Als ich aufwachte, erlitt ich einen halben Herzinfarkt.
"Na, ausgeschlafen, Crack Head?", wollte Hinata wissen und grinste mich an, während ich versuchte, meinen Herzschlag wieder ein wenig zu beruhigen. Verdammt... Damit hatte ich auf jeden Fall nicht gerechnet! Shuntaro hatte heute Morgen aber so etwas angekündigt...
"Mmmhh, wie spät ist es?", fragte ich, während ich meine müden Glieder streckte und sie abwartend ansah. Sie zeigte mir ihr Handy.
15:39 Uhr.
Ich hatte fast 9 Stunden geschlafen, was für eine Leistung.
"Ich soll dir schöne Grüße von Sarumi bestellen, sie wünscht eine gute Besserung", informierte sie mich, "Ach ja, das Gespräch mit dem Sachbearbeiter vom Jugendamt ist übrigens gut gelaufen."
Ich riss die Augen auf und meine Freundin lächelte leicht: "Chishiya-kun hat das übernommen. Sarumi ist frei von ihren Eltern, die Beweise lagen offen auf dem Tisch. Sie wird jetzt in eine Wohngruppe für Teenager ziehen."
Das waren gute Nachrichten. Nun musste Asami nicht mehr zurück in diesen toxischen Haushalt, wo ihre Eltern so viel Druck auf sie legten, dass sie immer weiter zerbrach.
"Klingt gut", murmelte ich und ließ mich zurückfallen, da ich mich noch immer ein wenig schlapp fühlte.
Doch Hinata schien andere Pläne zu haben.
"Und? Wie war's?", ihre Frage traf genau ins Bulls Eye.
Sofort fielen mir wieder all die Fragen ein, die ich hatte Stellen wollen.
"Das war dein Plan, oder?", wollte ich wissen, während mein Gesicht wieder rot anlief, da ich an die letzte Nacht denken musste. Hinata kicherte leise.
"Oh, Mist! Ich war wohl zu auffällig, nicht?", fragte sie mich und ich setzte mich wieder auf, das Kopfkissen legte ich auf meinen Schoß.
"Sagen wir es so, ich habe einige verdächtige Hinweise gefunden", murmelte ich leise und sie klopfte mir auf die Schulter.
"Und? War es schlimm, dass ich nachgeholfen habe?", wollte sie ehrlich wissen und ich überlegte kurz.
Nein, eigentlich war es sogar gut, dass sie es getan hatte. Wir wären sonst noch immer da, wo wir jetzt nicht mehr sind.
"Nein", meinte ich, "Aber trotzdem war das eine fiese Masche." Ich lächelte ihr zu. "Also: Du musst deine Spuren nächstes Mal ein wenig besser verwischen", fügte ich hinzu und sie zeigte sich gespielt entrüstet.
"Es wird kein nächstes Mal geben, Chishiya Ayuna!", rief sie leise und ich erstarrte leicht.
Chishiya Ayuna.
Warum fühlte es sich so verdammt gut auf meiner Zunge an? "Ohhhh, Girl! Bist du schon so deep?", fragte sie grinsend und ich riss mich aus der Gedankenkette, bevor ich ihr mein Kissen ins Gesicht schlug. Das war eine gerechte Strafe.
"Oww, Oww, Oww! Okay, Okay! Ich gebe mich geschlagen!", rief sie lachend aus, als ich ihr Gesicht erneut voll traf, "Uuuuund? War er groß?"
Gefühlt schoss mir mein gesamtes Blut in die Birne, mein Gesicht fühlte sich kochend heiß an. "H I N A T A...!!!", quiekte ich aus und sie lachte schallend aus.
"Hahahaha, du müsstest jetzt mal dein Gesicht sehen!", keuchte sie, da ihr wegen dem Lachkrampf die Luft wegblieb. "Ne, ehrlich jetzt, Chishiya gibt nicht so die Big Dick Energie ab", kannte dieses Mädchen denn überhaupt keinen Scham? "Ayuuuuu, please tell meeee!", auf einmal begann sie ihre fiese Kitzel Attacke und ich prustete los. Warum musste ich bloß immer so kitzelig sein?
"Hin- Stopp!", kicherte ich und wandte mich unter ihrem Griff, "Ich.Krieg.Keine.Luft.Mehr!"
"Sag's mir!", forderte sie mich grinsend auf, "Dann werde ich dich in Frieden lassen!"
"Okay!!! Ich geb auf!", rief ich aus, "Er war groß, okay?!" Sie ließ tatsächlich von mir ab und grinste.
"Freut mich zu hören", antwortete eine männliche Stimme und mir lief der Kopf erneut rot an. Das konnte nicht sein, nein....
Warum musste Shu genau in diesem Moment hereinkommen?
Hinata begann erneut hysterisch zu lachen, während ich meinen Kopf im Kissen vergrub und hoffte, im Erdboden versinken zu können.
Das Grinsen auf seinen Lippen war mir nicht entgangen...
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"Eine Geburtstagsfeier?", fragte ich Shuntaro mit gerunzelter Stirn und er nickte, bevor er mir die Nachricht auf seinem Telefon zeigte.
Seit meiner Erkältung waren nun knapp eineinhalb Wochen vergangen. Drei Tage noch, dann war unsere Ersatzleistung abgeschlossen - dann war der normale Alltag wieder da. Ich blickte dieser Zukunft einerseits mit Sorge, andererseits aber auch mit Freude entgegen.
Dann war ich erst einmal wieder eine normale Studentin, auch wenn ich durch diesen praktischen Teil schon so viel gelernt hatte.
"Und er lädt uns wirklich alle ein, auch wenn er unsere Freunde nicht einmal kennt?", wollte ich noch einmal wissen und mein Freund grinste, während ich meinen Kopf in meinen Händen vergrub.
"Niragi ist echt ein cringer Typ", murmelte ich vor mich hin und er schmunzelte, bevor er mir noch einmal durchs Haar strich.
"Lass es die anderen wissen, okay?", meinte er und ich nickte, dann verschwand er durch die Tür, um nach seinen Patienten zu sehen.
Chishiya hatte Kuina kennengelernt, als er bei mir übernachtet hatte. Die zwei hatten sich auf Anhieb gut verstanden und die Atmosphäre war schnell angenehm gewesen.
Seufzend zog ich mein eigenes Handy hervor und schrieb dann Hinata, Ann und Kuina von der Einladung am Wochenende, bevor ich mich wieder meiner eigenen Arbeit zuwandte.
An Konzentration war jedoch nicht zu denken, meine Gedanken schweiften immer wieder zu Shu ab. Sein Gesicht, sein Körper, sein Lächeln, seine Zärtlichkeit... Er machte mich verrückt und das wusste er auch.
Er genoss, was für eine Macht er über mich und meinen Körper hatte, ich ließ sie ihm gewähren. Es fühlte sich so gut an, sich auf jemanden anderen stützen zu können.
Ich liebte ihn, ich wollte ihn berühren, ihn fühlen, in seiner Nähe sein...
Es war, als würde ich ihn schon seit Jahren kennen, als würde ich schon ewig eine tiefere Bindung mit ihm pflegen...
Er war der Hafen, ich war das Schiff.
Chishiya Shuntaro war die einzige Hoffnung, die ich brauchte. Er mochte vielleicht nicht so doll auf die romantischen Sachen stehen, aber trotzdem war es genau richtig. Es war alles, was ich brauchte, um glücklich sein zu können.
"-yuna?", ich sah zur Tür, wo Obiki stand und mich verschmitzt ansah.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich nicht die Einzige war, die in den letzten Wochen in eine Romanze gefallen war? Obiki war nun mit seinem Freund zusammen, den er seit 2019 kannte. Die beiden hatten erst gedatet, dann hatten sie eine interessante Session im Schlafzimmer und nun waren sie zusammen.
"Sarumi wird jetzt entlassen, willst du dich noch verabschieden?", fragte er mich und ich nickte, während ich ihm folgte.
"Am Wochenende ist eine Party bei einem Freund von Chishiya. Du und dein neuer Freund sind auch eingeladen", er grinste, als ich das Wort aussprach.
Ich winkte ihm lächelnd zu und verschwand dann im Zimmer 205. Meine Patientin war gerade pfeifend dabei, ihre Sachen einzupacken.
"Hallo!", rief ich ihr zu und sie wandte sich lächelnd zu mir.
"Ayuna-chan! Hey ho!", meinte sie und ich sah sofort, wie gut es ihr ging. Sie strotzte vor Lebensenergie.
"Na? Bist du bereit für deinen neuen Lebensabschnitt?", fragte ich sie und sie nickte leicht.
"Danke."
Dieses eine Wort traf mich wie ein Schlag.
Es war so ehrlich.
"Lass mich dir noch etwas auf den Weg mitgeben", meinte ich, "Nana hat mir immer gesagt, dass man weinen, schreien und zweifeln darf. Aber man sollte trotzdem nie vergessen, für was man kämpft. Man sollte sich immer das holen, wofür man sich eingesetzt hatte."
Ich sah ihr in die Augen: "Sarumi Asami-chan, du bist stark, du hast gekämpft und jetzt sieh, wo du jetzt stehst."
Ich sah die Tränen, die sich in ihren Augen formten. Doch es war keine Trauer, nein, es war Freude.
Freude, dass sie es geschafft hatte.
"Ich werde nicht mehr aufgeben", meinte sie, während sie ihre Augen trocknete, "Jetzt habe ich etwas, wofür ich lebe!"
Sie schulterte ihre Tasche, dann ging sie zur Tür und drehte sich noch einmal zu mir um. Ich lächelte ihr zu.
"Viel Spaß mit Chishiya-san!"
Oh, das Krankenhaus schien überall Ohren und Augen zu haben...
Ich hob die Hand und winkte ihr zu, während mein Kopf erneut hochrot anlief.
Ja, ich war wirklich ein hoffnungsloser Fall. Aber ich mochte es.