorsichtig und etwas tollpatschig auf den Jungen herauf.

Noahs Körper gewann sofort an Hitze. Sein Kopf fühlte sich heiß an, als würde er fiebern. Es fühlte sich absolut perfekt und wunderschön an, wieder Colin so nah spüren zu dürfen.

Colin küsste ihn sehnsüchtig und Noah vergrub seine Hände wieder in den brünetten Locken des Jungen.

Die Hände von Colin wanderten in Noahs blonde Haare. Fünf Sekunden später spürte Noah, wie Colin das Haargummi löste. Schnell zog er sich wieder das Haargummi um. Noah seufzte in den Kuss hinein, als Colin sachte und liebevoll durch seine blonden Haare fuhr.

Als sie sich lösten, um Luft zu holen, konnte Noah hören, wie Colin zittrig ausatmete.

Noah lehnte sich gegen den Jungen und rieb mit seiner Nase liebevoll gegen die von Colin.

Der Junge lachte leise auf.

Scheiße.

Colin wieder lachen hören zu dürfen, war wundervoll.

»Ich hab dein Lachen vermisst.«, wisperte Noah. Er brauchte seine Augen nicht öffnen, um zu wissen, dass Colin gerade lächelte.

Colin küsste Noahs Stirn, dann vereinte Noah ihre Lippen wieder miteinander.

Es war immer noch nichts geklärt, aber für diesen Moment war es egal.

Sie würden morgen reden.

Jetzt gerade wollten sie einfach nur die Nähe des anderen genießen.

14

»Lieber streite ich mich mit dir, als dich gar nicht in meinem Leben zu haben.«

Colin wachte früh auf. Es waren die Vögel von draußen, die ihn weckten.

Als der Junge die Kraft fand, sich umzudrehen, stellte er glücklich fest, dass Noah noch da war. Er schlummerte noch vor sich hin. Colin lächelte müde.

Er sah rüber zu Joels Bett.

Verwundert stellte er fest, dass Joel gar nicht da war. Nur ein kleiner Zettel lag auf Joels Kissen.

Colin erhob sich leise aus seinem Bett. Er tapste auf Zehenspitzen rüber, griff nach dem Zettel und begann zu lesen.

Wollte euch nicht stören :)

Ich schlaf in Sirius' Hängematte. Mach dir keine Sorgen

(Das ist wirklich nur eine Ausnahme, dass ich für euch auf mein Yoga verzichte. Gewöhn dich nicht daran.)

Colin lächelte. Joel war wirklich - neben Julia - der allerbeste Freund überhaupt.

Dann konnte Colin hören, wie sich Noah in seinem Bett regte. Noah gähnte halbherzig auf.

Der Junge ging rüber zu seinem Bett und hockte sich auf die Bettkante. Mühsam setzte sich der Blonde auf. Er setzte sich neben Colin und sofort landete sein Kopf auf der Schulter des Jungen. Er suchte nach Colins Hand und fand sie schnell.

Colin schielte lächelnd zu dem Jungen herüber. Er verschränkte seine Finger wieder mit denen von Noah.

Endlich.

Er hielt wieder Noahs Hand und es fühlte sich immer noch richtig an.

Kein Gefühl dieser Welt würde so viel Bedeutung haben für Colin, wie das, was er empfand, wenn er Noahs Hand hielt.

Behutsam strich Colin über Noahs Hand.

Irgendwann hob Noah langsam den Kopf, als seine Müdigkeit verschwand. Er guckte Colin mit einem müden Lächeln an. Colin lächelte zurück. Noch immer flatterte sein Herz aufgeregt. Wahrscheinlich würde er nie aufhören, so für Noah zu empfinden.

»Hi.«, flüsterte Noah. Colin seufzte lächelnd. »Hi.«

Der Blonde guckte rüber zu Joels Bett.

»Wo ist'n Joel?«, fragte er und gähnte erneut. Colin grinste leicht. »Schläft in der Hängematte.« Noah lachte leise auf. Colins Magen kitzelte. Er liebte es, den Jungen wieder lachen zu hören. Das hatte ihm gefehlt. »Wir sollten uns bei ihm bedanken.«, überlegte Colin. Noah stimmte mit einem Nicken zu.

Colin sah rüber zum Fenster. So langsam wurde es hell.

Dann erhob er sich von seinem Bett. Noah tat es ihm gleich.

Colin hielt Noah an der Hand, während sie das Zimmer verließen. Zwar verstand Noah nicht, wohin Colin ihn jetzt brachte, aber das war egal.

[...]

»Was ist hier oben?«

Colin lächelte den Jungen an, während Noah die Leiter hochkletterte.

Oben angekommen, sah Noah sich um.

Sofort verstand er, was Colin meinte.

Die Sonne ging so langsam auf und der Himmel war in rot-orangenen Tönen getaucht.

Sie gingen Hand in Hand rüber zur Brüstung und lehnten sich dagegen.

Noah lächelte. »Wow.«

Er wendete seinen Kopf, sodass er Colin ansehen konnte. Der Brünette lächelte und Noahs Lächeln wurde größer. Dann blickte Noah wieder nach vorne.

Die Aussicht war wirklich wunderschön.

Eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen. Sie standen einfach so da und sahen zu, wie die Sonne aufging.

Irgendwann sah Noah den Jungen von der Seite aus an. Colin drehte seinen Kopf, sodass er Noah ansehen konnte.

Noah schluckte nervös.

»Wir sollten reden, oder?«

Colin nickte schwach. »Müssen wir.«

»Es tut mir Leid, Colin.«, begann Noah aufrichtig. Er griff vorsichtig nach den Händen des Jungen. »Es tut mir wirklich Leid, das musst du mir glauben.« Colin senkte den Blick. Er biss sich auf die Unterlippe.

»Ich- ich hatte Angst.«, gab Noah zu. »Ich hatte Schiss, dass, wenn ich mich auf das einlasse, ich einfach alles irgendwann kaputt mache.« Der Blonde schluckte. Er senkte den Blick und sah auf Colins Hände. Colin hob den Blick, um Noah anzusehen.

»Ich bin einfach die nervigste Person, die ich kenne, und ich hatte so entsetzliche Angst davor, dass du mich- keine Ahnung .. einfach irgendwann nicht mehr willst.«

»Das klingt ganz schön doof«, murmelte Colin. Noah lächelte schwach und auch Colin musste kurz lächeln.

»Ich find's auch bescheuert, wenn dich das beruhigt.«, meinte Noah ehrlich.

»Ein bisschen.«

Die Jungs lächelten schwach.

Noah seufzte. Zaghaft strich er über Colins Hand.

»Ich dachte, dass es richtig wäre, die Sache auf Eis zu legen, aber das war es nicht.«, gab Noah zu. »Ich hab gecheckt, dass es ohne dich einfach nicht mehr geht. Ich brauche dich die ganze Zeit und ich hatte Angst, dass du mich irgendwann nicht mehr brauchst.«

Die Zeit ohne Colin war die schlimmste Zeit überhaupt. Zwar war sie kurz, doch für Noah unerträglich. Und gestern hatte er endlich begriffen, dass er Mist gebaut hat.

Vielleicht war es irgendwo nötig gewesen, damit Noah begreifen konnte, wie sehr er Colin brauchte. Er brauchte ihn einfach. Ihn nicht als Teil seines Lebens zu haben war grausam.

»Noah, ich brauche dich auch die ganze Zeit«, antwortete Colin ruhig.

Er näherte sich dem Blonden zögerlich, bis er die Stirn des kleineren Jungen spüren konnte. 

Noah lächelte schwach. Er stupste liebevoll mit seiner Nase gegen die von Colin.

»Du hast in deinem Brief, warum du mich magst, als Grund aufgezählt, weil ich etwas in dir gesehen hab.«, murmelte Colin irgendwann. »Ich kenne dich. Ich kenne dich besser, als du denkst. Und deswegen weiß ich, dass du mir nicht weh getan hast, weil du mich vor dir schützen wolltest. Du wolltest dich selber schützen.«

Noah schluckte schwer.

»Das brauchst du nicht machen.«

Noah öffnete vorsichtig die Augen, um Colin anzusehen.

Gott. Colin hatte immer noch so schöne Augen.

»Du musst mich nicht wegstoßen, okay? Ich werd nicht weggehen.«, wisperte Colin.

Noahs Wangen gewannen an Röte.

»Lieber streite ich mich mit dir, als dich gar nicht in meinem Leben zu haben.«

Colin schluckte nervös. Er biss sich verunsichert auf die Unterlippe.

Er konnte fühlen, wie seine Wangen warm wurden.

»Ich ..-«

Noah guckte ihn abwartend an.

»Weil ich dich-«

Als Noah begriff, was Colin versuchte ihm zu sagen, schlich sich ein winziges Lächeln auf die Lippen.

»Sag es.«, bat Noah, während er über Colins Hand strich.

Der Brünette errötete noch mehr und lächelte unbeholfen.

Dann fasste er sich sein Herz.

»Ich liebe dich.«

Noahs Herz füllte sich mit Wärme. Er lächelte nur noch mehr.

Colin biss sich lächelnd auf die Unterlippe.

»Ich liebe dich Noah. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe.«

Er hatte so lange darüber nachgedacht, wie es sich anfühlte, jemanden zu lieben. Er hat so lange nicht gewusst, wie dieses Gefühl war.

Und jetzt wusste Colin endlich, wie sich das anfühlte.

Er liebte Noah mehr als alles andere.

Noah näherte sich ihm und küsste ihn. Schüchtern und vorsichtig. Behutsam zog Colin den Jungen näher an sich heran. Er konnte fühlen, wie Noah glücklich in den Kuss hinein lächelte.

Colins Herz machte tausend Freudensprünge. Es gab wirklich nichts schöneres für ihn, als Noah zu lieben.

Noah löste sich zaghaft.

Beide hielten die Augen noch geschlossen.

Colin spürte, wie Noah liebevoll mit seiner Hand durch Colins Haare ging.

»Ich liebe dich auch.«

Noah küsste Colins Nase, dann zog Colin den Jungen wieder zu sich, um ihre Lippen miteinander zu verbinden.

Vielleicht war es nicht ganz so schlimm, wenn man in der Liebe ab und zu verletzt werden würde.

Vielleicht war es in Ordnung, wenn es manchmal anstrengend sein würde.

Aber das war okay für Noah. Er würde damit okay sein. Solange er Colin bei sich hatte, würde es okay sein.



»Sieh mal einer an.«

Noah und Colin hoben ihre Köpfe, als sie eine weibliche Stimme hören konnten. Ava und Julia hatten die Küche betreten. Sie grinsten die Jungs an.

Noah errötete und versteckte sein Gesicht in Colins Schulter.

Colin löffelte in seinen Cornflakes und schob sich dann den Löffel in Richtung Mundwinkel.

Julia grinste ihren besten Freund dämlich an. Colin grinste zurück.

»Na?« »Morgen.«, meinte Colin nur und schob sich wieder einen neuen Löffel Cornflakes in Richtung Mundwinkel.

Noah hob seinen Kopf von Colins Schulter und aß wieder einen Bissen von seinem Toast. Ava holte sich für Julia und sich selbst zwei Gläser und holte dann aus dem Kühlschrank Apfelsaft. Die Mädchen gossen sich den Saft ein und Ava stellte die Packung zurück in den Kühlschrank.

»Alles wieder okay?«, hakte Julia nach.

Noah und Colin sahen sich an. Die Jungs lächelten. Dann sahen sie wieder Ava und Julia an.

»Alles wieder okay.«, bestätigte Noah.

»Okay.«, lächelte Julia. Dann trank sie von ihrem Saft.

Julia und Ava machten sich Toast, und Colin und Noah sahen dabei zu, wie die zwei sich gegenseitig dabei halfen.

Colin begann zu grinsen. Er guckte Noah an. Das kam ihm verdächtig bekannt vor. Er kannte das von Noah und sich selbst; sie halfen sich auch immer gegenseitig beim Essen. Noah zuckte grinsend mit den Schultern. Dann sahen sie wieder die Mädchen an.

Zehn Minuten später kam Joel in die Küche. Er sah müde aus.

»Morgen«, sagten Ava und Julia synchron.

Joel gähnte halbherzig. Er streckte sich kurz. »Morgen.«

Noah und Colin grinsten den Jungen an.

Joel rieb sich die Augen und dann fiel sein Blick auf die zwei Jungs. Noah und Colin hatten sich gegen die Theke gelehnt; ihre Arme berührten sich.

Joel lächelte müde. Colin und Noah lächelten ihn dankbar an.

»Wehe, das passiert nochmal.«

Noah grinste leicht.

»Wird es nicht.«, versicherte Colin ihm.

Eine Sekunde später legte Noah seinen Kopf auf Colins Schulter. Der Junge schielte zu dem Blonden herüber. Er lächelte.

»Das hoffe ich.«, antwortete Joel. Erneut gähnte er.

Colin und Noah verdrehten lächelnd die Augen.

Und so frühstückten die Freunde zusammen. Noah fühlte sich wirklich gut gerade. Er hatte es geschafft, Freunde zu finden, aber vor allem hatte er es geschafft, zu erkennen, wie schön es sein konnte, verliebt zu sein. Noah würde das alles für nichts auf dieser Welt eintauschen.

Als Colin und Noah aufgegessen hatten, räumten sie ihr Geschirr weg.

»Colin?«

Der Brünette drehte sich zu Joel um, der sich gerade Kakao machte.

»Vergiss nicht, dass wir morgen unseren Stuhl vorstellen müssen.«

»Werd ich nicht.«, versprach Colin.

Dann griff er nach Noahs Hand. Sie winkten den anderen und sie winkten zurück.

Dann verließen Colin und Noah die Küche.



Am nächsten Tag waren Colin und Joel verdammt nervös und aufgeregt. Der Stuhl funktionierte wieder, und jetzt mussten sie nur noch die Jury überzeugen.

Dr. Berger und ein Mädchen, das nebenbei bemerkt äußerst kritisch war, testen die Projekte auf Innovation und Anwendbarkeit.

Joels und Colins Projekt war als Erstes dran.

Colin spürte, wie seine Beine zitterten. Sein Herz raste.

»Ist der Stuhl sicher?«, fragte Dr. Berger skeptisch.

»Ganz bestimmt«, bestätigte Joel zuversichtlich.

»So sicher ein Prototyp sein kann.«, warf das Mädchen ein.

»Jedenfalls ist noch nie was passiert.«, meinte Colin.

Dr. Berger setzte sich die Brille auf, dann drückte Colin auf den Knopf der Fernbedienung.

Und als Dr. Berger sich fünf Minuten später die Brille wieder abzog, sah er total beeindruckt aus. »Ich will nie wieder anders Filme schauen.«

Colin und Joel atmeten erleichtert aus.

Die Freunde grinsten sich stolz an.



»Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer.«

Colin zitterte. Joel ebenfalls. Er wippte nervös mit den Füßen hin und her.

Colin zuckte leicht zusammen, als er eine Hand auf seiner eigenen fühlte.

Er sah zu, wie Noah sanft nach seiner Hand griff. Colin lächelte. Er hob den Blick, um den Jungen anzusehen. Noah lächelte zurück.

Colin war immer noch nervös, aber die ruhige Berührung von Noah, wie er über Colins Hand strich, besänftigte ihn ein bisschen.

Dr. Berger redete heute definitiv zu viel. Colin konnte hören, wie Joel neben ihm genervt seufzte.

Vier Sekunden später klingelten alle Handys der Schüler. Das Mädchen von der Jury hat allen somit mitgeteilt, wer gewonnen hatte.

Das Projekt von Joyce, Io und Leon hatte gewonnen. Die drei umarmten sich glücklich.

Um ehrlich zu sein, war Colin nicht enttäuscht. Er freute sich für das Team.

Der Brünette blickte rüber zu Joel. Dieser sah etwas enttäuscht aus. Colin stupste den Jungen an und warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu.

Drei Sekunden später lächelte Joel leicht.

Colin spürte, wie Noah über seine Hand strich. Er sah den Blonden an.

Noah lächelte sanft und Colins Herz erwärmte sich.

Noah griff nach seiner anderen Hand und Colin lehnte sich leicht vor, bis er die Stirn des Jungen spüren konnte. Es war ihm ehrlich gesagt ein bisschen egal, dass noch andere Schüler hier waren.

Noah küsste Colins Stirn und Colin konnte fühlen, wie seine Wangen rosa wurden.



Das Ende des Wettbewerbs wurde mit einer Party beendet.

Eigentlich hatten weder Colin noch Noah Lust hinzugehen, aber Joel, Julia und Ava hatten sie gezwungen, mitzukommen.

Alle anderen waren am Tanzen, aber Colin und Noah hockten auf der Treppe und sahen den anderen zu, während sie ihre Limo tranken.

Als sie ihre Limo ausgetrunken hatten, lehnte sich Colin mit seinem Kopf gegen die Schulter von Noah. Der Blonde legte seinen Arm um den Jungen und strich ihm behutsam über die Schulter.

»Bist du nicht traurig?«, wollte Noah wissen. »Ne«, gab Colin ehrlich zu. »Aber Joel schon.« »Der wird darüber hinwegkommen.«, meinte Noah. Colin seufzte lächelnd.

Colin hob den Kopf von Noahs Schulter. Noah lächelte liebevoll und Colin näherte sich ihm, um ihm einen Kuss die Stirn zu drücken. Obwohl es dunkel war, wusste er, dass Noah gerade errötete.

Irgendwann wechselte das Lied - ein langsames wurde gespielt.

Colin und Noah beobachten, wie sich kleine Pärchen bilden, die langsam miteinander tanzten.

Ihm kam ein Gedanke auf.

Er schielte rüber zu Noah.

Als Noah seinen Blick bemerkte, sah er den Brünetten an. Verunsichert wandte Colin wieder den Blick ab und kratzte sich am Hinterkopf.

Noah rollte lächelnd mit den Augen. Er griff nach Colins Hand und erhob sich.
»Komm.« Colin starrte ihn verdattert an. »Was-« Weiter kam er nicht, weil Noah ihn auf die Tanzfläche zog.

Colin grinste den Jungen verdutzt an und Noah schmunzelte.

»Du spinnst.«, warf Colin ein. Noah lachte leise. »Komm her.«

Colin und Noah hatten das noch nie gemacht, aber das war nicht schlimm. Noah legte zaghaft seine Arme um Colins Schultern und Colin legte verunsichert seine Arme an die Taille des Jungen.

Sie konnten beide nicht tanzen, also bewegten sie sich nur ganz langsam zur Musik hin und her.

Sie ignorierten die Leute um sich herum. Alles, woran Noah gerade denken konnte, war Colin.

Es fühlte sich wirklich schön an.

Noah sah, wie Colin verliebt lächelte.

Noahs Herz machte einen Sprung.

Und jetzt, wenn er hier so stand und mit dem Jungen tanzte, wurde ihm bewusst, wie lange er schon verliebt in Colin verliebt war.

Auch Colin begriff soeben, wie lange er schon eigentlich diese krassen Gefühle hatte. Sie waren da, seit sie aus dem Kino zurück ins Internat gekommen waren.

Wenn sie so im Nachhinein darüber nachdachten, wussten sie beide, dass das der Abend war, in dem sie sich verliebt haben.

»Worüber denkst du nach?«, fragte Colin leise.

Der Blonde lächelte schüchtern.

Noah näherte sich dem Jungen, bis sich ihre Nasen berührten.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal fühlen würde.«, gab er zu.

Colins Wangen schimmerten rötlich. »Ich auch nicht.«, antwortete er ruhig. »Ich hab sowas noch nie für irgendwen gefühlt.«

Noah küsste Colins Nase und dann seine Stirn, und die Wangen des Jungen gewannen noch mehr an Röte.

Sie schlossen beide die Augen und eine Millisekunde später küsste Noah den Jungen.

Alles kribbelte und kitzelte in Colin.

Es war einfach absolut perfekt.

Er fühlte sich wirklich richtig glücklich.

Epilog

Ein Monat später

»Müssen wir das wirklich machen?«, stöhnte Julia.

»Ja«, sagten Colin, Joel und Ava synchron.

Julia seufzte entnervt. »Aber das ist so öde.«

»Beschwer dich nicht bei uns, sondern bei Zech.«, antwortete Joel, der sich die ersten Satzglieder durchlas.

Inzwischen war ein Monat vergangen. Für Colin kam das ganze viel länger vor, seit er sich mit Noah vertragen hatte und die zwei endlich zueinander gefunden haben.

Es war einfach nur schön, besser könnte Colin es nicht beschreiben.

Die zwei haben gelernt, als Paar zu funktionieren und es gab keinen Tag, an dem Colin ihn weniger liebte. Seine Liebe zu Noah wurde immer größer.

»Wo bleibt eigentlich Noah?«, fragte Joel irgendwann.

»Kommt gleich«, sagte Colin. »Sein Karate ist gleich vorbei.«

Für fünf Minuten herrschte Stille zwischen den Freunden. Sie füllten die Lücken aus und ab und zu schielte Colin heimlich rüber zu Ava und Julia. Ava und Julia saßen auf dem Boden, Rücken an Rücken, während sie die Lücken ausfüllten. Colin - Noah übrigens auch - hatte den leisen Verdacht, dass da irgendwas zwischen ihnen war, aber sie hielten sich raus. Colin hatte bisher auch noch nicht mit Julia darüber gesprochen. Er war sich sicher, dass wenn Julia bereit dazu war, würde sie sicherlich mit ihm reden.

Irgendwann klopfte es an der Zimmertür.

Das musste Noah sein.

Colin legte seinen Collegeblock und seine Mappe beiseite, erhob sich von seinem Bett und öffnete die Zimmertür.

Ein breites Lächeln kam ihn entgegen und Colin lächelte glücklich zurück. Für wenige Sekunden vergaßen sie, dass ihre Freunde hier waren. Es störte sie nicht.

»Na?«, murmelte Noah. »Hi«, murmelte Colin glücklich. Er küsste Noah und vergrub sein Gesicht in Noahs Schulter. Liebevoll strich der Junge mit seinen Fingerspitzen über Colins brünette Locken.

Noah schloss die Zimmertür. Sie wanderten rüber zu Colins Bett; Noah setzte sich zuerst hin, legte seinen Rucksack neben sich, lehnte sich gegen die Wand und holte seine Unterlagen raus. Dann griff er nach dem grünen Kugelschreiber, der in Colins Federmappe war. Colin legte sich hin und legte seinen Kopf und Noahs Schoß. Noah strich ihm behutsam über seine Locken.

»Wie weit seid ihr?«, erkundigte sich Noah bei den anderen. »Gleich fertig«, berichtete Joel. »Zum Glück.«, kommentierte Julia. »Es ist die letzte Klausur für dieses Halbjahr. Du könntest wenigstens so tun, als würdest du versuchen, zu lernen.«, scherzte Ava. Julia verdrehte lächelnd die Augen.

Während Noah die erste Aufgabe machte, lasen sich Colin, Joel, Julia und Ava schon mal Aufgabe zwei durch.

Dann las sich Noah schnell ebenfalls den Text durch.

»Der ist leicht.«, warf Noah ein.

»Irgendwie weiß ich nicht, ob ich froh darüber sein sollte, dass es aktuell noch so leicht ist oder ob ich mich langweilen soll.«, überlegte Joel.

»Beides«, entschied Noah. »Zech gibt zu leichte Sachen, aber wir sollten uns nicht beschweren.«

»Wollen wir das eben schnell mündlich machen?«, schlug Ava vor.

Die anderen nickten.

»Okay. Julia: Was haben die Affen gemacht?«, wollte Ava wissen.

»Haben herumgetollt und sich gegenseitig geärgert.«, erwiderte Julia schlicht.

»Colin: Wo haben die Löwen gelegen?«, wollte Julia von dem Brünetten wissen. Colin hatte die Augen geschlossen, während Noah durch seine Haare strich.

»Die lagen faul in der Sonne.«, erwiderte Colin. Der Junge setzte sich auf und Noah lehnte sich gegen den Jungen. Er legte seinen Kopf auf Colins Schulter und suchte nach der Hand seines Freundes. (Es klang immer noch fantastisch.) Schnell fand er Colins Hand und der Brünette verschränkte ihre Finger ineinander. Colin drückte seine Nase in Noahs Schulter. Der Blonde schloss lächelnd die Augen.

»Joel: Was haben die Giraffen gefressen?«, fragte Noah den Jungen, der im Schneidersitz auf seinem Bett hockte.

»Die Blätter vom Baum«, sagte er.
»Noah, welche Tiere sind im Wasser geschwommen?«, fragte er zuletzt.

»Die Pinguine.«

»Gut. Glückwunsch Julia. Das war's für heute.«, sagte Joel und guckte rüber zu Julia. Sie seufzte erleichtert auf.

Die Freunde packten ihre Unterlagen weg, dann erhoben sich Joel, Ava und Julia. Colin und Noah regten sich nicht.

»Bleibt ihr hier?«, fragte Joel, während Ava die Tür öffnete und Julia schon mal raus ging. Ava folgte ihr.

Noah öffnete die Augen und lächelte den Jungen mild an. »Geht ruhig. Wir kommen nach.«

Joel lächelte zurück. »Okay.« Er winkte seinen Freunden und das Paar winkte zurück. Dann schloss Joel die Zimmertür hinter sich.

Noah schloss wieder die Augen und schmiegte sich näher an Colin heran. Er konnte fühlen, wie Colin mit seiner Nase gegen seinen Hals strich. Eine Gänsehaut kroch ihm in den Nacken. Er seufzte zufrieden auf und lächelte.

Es herrschte absolute Ruhe. Sie genossen es.

Irgendwann konnte Noah spüren, wie Colin ihm einen Kuss auf seine blonden Haare gab. Sein Herz machte einen Sprung. Colin zeigte ihm immer wieder mit solchen kleinen Gesten, dass er ihn liebte.

Es gab definitiv nichts besseres für ihn, als Colin lieben zu dürfen.

Alles war gut.

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