The Warren-Games | (Broken Bi...

Da vxvxenxo

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𝑵𝒐𝒍𝒂𝒏 Eine Entscheidung meines Bruders brachte die Multimillardenfirma meiner Familie wirtschaftlich ins... Altro

Author's Note
Playlist
Prolog
One
Two
Three
Four
Five
Six
Seven
Eight
Nine
Ten
Eleven
Twelve
Thirteen
Fourteen
Fifteen
Sixteen
Seventeen
Eighteen
Ninteen
Twenty
Twenty-One
Twenty-Two
Twenty-Three
Twenty-Four
Twenty-Five
Twenty-Six
Twenty-Seven
Twenty-Eight
Twenty-Nine
Thirty
Thirty-One
Thirty-Two
Thirty-Three
Thirty-Four
Thirty-Five
Thirty-Six
Thirty-Seven
Thirty-Eight
Thirty-Nine
Fourty
Fourty-One
Fourty-Two
Fourty-Three
Fourty-Five
Fourtx-Six
Fourty-Seven
Fourty-Eight
Fourty-Nine
Fifty
Fifty-One
Fifty-Two
Fifty-Three
Fifty-Four
Fifty-Five
Fifty-Six
Fifty-Seven
Fifty-Eight
Fifty-Nine
Sixty
Sixty-One
Sixty-Two
Epilog One
Epilog Two
Danksagung & Ankündigung

Fourty-Four

483 20 0
Da vxvxenxo

Nolan

Ich hob die Hand und schlug zweimal sachte und doch bestimmt gegen das dunkle Holz. Es rührte sich nichts, aber das hatte ich um ehrlich zu sein auch nicht erwartet. Graham hatte die Angewohnheit, sich von seiner Arbeit nie, und ich meine wirklich niemals, ablenken zu lassen, egal wichtig die Angelegenheit auch war. Das wusste ich nur zu gut, immerhin kamen Carter, Caleb und ich auch immer an zweiter Stelle. Das hatte sich selbst nach so vielen Jahren nicht verändert.

Leicht drückte ich die Tür ein paar Zentimeter auf, um in das Büro zu schlüpfen und mich nach Graham umzusehen. Nicht zum ersten mal fiel mir auf, wie viel Platz Graham als Geschäftsführer der Warren Company doch besaß. Auf der kompletten 35. Etage befanden sich nämlich zwei Konferenzsäle und ein Nebenraum, der Rest gehörte zu seinem Büro. Der Platz dafür war also mehr als nur ein bisschen übertrieben. Da gab es einen ewig langen Schreibtisch, der genau in der Mitte eines Endes stand. Ene Couch und ein paar Sessel standen auf der anderen Seite, genau vor dem riesigen Panoramafenster, das eine perfekte Sicht auf Manhatten gab. Direkt gegenüber von der Tür standen sich außerdem zwei schwere braune Ledersessel gegenüber. Auf dem kleinen Tisch dazwischen fand lediglich ein ziemlich edel aussehendes Schachbrett Platz, an dem sich Graham gerade bediente.

Er saß auf einem der Sessel, lehnte mit nachdenklichem Ausdruck über dem Brett und machte einen Zug nach dem Anderen. Dabei spielte er gar nicht mit jemand anderem, nein, er schien mit sich selbst zu spielen, was nur noch komischer wirkte. Das tat er also als CEO einer Multimillardenfirma? Ich hatte alle Hände voll zu tun und kam wegen der vielen Aufgaben und Pflichten kaum hinter her, und Graham vertrödelte sich seine Zeit mit etwas Schach?

Wut steig in mir auf, doch diese wurde schnell durch ein regelmäßiges Tippen zu meiner Rechten abgelenkt. Eine Frau, vielleicht Anfang 30, tippte mit ausdrucksloser Miene auf ihrem Laptop herum. Ihr Blick lag starr auf dem Bildschirm, lediglich ihre schulterlangen schwarzen Haare wippten mit ihren Bewegungen mit, was mir zumindest sagte, dass sie nicht vollkommen im Trance-Zustand schien.

Als sie meine Anwesenheit bemerkte, hob sie für eine Sekunde den Kopf und nickte mir ohne ein Lächeln zu. Ich erwiderte diese Geste, denn ich wusste nur zu gut, dass die Assistentin meines Vaters definitiv besseres zu tun hatte, als mit mir Smalltalk zu führen.

Syblle arbeitete schon seit Jahren für meinen Vater, dabei hatte ich nie ganz verstanden, was sie zum bleiben bewegte. Dass ich Graham nicht leiden konnte, war kein Geheimnis, denn immerhin kannte ich ihn besser als jeder andere. Sowohl seine guten als auch seine schlechten Seiten, wobei die Schlechten deutlich überwiegten. Ich begriff nie, wie Leute tatsächlich von ihm angetan sein konnten. Dabei meinte ich das nicht oberflächlich, sondern die Art wie er sich gab. Klar, vor Kunden, Partnern und Investoren setzte er immer eine ausdrucksstarke, charmante Fassade auf, aber hier im Unternehmen war er genau so, wie ich ihn Erinnerung behielt. Laut, herrisch und ungemütlich.

Entweder Syblle verdiente also mehr als nur über dem durchschnittlichen Gehalt einer Assistentin, oder aber es gab einen anderen Grund, wieso sie blieb. Etwa wegen ihm selbst. Mein Blick ging zurück zu Graham, der sie allerdings in den letzten Minuten keines Blickes gewürdigt hat. Nein, er war viel zu beschäftigt damit, sein Schachtunier gegen sich selbst zu gewinnen. Möglich, dass er sich also gar nicht so für Syblle interessierte, wie sie es bei ihm tat.

Die Tatsache, dass mein Vater tatsächlich jemand anderen lieben könnte als meine Mutter, war ziemlich verwirrend. Ich hatte ihn seit dem Tod von Mom noch nie mit einer anderen Frau gesehen, was komisch war, wenn man bedachte, wie lange sie schon unter der Erde lag. Vielleicht hatte er einfach ein schlechtes Gewissen, wenn er jemand anderes daten würde als seine Ehefrau. Vielleicht besaß er ja doch ein Herz, das er allerdings für immer und ewig meiner Mutter geschenkt hatte. Vielleicht stieg in ihm tatsächlich so etwas wie Loyalität und Treue auf.

Bei diesem Gedanken verzog sich mein Gesicht, so als wäre dieser Vorstellung unmöglich. Vielleicht war mein Vater aber auch nur einfach viel zu beschäftigt, die Firma am laufen zu halten, obwohl alle Hinweise gerade darauf deuteten, dass er nicht auch nur einen Finger krümmte, um die Warren Company auf das Niveau zu bringen, was sie gewohnt war. Nicht zum ersten mal schien mir ein Geschäftsführerwechsel die plausibelste Lösung für all meine Probleme.

Ich räusperte mich laut, und Syblle hielt für einen Moment inne, so als ob sie auf Grahams Reaktion warten würde. Als er sich jedoch nicht rührte, machte sie einfach weiter mit ihrer Arbeit. Mein Blick ging zu meinem Vater, der entweder völlig in Gedanken versunken war oder mich einfach strickt ignorierte. Letzteres schien mehr als nur wahrscheinlich.

"Ich muss mit dir reden", begann ich schließlich und in dem Gesicht meines Vaters zuckte etwas, das einem nicht aufgefallen wäre, wenn man nicht mit ihm verwandt gewesen wäre. Er wusste jetzt also, dass ich im Raum war.

Graham ließ sich Zeit dabei, sich nach hinten zu lehnen und den Kopf zur Seite zu drehen, aber nicht in meine Richtung, nein, sondern zu Syblle. "Machen Sie den Bericht fertig, ich will ihn in einer Stunde auf meinem Schreibtisch haben." Das war keine Bitte, aber Syblle schien dieser harsche Umgang bereits gewohnt zu sein. Sie nickte knapp, schloss den Laptop in ihrem Schoß und stand auf. Das Klackern ihrer Absätze hallte auf dem Mamorboden wieder, bis sie die Tür hinter sich zuzog.

Ich drehte mich zurück zu Graham, der mit mit zusammengeschobenen Augenbrauen musterte. Seine Hände hatte er ineinander verschränkt. Keine Ahnung, was ihm gerade durch den Kopf ging, aber ich vermutete, dass er gerade herausfinden wollte, wieso ich zum Teufel in seinem Büro stand, anstatt meiner Arbeit nachzugehen. Aber das hier war wichtiger als mein Job. Ich musste es zuerst hinter mich bringen, bevor ich mich wieder in meinen Aufgaben und Pflichten verlieren konnte.

Wir beide starrten uns an. Sohn und Vater, dabei könnte unsere Verbindung nicht weiter entfernt sein. Das einzige, was uns verband, war unser Blut und die Tatsache, dass ich wie Carter ein komplettes Ebenbild zu ihm darstellte. Doch unser Umgang miteinander und diese Spannung zwischen uns war alles andere als familär, nein, wir wirkten noch nicht einmal wie alte Bekannte.

Am Anfang hatte mich das noch ziemlich getroffen, besonders zu der Zeit, als meine Mutter verstorben war. Die einzige Bezugsperson, die meinen Brüdern und mir noch blieb, war unser Vater, der allerdings keinerlei Interesse daran hatte, den Babysitter für seine Söhne zu spielen. Zwar hatte ich immer gehofft, dass er zu der Erkenntnis kommen würde, dass er ohne die Firma rein gar nichts hatte, aber diese Vorstellung verflog ziemlich schnell. Im Laufe der Jahre erkannte ich, dass nur Verlass auf meine Brüder war, nicht aber auf Graham. Wir entfernten uns so sehr voneinander, das es schwer war, den anderen noch lesen zu können. Aber er hatte es so gewollt, obwohl ich es mir und meinen Brüdern tief im Inneren anders gewünscht hatte.

Graham streckte die Hand nach mir aus und machte eine einladende Bewegung in Richtung des gegenüberliegenden Sessels. "Setz' dich", murmelte er abwartend und ich blickte skeptisch auf die Sitzgelegenheit, weil ich mich nicht von dieser einfachen, netten Geste täuschen lassen wollte. "Ich brauche immerhin einen Gegner."

Meine Augen flogen zu dem Schachbrett, auf dem die Figuren auf einem Chaos zusammenstanden, das nur jemand verstand, der das Spiel mitverflogt hatte. Ich konnte mir mein verächtliches Schnauben nicht verkneifen. "Soweit ich mich erinnere, hast du mir bei unserem letzten gemeinsamen Spiel deutlich gemacht, dass ich kein Talent für Schach habe."

Damals war ich 15 Jahre alte gewesen und ein ziemlicher Anfänger. Graham hatte meine Brüder und mich zu den verschiedensten Dingen gedrängt, was einem väterlichen Handeln noch am nächsten kam. Während für Caleb so etwas wie Klavierspielen auf dem Tagesplan stand, standen für Carter und mich dreimal wöchentliches Training in Schach an, obwohl ich nie ganz verstand, was wir durch das Spielen bezwecken hätten können. Wir beide trainierten zwar, doch Carter blieb immer ein bisschen besser als ich. Vielleicht spielte Graham damals deswegen lieber mit Carter als mit mir. Ich versuchte zwar, mich zu bessern, auch weil ich Graham damit beweisen wollte, wie falsch er liegen konnte, aber ich hatte in den letzten Monaten keinen freien Nerv dafür, meine Schachfähigkeiten zu verbessern.

Auf seinem Gesicht tauchte ein kleines, verstecktes Lächeln auf, das genauso schnell wieder verschwand wie es gekommen war. Ich entließ die Luft aus meinen Lungen und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. Es war besser, wenn man die Warren-Spiele mitspielte, anstatt sich dagegen zu wehren, also setzte ich meine Beine in Bewegung und lief zu dem freien Sessel, um Platz zu nehmen. Graham sortierte währenddessen die Figuren neu und stellte jede an ihren vorgesehenen Platz. Auf meiner Seite standen alle Weißen und auf Grahams alle schwarzen, damit war ich der erste von beiden, der seinen Zug machen durfte.

Ich sah mir das Spielfeld an und konnte nichts gegen eine dumme Metapher in meinem Kopf machen. Mein Leben war das Spielfeld, während Graham und ich darum kämpften, zu gewinnen. Ich schob diesen Gedanken schnell beiseite und konzentrierte mich auf meine eigentliche Mission. Meine Finger griffen nach einem Bauer und schoben ihn auf e4.

Mein Gegenüber legte einen Zeigefinger an seine Unterlippe, nahm seinen Springer in die Hand und setzte ihn auf c6. Ich räusperte mich leise.

"Ich habe eine wichtige Sache mit dir zu besprechen", setzte ich erneut an, doch Graham zeigte keinerlei Reaktionen, nein, er schien vollkommen fokussiert auf das Spiel zu sein.

Nach einem Moment der Ruhe und seinem nächsten Zug, nickte er leicht. "Ich auch mit dir."

Überraschung rutschte über mein Gesicht, aber ich versteckte es schnell wieder und machte eine auffordernde Kopfbewegung, damit er fortfuhr. Ohne den Blick vom Brett zu nehmen, sprach er also weiter. "Mittwochabend. Die Jubiläumsfeier von Thorne Indurstries. Klingelt da was?"

Ich nickte leicht. "Angeline hat mir davon erzählt, ja."

Graham schien weder beeindruckt noch interessiert an dieser Konversation, doch er gab sich ihr hin. Vielleicht weil er einfach reden musste, damit diese eisige Stille zwischen uns nicht ausbrach, obwohl das wirklich unser kleinstes Problem war.

"Gut", entgegnte er schließlich und wartete, bis ich meinen nächsten Zug setzte. Also tat ich es. Erst dann sprach er weiter. "Du weißt, wie wichtig dieser Abend für uns ist, nehme ich an. Thorne Indurstries hat zwar nicht dieselbe Priorität für uns wie die Warren Company, aber es werden zu diesem Event eine Menge wichtiger Leute kommen. Kunden, Partner, Investoren und auch diejenigen, die wir noch nicht von uns überzeugen konnten. Es gilt also eine gute Show abzuliefern."

Bei dem vorletzten Wort verspannten sich alle meine Muskeln. Natürlich war für Graham und Gregor diese ganze Beziehung zwischen Angeline und mir nichts weiter als eine Farce, für den Rest der Welt blieben wir weiterhin das überglückliche Paar an. Nur lag jetzt der Unterschied in dieser ganzen Sache, dass wir nichts von all dem hier mehr spielten. Es waren echte Gefühle im Spiel, und das musste ich Graham auch dringend übermitteln. Wer weiß, was er sonst noch alles von uns verlangen würde.

"Ich werde anwesend sein", murmelte ich und versuchte den Krampf in meinem Kiefer zu lösen, doch ich brauchte dafür ein paar Minuten. Ich hatte mich schon immer gefragt, ob der Umgang zwischen Graham und seinen Söhnen normal war, denn immerhin machten seine Worte etwas mit einem, das alles andere als liebevoll und väterlich war. Doch ich hatte für eine andere Sichtweise einfach keinen Vergleich, weil er nun einmal der einzige Vater war, den ich hatte.

"Darüber muss ich allerdings mit dir reden", fügte ich hinzu und Graham sah das erste mal vom Spielbrett auf, um mir skeptisch und abschätzend in die Augen zu gucken. Seine braunen Augen waren meinen so ähnlich, und doch waren wir zwei vollkommen verschiedene Menschen.

Weil ich diese Konversation einfach hinter mich bringen wollte, atmete ich tief aus und begann zu sprechen. "Diese Beziehung, in die Gregor und du mich und Angeline gezwungen habt, war keine einfache Sache für uns beide. Wir haben eine Menge dafür getan, genau das Paar für die Medien abzugeben, was unsere Firmen wieder den nötigen Aufschwung geben könnte. Und das hat sie. Bei Unternehmen sind beinahe wieder an ihrer ursprünglichen Position angekommen. Doch mit der Zeit hat sich etwas geändert. Angeline und ich haben uns verändert. Wir haben anfangs nur Rollen gespielt, aber jetzt ... sind sie es nicht mehr. Angeline und ich, wir bleiben weiterhin das Paar, das ihr für die Presse braucht, aber wir werden nicht mehr dafür tun. Ihr habt nun eure Pubilcity, und jetzt verlangen wir, verlange ich nicht mehr als uns für alles weitere in Ruhe zu lassen."

Graham rieb sich mit Zeige- und Mittelfinger über seine Lippen, genauso wie ich, wenn ich über etwas angestrengt nachdachte. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, sein Blick lag weiterhin auf dem Spielfeld. Gerade als ich dachte, er würde eine Reaktion zeigen, nahm er seinen Läufer zur Hand und setzte ihn zwei Positionen weiter. Dadurch schlug er meinen Turm.

"Ich verstehe das Problem", murmelte er schließlich, so als hätte er die letzten fünf Minuten nicht aufgepasst.

Stirnrunzelnd sah ich ihn an und schüttelte den Kopf. Problem?

"Was für ein Problem?", wollte ich ernsthaft wissen. Das alles war glasklar, doch für Graham zeugte die Situation scheinbar von weiteren Herausforderungen.

Er schien völlig in Gedanken versunken zu sein. "Dabei war es so vorhersehbar."

Vorhersehbar?

"Angeline und ich konnten uns am Anfang nicht ausstehen", erinnerte ich ihn daran und Graham seufzte dramatisch auf, so als wäre ich der dümmste Mensch auf Erden. Entweder der Mann war völlig wirr im Kopf, oder er wusste von etwas, das ich nicht wusste.

Er richtete den Kopf nach oben, verschränkte seine Finger ineinander und neigte leicht den Kopf. So als würde er gerade mit einem Kleinkind reden wollen, anstatt mit seinem völlig erwachsenen Sohn.

"Nolan, ich bin seit über 30 Jahren in dieser Branche unterwegs und weiß, wie ich eine Situation einschätzen zu haben, wenn sie vor mir liegt. Ich bin weder blind noch dumm, ich sehe, was vor meinen Augen passiert, auch wenn du denkst, dass ich viel zu beschäftigt dafür bin." Er machte eine kurze Pause, in der er mich einen Moment lang anschaute. Ich starrte angesäuert zurück. "Als Gregor und ich uns diesen Plan ausgedacht haben, hatten wir miteinberechnet, dass zwischen Angeline und dir etwas entstehen könnte, dass am Anfang nicht klar war. Wir wären wirklich grauenvolle Unternehmer, wenn wir nach all den vielen Jahren an Erfahrung kein Risikobewusstsein entwickelt hätten."

"Dass ihr also eine vollkommen reale Beziehung", er zeichnete für das letzte Wort Gänsefüßchen in die Luft, "miteinander führt, ist nicht so überraschend wie du vielleicht denken könntest."

Wütend sah ich ihn an. Graham stellte die Beziehung zwischen Angeline und mir so dar als wäre das alles Teil ihres wundervollen Plans. Ihr Ziel war immer noch die Unternehmen zu retten, und zwar, indem sie Angeline und mich benutzten, dabei hatte ich ihm gerade gesagt, dass wir bei diesem ganzen Schauspiel nicht mehr nach ihren Regeln spielen würden.

"Du kannst unsere Beziehung nicht als Variable in diesem beschissenen Plan behandeln", fuhr ich ihn an. Mein innerer Zorn gegen diesen Mann wuchs von Minute zu Minute. Ich hatte es immer wieder versucht, ihn nicht so zu sehen, wie meine Brüder es seit Jahren taten. Ich hatte mich ihm unzählige Male gebeugt, ich war seinen Anweisungen zu oft gefolgt und ich war für ihn eingestanden. Aber jetzt konnte ich nicht anders als das zu verteidigen, was mein Herz mir sagte. Ich würde Angeline in Schutz vor ihm nehmen und es war mir egal, was er dafür von mir fordern würde.

In seinem Gesichtsausdruck arbeitete etwas, das ich zuerst nicht zuordnen konnte. Er schien meine Wortwahl und mein Verhalten zu analysieren und es einschätzen. Ihm wurde klar, dass dieses Thema mir näher ging als die anderen, die er sofort abgewiesen hatte. Er runzelte leicht die Stirn und lehnte sich in seinem Sessel zurück, während seine Augen wieder und wieder über mein Gesicht glitten. Seine Lippen versuchten Worte zu formen. "Liebst du sie?"

Diese Frage traf mich so unvorbereitet, dass ich ihn perplex anblinzelte, und zwar sicherlich eine volle Minute. Solche Gedanken hatte ich mir noch nicht gemacht, einfach weil ich mit so etwas nicht beschäftigte. Hatte ich noch nie, denn diese Frage kam nie in meinem Inneren auf. Jetzt, wo Graham es allerdings ausgesprochen hatte, hatte ich keine andere Wahl, als darüber nachzudenken.

Liebe ich Angeline? Ich hatte die Liebe noch nie wirklich verstanden und sie jetzt auf Angelines und meine Beziehung zu projezieren war keine einfache Sache für mich. Leute, die sich liebten, taten Dinge, die eigentlich unvorstellbar für einen selbst waren. Man ging über seine Grenzen hinaus. Man änderte sich, und zwar einzig und allein für die Person, der man sein Herz geschenkt hatte.

Ich hatte das alles bei meinen Eltern gesehen, wobei Graham nicht gerade das beste Beispiel zum Thema Liebe darstellte.

Ich hatte es bei meinem jüngeren Bruder und Raya gesehen. Die Art, wie sie miteinander umgingen, sich ansahen, sich berührten. Alles wirkte so unfassbar vertraut, aber war es bei Angeline und mir genauso? Ich hatte absolut keine Ahnung. Dass ich für sie mittlerweile Gefühle besaß, stand außer Frage. Am Anfang konnte ich dieses wärmende Gefühl in meiner Brust nicht zuordnen, aber es schien zumindest eine Erklärung für das zu sein, was Angeline mit mir tat, wenn sie mich ansah, mich berührte, mich küsste.

Ich hatte schon eine Ewigkeit nicht mehr so gefühlt, nein, ich hatte noch nie so gefühlt wie jetzt. Aber war das Liebe? In Filmen wurde das als großes Feuerwerk beschrieben, dabei hatte ich keinen blassen Schimmer, ob das, was ich für sie empfand genau dieses Feuerwerk auch war. Tief im Inneren wusste ich, dass meine Gefühle für sie nicht flüchtig, sondern tiefgründig und anhaltend waren. Nur was würde das bedeuten? Und viel wichtiger: Liebte sie mich denn auch?

Weil ich dieses Thema definitiv nicht mit meinem Vater besprechen wollte, dessen Herz kälter als der Nordpol war, schluckte ich sämtliche Gedanken hinunter. Ich setzte eine gefasste Miene auf und blickte zurück zu Graham, der mich abwartend ansah.

"Ich habe Gefühle für sie", entgegnete ich sicher, denn es war genau das, worin ich mir zumindest sicher war. Ob es denn auch schon Liebe war, wusste ich noch nicht.

Graham nickte leicht und versank kurzzeitig wieder in Gedanken. Ihm schienen diese Informationen irgendwie zuzusetzen, fast so als wäre das nicht wirklich Teil ihres glorreichen Plans gewesen. Dann fasste er sich wieder, beugte sich nach vorne, um den nächsten Zug zu machen. Erwartungsvoll sah ich ihn an, immerhin hatte ich ihm gerade mitgeteilt, dass Angeline und ich nicht länger nach seiner oder Gregors Pfeife tanzten. Sie hatten immerhin nur die Firma im Sinn, dabei waren ihnen alle Konsequenzen egal.

Nach einer Weile der Stille, in der wir unsere Figuren abwechselnd auf dem Spielbrett bewegten, räusperte er sich schließlich. "Weißt du, wieso ich so erfolgreich bin?", fragte er aus dem Nichts.

Ich verzog leicht den Mund und verdrehte die Augen. Natürlich musste Graham Warren selbst in diesem Gespräch die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Kopfschüttelnd setzte ich meinen Springer nach vorne und kesselte damit seinen Läufer ein.

"Wegen deiner Arroganz?", tippte ich und schenkte ihm ein Lächeln, das keinesfalls glücklich war.

Graham schnaubte verächtlich, doch behielt einen Kommentar für sich. Er nahm seinen Turm und schlug einen meiner Bauern. "Nach dem Tod deiner Mutter habe ich mich voll und ganz auf das Unternehmen fokussiert. Vielleicht um mich von der Trauer abzulenken, vielleicht um das letzte Andenken an sie zu ehren." Ich verkniff mir die Aussage, dass seine Söhne das wohl beste Beispiel für ihre hinterbliebenen Taten waren und machte stattdessen lieber einen Zug. "Mit Angeline an deiner Seite wirst du abhängig, was besonders in deiner hohen Position nicht gerade einfach zu stemmen wird."

Ich blickte auf und sah ihn verwirrt an. "Nur weil ich eine Partnerin an meiner Seite habe, werde ich meinen Aufgaben und Pflichten nachkommen können. Angeline macht mich nicht abhängig, wir werden unserer Privat- und Berufsleben weiterhin so trennen, wie wir es schon immer getan haben. Es wird sich nichts ändern."

"Nolan", seufzte mein Vater auf und verdrehte leicht die Augen. "Siehst du denn nicht, dass sich bereits etwas geändert hat? Die Tatsache, dass du hier her kommst und mir mitteilst, dass Angeline und du ein richtiges Paar seid, ist Beweis genug." Er machte eine Pause und hob zusätzlich beide Augenbrauen. "Die Firma steht für den Geschäftsführer immer an erster Stelle, doch mit einer Partnerin an deiner Seite ändern sich die Proritäten. Du wirst Angeline über alles stellen, selbst über das Unternehmen, und das, mein Sohn, wird sich zu keinem guten CEO machen."

Meine Haltung verspannte sich, ich kniff bedrohlich die Augen zusammen. Es gab eine Menge Dinge, die mir Graham vorhalten konnte. Das alles traf mich im Geringsten, doch wenn er meine Kompetenzen in der Arbeit angriff, dann wurde es ziemlich schnell ziemlich gefährlich. Er wusste ganz genau, wie viel harte Arbeit ich in diese gesamte Firma bereits investiert hatte. Die Stelle als CEO hatte ich mir mehr als nur ein bisschen verdient, weil niemand sich so sehr in alles hineingekniet hatte wie ich.

Mich also also mit schlecht zu betiteln machte mich nicht nur sauer, nein, es machte mich rasend vor Wut. Das war das einzige, in dem ich immer hundert Prozent gegeben hatte.

"Und jetzt was? Zwingst du mich dazu, die Beziehung mit Angeline zu beenden, weil du Angst darum hast, dass ich die Firma nicht angemessen leiten könnte?", fuhr ich ihn knurrend an, verstärkte den Griff um eine der Holzfiguren, bis man meine weiße Knöchel hervorstechen sah.

"Ich zwinge dich zu gar nichts, Nolan", schüttelte er ruhig den Kopf und machte unbeeindruckt einen weiteren Zug. "Alles, was ich von dir verlange, ist, dass du darüber nachdenkst, ob es das alles wert ist, ob sie es wert ist." Gerade als ich meinen Mund öffnete, um etwas zu erwidern, hob er die Hand. "Und jetzt spar' dir deine Kommentare, bevor du nicht ernsthaft eine Minute länger über dieses ganze Thema nachgedacht hast."

Ich klappte den Mund zu und sah ihn ungläubig an. Der Mann war wahnsinnig, anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären. Er wollte von mir, dass ich mich entscheide, so wie er es schon immer von mir verlangt hatte. Und er wollte, dass ich das Unternehmen wählte, so wie ich bisher auch immer getan hatte. Mit meiner jetzigen hohen Position waren eine Menge Opfer verbunden. Mein Privatleben exisiterte quasi nicht mehr, weil ich meinen gesamten Fokus auf die Firma gerichtet hatte. Ich hatte härter gekämpft als alle anderen Angestellten zusammen, weil ich mir den Respekt von Graham von Grund auf aufbauen musste. Er war kein guter Mensch und ein noch schlechterer Vater, was keine perfekten Voraussetzungen für mich waren, um eine gute Stelle zu bekommen. Und jetzt, wo ich es endlich geschafft hatte, wollte er mich schon wieder in die Knie zwingen.

Nur was mich am meisten an dieser ganzen Sache störte, war, dass seine Einwände berechtigt waren. Es gab keine Zweifel, dass ich für Angeline Gefühle entwickelt hatte. Sie war mir wichtig geworden, und zwar so schnell so sehr, dass es vielleicht nicht gesund war, doch ich konnte meine Empfindungen nicht einfach abstellen.

Hinzu kam, dass mein Beschützerinstinkt ihr gegenüber größer war als bei allen anderen. Meinen Brüdern gab ich die nötige Sicherheit, bis ich mir sicher sein konnte, dass sie auf sich alleine aufpassen konnten. Aber bei Angeline? Ich würde am liebsten jede Sekunde bei ihr sein, um sie in Sicherheit zu wissen. Meine Mutter konnte ich nicht vor ihrem Schicksal bewahren, aber bei Angeline hatte ich noch die Chance.

Fragt sich nur, ob ich sie nicht vor mir schützen sollte. Ich hatte Bedenken, und das wusste Graham auch. Die Firma hatte mir schon immer viel bedeutet, und das alles möglicherweise aufzugeben war keine einfache Sache für mich. Zu viel harte Arbeit steckte schon darin, um allem den Rücken zuzukehren, damit ich glücklich mit Angeline sein konnte.

Gleichzeitig fühlte es sich so an, als würde mein Leben ohne sie vielleicht nicht weitergehen können. Ich empfand einfach zu viel für sie, um eine Abkehr überleben zu können. Und wenn ich das wirklich tun sollte, dann würde ich sie verletzten - und das war das, was ich um jeden Preis vermeiden wollte.

Egal an was ich dachte, ich kam zu keinem Ergebnis. Alles drehte sich wieder und wieder im Kreis, was meine Schläfen zum Pochen brachte. Ich blickte auf und atmete tief durch.

"Du weißt, es gibt Ausnahmen", wisperte ich. Die gab es immer. Es musste nicht so enden.

Graham neigte leicht den Kopf zur einen und dann zur anderen Seite. "Ausnahmen ja, aber das bedeutet nicht, dass ihr eine seid." Sein Blick ging wieder in meine Augen. "Lass' es mich anders erklären."

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf das Spielbrett, nahm zuerst eine schwarze, dann eine weiße Figur, um abwechseln ein paar Züge zu machen. Ich war so durch den Wind, um ihm zu sagen, dass der Sinn eines Spiels der war, gegen einen Gegner zu spielen statt gegen sich selbst.

"Bei Schach geht es darum, den König mit allen Mitteln zu schützen, während man den Anderen versucht zu schlagen", murmelte er und machte zwei weiterer Züge.

"Eine der wichtigsten Figuren dabei ist die Dame. Sie ist mächtig, in vielen Situationen sogar mächtiger als der König. Und wenn sie fällt, ...", er schlug meine weiße Dame mit einem Turm und machte einen einzig vernüftigen Zug, den ich hätte in dieser verzwickten Lage noch machen können. Das alles endete allerdings nur damit, sein Läufer und seine Dame meinen König einkesselten. Er sah zu mir auf. "..., dann fällt auch der König, und mit ihm sein gesamtes Imperium."

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