The Warren-Games | (Broken Bi...

By vxvxenxo

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𝑵𝒐𝒍𝒂𝒏 Eine Entscheidung meines Bruders brachte die Multimillardenfirma meiner Familie wirtschaftlich ins... More

Author's Note
Playlist
Prolog
One
Two
Three
Four
Five
Six
Seven
Eight
Nine
Ten
Eleven
Twelve
Thirteen
Fourteen
Fifteen
Sixteen
Seventeen
Eighteen
Ninteen
Twenty
Twenty-One
Twenty-Two
Twenty-Three
Twenty-Four
Twenty-Five
Twenty-Six
Twenty-Seven
Twenty-Eight
Twenty-Nine
Thirty
Thirty-One
Thirty-Two
Thirty-Three
Thirty-Four
Thirty-Five
Thirty-Six
Thirty-Seven
Thirty-Eight
Thirty-Nine
Fourty
Fourty-One
Fourty-Two
Fourty-Three
Fourty-Four
Fourty-Five
Fourtx-Six
Fourty-Seven
Fourty-Eight
Fourty-Nine
Fifty
Fifty-One
Fifty-Two
Fifty-Three
Fifty-Four
Fifty-Six
Fifty-Seven
Fifty-Eight
Fifty-Nine
Sixty
Sixty-One
Sixty-Two
Epilog One
Epilog Two
Danksagung & Ankündigung

Fifty-Five

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By vxvxenxo

Nolan

Ich spürte ihre Blicke auf mir, auch wenn sie es unauffällig machten. Das war wirklich kräftezehrend, auch wenn ich es bereits gewohnt sein sollte, von Leuten angestarrt zu werden. Das hatte der Name Warren so an sich, besonders weil ich immer wieder in den letzten sechs Monaten im Fernsehen zu sehen war. Eigentlich konnte ich diese Blicke ignorieren, einfach weil ich geübt darin war, meine Fassade so aufrechtzubehalten, dass sie niemand überwinden konnte.

Nur waren es eben nicht irgendwelche Leute, die mich versuchten, unauffällig zu mustern. Es war meine Familie, die mich in- und auswendig kannte, und daher auch leichter als alle anderen beurteilen konnte, was tatsächlich in mir vorging.

Sie hatten nichts gesagt. Noch nicht, was hauptsächlich daran lag, dass ich den Kontakt zu ihnen mied. Genauso wie ich es seit mehreren Tagen mit jeder Person machte, selbst bei der Arbeit. Ich verkroch mich in die hinterste Ecke, um mit meinen Gedanken allein zu sein. Das klappte auch eigentlich ganz gut, denn immerhin hatte ich diese distanzierte, unnahbare Aura um mich herum perfektioniert. Aber es war schwer dem Stand zu halten, wenn ich ihre bohrenden Augenpaare auf mir wahrnahm.

Sie meinten es nur gut, ich wusste das, aber es wäre mir lieber, wenn sie einfach so tun würden, als ob alles okay wäre. Was es nicht war, aber das musste sie nicht interessieren. Besonders Carter und Raya nicht. Die beiden sollten heute an nichts anderes denken als an sich selbst und ihre Zukunft. Mein Bruder hatte ihr tatsächlich einen Antrag gemacht. Zwar wusste ich, dass es nicht mehr lange dauern würde, nachdem er mir - gewollt oder ungewollt - den Ring präsentiert hatte. Doch ihre Verlobung fiel genau in den Zeitraum, in dem ich eigentlich keinerlei Freude empfinden wollte und auch konnte.

Mein Leben war gerade ein einziges Chaos, das drohte, wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen. Alles lief schief, und ich konnte lediglich dabei zu sehen. Ihre Verlobung hätte also ein Lichtblick sein sollen, doch ganz ehrlich? Ich wäre lieber alleine in meinem Schlafzimmer und würde mich mit einer guten Flasche Whiskey betrinken, bis ich diesen stechenden Schmerz in meiner Brust vergessen würde.

Das tat ich mittlerweile jeden Abend, einfach weil diese Qualen nüchtern nicht zu ertragen waren. Das einzige, wofür ich mich noch aufraffen konnte, war mein Job, aber auch nur, weil Graham mir im Nacken saß. Zwar konnte die Warren Company durch meine Entscheidung, sowohl die geschäftliche als auch romantische Beziehung mit den Thrones aufzugeben, vor einem weiteren Tiefschlag bewahrt werden, aber das hieß nicht, dass die Arbeit damit getan wäre. Nein, viel eher lief diese Trennung darauf hinaus, noch mehr zu geben, als wir es bereits taten. Wir hatten immerhin unseren loyalsten Partner verloren, wir mussten uns also ein sicheres, stabiles Standbein aufbauen, das sich von keiner anderen Firma mehr abhängig machen würde.

Das Problem an der ganzen Sache war allerdings, dass ich anfing, auch meiner Karriere den Rücken zu zu kehren, was völlig bescheuert ist, wenn man daran denkt, wie ich mich gegen Angeline und für die Firma entschieden hatte. Doch seit sie fort war, konnte ich an nichts anderes mehr denken als an den Fehler, den ich begangen hatte. Ich hatte gedacht, dass meine Karriere das Wichtigste für mich sei, doch es stellte sich heraus, dass es nur eine Person gab, die mich wirklich interessierte. Und das war die Person, die ich hatte gehen lassen.

Graham gefiel diese Abwesenheit natürlich gar nicht, doch ich hatte es bis jetzt erfolgreich geschafft, ihm aus dem Weg zu gehen. Meinen Brüder konnte ich ebenfalls umgehen, nur hatte so eine Verlobung an sich, dass man sich wiedertraf. Zu meinem Leid, auch wenn ich Raya und Carter nur das Beste wünschte.

Ihre Blicke waren bohrend, denn sie wussten ganz genau, was in den letzten Wochen so bei mir los war. Ich hatte kein einziges Wort darüber verloren, doch ich musste nicht besonders nüchtern sein, um zu erkennen, welche Anspannung wegen mir im Raum lag. Sie hatten nicht nachgefragt, auch wenn sie es sicherlich tun wollten, nur hätte ich ihnen keinerlei Antworten geben können. Ich war selbst noch dabei, alles zu verarbeiten, wie könnte ich ihnen da irgendwelche Informationen geben?

Jemand trat plötzlich in mein Sichtfeld, weshalb ich blinzelnd aufsah. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, für den Rest des Abends weiterhin unangesprochen zu bleiben, einfach weil ich keinen Eindruck nach Gesellschaft hinterlassen wollte, doch mein Plan schien nicht wirklich aufgegangen zu sein.

Vor mir stand die Person, die ich definitiv nicht erwartet hatte, einfach weil ich dachte, dass sie zu beschäftigt heute war. Immerhin war der Grund für diese Feier ihre Verlobung. Doch Raya blickte mit einer leicht unsicheren Miene auf mich nieder. Das erkannte ich daran, dass sie nervös an ihrem neuen Ring spielte und leicht auf ihrer Unterlippe kaute. Sie wirkte alles andere als entspannt, und das obwohl es hier um sie ging.

Ich holte Luft, doch wusste nicht, was ich sagen sollte, weshalb ich sie ganz langsam wieder entließ. Ich hatte einfach keine Ahnung, was Raya ausgerechnet von mir wollte, denn immerhin war ihre gesamte Familie und ein paar ihrer engsten Freunde hier. Sie alle gaben bestimmt eine zehn mal bessere Gesellschaft ab, als ich es gerade tat. Wieso um alles in der Welt wollte sie also mit mir reden?

Ich gab mir einen persönlichen Tritt und räusperte mich schließlich. Ich hatte Carter und Raya den ganzen Abend gemieden, nicht unbedingt bewusst, doch ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, dass ich mich gar nicht auf so eine positive Botschaft einlassen oder sie gar feiern konnte. Stattdessen hatte ich mich auf einem Sessel ganz hinten verkrochen, in der Hoffnung, nicht angesprochen zu werden. Aber es half wohl nichts, denn meine zukünftige Schwägerin hatte mich dennoch entdeckt.

Leicht befeuchtete ich meine Lippen und setzte mich etwas auf. „Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung", murmelte ich etwas träge. Meine negativen Gedanken färbten sich wohl auch auf meine Stimme und Haltung ab.

Raya atmete tief ein, für eine Sekunde zuckten ihre Augen in Richtung Hände, wo sie noch immer an ihrem neuen Ring hin und her drehte. Sie schien etwas überrumpelt mit meiner Aussage, doch das musste sie am heutigen Abend sicherlich schon an die zwanzig mal zu Ohren bekommen haben.

„Danke", hauchte sie und sah mich weiterhin ratlos an. Sie fühlte sich unwohl, genauso wie ich - wieso verlies sie diese Situation nicht?

Eine Stille breitete sich zwischen uns aus, die ich nicht durchbrechen zu wusste. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wieso sie mich zu ihrem nächsten Gesprächspartner auserkoren hatte, aber sie hatte damit sicherlich die schlechteste Wahl des heutigen Abends getroffen. Jeder andere Anwesende wäre glücklich darüber, ein paar neue Details der frisch Verlobten herauszubekommen. Nur nicht ich.

Versteht mich nicht falsch, ich freue mich für meinen Bruder, genauso wie ich mich für Raya freute. Doch ihr Glück war das letzte, was ich gerade brauchte, denn im Moment fühlte ich mich mehr als nur ein bisschen beschissen. Meine aktuelle Lage ließ keinen Funken Freude mehr zu, selbst wenn es dabei von meinem Bruder und Raya kam.

Ich räusperte mich erneut und schüttelte leicht den Kopf. Ich konnte diese angespannte Situation nicht noch länger ertragen, ich musste wieder in Selbstmitleid baden. „Raya, hör zu. Ich bin gerade keine gute Gesellschaft. Vielleicht solltest du lieber-"

„Kann ich mich setzten?", fiel sie mir plötzlich ins Wort. Etwas überrumpelt starrte ich sie an. Bemerkte sie meine verhaltene Stimmung etwa nicht?

Ich schüttelte nicht den Kopf, doch ich nickte auch nicht, ich sah sie lediglich weiterhin an. Das war immerhin Carters, ihr, Zuhause. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte, und wenn das bedeutete auf ihrer Couch Platz zu nehmen, dann hatte sie jedes Recht dazu, es auch zu tun. Ich hatte da kein Mitbestimmungsrecht, und dennoch besaß sie so viel Höflichkeit, mich zu fragen. Raya war einer der Personen, die den Sonnenschein mit sich trugen - auch wenn sie im Moment eher so wirkte als würden ein paar Wolken sie bedecken.

Raya blickte zu der Couch, die schräg gegenüber von meinem Sessel stand, dann ließ sie sich langsam nieder. Ihre Augen lagen weiterhin auf meinem Gesicht, was mich unruhig machte. Raya hatte ein Talent dafür, Dinge aus Leuten mit ein paar Blicken herauskitzeln zu können, obwohl wir uns nicht sonderlich nahestanden. Ich lenkte mich damit ab, indem ich das halb volle Whiskeyglas hin und her schwenkte, nur um einen Schluck davon zu nehmen.

„Wie geht es dir?", hörte ich sie irgendwann fragen, was mich ernsthaft zusammenzucken ließ. Nicht wegen ihrer Stimme, denn die war ganz zart und vorsichtig, sondern viel eher wegen der Frage selbst. So etwas hatte mich schon ewig keiner mehr gefragt, was vermutlich damit zusammenhing, dass ich nie den Eindruck gemacht hatte, in einem körperlich schlechten Zustand zu sein. Jetzt war es anders, jetzt musste Raya etwas an mir auffallen, das nicht meiner Norm entsprach. Und das war gar nicht gut.

Ein kleines Schnauben brach aus mir heraus. Ich schüttelte leicht den Kopf, doch hob nicht den Blick vom Glas. Diese Frage war so banal, dass ich nicht anders konnte als so zu reagieren. Sie gehörte zu einem einfachen Smalltalk-Starter, der jedoch eine viel tiefe Bedeutung hatte, als mir lieb war. Raya blieb weiterhin ernst, was mich schlucken ließ. Sie wollte also tatsächlich von mir wissen, wie es mir ging, aber was konnte ich ihr schon für eine Antwort geben?

Mein Leben war gerade ein einziger Scherbenhaufen, der sich noch irgendwie zusammenhalten konnte, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, wie das funktionieren konnte. Angeline war fort und hinterließ dabei ein großes, schwarzes Loch in meiner Brust. Es fühlte sich schrecklich an, doch ich konnte rein gar nichts gegen diesen stechenden Schmerz machen. Vielleicht hätte ich mich durch meine Entscheidung, die Firma zu retten, irgendwie besser fühlen sollen. Und tatsächlich hatte ich gewartet, doch diese Gefühl des Sieges kam einfach nicht. Der Schmerz, der meinen gesamten Körper paralysierte, war einfach zu groß, als dass ich etwas anderes empfinden konnte.

Das Ganze ging jetzt schon mehrere Tage so und ich hatte das Gefühl, dass es immer schlimmer wurde, je weiter sich Angeline von mir entfernte. Und das tat sie, weil ich ihr genügend Gründe dafür gegeben hatte. Alles andere würde keinen Sinn ergeben.

Rayas Frage hinterließ also einen dunklen Schleier über meiner Stimmung. Das war sicherlich keineswegs beabsichtigt, aber es hatte mich nur noch mehr an meine ausweglose, tragische Situation erinnern.

Leicht zuckte ich mit den Schultern und fuhr meine kühle, distanzierte Fassade hoch, die ich mir in den letzten Jahren so gut antrainiert hatte, dass sie jede emotionale Frage mit einer gewissen Professionalität beantworten konnte. „Gut", entgegnete ich nach einer langen Pause und nickte zusätzlich einmal, um meine Aussage zu unterstreichen. „Es geht mir gut."

Meine Worte hörten sich glaubhaft an und vielleicht würde ich sie auch irgendwann tatsächlich einmal glauben. Bis dahin würde allerdings noch viel Zeit verstreichen.

Raya sagte nichts, weshalb ich prüfend den Blick zu ihr schwenkte. Ich wollte einfach sicher gehen, dass sie meine Lüge auch schluckte, so wie es alle anderen taten. Nur konnte ich in ihrem ruhigen Gesicht nicht die geringste Reaktion ablesen. Nein, tatsächlich schien es eher so, als wartete sie gerade ab, ob ich nicht mit meiner Antwort einknicken würde, was mich unruhiger machte. Ich nahm schnell die Augen von ihr und starrte lieber zu Boden. Den konnte ich wenigstens besser manipulieren als die Frau zu meiner Rechten.

„Auch in Bezug auf Angeline?", fragte sie schließlich nach.

Augenblicklich verkrampfte sich jeder Muskel in meinem Körper. Alles wurde für ein paar Sekunden lahmgelegt: Jede Bewegung, jeder Atemzug, jedes Wort. Ich konnte rein gar nichts machen, als mich dem paralysierten Zustand hinzugeben und abzuwarten, bis sich die Verspannung wieder etwas löste. Nur ein bisschen, doch ich zwang meinen Körper, sich wieder normal zu verhalten.

Selbst bei der Erwähnung ihres Namens drangen jede Erinnerungen zu mir durch, die ich so mühsam unterdrückt hatte. Es war ein Kampf, nicht jede verdammte Sekunde an sie zu denken, aber ich hatte es zumindest so weit geschafft, mich unter Kontrolle dabei zu haben. Doch wenn jemand über sie sprach, dann drohten all meine Mauern wieder einzustürzen. So wie es jetzt gerade der Fall war.

Unauffällig atmete ich den Schmerz wieder weg, bis meine Stimme fähig war, wieder zu arbeiten. „Ich habe das getan, was das Beste ist, und zwar für uns beide", erklärte ich ruhig, doch zum Ende hin zitterte ich leicht auf. Ich klappte schnell den Mund zu, bevor ich mich noch tiefer in die Scheiße ritt.

Raya neigte leicht den Kopf, ihre Augenbrauen schoben sich sachte zusammen, sie sog die Lippen zwischen ihre Zähne. „Denkst du das wirklich?"

Ich hob den Kopf und blickte erneut zu Raya. Dieses mal zwang ich mich allerdings dazu, ihrem Blick stand zu halten. Sie wirkte aufrichtig, besorgt und traurig, was mich schlucken ließ.

Die Leute, die wir versucht haben mit dieser Beziehung zu manipulieren, wussten nicht im Geringsten, was zwischen Angeline und mir tatsächlich alles vorgefallen war. Raya zählte zu diesen Personen, denn ich hatte Carter strengstens untersagt, ein Wort von dieser Farce an Raya zu verlieren. Doch wenn ich so in ihre Augen blickte, dann merkte ich, dass sie etwas zwischen Angeline und mir gesehen haben musste, dass nicht viele sahen. Nämlich unsere echten Gefühle für den jeweils anderen.

Sie wirkte so, als ob sie genau zu wissen schien, was diese Trennung mit beiden von uns gemacht hatte. Als wir Raya und Carter das letzte mal besucht hatten, war da keine Spielerei zwischen uns, nein, es war alles hundert Prozent echt. Ich hatte keine Ahnung, welchen Eindruck wir dabei hinterließen, doch es schien so, als ob Raya auch das wahrgenommen hatte, was tatsächlich zwischen Angeline und mir vorging.

Sie kannte uns beide nicht so gut wie andere Leute und dennoch konnte sie sagen, dass diese Trennung nichts gutes mit uns - mit mir - anstellte. Sie sah mir mein Leid an, meine Qualen, obwohl ich rein gar nichts gesagt oder getan hatte. Tatsächlich hatte ich eher versucht, sie deswegen vom Gegenteil zu überzeugen. Aber Raya war nun mal schlauer. Sie erkannte, wie schwer mir das alles zu setzte, und wie sehr ich alles hinterfragte.

Denn tatsächlich stellte ich mir diese Frage selbst oft genug. Hatte ich durch meine Entscheidung wirklich alles besser gemacht?

Wenn ich zurück an den Tag der Pressemitteilung dachte, wenn ich an Angeline Gesichtsausdruck, ihren Schmerz, dachte, dann konnte es gar nicht das Beste sein. Ich hatte sie verletzt, indem auch ich ihr in den Rücken gefallen war. Sie hatte eine Menge ertragen müssen: Ihren egoistischen Vater, ihre herzlose Mutter, den gnadenlosen Vorstand. Und obwohl ich ihr so oft gesagt hatte, dass sie deswegen wieder aufstehen solle, zwang ich sie mit meiner Entscheidung zurück in die Knie.

Angeline war stark. Ich wusste das nur zu gut, weil sie es mir immer wieder aus Neue beweisen konnte. Nur hatte ich Angst, dass sie dieses Mal möglicherweise auf dem Boden blieb, statt sich zu erheben.

Und der Grund dafür war ich.

Dieser Gedanke fraß mich tagtäglich ein Stück mehr auf. Ich hatte Angeline gebrochen, und das möglicherweise für immer. Dabei war ich es nicht wert. Gott, ich hatte sie auf keinen Fall in irgendeiner Weise verdient. Es war daher egal, wie es mir ging. Wichtig war nur, dass Angeline stark genug war, um wieder aufzustehen und mich einfach zu vergessen.

„Sie hasst mich", flüsterte ich ohne Zusammenhang und dachte dabei an ihren Gesichtsausdruck zurück, der mir als letztes von ihr im Gedächtnis geblieben war. Ich schloss die Augen und versuchte die Erinnerung zurückzudrängen, weil mir speiübel wurde.

„Nein, tut sie nicht", versicherte Raya ruhig, woraufhin ich den Kopf schüttelte.

„Du hast doch gesehen, was ich ihr angetan habe. Das haben alle gesehen", warf ich energisch ein. Ich war wütend, und zwar auf mich selbst. „Sie wird mir niemals auch nur ein einziges Wort glauben."

Die Trennung live bekanntzugeben hatte einen ganz anderen, bitteren Beigeschmack auf meiner Zunge. Ich war so feige und konnte die Beziehung noch nicht mal persönlich beenden.

„Erklär' es ihr."

Ich würde alles dafür tun, sie ein letztes mal sprechen zu können. Dabei würde ich so vieles anders machen. Ich würde ihr so gerne sagen, was die letzten Tage los war, ich würde ihr so gerne sagen, wieso ich das getan hatte, was ich tun musste. Ob sie mir dann verzieh', war egal. Ich wollte sie nur sehen, nur ihre Stimme hören. Ich wollte sie anfassen, sie in meine Arme ziehen. Ich wollte ihr so gerne sagen, wie sehr ich sie doch liebe. Doch warum sollte Angeline auch nur eine Sekunde ihrer Aufmerksamkeit einem feigen Arschloch wie mir schenken? Ich konnte es ihr nicht verübeln, mich nie wieder sehen oder auch nur anhören zu wollen.

Ich schüttelte leicht den Kopf. „Was ist, wenn sie mir nicht zuhören will?", fragte ich beinahe tonlos nach.

„Glaub mir, das wird sie", versicherte Raya eindringlich und rückte näher zu mir heran. Ihr Blick suchte den meinen. „Und zwar weil sie dich liebt. Und wenn du sie auch liebst, dann darfst du sie nicht gehen lassen, Nolan."

Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Raya ihren Kopf leicht in die andere Richtung drehte und dabei Carter ansah. Dieser schien ihren Blick zu bemerken, weshalb er kurz aufschaute und ihr ein warmes, liebevolles Lächeln schenkte.

„Zumindest nicht kampflos", fügte Raya schließlich hinzu und sah zurück zu mir. „Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede."

Ich blinzelte einmal und dachte nach. Vielleicht hatte Raya recht, vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, endlich das zu tun, was ich hätte schon von Anfang an tun sollen. Nämlich um Angeline kämpfen. Meine Entscheidungen konnte ich nicht mehr rückgängig machen, doch mir blieb immer noch die Zukunft, die ich bestimmen konnte.

Es war nicht gesagt, dass Angeline mir verzeihen, geschweige denn auch nur zuhören würde, doch was hatte ich zu verlieren? Ich wäre ein Idiot, wenn ich sie tatsächlich gehenlassen würde, und je mehr Zeit verging, desto größer wurde die Gefahr, sie endgültig zu verlieren. Also musste ich handeln, und zwar sofort. Koste es, was es wolle.

Meine Augen zuckten zu Raya, die mich weiterhin ansah. Auf meinem Gesicht tauchte zum ersten Mal seit langem wieder ein entschlossener Ausdruck auf. „Du bist eine wirklich kluge Frau, Raya."

Ich hatte mich nie darum bemüht, die Partnerin von meinem Bruder genauer kennen zu lernen, obwohl ich nicht wusste, wieso. Es stellte sich allerdings heraus, dass sie ein paar wirklich fantastische Qualitäten in sich trug, von denen ich mir definitiv eine Scheibe hätte abschneiden können.

Auf ihrem Gesicht tauchte ein Lächeln auf, sie zuckte leicht mit den Schultern. „Und das sogar ohne Collegeabschluss. Ich fühle mich also mehr als nur ein bisschen geehrt."

Dieser Kommentar ließ meine Mundwinkel ganz zart in die Höhe zucken. Ich ließ meine Augen über ihr Erscheinungsbild wandern und es war, als würde ich sie das erste Mal vollkommen anders sehen. „Mein Bruder hat wirklich Glück, dich zu haben. Wir haben Glück, dich zu haben. Willkommen in der Familie." In Rayas Augen funkelte etwas auf, das wie Stolz aussah, und ihr Lächeln wurde breiter.

„Ich hoffe, du hast ein paar starke Nerven mitgebracht, denn die Warrens sind keine leichte Pille zu schlucken", fügte ich hinzu und sie kicherte auf.

Mit einer abwinkenden Handbewegung stand sie schließlich auf. Sie nahm mir mit einem amüsierten Ausdruck das mittlerweile leere Glas aus der Hand. „Na los, komm", grinste sie mich an, doch ich hob nur fragend eine Augenbraue.

„Komm schon!" Als ich nicht reagierte, griff sie nach meinem Handgelenk, um mich auf die Beine zu ziehen. Ich überragte sie mühelos um mindestens eineinhalb Köpfe. „Ich zeige dir jetzt das gute Zeug, das Carter vor meiner Familie versteckt hält."

Belustigung stieg in mir auf. Sie war definitiv perfekt für diese Familie.

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