Woe is me, my love

FeyGalaxy

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Das nächste Semester in Nevermore steht an. In der Zwischenzeit war kein Tag vergangen, an dem Wednesday nich... Еще

Kapitel 1
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30

Kapitel 2

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FeyGalaxy

„Xavier Thorpe...", eine eintönige Stimme hallte durch den langen, dunklen Flur, der nur mit wenigen, kleinen Wandleuchten erhellt wurde. Und wieder, aber dieses Mal etwas lauter: „Xavier Thorpe!". Dieses Mal wurde das Rufen durch ein Klopfen untermauert. „Xavier Thorpe!!! Es ist Zeit, dass sie herauskommen!!!" Das Klopfen wurden energischer. Mr. Irving, der Hausbutler, stand mit einer gehobenen Hand vor einer schweren, hölzernen Tür mit schwungvollen Intarsien und Gravuren. Erneut rief er: „Wenn Sie jetzt nicht ihre Tür öffnen und mit mir kommen, dann werde ich Ausschau nach ihrem Vater halten und ihn bitten, höchstpersönlich an ihre Tür zu klopfen! Sie wissen ja, was das bedeutet."

Hinter der Tür hörte man ein Rascheln. Das Schloss der Tür wurde betätigt und sie öffnete sich, wenn auch nur ein paar Zentimeter. „Sagen sie meinem Vater, dass ich bald da bin... ich muss noch einige Dinge zusammensuchen.", antwortete Xavier genervt und mit rauer, leiser Stimme, sodass man es kaum verstehen konnte. Ohne weiter darauf einzugehen, marschierte Mr. Irving Kopf schüttelnd davon. Die Tür blieb offen.

Xavier war in keiner guten Stimmung. So viel stand fest. Nur langsam packte er seine Sachen zusammen. Er steckte seine Kohlestifte, einige leere Notizblöcke, sowie einen kleinen Stapel Bücher in seinen Rucksack. Sein großer Reisekoffer lag ausgebreitet auf seinem Bett. Die Kleidung war chaotisch und unordentlich hineingeworfen worden. Sein Zimmer war eher klein und eintönig, wären da nicht die viele großen und kleinen Zeichnungen auf Papier, Leinwand oder auch Pergament an seinen Wänden. Er ließ seinen Blick über den Raum schweifen und dachte daran, dass er in nur wenigen Stunden woanders schlafen würde. Unsicher über das, was ihn erwarten würde, ging er langsam zu seinem extravaganten Kleiderschrank mit nahezu identischen Gravuren wie seine Zimmertür. Er öffnete die linke Seite des Schranks, um darin nach etwas zu suchen.

Was er darin finden wollte, war schnell vergessen. An der Innenseite der Schranktür hingen Skizzen, fertige Gemälde - größere und kleinere. Alles Portraits von ihr. Ihr Profil, manchmal auch nur ihre Augen, ihre Hände, auf denen eine Rabe saß, aber auch einige Bilder, wie sie spielend am Cello sitzt. Er musterte jedes einzelne Kunstwerk. Er warf die Tür mit einem Schlag ruckartig wieder zu und drehte sich beinahe wütend vom Schrank weg. Er schloss die Augen und zog seine Brauen fest zusammen.

Einmal noch versuche ich es ...

Dachte er sich und wandte sich schnell wieder zurück. Er öffnete die Tür erneut und hob zaghaft seine linke Hand. Mit nahezu schmerzender Konzentration fokussierte er sich auf eines der Gemälde. Seine Augen brannten sich förmlich in das Bild hinein. Doch nichts geschah. Wednesday Addams blieb still, keine Bewegung, nicht einmal ein Zucken. Er sah auf seine Hand und wieder zurück auf die Bilder, die er während der letzten Wochen gezeichnet hatte. Seine Gabe war verschwunden. Urplötzlich. Nur wenige Tage, nachdem er aus Nevermore Heim gekehrt war, war es ihm aufgefallen. Sie war fort. Warum, war ihm nicht klar. Niemandem hatte er davon erzählt. Nicht Mr. Irving, noch seinem Vater oder gar Ajax.

Nicht einmal Wednesday hatte er davon geschrieben. Nachdem er ihr einige Nachrichten geschickt und nie eine Antwort erhalten hatte, hatte er aufgegeben. Sie wollte keinen Kontakt. Er war sich sicher, sie würde nicht nach Nevermore zurückkehren und alles hinter sich lassen. Ihre Freunde, Enid, Eugene, die Schule, die Lehrer und auch ihn. Er wusste, er würde sie nie wiedersehen.

Er schloss die Tür seines Schranks und kümmerte sich um die restlichen Kleidungsstücke, die quer im Raum verteilt waren. Er stopfte sie lediglich in seinen Koffer und schlug den Deckel zu. Um noch ein letztes Mal sicherzugehen, griff er in seiner Jackentasche nach seinem Smartphone. Eine neue Nachricht. Seine Augen blitzten auf. Er entsperrte sein Handy, um zu lesen, wer ihm geschrieben hatte. Die Hoffnung, dass Wednesday ihm doch schreiben würde, war immer noch da. Auch wenn sie nur sehr klein war.

Eine Nachricht von Ajax. Er seufzte enttäuscht auf.

Hey. Kanns kaum erwarten. Bald sehen wir uns. Oh man, Enid ist auch schon total aus dem Häuschen. Bin echt gespannt, wie der neue Direktor so ist. Wann kommst du heute an?

Er schaltete sein Smartphone wieder aus und warf es in seinen Rucksack. Ihm war überhaupt nicht danach, Ajax zu antworten. Denn er wusste, er war zwar ein guter Freund, doch hören wollte er sicher nicht, wie es ihm momentan ging. Dass er nicht aus dem Häuschen war. Dass er nicht zurückgehen wollte. Dass er nicht einfach nach Nevermore zurückkehren konnte, nach allem, was passiert war. Dass er das alles nicht mehr wollte, nicht ohne seine Gabe und erst recht nicht ohne sie. Er vermisste beide unendlich. Seine lebendige Kunst und Wednesday Addams.

---

Wednesday wackelte hin und her, als Lurch sie mit dem Familienwagen über steinige und löchrige Straßen fuhr. In ihrer Rechten hielt sie das Smartphone. Sie drückte es fest in ihrer Hand, immer wieder wenn ein neues Schlagloch überquert wurde. Es kribbelte unaufhörlich in ihren Fingerspitzen, so sehr klammerte sie sich an das Gerät.

Als die Fahrt ruhiger wurde, starrte sie auf das dunkle, glänzende Display. Keine Nachrichten. Schon lange nicht mehr. Weder von Xavier, noch von ihrem dubiosen Stalker. Zwei Tage nach ihrer Ankunft daheim, hatte Xavier ihr das erste Mal geschrieben. Sie konnte jedes Wort auswendig, dennoch las sie die Zeilen seither jeden Tag immer wieder aufs Neue. Mit einem Wisch entsperrte sie das Telefon und gab ihr Passwort ein. Im Verlauf des Chats scrollte sie gefühlt zum tausendsten Mal alle Nachrichten durch.

Hey, hier ist Xavier. Wie geht's dir? Ich hoffe, du bist gut angekommen und erholst dich etwas. Nevermore hat es ganz schön in sich oder? Aber ich glaub, nächstes Semester wird es etwas ruhiger. ;)

Diese Nachricht hatte ihr fast den Verstand geraubt, da sie kaum damit gerechnet hatte, dass er ihr wirklich schreiben würde. Stundenlang hatte sie nachgedacht, was sie ihm antworten könnte. Da sie sich mit dem Smartphone kaum bis gar nicht auskannte, hatte sie ein Antwort auf ihrer Schreibmaschine vorgeschrieben, doch die Entwürfe alle weggeworfen. An diesem Tag war für Wednesday Addams die Welt viel zu grau und düster gewesen und das nicht auf die gute Art. Also entschloss sie sich, es bleiben zu lassen. Small talk war eh nicht ihre Stärke. Doch insgeheim hätte sie wirklich gern gewusst, wie es ihm ergangen war nach ihrem gemeinsamen Semester.

Ich wieder. Ich wollte fragen, ob du mir ein Buch empfehlen kannst? Bin gerade in einer wirklich alten, schäbigen Bücherei. Die haben aber viel Auswahl. Sind echte Schätze dabei. Was meinst du?

Sein Interesse für Bücher und alte, schäbige Buchhandlungen hatte sie erst überrascht und dann beeindruckt. Sie musste zugeben, dass sie sich auf solch eine Unterhaltung gern eingelassen hätte. Schließlich ging es um Literatur, Autoren, Geschichten - ihre eigene Leidenschaft. Das war schon was anderes als stumpfsinniger small talk. Doch nachdem sie nicht auf seine erste Nachricht geantwortet hatte, kam es ihr blöd vor. Also ließ sie es lieber. Aus diesem Grund ignorierte sie auch seine weiteren Nachrichten. Sie hätte sich erklären müssen, warum sie erst jetzt antwortete und auf die Frage, wie es ihr geht, hätte sie früher oder später auch antworten müssen, hätte sie sich darauf eingelassen. Und diese Frage konnte sie sich selbst nicht einmal beantworten.

Hallo. Ich hoffe sehr, dass alles ok ist? Wenn du nicht antworten möchtest, ist das voll in Ordnung. Aber vielleicht schreibst du mir nur kurz, ob alles gut ist. Nicht, dass ein wahnsinniger Pilger mit abscheulicher Frisur dich am Ende doch gekriegt hat und ich der letzte bin, der es erfährt. ;) Xavier

Nur der Gedanke an Crackstone versetzte ihren Körper in eine Art Totenstarre. Doch ganz und gar nicht auf die gute Art und Weise. Dachte sie an Crackstone, dachte sie an Thornhill und dachte sie an sie, dann war es unausweichlich. Sie dachte an Tyler und er war jemand, den sie um jeden Preis vergessen wollte. Ihn, das Spiel, welches er gespielt hatte, seine energischen Augen und der Kuss, den sie ihm niemals hätte geben sollen. Der Moment kam ihr schmerzlich in Erinnerung. Der Moment ihrer Vision. Tyler. Blutverschmiert, wahnsinnig triumphierend über seinen Mord an Dr. Kinbott. Sie schluckte die Erinnerung hinunter und las die letzte Nachricht von Xavier. Diese hatte er ihr vor mehr als zwei Wochen geschrieben.

Bald ist es soweit. Nach Nevermore zurück zu kommen wird sicherlich nicht leicht. Für keinen von uns. Für dich und auch nicht für mich. Auch wenn du dies hier vielleicht gar nicht liest...ich will nur, dass du weißt, das ich da sein werde. Wie immer. Falls du reden willst. Egal über was. Ansonsten sehen wir ins in einem anderen Leben oder wo auch immer. Ich hoffe, dass die Zukunft es gut mir dir meint Addams oder auch weniger gut... je nachdem, was dir lieber ist. Dein Xavier.

Auch jetzt, einige Wochen danach, las sich diese Nachricht wie ein Abschied. Wednesday konnte gut schreiben, Formulierungen finden, die Dinge beschreiben. Doch das Lesen zwischen den Zeilen fiel ihr schwer. Vor allem bei Xavier. Und seine Stille hatte es bewiesen. Er hatte aufgegeben, zu ihr durchdringen zu wollen und aus irgendeinem Grund war ihr das alles andere als egal. Immer wieder hatte sie gehofft, dass er sich doch noch einmal melden würde. Selbst wenn es nur eine belanglose Kleinigkeit gewesen wäre aus seinem Leben. Sie hätte es wissen wollen. Doch zugestehen wollte sie sich das keinesfalls.

Dein Xavier...

Las sie nochmals. Ihr Herz machte einen Aussetzer. Ein Herzinfarkt in ihrem Alter war unwahrscheinlich, dachte sie sich. Sie war kerngesund. Doch irgendetwas ging in ihr vor. Vielleicht ein Magengeschwür, ein Abszess oder gar ein Tumor? Am liebsten hätte sie ihre eigenen Organe entnommen, sie gründlich untersucht und seziert, um endlich eine Diagnose zu finden. Die Diagnose, warum Xavier Thorpe und dieses winzige Wörtchen vor seinem Namen so eine große Wirkung auf sie hatten.

Sie schob das Handy mürrisch in ihre Tasche und ignorierte gekonnt den anderen Chatverlauf. Der Stalker hatte geschwiegen, die ganzen langen Wochen. Bei dieser Sache war sie sich deutlich sicherer. Die Nachrichten und das darauf folgende Schweigen konnten nur eines bedeuten.

Es muss jemand aus der Schule sein. Jemand, der mir nicht nachgereist ist. Jemand aus Nevermore. Jemand, der mich und Tyler und auch Xavier beobachtet hatte. Jemand, der sich melden wird, sobald das neue Semester beginnt. Jemand, den ich finden werde. Koste es, was es wolle...

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