Starshakers (Sunhunters pt. 2)

By wolkenbonbons

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„Bring mir eine Klangschale mit", sagt der Sunhunter todernst, „Ich muss meine Chakren in Einklang bringen, s... More

playlist + visuals
1 - Matthias Green
2 - Clara de Flocon
3 - Clara de Flocon
4 - Matthias Green
5 - Clara de Flocon
6 - Matthias Green
7 - Matthias Green
8 - Clara de Flocon
9 - Clara de Flocon
10 - Matthias Green
11 - Matthias Green
12 - Clara de Flocon
13 - Matthias Green
14 - Clara de Flocon
15 - Matthias Green
16 - Matthias Green
note
17 - Matthias Green
18 - Clara de Flocon
19 - Clara de Flocon
20 - Clara de Flocon
21 - Clara de Flocon
23 - Matthias Green
24 - Matthias Green
25 - Clara de Flocon
26 - Clara de Flocon
27 - Matthias Green
28 - Clara de Flocon
29 - Matthias Green
30 - Clara de Flocon
31 - Clara de Flocon

22 - Matthias Green

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By wolkenbonbons

~☀️~

Wir werden beobachtet. Im Meer aus Studenten wäre der Mann kaum aufgefallen. Ich hätte vielleicht gedacht, dass er nur Clara oder mich hübsch findet, doch er schaut immer wieder von seinem Essen auf und zu uns herüber. In exakt dreiminütigem Abstand, als würde er die Sekunden zählen. Circa zwanzig, grau gefärbte Haare, blaue Jacke, Poloshirt und schwarzer Rucksack. Ich hebe meine Watch und mache unauffällig ein Foto von ihm. Falls es doch nur Zufall ist, passiert gar nichts damit. Falls er Ärger macht, habe ich immerhin sein Gesicht. Der Blick auf unseren Stalker wird mir allerdings durch einen anderen Studenten versperrt, als Claras Bekannte unseren Tisch erreichen. Diese zukünftigen Ingenieure sind wirklich überall. Eine regelrechte Plage.

Der Typ, der uns gewinkt hat, lässt sich auf den Platz neben Clara fallen. Tiefbraune Augen, Grübchen und Locken über einem weichen Gesicht. Grüne Jogginghose. Süß, aber er strahlt diese einschläfernde Aura von jemandem aus, der etwas zu viel Zeit am Schreibtisch verbringt. Doch tun das nicht alle Studenten? Ist das vielleicht das, was alle so attraktiv an diesen akademischen Backfischen beiderlei Geschlechts finden? Ich werfe Clara einen schrägen Blick zu, noch bevor es sich der Typ vor seinem Tablett, auf dem ein regenbogenfarbener Wackelpudding hin und her boogiet, bequem gemacht hat.

„Ey", macht er langgezogen und boxt sie freundschaftlich auf den Unterarm, „Wie lief die Klausur?"

In seiner Standardsprache schwingt ein unüberhörbar irdischer Akzent mit, den ich einzuordnen versuche, während ich den Wackelpudding anstarre. Ich will ja niemanden aufgrund seines Essverhaltens verurteilen, aber Wackelpudding zum Mittagessen? Bist du fünf Jahre alt und schaust bei deiner Oma auf der Couch Cartoons?

„War okay", sagt Clara und grinst, „Zeile zehn hat mich fertig gemacht."

Ich lasse den Wackelpudding Wackelpudding sein und hebe den Blick, um weiter meinen subjektiven Befund zu erheben. Sieht ein bisschen fertig aus, wahrscheinlich bis spät gelernt. An seinen Unterarmen treten die Venen hervor, wahrscheinlich als Ergebnis genau darauf ausgelegter Pumpsessions. Er findet sich wahrscheinlich selbst ziemlich scharf.

„Ja, oder? Was sollte das denn?", fragt er aufgekratzt zurück, „Und ich dachte der Typ wäre korrekt!"

„Frechheit", ergänzt eine junge sehr attraktive Frau mit blondem Pferdeschwanz, die sich auf Claras anderer Seite niederlässt, „Übertrieben, das in der Klausur dranzubringen."

„Bin durchgefallen", ächzt ein zweiter Typ, der sich neben mich setzt und tatsächlich ein „Hey" in meine Richtung nickt. Er trägt eine runde Brille, die er jetzt abnimmt, um sich frustriert die Augen zu reiben. Die Brille ist dem Model, das ich mir für meine tolle Tarnung ausgesucht habe, zum Verwechseln ähnlich. Klopfe mir innerlich auf die Schulter für die gelungene Studentenmimesis.

„Also ich fand's easy", kommentiert eine weitere Studentin, die sich zu meiner rechten setzt.

„Ellie", seufzt Wackelpuddingwilhelm, „Dich hat niemand gefragt."

Gleichzeitig sagt mein Brillenkollege bewundernd: „Ja, du Machtnerd."

Wenn der Wackelpuddingwilhelm Standardsprache spricht, schwingt ein eleganter aber auffälliger Akzent mit, der unverkennbar irdisch ist. Er spricht also eine Erdsprache als Muttersprache, was im Core kaum mehr vorkommt. Wahrscheinlich ist er aus der VHN geflohen, hat hier ein Vollstipendium wegen Strebertum abgesahnt und steht jetzt unter Druck, weil er auf der Straße sitzt, wenn er den guten Willen von Vater Staat verliert. Und außerdem braucht man keine psychologische Grundausbildung, um zu sehen, dass er mies auf Clara steht. Vater Staat ist nicht amüsiert.

„Hey, wer bist du eigentlich?", fragt mich die Blondine neben Clara. Sie hat Sommersprossen und auffallend gerade Zähne, die auf sehr fähige Kieferorthopäden und wahrscheinlich stinkreiche Eltern hindeuten. Ja, da fragt sie etwas. Welches meiner Alter Egos präsentiere ich den IT Nerds jetzt? Jonny, Bill, Walther? Eigentlich hätte ich Lust meinen psychopathischen Veteranen Gus auszupacken, aber ich fange Claras Blick auf und weiß, dass Gus heute keine Option ist.

„Oh, ich bin Matt, Clara ist meine Peer Adviserin", stelle ich mich mit einem taktisch eingestreuten nervösen Lacher vor, „Und ihr?"

Grüne Jogginghose taxiert mich und vergisst darüber sogar seinen Wackelpudding, die Arme zu beiden Seiten seines Tablets auf dem Tisch abgelegt. Das Klischee vom emotional nicht besonders intelligenten IT Superhirn scheint bei meinem Gegenüber nicht zuzutreffen. Wir wissen beide, was der andere hier für Absichten hat.

„Anh", sagt er, „Dich hab ich noch nie gesehen hier, bist du Austauschstudent?"

Er ist so straight-forward, um mich einzuschüchtern. Fast bewundernswert, wie er sich aufplustert. Ich trinke einen weiteren Schluck Litschischorle und mache ein unverbindliches Gesicht. Im Angesicht der Feindseligkeit lasse ich meine Maske des netten schüchternen Typen noch ein wenig heller strahlen.

„Ja, bin neu", sage ich in bester High School Film Manier und kratze mich am Hinterkopf, um eine Ausrede zu haben, den Blick auf mein Essen zu senken. Außerdem spreche ich sehr leise. Claras Blick ist unbezahlbar.

„Cool", grinst mich die Blondine an und streckt ihre Hand über unsere Tablets, „Ich bin Fia."

Fester Händedruck, weiche Haut, gemachte Nägel in schiefergrau. Ich setze einen Blick auf, als wäre ich unendlich dankbar für ihre Nettigkeit.

„Ich bin Theo", stellt sich auch mein Nachbar vor, „Woher kommst du denn?"

Ja, frage ich mich, während ich auch ihn schüchtern anlächle, woher komme ich denn?

„Taqahr", sage ich und sie machen alle große Augen. Clara starrt mich über ihr Curry hinweg direkt an, was Anh aber zum Glück verpasst, weil er selbst so fixiert auf mich ist. Bis jetzt habe ich genau genommen keine einzige Lüge erzählt. Taqahr ist die nächstgelegene Weltraumstadt zu meinem geliebten Bitch Planeten und ein mehr oder weniger unabhängiges Protektorat. Dort gibt es kostenlose Selbstverteidigungskurse gegen Weltraumpiraten, staatlich geförderte arrangierte Ehen und eine der größten biochemischen Forschungseinrichtungen der Galaxie. Vor ein paar Tagen wurde die Stadt erneut schwer unter Beschuss genommen. Streng genommen habe ich also nur minimal gelogen, um mir ein paar Mitleidspunkte zu erschachern.

„Oh man", sagt Fia bedröppelt, „Ich hab das in den Nachrichten gesehen."

„Hey, alles gut bei dir?", fragt mich Theo.

Ich wende mich ihm zu, nicke und bedanke mich knapp. Mache mir eine geistige Notiz, dass er wohl das Sweetheart der Gruppe ist. Doch auch die anderen scheinen ehrlich betroffen. In meinen Kreisen bekommt man kein Mitleid für Bombardement, da wird eher gewettet, welche kulturellen Wahrzeichen zuerst getroffen werden. Ich bin definitiv mit zu wenigen normalen Menschen unterwegs.

„Und jetzt steigst du hier ein?", fragt Anh, der wohl minimal versöhnter mit meiner Anwesenheit scheint, seit ich ein Kriegsgeflüchteter bin, „Was studierst du denn, wenn ich fragen darf?"

In meinem Kopf öffnet sich der Tab mit den grundständigen Studiengängen der Universität, den ich mir auf der Herfahrt angesehen habe. AI Engineering kann ich nicht nehmen. Auch wenn ich sehr großes Vertrauen in meine Improvisationskünste habe, schaffe ich es auf gar keinen Fall diesen vier Claras vorzuspielen, dass ich eine von ihnen bin. Kunst vielleicht? Nein, zu weit weg von Claras Fachbereich, um meine Anwesenheit in der Prüfung zu rechtfertigen.

„Sinologie", werfe ich in den Raum. Anh schnaubt leise, was mich genug provoziert um ein „Und neuronale Biomechanik" anzuhängen. Er hebt den Blick von seinem Teller und schaut ziemlich dumm, was mich sehr glücklich macht. Clara hat einen ähnlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Wahrscheinlich dachte sie nicht, dass ich mich tatsächlich mit dem Vorlesungsverzeichnis der UoS auseinandergesetzt habe. Oder sie findet es einfach unfassbar dreist, was ich hier tue, aber daran sollte sie sich doch inzwischen gewöhnt haben.

„Oh, schon Aufbaustudium?", fragt mich Machtnerd Ellie und blinzelt aus grünen Augen zu mir hinauf.

„Äh ja", mache ich und diesmal muss ich meine Unsicherheit nicht spielen, „Ich habe meinen ersten Abschluss direkt in Taqahr gemacht. Das mit den Erdkulturwissenschaften ist mehr ein Interessensstudium."

Sowas machte man doch wirklich, oder? Ich hatte den Begriff nur mal in einer Soap gehört.

„Hm", macht Anh und fragt mich dann auf Mandarin, ob ich bei einem bestimmten Professor Sinologie Kurse hätte, was wirklich ein unverschämter intellektuellen Flex ist. Clara sieht mich von der Seite an und schüttelt kaum merklich den Kopf. Ich ignoriere sie und antworte auf Japanisch, dass ich momentan meinen Horizont erweitere, auf der Suche nach einer neuen Herausforderung bin und mich deswegen in Japanologie eingeschrieben habe. Das dämpft Anhs Laune.

„Ihr habt als erste alte Sprache Japanisch in ZV?", fragt er.

„Oh nein", entgegne ich, „Das ist so ein Hobby von mir."

„So", macht Clara entschieden und schlägt Anh zur Bekräftigung mit der Hand auf den Oberschenkel, was ihn und mich gleichermaßen zu schockieren scheint, „Ich denke, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, sonst schaffen wir die Bahn nicht mehr."

Mein Oberschenkel kribbelt verräterisch, während sie energisch aufsteht. Der Anti-Phantomschmerz überrascht mich so sehr, dass ich meine Litschischorle quetsche.

„Hey", Anh nimmt Clara am Unterarm, „Sehen wir uns nachher noch?"

Sie wird rot. Von der Nasenspitze aus breitet es sich über ihr ganzes Gesicht aus. Ich verziehe keine Miene, aber bin natürlich immens erfreut über die jüngsten Entwicklungen. Meine Fensterglasbrille ist auf meiner Nase sehr weit nach vorne gerutscht und ich beobachte die beiden einen Moment über den Rand hinweg, bevor ich sie mir wieder die Nase hinauf schiebe.

„Sorry", macht sie und schiebt ihre Tasche weiter die Schulter hinauf, „Muss noch arbeiten heute, das wird nichts."

Anh ist enttäuscht, nickt aber tapfer. Dass Claras Arbeit darin besteht, mit mir Mörder und Gendarm zu spielen, bleibt ein sehr lautes Geheimnis zwischen ihr und mir.

„Also", mache ich langgezogen, als wir draußen über den sonnigen Platz vor der Uni laufen, „Der Typ in der Jogginghose. Verstehe."

„Musst du nicht dringend einen Mörder fangen oder so?"

„Wackelpudding zum Mittagessen."

„Nach zwei Klausuren."

„Magst du ihn?"

„Ja."

Ihre Ehrlichkeit nimmt mir den Wind aus den Segeln. Sie ist stehen geblieben, der Wind zupft an ihren Haaren und ihre Augen funkeln herausfordernd.

„Noch Fragen?", fragt sie und ich schlucke. Dann ziehe ich sie mit einer schnellen Bewegung nach rechts, in den Schutz der Säule. Clara protestiert verwirrt.

„Leute!", ruft jemand hinter uns. Theo kommt angejoggt, hochmotiviert und mit wippendem Rucksack auf dem Rücken.

„Ihr geht doch zur Bahn, oder? Da muss ich auch hin."

Clara und ich tauschen einen langen Blick, während ich den freundlichen zukünftigen AI Engineer und seinen Rucksack imaginär auf einen beliebigen Jupitermond schieße. Es geht mir super übrigens, mein Herz ist nicht gerade in tausend Splitter zerbrochen, die jetzt in meiner Brusthöhle herumkugeln und weinen. Ich starre auf Claras Hinterkopf auf dem Weg zur Bahn und frage mich, wieso mich das so überrascht. Natürlich hat sie Beziehungen gehabt, sie ist erwachsen und meines Wissens nach nicht asexuell oder aromantisch. Doch die theoretische Möglichkeit ist untergegangen zwischen Mördern, Leichen und Phantomen.

Mit hängenden Schultern kicke ich einen Kieselstein vor mir her, bis dieser in einen Gulli fällt. Die Sonne verbrennt mir den von gestern Nacht verspannten Nacken und insgesamt wünsche ich mich irgendwo ins All, weit weg von Unis und Studenten und grünen Jogginghosen. Dabei aber gerne auf einen anderen Jupitermond als Theo. Und ‚Erdjugend Forscht'-Gewinner Anh Selek, dessen Personalien meine Watch inzwischen ausgespuckt hat, würde ich ein lauwarmes Lavabad auf der Venus nicht nicht gönnen, wenn ihr wisst, was ich meine. Aus juristischen Gründen ist das ein Witz.

Ich höre mit halbem Ohr aus Claras und Theos Gespräch heraus, dass sie sich einen Staubsauger teilen und folgere, dass wir nicht direkt zurück in das Safehouse fahren können. Normalerweise würde es mich freuen, Claras WG zu sehen, aber erstens hat sie mir gerade ihren Vielleicht-Ex gezeigt, von dem noch nicht abschließend geklärt ist, ob da nicht immer noch etwas läuft, und zweitens werden wir immer noch verfolgt und führen eventuell gerade gefährliche Menschen in Richtung Wohnheim. Verdammt. Ich zupfe Clara am Ärmel, sodass sie genervt nach unten schaut und mache dann einen kleinen Abschlag einer Geste, mit der Starsoldaten sich Verfolger signalisieren. Hätten wir auch vorhin besprechen können, aber da hatte ich andere Probleme. Der einsame Student mit den Silberhaaren schien mir jetzt nicht die größte Bedrohung, aber ich muss trotzdem aufpassen, dass mich die Uniatmosphäre jetzt nicht einlullt.

„Hey", spricht mich Theo nochmal an, „Nimm dir das mit Anh nicht zu Herzen. Er ist manchmal einfach bisschen krass drauf, vor allem nach so einer Klausur."

„Ist kein Problem", lächle ich und denke ‚Gott, Theo, heirate mich an Claras Stelle'.

„Wo ist eigentlich unser Doktor geblieben?", fragt mein neuer Lieblingsmensch in der Bahn. Claras Miene wird von einem Moment auf den anderen so finster, dass es mir trotz meiner mehrschichtigen Anspannung eine helle Freude ist. Sie fangen an über Joey zu reden und ich tue mein bestes, um gleichzeitig interessiert zuzuhören, möglichst unauffällig abfällige Kommentare zu machen und gleichzeitig unsere Umgebung im Blick zu behalten.

Ein alter Mann sitzt ganz vorne und liest die Nachrichten auf dem Bildschirm über unseren Köpfen. Eine Frau strickt irgendetwas, was nach überdimensioniertem Pfifferling aussieht. Vor den Fenstern fliegt die Stadt vorbei. Ich fühle mich immer noch beobachtet und auch Clara sieht sich immer wieder beiläufig um. Sie ist nervös, zieht sogar den Kaugummi, den ich ihr vorhin gekauft habe, aus der Tasche und schiebt ihn sich in den Mund. Denn wir werden verfolgt und das nicht nur von einer Person.

Der ICC bringt seinen Hunter Kandidaten bei, Mengen zu lesen und verdächtige Bewegungen zu erfassen. Vorhin in der Menge vor der Bahn haben sich zwei Parteien auf uns zubewegt, unter anderem der silberhaarige Typ aus der Mensa. Ich habe nicht direkt Angst vor drahtigen Studenten, aber der Schein kann trügen, und ohne meine Waffe sowie mit Theo als Zivilisten muss um jeden Preis eine Konfrontation vermieden werden. Ganz davon abgesehen, dass Ava mich umbringt, wenn hier bei Tageslicht in New Seoul die Fetzen fliegen. Theo bekommt einen Anruf von Fia und nimmt ab. Die beiden sprechen über eine Orchesterprobe am abend, während sich Clara so dicht neben mich stellt, dass ihr Arm an meinem liegt.

„Zum Wohnheim", flüstert sie.

„Positiv."

„Da ist ein Haufen Studis drin", warnt sie. Ich drehe den Kopf und sehe sie an, während Theo lachend mit Kolophonium dealt. Ein dünner Schweißfilm hat sich auf Claras Stirn gelegt. Ich kann ihr Deo oder Parfum riechen. Ihre Pupillen sind groß und ängstlich.

„Weiß stelle ich die nicht", sage ich leise, „Deeskalation und beobachten. Copy?"

Weiß, unbewaffnet. Der Militärslang scheint Clara einen Stich zu versetzen. Verständlich, hier kollidieren gerade ihre wohlbehütete Uni Welt und der Stress ihrer Rekruten Vergangenheit.

„Copy."

Theo legt auf und lädt mich beiläufig zu einem Konzert ein, das nächste Woche stattfindet. Clara neben mir überspielt ihre Nervosität so gekonnt, dass der AI Engineering Student, der anscheinend auch Bratsche spielt und heute noch einen Kuchen für Fias Geburtstag backt, nicht den geringsten Verdacht schöpft. Ich beobachte durch die Scheiben, wie Intravessels vorbeiziehen. Das Glas, durch das wir nach draußen schauen, ist zwar mehrere Zentimeter dick, aber nicht unzerstörbar. Ein wohlplatzierter Schuss mit einem Blaster und wir wären geliefert.

Das hier ist der Core, sage ich mir selbst, nicht der Deepspace. Wenn hier etwas in die Luft fliegt, hat das Konsequenzen. Doch der Zweifel bleibt, die aufgestellten Härchen in meinem Nacken bleiben und diese Ruhe, die nur gelegentlich von den Lautsprecherdurchsagen durchbrochen wird, scheint unheilvoll aufgeladen. Es war dumm und unvorsichtig von mir, mich von Clara dazu überreden zu lassen, die Waffe in der Villa zu lassen. Trotz des Phantoms und der Schießerei gestern, habe ich angenommen, dass die Uni nach wie vor einen gewissen Schutz bietet. Jetzt wissen wir es beide besser. Wer auch immer da hinter uns her ist, wer auch immer Misericordia umgebracht hat, ist wahrscheinlich näher, als wir beide denken.

~☀️~

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