[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - W...

By frowningMonday

1.7K 224 1K

»Seine sieben Augenpaare waren auf sie gerichtet und alle vierzehn der menschlichen Pupillen nahmen sie ins V... More

- Vorwort -
- Prolog -
- I. -
- Kapitel 1: Neun Schuss -
- Kapitel 2: Trügerische Hoffnung -
- Kapitel 3: Falsche Jahreszeit -
- Kapitel 4: Vom Regen in die Traufe -
- Kapitel 5: Die Wahrheit bildet keine Derivate -
- Kapitel 7: Drinnen ist Draußen -
- II. -
-Kapitel 8: Die Unschuld stirbt als Erstes -
- Kapitel 9: Eine Lektion im Gemüseschälen -
- Kapitel 10: Wiegenlied -
- Kapitel 11: Wo man singt, da lass dich nieder -
- Kapitel 12: Katzenlord -
- Kapitel 13: Dein Gott heißt Joska
- Kapitel 14: Startschuss -
- III -
- Kapitel 15: Gestrandet -
- Kapitel 16: Weil es Sinn macht; sinnbefreit -
- Kapitel 17: Engelsduft -
- Kapitel 18: Katzengold im Himmel -
- Kapitel 19: Verbotene Erinnerungen -
- Kapitel 20: In Sicherheit -
- Kapitel 21: Das Ende einer Ära -
- Kapitel 22: Hölle auf Erden -
- Kapitel 23: Makellos -
- Kapitel 24: Was im Muttergestein schlummert -
- IV. -
- Kapitel 25: Luna-Major -
- Kapitel 26: Gefallener Stern -
- Kapitel 27: Ironie des Sternenhimmels -
- Kapitel 28: Mondbetriebenes Solarkraftwerk -
- Kapitel 29: Verhandlungsmaterial -
- Kapitel 30: Die Krücken der Varai -
- Kapitel 31: Wunderhände und Traumtypen -
- Kapitel 32: Der Mond, der Tod und die Engel -
- Kapitel 33: Izabela, Joska und der Weltuntergang -
- Kapitel 34: Berg, Ade -
- Kapitel 35: Hallo, Schatz -
- Kapitel 36: Der erste von zwei Splittern -

- Kapitel 6: Feind deines Feindes -

62 9 68
By frowningMonday

Joska hielt Wort. Asavi sah weder am Morgen noch über den Lauf der nächsten zwei Tage irgendeine Menschenseele. Kein Wasser, kein Essen. Sie erleichterte sich in den Kübel, der immer noch in der Ecke stand und wenigstens schickte man ihr am Abend einen stummen Schatten, der ihn mitnahm. Als Asavi aber nach dem Verbleib von Csaba oder Joska fragte, beeilte sich der Schatten, das Zimmer wieder zu verlassen.

Asavi hatte festgestellt, dass die Türe zu ihrer Scheinzelle nicht einmal ein Schloss besaß. Jedoch aus einem sehr überzeugenden Gefühl der Angst heraus, wagte Asavi nicht, sie zu öffnen. Zwar schlich sie so nah wie möglich heran und lauschte, doch sie hörte immer ein paar Räume weiter Stimmen. Sie würde hier bestimmt sterben.

Sie schaffte es nicht einmal, in der Stille zu weinen. Sie fürchtete, dadurch ein wichtiges Geräusch zu überhören und wenig später erklangen Schritte vor dem Zimmer. Die Türe wurde geöffnet und wieder geschlossen.

Jemand stellte einen frischen Kübel in die Ecke und kam zu ihr herüber. Asavi hielt die Luft an, doch als Csabas Stimme erklang, ließ sie ihren Atem ausströmen.

»Das war wirklich sehr dumm von dir«, begrüßte er sie und setzte sich neben ihr mit dem Rücken zur Wand.

»Ach, wirklich?«

»Ja, war es wirklich.«

Asavi schluckte gegen das Gefühl von Sandpapier in ihrer Kehle an. »Das war Sarkasmus.«

»Ich weiß.«

Ihr mattes Lächeln war eindeutig der Beweis dafür, dass sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.

»Zar ist nicht tot«, durchbrach Csaba schließlich die Stille von sich aus und Asavi brauchte einige Augenblicke, um das zu verinnerlichen.

»Was?«

Csaba rückte sich zurecht und räusperte sich leise. »Ist er nicht.«

»Aber du hast gesagt-«

Csaba zischte durch die Zähne. »Weil es für alle beteiligten das beste ist, wenn er von der Bildfläche verschwindet. Auch um Joskas Willen. Leute wie Zar machen ihn krankhaft paranoid.«

»Armer Joska. Bitte«, beeilte sich Asavi, zu sagen, »das war ebenfalls Sarkasmus, du musste mich nicht berichtigen.«

Csaba schnaubte. »Hör zu. Ich weiß nicht, wer Zar für dich ist, aber er ist ein zäher Kerl. Leider genauso untreu. Wir tolerieren ihn nur wegen seines Talents, nicht, weil wir auf seine Loyalität zählen. Jedes Mal, wenn er durch unser Tor kommt, droht ein Gemetzel auszubrechen, Engelsköpfe hin oder her. Er ist ein schwer zu tragendes Risiko. Und das letzte, das wir brauchen«, sagte Csaba mit Nachdruck in der Stimme, »ist einen Bürgerkrieg innerhalb des Klans. Vor allem nicht, wenn uns die Varai genauso gerne tot sehen wollen, wie die Engel. Damit hat Joska nämlich leider Recht.«

Asavi schluckte. »Warum?«

Csaba rieb sich über die stoppeligen Wangen. »Weißt du, warum Zar die Engel jagt?«

»Weil er es kann«, meinte sie leise und hob die Schultern. Ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte gefüllt. Sie war so unsagbar durstig.

»Ja, aber er kann es, weil die Engel ihn nicht angreifen und er tut es, weil es seine Berufung ist.«

»Weil er ein Varai ist, richtig?«

Das Geräusch von sich hebenden Schultern erklang in dem kleinen Zimmer und Asavi wandte Csaba den Kopf zu. Sie erkannte seinen muskulösen Schemen in respektvollem Abstand zu ihr am Boden sitzen.

»Keine Ahnung was sein Ziel ist, mir ist in den vergangenen Jahren noch niemand begegnet, der von so viel dummem Glück gesegnet war wie er. Oder der mit so einem herzhaften Todeswunsch auszieht, um sie zu jagen. Aber er macht es regelmäßig und hilft uns, obwohl Joska jedes Mal droht, ihn umzubringen. Manche freuen sich, ihn zu sehen. Er bringt Neuigkeiten aus der Welt und schmeichelt sich bei sämtlichen Leuten ein. Hast du eine Ahnung, wie viele Engel um unsere Städte ziehen? Viel zu viele. Aber er scheint immer irgendwie da zu sein, wenn sie aufkreuzen.«

»Soll ich dir jetzt erklären, was ich davon halte? Ist das hier eine Art Thinktank

Csaba hob die Schultern. »Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich dir gegenüber ehrlich sein kann. Du kannst nichts ausplaudern.«

Asavi verzog den Mund. »Ich könnte es Joska mitteilen.«

»Tu dir keinen Zwang an. Aber ich habe das Gefühl, dass du ein reges Interesse daran hast, Zars Überleben gegenüber Joska zu verschweigen.«

Asavi knurrte etwas Unverständliches, widersprach ihm aber nicht. »Also besteht zwischen euch und ihm eine Hassliebe?«

Csaba schnaubte leise durch die Nase. »Wenn ich es lieben würde, ihn zu hassen, vielleicht. Aber das ist es nicht. Er versucht sich mit dem Führungskader gutzustellen, uns Gefallen zu tun.«

»Ach und das ist zwangsweise der einfachste Weg, um von Joska erschossen zu werden.«

»Kommt es dir nicht auch schräg vor?«

Asavi hob die Schultern. Sie hatte garantiert nicht vor, ihm Zars Verbindung zu den Varai auf die Nase zu binden. Aber das, was Csaba hier in den Raum stellte, kratzte ohnehin schon ziemlich nah an der Wahrheit. Sie ließ ihre Stirn auf ihre angewinkelten Knie sinken »Mir kommt in dieser Welt alles schräg vor und ich verstehe nichts davon. Ich habe nicht gelogen. Ich kenne weder Zar, noch meine Mutter, noch die Varai

Csaba seufzte. Er wühlte in der Oberschenkeltasche seiner Moleskin-Hose und kurz darauf erklang das Geräusch eines Plastikdeckels, der geöffnet wurde. »Ich weiß. Aber Joska ist das egal. Du bist Izabelas Tochter.«

»Tja«, sagte Asavi mit plötzlich zugeschnürter Kehle. »Ich habe nur noch sie, das solltest du am besten wissen.«

Csaba schwieg darauf und Asavi wünschte sich von ganzem Herzen, sie möge in Tränen ausbrechen, um diesem Wirbelsturm an Gefühlen ein Ventil zu bieten. Aber sie konnte nicht. Sie war so schrecklich durstig und in ihrem Gefängnis war es dermaßen stickig, dass sie jegliche Körperflüssigkeit brauchte, um nicht zu kollabieren.

»Es tut mir Leid«, wiederholte Csaba dann und seltsamerweise glaubte ihm Asavi. Es machte den Schmerz dadurch aber nicht weniger real. »Hier.«

Csaba drückte ihr eine Plastikflasche in die Hände. »Ist Wasser, sags aber nicht Joska.«

»Warum hat Joska überhaupt nach meinem Vater suchen lassen? Aus Rache heraus? Weil er auch eine gute Geißel abgibt?«, brachte sie erstickt hervor und führte die Flasche mit zittrigen Händen an ihre Lippen.

»Joska würde es nicht gutheißen, wenn ich dir das sage.«

»Joska ist nicht hier«, krächzte Asavi.

»Er hat seine Spitzel aber überall. Wie sonst glaubst du hat er erfahren, wo Izabelas Mann wohnt? Und wenn Joska mal Blut gerochen hat ... tja.«

»Ihr hättet euch weigern müssen«, presste Asavi hervor und verkrampfte ihre zitternden Hände um die mittlerweile leere Flasche. »Damals in der Scheune.«

»Du träumst wohl. Joska liebt seine Zahnketten. Und ich widerum hänge an meinen Zähnen. Ihm zu widersprechen, wenn er ein Maschinengewehr in Händen hält ist äußerst unklug. Es ging nie darum euch zu töten. Aber wenn die Lage eskaliert – und das ist sie mit dem Auftauchen des Engels gleich vielfach – muss man Prioritäten setzen.«

»Er wollte euch helfen.«

Csaba ließ seinen Kopf mit einem dumpfen Geräusch gegen die Mauer sacken. Asavi wünschte sich innigst, dass er verschwand, aber sie brachte ihre zusammengepressten Kiefer nicht auseinander.

»Ich versuche es ja wieder gut zu machen.«

»Das kannst du aber nicht«, fauchte Asavi, als Csaba sich endlich erhob. »Danke für das Wasser.«

»Erwähns einfach nicht.«

~

Asavi verbrachte einen weiteren Tag in unbestimmter Stille. Das Fehlen der Zeit hatte sie nie groß gekümmert, sie richtete sich nach dem Sonnenauf- und -untergang. Sie besaß zwar eine Armbanduhr, die eine Aufziehbatterie enthielt, doch hatte Staub und Regen nicht nur Asavi kontinuierlich gewaschen, sondern auch das Innere der Uhr gehörig beschädigt. Sie lief nicht mehr.

Jetzt aber verschwammen die Stunden ineinander, es gab keine Sonne, nach der sie sich richten konnte, nur ihre eigenen körperlichen Bedürfnisse als Meilensteine ihres Tages.

Sie lauschte stets auf die Geräusche um sich herum und wurde hellhörig, wenn sie sich ihrer Zelle näherten. Dieses Mal erklangen von Gelächter begleitete Schritte und Asavi spitzte die Ohren.

»Hey, Csaba«, grüßte einer der Männer und sie hob erstaunt die Augenbrauen.

»Was wollt ihr?«, antwortete dieser desinteressiert.

»Dich für ne Weile ablösen.«

»Kein Interesse.«

Stand Csaba etwa vor ihrem Zimmer Wache? Asavi rieb sich die brennenden Augen.

»Fein. Dann leihen wir uns Izabelas Tochter für einen Moment aus.«

»Was wollt ihr von ihr?«

Asavis Herz setzte für einen Schlag aus, als ihr dämmerte, was die Typen implizierten.

»Komm schon, stell dich nicht dämlich. Sie ist ne Gefangene, billiger wirds nicht.«

Daraufhin blieb es für einen Augenblick gefährlich still vor dem Zimmer. »Billiger wirds nicht?«, wiederholte Csaba. »Sind das die Worte, die du auf deiner Stirn stehen haben willst, wenn Joska dich vor der Mauer aufhängt? Einen Grabstein wirds für dich nicht geben.«

»Ich werd sie ganz sicher nicht bezahlen. Was soll sie mit dem Geld, sie kanns ja nicht ausgeben. So als Gefangene«, lachte der Typ und klatschte seinen Kumpel ab, der ihm zu seiner Gewitztheit gratulierte.

»Eben«, entgegnete Csaba und klang immer noch vollkommen gelangweilt. »Was soll sie mit deinem Geld? Und jetzt haut ab, sonst stecke ich Joska, dass ihr sein Verhandlungsmittel missbraucht habt. Ich nehms mit der Wahrheit nicht so genau wie er.«

»Du bist ein Arschloch, Csaba.«

»Und du ein notgeiler Geizhals, Máté. Verpisst euch gefälligst.«

Die Schritte entfernten sich wieder, trotzdem schaffte Asavi es nicht, sich zu beruhigen. Mit wild hämmerndem Herzen, welches ihr dröhnende Schmerzen durch den Kopf pumpte, schlich sie zur Türe und lehnte sich dort gegen das halbwegs kühle Mauerwerk.

»Csaba?«, flüsterte sie in Höhe des Schlüssellochs.

Sie hörte, wie sich jemand auf einem knarzenden Schemel zurechtrückte und sein Sturmgewehr richtete.

»Ich kann nicht immer hier sein«, fiel er mit der Tür ins Haus. »Wenn dich einer von hinten packt, versuche nicht, dich mit dem Hin- und Herwerfen deines Kopfes befreien zu wollen, wie damals in der Stadt.«

»Was?«, zischte Asavi zurück und Csaba schüttelte den Kopf.

»Mach einfach einen Schritt zur Seite und bück dich nach vorne. Gerne auch mit dem Ellenbogen in den Schritt zielen. Das gibt dir den Raum, deine Arme unter dem Klammergriff hervorzuziehen und abzuhauen.«

»Du meinst das ernst.«

»Ja.«

Asavi stieß die Luft durch die Nase aus und ließ sich mit dem Rücken gegen die Mauer auf den Boden sinken. »Und wenn du deinen Freunden sagst, sie sollen es gar nicht erst versuchen?«

Csaba schnaubte. »Das hier ist eine Klanstadt. Du magst dich zwar in einer Kirche befinden, aber glaub nicht für eine Sekunde, dass die Menschen, die hier drin wohnen, diesem Umstand irgendeine Form von Ehrfurcht entgegenbringen.«

»Außer du natürlich. Du bist ein Heiliger.«

»Ich glaube nicht an Gott und demnach auch nicht an Heilige.«

»Das war Sarkasmus.«

»Ich weiß.«

Asavi schloss die Augen und zupfte an den trockenen Hautfitzeln ihrer Lippen herum, die sich zu einem unfreiwilligen Grinsen verzogen.

»Wird Joska mich hier drin sterben lassen?«

»Nein. Er braucht dich schließlich noch.«

Asavi sagte nichts darauf. Nach dem Schlag, den er ihr verpasst hatte, war sie sich nicht so sicher, ob Joska nicht lieber der Genugtuung nachgab, Rache an Izabela zu nehmen, indem er seinen Zorn an ihr ausließ. Dabei war sie ihrer Mutter nicht einmal wichtig genug, dass sie nach ihr suchen ließ. Seit sechs Jahren nicht. Den Brief konnte man kaum zählen, obwohl sich Asavi an die zu Tränen rührenden Worte klammerte, die alles verkörperten, was sie noch nicht aufgegeben hatte.

»Aber er ist im Moment nicht hier«, fuhr Csaba fort. »Wenn du willst, dann bringe ich dich in der Nacht in den Kirchhof. Dann kannst du dich waschen.«

Asavi ließ den Kopf zwischen ihre Schultern hängen. »Ich merke gar nicht mehr, wie sehr ich miefe.«

»Oh, du miefst wirklich außerordentlich.«

Asavi grunzte uncharmant durch die Nase und verschluckte sich beinahe an ihrem matten Lachen. »Hast du keinen Schiss, dass Joska dich an deinen Daumen übers Feuer hängt, weil du mir hilfst?«

»Ist deine Entscheidung«, wich er der Frage gekonnt aus.

»Okay, ja, gerne«, nahm Asavi sein Angebot an und wünschte sich Zars anzügliche, doch immerzu heitere Sprüche zurück.

~

Asavi war an der Mauer zusammengesunken eingeschlafen. Das Knarzen der Türe schreckte sie jedoch sofort auf und sie kam wankend auf die Beine, bereit sich zur Wehr zu setzen. Aber es war nur Csaba, der mit seinen breiten Schultern und den wilden Locken den Türrahmen blockierte.

»Kommst du?«

Asavi nickte und Csaba trat an sie heran. Er band ihr einen Strick aus Polypropylen um eines ihrer Handgelenke und führte sie am Oberarm vor sich hinaus in den stillen Korridor.

»Glaubst du ernsthaft, ich renne in diesem Zustand davon?«, fragte sie trocken und versuchte, sich grob aus seinem Griff zu winden.

Csaba packte sie bloß eine Spur fester. »Nein, aber darum geht es nicht.«

Asavi schnaubte. »Bist du Joskas Stellvertreter?«

Csaba führte sie am Ende des Korridors durch eine schmale, vom Wetter verzogene Holztüre und die frische Luft strich Asavi über die erhitzte Haut. Ihr Blick fiel auf einen schemenhaften Arkadengang und zwei hohe Eichen davor, die im Kirchhof bis zum Dach des Anbaus reichten.

»Joska hat keine Stellvertreter. Es gibt niemanden wie Joska.«

»Oh, tut mir leid. Er muss ein einmaliger Typ sein.«

»Wenn du nicht still bist, bringe ich dich gleich zurück in deine Zelle.«

Asavi biss sich auf die Zunge und ließ sich von Csaba an der Kirchenmauer entlang führen. An der Wand hingen in einer Reihe aufgerollte Gartenschläuche. Jemand hatte schief zusammen genagelte Paletten als Begrenzungen zwischen den Schläuchen aufgestellt und der leicht modrige Geruch nassen Holzes drang Asavi bestärkt durch die lauwarme Luft in die Nase.

Es war zu dunkel, um mehr als Schemen zu erkennen, und Asavi gab die Hoffnung auf, dass Csaba eine Laterne anzuzünden gedachte. »Kannst du mich dann wenigstens loslassen?«

Csaba schnaubte neben ihr. »Gleich. Ich habe dir was Neues zum Anziehen gebracht. Deine Kleider verbrenne ich lieber. Du stinkst wirklich extrem.«

»Charmant«, zischte Asavi sauer. »Funktioniert die Masche bei den Frauen hier?«

»Ich habs nie ausprobiert«, antwortete er und stellte sich vor sie. »Zieh dich aus.«

Asavi reagierte nicht. Sie starrte nur nach oben in sein Gesicht, bis er mit den Augen rollte. »Ich werde mich sicherlich nicht umdrehen.«

»Funktioniert die Masche bei den Frauen hier?«, gab Asavi erbost zurück und versuchte, automatisch zurückzuweichen, doch der Strick um ihr Handgelenk straffte sich bereits nach einem Schritt und sie blieb gezwungenermaßen stehen.

»Ich habs nie ausprobiert«, antwortete Csaba gleichgültig. »Zieh dich einfach aus, was soll ich schon großartig erkennen?«

Es war noch lange nicht so dunkel wie bei Neumond, der Himmel leuchtete in einem dumpfen, fernen Licht, dessen Quelle sich seit dem Verschwinden des Mondes nicht mehr zeigte. Irgendetwas würde er erkennen, aber Asavi konnte schlecht anfangen zu streiten.

Sie biss die Zähne zusammen und hob ihren Arm, um an ihrer Achsel zu schnüffeln. Wenn sie sich dazu hinreißen ließ, dann nahm sie tatsächlich den üblen Gestank wahr, der ihr und ihrer Kleidung anhaftete. Sie zischte unzufrieden auf und zog sich das Shirt über den Kopf.

»Nicht schrecken, ich helf dir«, sagte Csaba kurz bevor sie seine Hände auf ihren spürte. Er zog das Kleidungsstück über den Strick und warf es neben der Holzpalette auf den Boden. Asavi hielt sich davon ab, vor ihm zurückzuweichen. Seine Finger waren warm, aber das war bei den kontinuierlich sommerlichen Temperaturen kein Kunststück.

Trotzdem waren ihre eigenen vor Nervosität eiskalt und sich zu entkleiden, während ein Muskelprotz mit dem abgebrühten Temperament eines Wiederkäuers jede ihrer Bewegungen verfolgte, um sicher zu stellen, dass sie keinen falschen Schritt machte, trug nicht unbedingt zu ihrer Entspannung bei.

Dann folgten die Hose und ihre Unterwäsche. Asavi sagte nichts und wagte kaum, zu atmen, als Csaba ihre Stiefel zur Seite stellte.

Sie tastete sich zur Holzpalette nach vorne, die sie zumindest bis zu ihren Rippen vor Csabas Blicken schützte und nahm den Schlauch entgegen, den er für sie entrollte. »Viel Spaß. Du hast fünf Minuten, da liegt Seife.«

Asavi stieß nur die Luft durch die Nase aus und packte das Schlauchende mit Vehemenz. Jeder Zentimeter ihrer nackten Haut kribbelte unangenehm und obwohl Csaba ihr versichert hatte, dass er in der Dunkelheit kaum etwas erkannte, bildete sie sich ein, seinen stechenden Blick auf sich zu spüren.

»Und wo«, fing sie heiser an, »wo liegt die Seife?«

Csaba griff nach ihrer Hand und führte sie einen Schritt näher zur Mauer hin, bis ihre Finger gegen eine Blechschale stießen, in der ein kleines Stück Kernseife lag.

Ihre nackten Zehen gruben sich in den kieseligen Boden, als sie die Seife fest umklammerte. Csaba drehte den Wasserhahn auf und kurz darauf sprudelte eiskaltes Wasser aus dem Schlauch. Asavi holte zischend Luft und beeilte sich, den Schmutz samt Gestank von sich zu waschen .

»Das reicht«, sagte Csaba nach fünf Minuten, drehte den Hahn zu und drückte ihr ein zerschlissenes Handtuch in die Hände.

Sie rubbelte sich bibbernd trocken. Das nasse Polypropylenseil scheuerte dabei unangenehm an ihrem Handgelenk. Sie warf das Handtuch über die feuchte Holzpalette und wartete angespannt darauf, dass Csaba ihr etwas zum Anziehen gab. Máté und seine Freunde gingen ihr durch den Kopf und sie biss nervös auf ihren Lippen herum. Csaba reichte ihr schweigend frische Unterwäsche, eine Jogginghose und ein Leinenshirt. Asavi suchte verzweifelt nach dem Kopfloch und verhedderte sich in den zwei Schnüren, die den Ausschnitt zusammenhielten. Csaba stand wartend daneben, bis sie die Luft zittrig ausstieß.

»Hilfst du mir, bitte?«, fragte sie mit brennenden Wangen.

»Klar.« Csaba trat um die Holzpalette herum und entwirrte die Schnüre. »Arme hoch.«

Asavi hob ihre Arme und versuchte, nicht daran zu denken, dass sie ohne BH oder Unterhemd vor ihm stand und ihre Brüste in seine Richtung reckte.

»Warum fällt dir das so einfach? Hast du etwa Nachtsicht?«, scherzte sie beschämt und zog den Bauch so fest ein, wie sie konnte, als Csabas Hände über ihre Rippen strichen.

»Nein. Das ist Gewohnheitssache. Außerdem weiß ich ja, was für Kleidung ich dir gegeben habe.«

»Ha«, machte Asavi und fühlte sich bedeckt gleich viel besser. Sie fummelte an den Schnüren ihres Dekolletees herum und zog sie fest zusammen. »Bisschen groß.«

Csaba packte sie wieder am Arm und führte sie zurück in ihre Zelle. »Ich dachte mir, hauteng wäre nicht dein Stil.«

»Schön«, brachte sie hervor, als Csaba sie endlich losließ. »Aber wenn alles rumschlabbert, ist man auch leichter zu packen.«

Csaba grinste. »Eben.«


Continue Reading

You'll Also Like

36.3K 2.6K 56
»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hoc...
2.5K 465 21
Digory ist in seiner Schule als Außenseiter bekannt, niemand nimmt ihn wahr, niemand redet mit ihm. Er ist vollkommen allein. Er hat nicht wirklich j...
13.9K 2.4K 18
Was als gemütlicher Serien-Sonntag beginnt, eskaliert zu einem Widerstandskrieg in einer anderen Welt. Emily ‚Queenie' Queensbury kann gar nicht oft...
21.5K 1.3K 9
Die Fortsetzung zu „Ella - die Stille nach dem Sturm" Seitdem Ella wieder zurück in der Zukunft ist, steht sie völlig neben der Spur. Ohne Hoffnung N...