Woe is me, my love

By FeyGalaxy

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Das nächste Semester in Nevermore steht an. In der Zwischenzeit war kein Tag vergangen, an dem Wednesday nich... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30

Kapitel 24

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By FeyGalaxy

Xavier blickte noch einmal in den Gang und schloss dann die Tür hinter sich. Sie war eilig vorgelaufen, stand inmitten ihres Zimmers und wartete auf ihn. Ihr Hände waren schweißnass, ihre Augen riesig und voller Erwartungen. Er lief zu ihr und als er sie so sah, übertrug sich ihre Nervosität direkt auf ihn. Keiner von beiden wusste, was nun passieren würde. Seine Augen inspizierten den Raum, sein Blick wanderte über ihre Seite des Zimmers und ohne es zu beabsichtigen, starrte er zu ihrem Bett. Es fühlte sich an, als würde sein Herz explodieren. Er schüttelte den verlockenden Gedanken fort und sah schließlich wieder zu ihr.

Xavier räusperte sich, die Worte kamen nur schwer aus seinem Mund: „Wir könnten…“, er zeigte auf ihr Bett, „… die Decke nehmen und uns draußen hinsetzen… es ist schön draußen.“ Wednesday folgte seinem Blick. Der Alkohol war noch immer in ihrem Körper, noch hatte sie einen Funken Mut übrig. „Ja das ist es. Ich denke, Sterne zu betrachten ist eine gängige und für mich sehr akzeptable Variante, Zeit miteinander zu verbringen…“ Ihre Finger spielten nervös an ihren Ärmeln und sie sah zu, wie er die Decke von ihrem Bett zog und mit ihr schließlich zum Fenster lief. Sie folgte ihm ohne ein weiteres Wort. 

Direkt unter dem Fenster breitete er die Decke aus. Die Luft war kühl, aber nicht zu kalt. Der Wind ging leicht und am Himmel waren keine Wolken zu sehen. Er setzte sich und hielt ihr eine Hand hin, so als würde er sie nochmals offiziell einladen, ihm Gesellschaft zu leisten. Sie nahm seine Hand und setzte sich rechts neben ihn auf die Decke. Sie drückte ihre Finger fest zusammen, um sich zu beruhigen, aber vielleicht auch, um ihm irgendwie zu vermitteln, dass sie nun nicht mehr ganz so mutig war, wie noch vor wenigen Minuten im Pentagon.

„Ich…“, sagten sie beide synchron und schenkten sich gegenseitig ein schüchternes Lächeln. Xavier nickte ihr zu, ließ ihr den Vortritt. Sie lehnte sich an ihn und er griff schließlich auch mit seiner anderen Hand nach Ihrer, spielte mit ihren Fingern. „Ich könnte mich daran gewöhnen…“, gab sie leise zu. „Woran?“, er blickte hinab auf sie, beobachtete, wie ihre Nase beim Sprechen leicht zuckte. „An das hier, das Reden, das Lachen und die vielen … Berührungen.“ Sie verschluckte das letzte Wort, sodass er es kaum verstehen konnte. Also streichelte sie sanft über seine Hände, um ihm zu zeigen, was sie meinte. 

Er lachte und fuhr sich mit der Hand durch die Strähnen, die der Wind ihm immer wieder in die Augen bliess. „Ich glaube, ich kann mich nie daran gewöhnen“, und dann sah sie hinauf zu ihm über ihre Schulter, „Ich glaube, selbst nach Tausend Jahren mit dir, wäre ich immer noch nervös… bei jeder Berührung, bei jedem Kuss…“. Der Gedanke daran, sie erneut zu küssen, ließ ihn stottern: „Ich glaube, das wird niemals vorbeigehen.“ Sie lief rot an bei dem Gedanken daran, dass er sie tausend Jahre küssen würde. Auch wenn es ihr zu kitschig erschien, musste sie sich eingestehen, dass diese Vorstellung alles andere als unangenehm war. Er sprach weiter und sie beobachtete seine Augen, wie sie im Dunkeln der Nacht nach irgendetwas suchten: „Ich werde diese Bilder nicht malen…“

Sie blinzelte vor Verwunderung und er wiederholte seine Aussage: „Ich werde sie nicht malen…“ Nun sah er sie wieder an. Sie setzte sich auf, um ihn genau betrachten zu können. Ihre Stimme wurde mit einem Mal ernst: „Doch das wirst du!“ Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch sie war noch nicht fertig. „Du wirst sie malen und deine Kraft zurückbekommen!“ Für eine Sekunde sah er sie an, nur um dann wieder in den Himmel zu starren: „Ich will das nicht… wenn du… wenn dich das traurig macht, dann will ich das nicht.“ Er schüttelte seinen Kopf widerwillig. Sie erkannte, dass es hier um sie ging, ihre Eifersucht, ihr Drama und sie wollte auf gar keinen Fall der Grund sein, warum er sich selbst im Wege steht. 

Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und lenkte seinen Blick zu ihr. „Wenn das der einzige Weg ist, wie du deine Gabe zurückerlangst, dann wirst du diese Bilder malen… keine Widerrede.“ Er sah noch nicht wirklich überzeugt aus. „Ich will, dass du deine Fähigkeit zurückbekommst, nicht für mich, sondern für dich und mir ist ganz egal, wie das passiert… die Hauptsache ist, dass es passiert und wenn es passiert, indem du diese Gemälde fertigstellst, dann ist das so… ich kann Jolene auch wegen etwas Anderem hassen.“ Xavier schmunzelte und versank in ihren Augen, er nickte schließlich: „Okay… aber es wird die reinste Folter mit ihr…“. „Das hoffe ich doch.“, und wieder schenkte sie ihm ein Lächeln, das im Mondlicht strahlte und jeden Winkel seines Herzens ausfüllte. „Ich kann nicht glauben, dass du bisher so wenig gelacht hast in deinem Leben… es ist eine Schande, dass die Welt das bisher verpasst hat…“, er führte seine Hand über ihre Wange, bis hin zu ihrem Hals. „Viele meiner Tränen hat die Welt auch noch nicht gesehen.“, fügte sie hinzu, beinahe stolz. Wednesday genoss die Wärme seiner Hand, wurde es doch langsam immer kühler.

„Ich habe sie gesehen… und es tut mir leid…“, flüsterte er. „Ist okay…“, sie zitterte, mehr vor Aufregung als vor Kälte und er bemerkte es. „Komm her…“, er kippte sein rechtes Bein zur Seite und schob sie sanft an ihren Schultern vor sich. Sie lehnte sich an ihn, er ließ seine Hände zur Seite fallen und griff nach der Decke. Mit einem Wurf schlug er die beiden Seiten über sich selbst und ihre Beine und Schultern. Seine Arme umschlossen die Decke und ihren kleinen Körper nun ganz und ihr wurde augenblicklich wärmer. 

Sie genoss den Moment für ein paar Minuten und führte ihren Gedanken schließlich fort: „Wusstest du, dass ich das letzte Mal, bevor ich hier ankam, geweint habe, als ich 6 Jahre alt gewesen bin?“ 

„Nein, das wusste ich nicht. Das ist lange her… was ist passiert?“ er wurde neugierig, wollte er doch jedes noch so kleine Detail über sie erfahren.

Und sie erzählte ihm die Geschichte, wie sie Nero von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte, wie sie immer wieder mit ihm spazieren gegangen war und wie diese Jungs sie festhielten und ihn kaltblütig zerquetschten vor ihren Augen. „Das ist grausam.“, stellte er mit Bedauern fest, „Kinder können grausam sein.“ Sie nickte nur und bemerkte, wie er sein Kinn sanft auf ihre Schulter legte, sein Gesicht nah an Ihrem. Das Flüstern kitzelte ihr Ohr: „Ich hätte ihn gern kennengelernt… er war sicher ein außerordentlicher Skorpion.“ Sie spürte, dass er es ernst meinte. Und erst, als er es selbst aussprach, fiel ihm wieder die Zeichnung ein. Die, die er gemalt hatte, als sie so traurig schön Cello gespielt hatte. Er hielt sie noch fester, war das doch der Beweis, dass sie auf irgendeine Art miteinander verbunden gewesen waren in diesem Moment. Sie hatte diese wundervolle Musik gespielt, ihren Kummer frei hinausgelassen und er hatte in derselben Sekunde einen Skorpion gezeichnet. Und nun wusste er, wieso. Xavier beschloss, ihr das Bild zu zeigen, es einzurahmen und ihr zu schenken. Irgendwann, wenn der passende Moment gekommen war.

Sie drehte sich leicht zu ihm um, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter entfernt. Sie konnte die Wärme seiner Haut spüren, ein Gefühl, dass fortan Teil ihres Lebens sein sollte, ein Gefühl, dass sie auf ewig vermissen würde, wenn er nicht bei ihr wäre. Sie war dankbar. Die Dankbarkeit füllte sie vollkommen aus und da sie es nicht in Worte fassen konnte, küsste sie ihn, zart und vorsichtig. So als wäre es selbstverständlich, als wäre sie ein ganz normales Mädchen und er ein ganz normaler Junge.

---

Er setzte sich auf die steinerne Mauer und zog sie zu sich. Wie in den vergangenen zwei Stunden küsste er sie immer wieder, seine Hände sanft auf ihren Wangen, ihrem Hals. „Es ist spät… ich muss gehen.“, flüsterte er zwischen seinen Küssen. Seine Worte schmerzten in ihrer Brust, auch wenn sie wusste, dass er Recht hatte. Sie nickte ihm zu und küsste ihn erneut.

Sie stellte sich zwischen seine Beine, die von der Brüstung baumelten und er konnte sie nun ganz umfassen. Seine Wärme war unbeschreiblich. Noch nie hatte sie ihn umarmt, nicht auf diese Weise. Er legte sein Kinn sanft auf ihren Kopf und spürte ihren kleinen Körper nah an Seinem. Sie hörte, wie sein Herz schlug und fühlte sich mit ihm verbundener denn je, schlug ihres doch genauso schnell. Er ließ sie los und sah ihr nochmals in die Augen: „Gute Nacht, Wednesday…“ Sie legte ihren Mund noch ein letztes Mal auf Seinen. Bevor sich ihre Lippen trafen, hielt sie inne. Ihr Atem kitzelte auf seinem Gesicht: „Gute Nacht, Xavier…“. Und dann schwang er seine Beine über die Brüstung. Langsam kletterte er hinab, das Mondlicht erhellte seinen Weg und ließ sein Gesicht erstrahlen, heller als jedes Weiß, welches sie je gesehen hatte. Sie stützte sich auf die Mauer und blickte hinunter zu ihm. In ihrem Kopf waren Bilder und Wörter, die sich wild hin und her bewegten.

Wie Julia, die ihrem geliebten Romeo zum Abschied hinterherblickte…

Wie Zwei, zum Tode verdammt…

Ein Paar, dessen Schicksal nur Dunkelheit und Leid für sie bereithielt…

Und doch ist die Hoffnung da, dass am Ende alles gut wird…

Dass keiner von uns sterben wird… dass niemand uns trennt… nimmermehr…

Und dann war er verschwunden in der Dunkelheit, bei sich ihr dunkles, schwarzes Herz, was das Einzige war, was sie noch am Leben hielt. Sie war sich sicher, kein anderer sollte es haben. Auch wenn es am Ende zerbrechen sollte, so war es nun genau dort, wo es hingehörte. Zu ihm.

---

„Du musst mir sagen, was passiert ist!!!“, aufgedreht lief sie neben ihr her, sie hatte große Schwierigkeiten, ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin folgen zu können. Wednesday hatte an diesem Morgen nur Eines im Sinn, die Kopfschmerzen loswerden und ein Frühstück ohne nervige Fragen zu überstehen. Enid tat alles dafür, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen sollte. Wie eine Irre lief sie bereits schon seit dem Morgengrauen hinter ihr her und stellte immer wieder dieselben Fragen.

Was ist passiert?

Habt ihr euch wieder versöhnt?

Habt ihr euch geküsst? 

Seid ihr jetzt ein Paar?

Hätte Wednesday geahnt, dass ihr Auftritt bei der Party solche Folgen haben würde, dann hätte sie sich lieber heimlich mit ihm getroffen. Doch nun war es zu spät. Die Nachtschatten haben es alle gesehen, wie sie mit ihm an der Hand urplötzlich verschwunden und nicht wieder zurückgekehrt war. 

Bald weiß es die ganze Schule…

Der pochende Schmerz in ihrem Kopf war nicht die Folge des Whiskeys oder des Schlafmangels. Die Tatsache, dass Wednesday Addams Gefühle für einen Jungen hatte, und dieser kein anderer war als Xavier Thorpe, würde bald die Runde machen und das war der Grund, warum ihr Schädel beinahe zu bersten drohte.

Sie blieb ruckartig stehen und wandte sich zu ihrer Freundin. Sie trat näher an sie heran, ihre Augenbrauen ernst zusammengezogen, ihre Worte wie kleiner Messer: „Nur eines… wir haben uns vertragen. Alles ist gut. Und du solltest das bitte für dich behalten. Hast du mich verstanden?“ Enid bekam es fast mit der Angst zu tun, doch nur fast. Noch eine Frage konnte sie sich nicht verkneifen: „Okay… habt ihr euch geküsst?“ Nervös huschten ihre Augen über das Gesicht ihrer dunkelhaarigen Freundin. Das Zucken ihrer Mundwinkel, der starre Blick, der durch ein aufgeregtes Blinzeln gebrochen wurde, waren Antwort genug. Enids Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, nahezu in Zeitlupe. Wednesday drehte sich augenblicklich wieder um und lief eilig in Richtung Speisesaal. 

„Dann reden wir eben über etwas Anderes…“, rief Enid ihr genervt hinterher. Sie holte sie schnell wieder ein. „Bald ist die Talentshow… Moody hat so einen seltsamen Flyer verteilt…“, sie hielt ihr einen kleinen weißen Zettel mit schwarzen, geschwungenen Buchstaben vor die Nase. Wednesday überflog das Blatt und gab sich geschlagen. Sie würde mit ihrer Freundin sprechen, auch wenn der Schmerz zwischen ihren Schläfen alles deutlich erschwerte.

„Wirst du teilnehmen?“, fragte sie schließlich nach, in der Hoffnung, dass Enid dann endlich auf andere Gedanken kommen würde. „Nein…ich? Ich kann nichts… mittlerweile kann ich mich wann ich will entwolfen…doch das ist in einer Schule voller Wölfe, Vampire und Sirenen nichts Besonderes mehr… bis auf meinen Blog gibt es nichts, was ich zeigen könnte…“, zuckte sie mit ihren Schultern. Enid hatte immer ein Lächeln auf den Lippen, ihr sonniges Gemüt war selten getrübt.

Doch Wednesday verstand zwischenmenschliche Auffälligkeiten mittlerweile immer besser und spürte, dass ihre Freundin etwas Motivation gebrauchen konnte. „Du bist was Besonderes!“, schossen die Worte nur so aus ihrem Mund, „Du könntest tanzen… ich war oft genug Zeuge, dass du Einiges drauf hast.“ Auch wenn Wednesday sich bei weitem was Besseres vorstellen könnte, als bei solch einer steifen und überflüssigen Veranstaltung Enid beim Tanzen zuzusehen, war sie durchaus überzeugt, dass sie eine gute Show abliefern könnte. „Nein…ich weiß nicht… wirst du teilnehmen?“ Wednesday wusste die Antwort auf diese Frage bereits, als sie den Zettel gesehen hatte: „Nur über meine Leiche…“ 

Der Speisesaal war voll, es waren kaum noch leere Tische zu finden und Wednesday ersehnte sich nichts mehr, als allein in Ruhe zu frühstücken. Sie nahm sich ein Tablett, einen belegten Bagel und einen Apfel, eilte mit Enid im Schlepptau in die hinterste Ecke des Saales und setzte sich an den Rand eines halbbesetzten, langen Tisches. Aus dieser Position konnte sie den Raum gut überblicken. 

Ihre noch müden Augen und der Kopfschmerz waren nicht gerade hilfreich dabei, dass Objekt ihrer Begierde zwischen all den Schülern ausfindig machen zu können. Doch dann sah sie ihn. Wieder fühlte sie sich krank. Ihr krankes Herz, das nun ihm gehörte, pochte so laut in ihren Ohren, dass sie kein Wort von dem verstand, was Enid nebenbei erzählte.

Natürlich kam Xavier gemeinsam mit seinem Mitbewohner geradewegs auf sie zugelaufen. „Guten Morgen Ladys!“, rief Ajax ihnen lachend entgegen. Enid strahlte über beide Ohren und Wednesday konnte nicht anders, als in ihrer üblichen Manier zu antworten: „Wenn wir die Ladys sind, was seid dann ihr?“ Xavier grinste breit, liebte er doch diese Seite an ihr und setzte sich, ohne zu fragen, direkt ihr gegenüber an den Tisch. „Nach dieser Antwort gehe ich stark davon aus, dass du nicht gut geschlafen hast…“, stellte er selbstbewusst fest.

„Ich habe sehr gut geschlafen. Nur dröhnt mein Kopf. Ich schiebe es auf den Fusel… ich denke, der billige Alkohol ist verantwortlich für meine Kopfschmerzen.“, insgeheim musterte sie sein Gesicht, das direkt vor ihrem war, seine Augen bohrten sich durch sie hindurch, hartnäckig, aber auch auf eine gewisse Art sanft und vorsichtig.

Er biss in seinen Apfel und sprach mit vollem Mund: „Und was macht dann teurer Alkohol mit dir?“ Überrascht über sein Grinsen und seine lockere Frage, konterte sie: „Teurer Alkohol schmeckt besser, macht keine Kopfschmerzen und verwandelt mich in ein wirklich geselliges Wesen. Kaum zu glauben, ist aber wahr.“ Xavier schluckte einen Bissen hinunter und antwortete ganz intuitiv: „An eine gewisse Geselligkeit heute Nacht kann ich mich aber dennoch  erinnern, trotz Fusel.“ Mit einem Mal war Stille am Tisch. Enid und Ajax schwiegen plötzlich und musterten Wednesday und schließlich auch Xavier. Dieser war schlagartig verstummt, hatte er doch erst in dieser Sekunde verstanden, was er da eigentlich laut gesagt hatte. 

Wednesday holte tief Luft und zuckte auf ihrem Platz hin und her. Mit ihren Fingern kratzte sie wieder einmal an der Oberseite des Bagels herum. „Manch einer verwechselt gern bloße Freundlichkeit mit Geselligkeit.“, sie wollte ihn necken, das Spiel mitspielen. Und er nahm die Herausforderung an. Enid und Ajax beobachteten die beiden die ganze Zeit über. Für sie waren sie wie zwei Tennisspieler, die sich die Bälle nur so um die Ohren warfen. 

„Und wenn es nur Freundlichkeit gewesen war. So war es doch deine Freundlichkeit und wer kann das schon von sich behaupten… nämlich ich.“, er räusperte sich und holte noch weiter aus, „Ich wurde freundlich behandelt von Wednesday Addams.“ Sie starrte ihn an mit Entsetzen, dass er das wirklich gerade gesagt hatte und er machte munter weiter: „Und ich bin unendlich dankbar dafür.“ Er zwinkerte ihr zu. „Du solltest dein Glück nicht überstrapazieren, Xavier. Denn meine Freundlichkeit ist wohl das Wertvollste, was du je erhalten wirst.“ Und Xavier wusste genau, dass sie Recht hatte.

Er wusste, dass Wednesdays Zuneigung das Kostbarste war, was er sich jemals erträumt hatte. Und das Spiel war mit einem Mal vorüber, sie hatte gewonnen und seine Stimme wurde sanfter: „So ist es.“  Seine Zustimmung war bittersüß und sie wäre am liebsten über den Tisch gesprungen und ihm um den Hals gefallen. Wednesday versank für einen Moment in seinem Blick, hatte seine ehrliche Antwort sie doch eiskalt erwischt. Sie löste den Blick von ihm und starrte dann wieder auf ihren Bagel. Von nun an herrschte Schweigen. Enid und Ajax waren sich ohne Worte einig, lieber still zu sein, konnte man die Spannung am Tisch doch beinahe mit einem Messer schneiden.

Nach ein paar Minuten machte sich das Paar auf den Weg zur ersten Stunde. Mit einem kurzen „Bis dann!“, ließen Sie Wednesday und Xavier allein. Beide inspizierten beinahe mikroskopisch genau ihre Teller, nur um dem Anderen nicht in die Augen sehen zu müssen. 

Dann spürte sie etwas. Unter dem Tisch streckte er sein Bein nach ihr aus. Sie spürte, wie seine Wade langsam und ruhig ihr linkes Knie anschubste. Die Berührung löste beinahe einen Stromschlag in ihr aus. Sie leistete ihm Widerstand und drückte ihr Knie gegen sein Bein. Und wieder hatten sie eine neue Art der Kommunikation kennen gelernt.

Dennoch musste Xavier nun etwas sagen. Etwas brannte ihm auf den Lippen. Er blickte nicht auf und flüsterte ihr zu: „Es tut mir leid… das eben…“ Sie nickte: „Mir auch.“ Ohne darüber nachzudenken, führte sie ihre rechte Hand langsam über den Tisch. In stiller Hoffnung, dass er ihren Hinweis verstehen würde, wartete sie ab. Auch er führte seine Hand in die Mitte des Tisches und streichelte schließlich sanft mit seinen Fingern über Ihre, so dass man es mit dem bloßen Auge kaum sehen konnte. „Ich…“, er stotterte, „Ich würde mich freuen, wenn du nach dem Unterricht zu mir kommst… ins Atelier. Ich habe etwas geplant…“ Und nun sah er sie an, voller Hoffnung und Liebe. Wednesday konnte es mit eigenen Augen sehen und es ließ sie fast vergessen, dass er eine Antwort erwartete. „Okay.“, flüsterte sie. Mehr brachte sie nicht über ihre Lippen. Und er war erleichtert. Unglaublich erleichtert, dass sie die vergangene Nacht scheinbar nicht vergessen hatte.

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