Leons PoV
Ein Klingeln riss mich aus meinem Schlaf. Grummelnd zog ich die Bettdecke höher ohne die Augen zu öffnen. Erneut ertönte ein Klingeln, wobei es sich weder um meine Haustürklingel, noch um mein Handy handelte. Bereits im nächsten Moment folgte ein Dauerklingeln, welches mehrere Sekunden anhielt. Seufzend schlug ich die Augen auf und realisiert, dass ich mich nicht in meinem Bett befand und Joshua neben mir lag. Lächelnd betrachtete ich den Blonden, welcher noch mit geschlossenen Augen dort lag. Ein weiteres Mal ertönte das Klingeln, welches ich inzwischen Joshs Haustür zuordnen konnte. Mit einem Brummen zog ich Joshua enger an mich und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Erneut wurde die Klingel betätigt.
"Das ist Serge", erklärte Josh mir mit verschlafener Stimme.
"Woher weißt du das?", fragte ich nach.
"Weil er jeden Morgen um diese Uhrzeit klingelt."
"Er macht sich Sorgen um dich. Die ganze Mannschaft tut das", erklärte ich.
"Musst du nicht zum Training?", versuchte der Kleinere das Thema zu wechseln.
"Mir gefällt es hier eigentlich besser." Ich lehnte mich vor, um einen kleinen Kuss auf Joshs Lippen zu platzieren. "Ich gehe wieder zum Training, wenn du mich begleitest", versuche ich ihn aus seinen Haus zu locken.
"Ich will nicht", weigerte Joshua sich.
"Willst du deine Karriere beenden?" Als Antwort erhielt ich ein Schulterzucken. "Vergiss es, das lass ich nicht zu. Du wirst nicht alles, was du dir über Jahre hinweg aufgebaut hast, einfach wegwerfen nur wegen so einem Idioten, der dich gar nicht verdient hat."
"Das ist meine Entscheidung, nicht deine."
"Das ist keine Entscheidung, sondern Blödsinn. Du gehörst auf den Fußballplatz. Außerdem passt Aufgeben so gar nicht zu dir. Vergiss den Idioten, da draußen laufen viel bessere Kerle herum. Liebeskummer ist immer ätzend, aber es wird besser werden, das verspreche ich dir."
"Lass gut sein, Leon."
"Kommt gar nicht in Frage." Es klingelte erneut. Entschloss stand ich auf.
"Wo geht's du hin?", erkundigte sich Josh.
"Ich mach Serge die Tür auf."
"Was?!", entfuhr es dem Hausbesitzer entsetzt, während ich das Schlafzimmer verließ. "Leon! Lass den Mist!", rief Joshua mir hinterher, als ich die Treppe nach unten ging. Hinter mir ertönten schnelle Schritte. Da ich mich nicht besonders beeilt hatte, gelang es Josh mich unten im Flur einzuholen und am Handgelenk festzuhalten. "Es ist nicht deine Entscheidung, wer in mein Haus darf."
"Es ist Serge, dein bester Freund, und nicht irgendein Fremder."
"Trotzdem."
"Wieso willst du Serge nicht hier haben?"
"Weil ich es eben nicht möchte."
"Er macht sich Sorgen."
"Ich schreib ihm nachher."
"Verdammt, Josh, es geht so nicht weiter. Du kannst dich nicht Zuhause verkriechen und dich mit Alkohol zulaufen lassen."
"Es ist mein Leben und somit auch meine Entscheidung."
"Normalerweise ja, aber nicht, wenn du so neben dir stehst. Es geht dir beschissen, aber das kann Alkohol nicht ändern. Vielleicht lässt er dich für den Moment vergessen, aber das ist doch keine Dauerlösung. Das Leben geht weiter auch ohne Marcel. Mal davon abgesehen hat der Idiot es gar nicht verdient, dass du ihm auch nur eine Sekunde nachtrauerst."
"Wieso mischt du dich da ein?"
"Das habe ich dir gestern schon gesagt." Sanft umschloss ich Joshs Gesicht mit beiden Händen, wobei ich ihm tief in die Augen schaute. "Weil ich dich liebe und du mir wichtig bist. Ich werde und kann nicht einfach zusehen, wie du dich selbst zerstörst. Tut mir leid, Josh, aber das werde ich nicht zulassen." Schnauben wollte er sich von mir lösen, doch hielt ich ihn weiter fest und hielt ihn bei mir. "Was?", hakte ich nach.
"Wieso sollte es bei dir anders als bei Lina oder Marcel sein? Wieso sollte ich dir glauben, dass du bleibst? Es wird doch genauso enden, dass du mich irgendwann allein lässt."
"Wird es nicht, das verspreche ich dir." In Joshs Augen erkannte ich Zweifel, welche sich mit Angst vermischte. Sanft strich ich über seine Wange. "Gerade geht es aber nicht um mich oder uns, sondern nur um dich. Wenn du nämlich weiterhin dein ganzes Leben wegschmeißen willst, kann es kein uns geben, was mir wieder herum das Herz brechen würde. Ich brauche dich, Josh. Wenn du meine Gefühle nicht erwiderst, akzeptiere ich das, aber ich brauche dich in meinem Leben, wenn auch nur als Freund. Wenn du dein Leben aufgibst, zerstörst du meins gleich mit."
"Das stimmt nicht." Ich lehnte mich vor, um den Kleineren zu küssen, wobei ich meine ganze Liebe ich den Kuss steckte. Josh krallte sich in mein Shirt, während er den Kuss erwiderte.
"Fühlt sich das an, als würde es nicht stimmen?" Statt zu antworten, küsste Josh mich erneut. Ich zog ihn enger an mich.
"Du lässt mich nicht allein?", flüsterte Josh, nachdem er den Kuss gelöst hatte.
"Niemals. Ich werde immer an deiner Seite sein, egal ob als Partner, Mannschaftkollege oder Freund. Ich bin für dich da. Immer." Seufzend lehnte der Blonde seinen Kopf gegen meine Schulter. "Ich mach dir einen Vorschlag. Wir schwätzen heute zusammen das Training, bringen hier mal etwas Ordnung ins Haus und sorgen dafür, dass du mal wieder was vernünftiges isst. Morgen gehen wir dann zusammen zum Training."
"Ich weiß nicht", murmelte Joshua an meiner Schulter.
"Ich finde meine Idee super, also machen wir es so", entschloss ich einfach und erhielt dafür keine Wiederrede.
Den restlichen Tag hatten wir es uns gemeinsam auf der Couch gemütlich gemacht und einfach einige Filme geschaut, wobei ich Josh die ganze Zeit fest in meinen Armen gehalten hatte. Am Abend hatte ich Josh gezwungen zu kochen. Sein leerer Kühlschrank hatte zwar lediglich Nudeln mit Pesto hergegeben, doch es war besser als nichts. Währenddessen hatte ich all die Alkoholflaschen, egal ob voll oder leer, in meinen Kofferraum geräumt. Dabei hatte ich versucht auszublenden, dass Joshua diese in den letzten zwei Wochen allein getrunken hatte und hoffte, dass er noch einfach wieder damit aufhören konnte.
Die Nacht hatte ich erneut bei Josh verbracht.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker früher als gewohnt, da ich befürchtete, dass Josh mich nicht Diskussionslos begleiten würde. Tatsächlich stand ich zunächst allein auf. Die Zeit nutzte ich, um mich selbst fertig zu machen und das Frühstück vorzubereiten.
Als ich ins Schlafzimmer zurückkehrte, war Josh nicht wie erwartet wieder eingeschlafen, sondern starrte gegen an die Decke. Ich lehnte mich über ihn. Einige Male blinzelte der Blonde, ehe sein Blick mich fokussierte.
"Worüber grübelst du nach?", fragte ich sanft. Zögerlich hob Josh eine Hand, legte diese an meine Wange und strich mit dem Daumen sanft über meine Haut. Lächelnd lehnte ich mich zu ihm runter und hauchte einen zärtlichen Kuss auf seine Lippe. "Wenn ich aufhören soll, dich zu küssen, sagst du es mir, ja?", bat ich.
"Ich dachte, du könntest damit nicht mehr aufhören", erinnerte er an meine Worte.
"Vor allem will ich damit nicht aufhören", meinte ich, ehe ich einen weiteren Kuss auf seine Lippen platzierte.
"Ich habe heute Nacht nachgedacht..."
"Du solltest schlafen", unterbrach ich ihn.
"Ich denke, es war meine Schuld, dass Marcel und auch Lina gegangen sind."
"Josh ...", setzt ich an, jedoch sprach er einfach weiter.
"Vielleicht haben sie einfach gemerkt, dass ich nicht nur für sie Gefühle hatte. Vielleich haben sie das geahnt oder gespürt, was ich mit aller Kraft verdrängt habe."
"Was meinst du?"
"Erinnerst du dich an den Mannschaftsabend vor vier Jahren, nachdem wir die Meisterschale überreicht bekommen haben?"
"Ehrlich gesagt nicht mehr so richtig. Mir fehlen von der Feier allerhand Erinnerungen."
"Ich hab dich nach Hause begleitet, weil du kaum noch gerade laufen konntest. Vor deiner Haustür hast du mich einfach geküsst." Geschockt sah ich Joshua an, da ich mich an den Kuss nicht mehr erinnern konnte. Ich hatte schon damals Gefühle für den Kleineren, doch hatte sie eigentlich verheimlicht. Scheinbar war das aber nicht so erfolgreich gewesen, wie bisher angenommen. "Du bist danach reingegangen und am nächsten Morgen war für dich einfach alles wie immer, als hätte der Kuss keine Bedeutung gehabt, als hätte es ihn nie gegeben. Ich war damals noch mit Lina zusammen. Der Kuss hat alles durcheinander gebracht. Plötzlich waren da Gefühle, die vielleicht schon länger da waren, doch die ich immer verdrängt hatte und die ich wieder versucht hatte zu verdrängen. Es ist mir auch einigermaßen gelungen, weil ansonsten alles beim Alten geblieben war, zumindest dachte ich das. Kurz darauf begann die Beziehung von Lina und mir sich zu verändern. Es war ein schleichender Prozess bis Lina sich schließlich von mir trennte. Ich habe Lina geliebt und auch Marcel, aber irgendwie waren da tief in mir halt auch immer die Gefühle für dich, die ich nicht haben wollte."
"Willst du sie noch immer nicht haben?", fragte ich vorsichtig.
"Wieso hätte ich dir dann davon erzählen sollen?"
"Was bedeutet das jetzt für uns?"
"Ich weiß es nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich dich gerne bei mir habe und es sich gut anfühlt dich zu küssen."
"Das reicht mir für den Moment", lächele ich. "Meinst du, ich bekomme dich mit Küssen zum Training gelockt."
"Können wir nicht einfach, wie gestern, den Tag aufm Sofa verbringen?"
"Das können wir nach dem Training gerne machen." Seufzend setzte Joshua sich auf, wofür ich mich ebenfalls aufrichten musste. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, ehe ich mich komplett aufrichtete und Josh eine Hand hinhielt. "Komm mit. Ich hab uns Frühstück gemacht." Mit einem erneuten Seufzen ergriff der Jüngere meine Hand und verließ widerwillig sein Bett, um mich nach unten in die Küche zu begleiten.
Es war nicht die perfekte Ausgangsposition für eine Beziehung, doch würde ich geduldig darauf warten, dass Josh für eine neue Beziehung bereit war und mich dabei an mein Versprechen, dass ich ihn nicht allein lassen würde, halten.