Suche Held, biete Phönix (FF...

By QuillDee

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Wie kommt jemand zurecht, der nach siebzig Jahren Kälteschlaf in eine völlig neue, ja fremdartige Umgebung ge... More

Vorwort
1 - Neue Ufer
2 - Erstens kommt es anders
3 - Erdbeer-Confit an Mandelschaum
4 - Von Kartoffelchips und anderen Errungenschaften
5 - Rache ist Blutwurst
6 - Wenn jemand eine Reise tut
7 - Manifestation
8 - Zwei Avenger sehen mehr als einer
9 - Home, sweet Home
10 - Lose Enden
11 - Der große Knall
12 - Zuflucht 2.0
13 - Was einmal war, verlässt uns nicht
14 - Ein Spätsommer in der Provence
15 - Oh what a Feeling this is
16 - Von alten Freunden, Halluzinationen und guten Ratschlägen
17 - Familiengeheimnisse
18 - Der Anker
19 - Von der Kunst des Nudelschlürfens
20 - Das perfekte Date
21 - Familienzusammenführung
22 - Rotes Blut, grauer Glibber und andere Körperflüssigkeiten
23 - Trouble in Paradise
24 - Im Netz der Hydra
25 - Neukalibrierung
27 - Operation Feuersturm
28 - Heiß und Kalt
29 - Who am I
30 - Trigger und Reset
31 - Der fast normale Wahnsinn
32 - Weihnachten bei Bartons
33 - (K)ein Glückliches Neues Jahr
34 - Beziehungskisten und andere Probleme
35 - Zwischen den Stühlen
36 - Abrechnung
37 - Phönix aus der Asche
38 - Wer loslässt, hat beide Hände frei
Epilog

26 - Die Hoffnung stirbt zuletzt

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By QuillDee

Die Routine hatte ihm geholfen, nicht zu verzweifeln, auch wenn er zum gefühlt Millionsten Mal von den Kollegen des Nachrichtendienstes mehr oder weniger subtil aus deren Zentrale hinausgeworfen wurde. Er rechnete eigentlich schon lange nicht mehr mit einem Lebenszeichen von Yuki und dachte manches Mal insgeheim, dass es nach so langer Zeit besser wäre, wenn sie nicht mehr lebte. Wenn doch, würde das bedeuten, man folterte sie entweder seit knapp einem Jahr, oder Hydra hatte Erfolg gehabt und sie wäre nun nicht mehr die Person, die er gekannt und geliebt hatte. Weil beim letztgenannten Szenario bestimmt schon Schlagzeilen wie „Senator XY ist bei einem Brand mit ungeklärter Ursache umgekommen – spontane Selbstentzündung?" die Runde gemacht hätten, und das nicht der Fall gewesen war, blieb nur die andere Alternative.

Und dann, so meldete sich immer dann, wenn er des Nachts alleine mit sich und seinen Gedanken war, eine leise Stimme, dann wäre sie besser tot. Steves tief verwurzelter christlicher Glaube hatte zwar in der letzten Zeit schwer gelitten: Er hatte gesehen, was Menschen anderen Menschen noch immer antaten, unverändert seit den Gräueln des Zweiten Weltkrieges. Dann hatte die Existenz der Chitauri sein biblisches Verständnis vom Menschen als Krone der Schöpfung zusätzlich ins Wanken gebracht. Trotzdem fand er Trost darin, dass der Allmächtige in seiner unendlichen Güte, so er denn existierte, Yuki die Qualen ähnlich derer, wie Natasha sie einmal erwähnt hatte, vielleicht ersparte.

Die Agentin war nicht ins Detail gegangen, doch er hatte eine ungefähre Ahnung davon, wie sehr sie gelegentlich noch von ihren eigenen Dämonen heimgesucht wurde. Sie hatte ihm auch für den unwahrscheinlichen Fall einer Rettung wenig Hoffnung gemacht.  „Selbst wenn wir sie noch finden, wird sie nie mehr zu ihrem alten Ich zurückfinden. Glaub mir, selbst wenn doch, es wird hart."

Es war vielleicht wirklich alles besser so, wie es jetzt war. Er musste nur noch seinen Frieden damit machen.

„Hey, Erde an Steve, bitte kommen!" Barton rüttelte an seiner Schulter. „Wenn Natasha von der südwestlichen Anhöhe aus ihr Okay gibt, bist du besser bereit."

Steve schüttelte sich und nickte. Sie lagen hier mitten im kolumbianischen Regenwald und waren im Begriff die Übernahme mehrerer Familien-Clans durch ein großes Drogenkartell unter Rodrigo Escada zu verhindern. Das war eine Mission, die ihm auch persönlich wichtig war - es waren schon so viele junge Menschen durch das Teufelszeug umgekommen, ihre Familien zerstört. Eine einzige, übermächtige Organisation zu verhindern, bevor sie die Märkte weltweit mit viel günstigerem Stoff überschwemmen konnte, war eine sehr gute Sache. Und wenn sie darüber hinaus noch die kleineren Bosse hochnehmen konnten, die Escada unter einem Vorwand eingeladen hatte, um sie auf einen Schlag zu eliminieren, war das auch nicht zu verachten.

✮✮✮✮✮✮

Das Funkgerät fauchte und spuckte, bevor Romanoffs Stimme zu ihnen durchdrang. „Barton, Kommen. Er ist drin. Gehen wir rein. Romanoff, Ende." Barton gab das Handzeichen zum Vorrücken und Steve setzte sich zusammen mit dem ihm unterstellten STRIKE-Team in Bewegung.

Die schwüle Luft machte Steve nichts aus, sie war nur etwas dicker, als gewöhnlich, gesättigt nicht nur mit Feuchtigkeit, sondern auch mit fremdartigen, erdigen Gerüchen. Das in Kombination mit einer Explosion von Farben und den Hintergrundgeräuschen exotischer Tiere, die wie ein dicker Teppich die leisen Schritte der bewaffneten Männer schluckten, schärfte seine ohnehin feinen Sinne noch mehr, dass er von allen Eindrücken beinahe überwältigt wurde. Und er verspürte ein Kribbeln in Erwartung der bevorstehenden Kampfhandlungen. Das musste dieser Erregungszustand sein, den Natasha ihm oft beschrieben hatte. Er kannte ihn von früher, nur hatte er ihm immer ein bisschen Angst gemacht. Heute erfüllte es ihn zum ersten Mal mit ähnlicher Vorfreude wie Natasha. Ob das nun an der stimulierenden Umgebung lag, oder daran, dass er nach jeder Ablenkung von seinen Problemen lechzte, konnte er nicht sagen. ‚Darüber mache ich mir später Gedanken', sagte er sich und huschte hinter Barton her, jeden Busch und jeden Palmwedel als Deckung nutzend.

„Captain Rogers, Kommen!" Furys Stimme zerriss die Stille.

„Rogers hier. Das ist gerade sehr ungünstig. Ende."

„Es ist eine wichtige Nachricht für sie im Triskelion eingetroffen, für sie persönlich. Begeben Sie sich zum Rendezvouspunkt, sie werden dort abgeholt."

„Aber die Mission, Sir!"

„Die Nachricht kommt aus Tokio. Muss ich mehr sagen? Barton und Romanoff schaffen das auch ohne Sie. Fury, Ende."

Die Stille, die folgte, war ohrenbetäubend, selbst die allgegenwärtigen Vögel schienen sich erschreckt zu haben. Barton hatte sich zu Steve umgedreht und hob fragend die Schultern.

„Es tut mir leid, ich muss weg, aber ..."

„Hey Jungs, ich hab eben mitgehört. Steve, darauf hast du doch so lange gewartet. Also verschwinde. Das hier sind gewöhnliche Gangster, die schaffen wir auch ohne Cap. Los, hopp, hopp! - Barton, auf mein Zeichen. Romanoff, Ende."


„Sehr geehrter Captain Rogers,

wir haben uns nur einmal gesehen, doch Sie werden sich bestimmt an mich erinnern. Ich bin der Mann, den sie zusammen mit einer jungen Frau in Abiko City besucht haben. Ich weiß, dass Sie mich verachten, das würde ich an Ihrer Stelle auch tun. Doch ich habe in ihren Augen auch Güte und Mitgefühl entdeckt und eine tiefe Zuneigung meiner Nichte gegenüber. Deswegen setze ich meine letzte Hoffnung auf Sie.

Sie lesen richtig, meine letzte Hoffnung. Ich habe nicht mehr viel Zeit, sagen die Ärzte im Krankenhaus und ich habe beschlossen, früher aus dem Leben zu scheiden. Wenn dieser Brief Sie erreicht, werde ich erfolgreich gewesen sein und nicht erfahren, ob sie ihn gelesen haben werden. Um Yukis willen bete ich jetzt in meinen letzten Minuten, dass sie es tun.

Ich schreibe Ihnen nicht, weil ich mir Vergebung erhoffe, weder von Ihnen noch von meiner Nichte, denn was ich getan habe, liegt jenseits dessen, was ein Mensch vergeben kann. Ich schreibe Ihnen, weil ich mein Gewissen vor meinem Tod erleichtern möchte. Ich weiß, das ist selbstsüchtig. Doch ich gebe Ihnen in diesem Brief darüber hinaus auch die Möglichkeit, meine Nichte zu retten und das Unrecht, das ich begangen habe, wenigstens ein bisschen wieder gutzumachen. Wenn es nicht schon zu spät ist.

Für mein Handeln vor so vielen Jahren gibt es keine Entschuldigung, nur eine Erklärung: Ich bin ein schwacher Mann, und war es schon seit ich denken kann. Ich hatte die falschen Freunde und einige falsche Entscheidungen getroffen, die mich zu dem Unternehmen führten, das Sie als Hydra Corporation kennen. Ich war davon geblendet, schnell viel Geld zu verdienen, und das allein hätte vielleicht nur zu meinem eigenen Untergang geführt.

Doch das war nicht genug. Ich war so begierig, schnell aufzusteigen, dass ich dem obersten Chef, Kobayashi-Sama, auf einem Pferderennen meine Schwester Akiko vorgestellt habe. Ich rechnete fest damit, dass er einer zwanzig Jahre jüngeren und so wunderschönen Frau verfallen, und mir, als seinem möglichen zukünftigen Schwager, schnell zu einer leitenden Position verhelfen würde. Ich war blind in meiner Gier, ich hätte wissen müssen, dass Menschen wie er so etwas wie Zuneigung nicht kennen. Dass sie nur den Nutzen bewerten, den andere Menschen für sie haben könnten.

Als ich erkannte, dass er keinerlei romantisches Interesse an Akiko hatte, sondern nur die Gelegenheit ergreifen wollte, ohne viel Aufhebens an ein weiteres Objekt für die Forschungsabteilung zu kommen, habe ich ihn gebeten, davon abzusehen. Ich habe ihm Geld geboten, ich habe angeboten, ihm andere Frauen zu beschaffen. Aber er wollte sich nicht darauf einlassen. Ich denke jetzt, dass er sich von meinem Widerspruch herausgefordert fühlte und unter keinen Umständen nachgegeben hätte.

Natürlich habe ich keinen weiteren Treffen mehr zugestimmt, Ausflüchte gesucht und gedroht sie alle auffliegen zu lassen, doch das hat ihn nicht aufgehalten. Er, der Hunderte von Frauen mit nur einem Fingerschnippen hatte entführen lassen, tat genau dasselbe mit Akiko. Und mir, der den schwachen Versuch gemacht hatte, sich aufzulehnen, hat er jeden einzelnen Knochen brechen lassen und mich davor gewarnt, je nach ihr zu suchen oder die Behörden einzuschalten. Sie würden sonst meinen Vater über meine unrühmliche Rolle in dieser Geschichte informieren und mich vor seinen Augen hinrichten, bevor sie auch ihn umbringen würden. Wie ich vorhin schon geschrieben habe, bin ich ein schwacher Mann, und so gehorchte ich. So wie ich es auch die folgenden Jahrzehnte getan habe. Ich habe mir sogar eingeredet, Akiko hätte schlechten Umgang gehabt und wäre deshalb entführt worden, bis ich es am Ende selbst geglaubt habe, weil ich nur so weiterleben konnte.
Jetzt ist das vorbei - ich muss reinen Tisch machen. Der Krebs hat gewonnen. Aber das ist nicht der einzige Grund, aus dem ich so nicht mehr weitermachen kann.

Dazu muss ich noch etwas weiter ausholen: Kobayashi-Sama hat meinen Ungehorsam damals nie wirklich vergessen, geschweige denn verziehen. Selbst dass ich Ihren und Yukis Besuch bei mir gemeldet habe, hat seinen alten Groll nicht gemildert. Ich hätte es besser wissen müssen. Seit ich hier in diesem Krankenhausbett liege, lässt er mir zwei Mal wöchentlich Botschaften zukommen. Es sind Berichte über die Fortschritte, die sie mit Yukis ‚Neukalibrierung' machen. So nennen sie es neuerdings, wenn sie Menschen umdrehen. In ihrem Fall geht es auch um die Entfesselung ihrer Kräfte. Die Methoden unterscheiden sich aber kaum.

Manchmal sind auch Videobotschaften dabei, mit Aufnahmen von unaussprechlichen Dingen, die sie ihr antun. Ich kann das nicht mehr. All das, weil ich wieder einmal nicht das Richtige habe tun können. Ich könnte mich weigern, die Nachrichten zu lesen, doch unerklärlicherweise kann ich das nicht. Ein weiterer Beweis, wie verkorkst ich bin.

Jedenfalls dachte ich bei dem letzten Bericht, dass sie, wie ich, auch nicht mehr viel Zeit hat. Sie steht kurz vor dem Zusammenbruch, und auch ihre Gabe scheint sich zunehmend zu verselbstständigen. Ich bekam Angst, dass sie sie bald geknackt haben werden. Wusste jedoch nicht, was ich noch tun könnte.

Aber dann habe ich Sie im Fernsehen gesehen und wieder erkannt. Wie Sie in New York das Richtige getan haben, und wie leicht es Ihnen zu fallen schien. Und da wusste ich, dass Sie mir helfen können, reinen Tisch zu machen. Selbst wenn Sie es nicht wollen, Yukis wegen werden sie es tun, davon bin ich überzeugt.

Ich komme zum Punkt: Ich weiß, wo sie gefangen gehalten wird. Die neue Hydra-Basis liegt ungefähr dreißig Kilometer nordwestlich von Yokohama in einem Industriegebiet. Die damalige Anlage in Tokio haben sie aufgegeben, weil sich fürchteten, dass es nach Akikos Aussage doch noch Untersuchungen geben würde. Heute ist sie um ein Vielfaches weitläufiger und erstreckt sich über zwei unterirdische Stockwerke. Das macht es schwerer, sie zu finden, weil ich leider nicht weiß, wo sie genau festgehalten wird und wie tief Sie vordringen müssen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass die Anlage stark bewacht wird, doch Sie werden einen Weg finden, dort hinein zu gelangen. Sie müssen.

Anderenfalls habe ich ein weiteres Mal versagt.
Im Vertrauen darauf, dass Sie die richtige Entscheidung treffen werden, danke ich Ihnen und bitte Sie, Yuki meine Geschichte zu erzählen. Nicht damit sie mir verzeiht, sondern damit sie versteht.

Ich werde dann bei meinen Ahnen sein, auch wenn mir der Weg des Seppuku als Unwürdiger nicht zusteht – ich werde eine Möglichkeit finden.

Mir bleibt nur noch, Ihnen viel Erfolg zu wünschen.

Hochachtungsvoll und demütig,

Ichiro Sakamoto."

✮✮✮✮✮✮

Steve legte den Brief auf den Schoß, schloss die Augen und versuchte, nicht in den Abgrund zu fallen, der sich aufgetan hatte. Sie lebte, und trotz der anfänglichen Euphorie machte sich Entsetzen in ihm breit. Entsetzen darüber, dass sie all das hatte ertragen müssen, was er sich in den schlimmsten Nächten ausmalte, seit sie fort war. Und Wut, dass dieser erbärmliche Mann, der dafür verantwortlich war, sich nicht schon früher an ihn gewandt hatte. Er konnte und wollte sich nicht gehen lassen, wo Fury ihm gegenübersaß und ihn mit Argusaugen beobachtete. Bereit, beim kleinsten Zeichen von emotionaler Instabilität, ein STRIKE-Team herbeizurufen. Rumlow, der Anführer der STRIKE-Forces wäre mehr als erfreut, Captain America in Gewahrsam nehmen zu dürfen. Dieser Mann zeigte Steve gegenüber eine unverhohlene Abneigung, die nur gerade eben so von einer hauchdünnen Decke der Höflichkeit kaschiert wurde und die Steve sich nicht erklären konnte. Schließlich hatten die beiden Männer außerhalb einiger weniger Missionen kaum Berührungspunkte. Er atmete einige Male tief ein und wieder aus, bevor er sich wieder gefestigt an Fury wandte.

„Konnte der Inhalt dieses Briefes verifiziert werden?" Seine Stimme klang so ruhig und beherrscht, dass er selbst überrascht war.

„In der Tat. Die Frau, die uns den Brief übersandt hat, wurde befragt. Ihr Mann lag laut ihrer Aussage im gleichen Zimmer auf der onkologischen Station des Tokio General Hospital wie Mr. Sakamoto. Sie sagte, er habe ihr leidgetan, weil er nie Besuch erhielt und immer einen todunglücklichen Eindruck machte. Sie habe ihm deswegen dann und wann auch Suppe mitgebracht und ihm ein paar tröstende Worte geschenkt. Eines Nachmittags habe er ihr diesen Brief in die Hand gedrückt, schnell und verstohlen, mit der Bitte, ihn in den nächsten Tagen aufzugeben. Es ginge möglicherweise um Leben und Tod. Sie wisse schon, wann der richtige Zeitpunkt da wäre."

„Ich nehme an, er meinte sein Ableben."

„Richtig. Sie sagt, sie habe erst noch gerätselt, was er damit gemeint haben mochte, doch dann, als bei einem ihrer nächsten Besuche, das Bett neben dem ihres Mannes leer war, hat sie eins und eins zusammengezählt."

„Sie könnte lügen, sich alles ausgedacht haben", wandte Steve ein und hasste sich im gleichen Moment dafür. Wie sein Therapeut ihm jetzt sagen würde, verdrängte er die Möglichkeit, dass Yuki wirklich diesen Torturen ausgesetzt gewesen war, die auch Natasha ihm in groben Zügen beschrieben hatte, als sie einmal vom roten Raum erzählte.
Fury seufzte schwer.

„Sie unterschätzen mich, wenn Sie glauben, ich hätte diese Möglichkeit nicht auch überprüfen lassen: In der von der Frau genannten Zeit, war tatsächlich ein Mann namens Ichiro Sakamoto wegen seines Darmkrebses in stationärer Behandlung. Er ist letzte Woche an einer Überdosis Schmerzmittel gestorben. Der behandelnde Arzt sagt, er muss die ihm verordneten Tabletten über einen Zeitraum von ungefähr zehn Tagen gehortet haben, während er den Pflegern gegenüber vorgab, sie zu schlucken. Er sagte auch, dass die Schmerzen in dieser Zeit immens gewesen sein müssen."

Da hatte der arme Mann zeit seines Lebens mit sich gehadert und erst im Angesicht des Todes zu wahrer Stärke gefunden. Steve schüttelte freudlos den Kopf - und sprang so unvermittelt auf, dass Fury vor Schreck beinahe seinen Kaffee verschüttet hätte.

„Letzte Woche ist er gestorben?! Das sind jetzt siebzehn Tage nach dem letzten Bericht Kobayashis! Sie könnte jetzt vollständig umgedreht sein, oder tot! Wann kann ich fliegen?"
Fury sah ihn verständnisvoll an und hob die Hand.

„Kommen Sie runter, wir können daran nichts ändern, dass wir die Nachricht erst jetzt bekommen haben. Der Quinjet steht bereit, Ms. Hill ist in zehn Minuten fertig zum Abflug. Barton und Romanoff werden zu Ihnen stoßen, sobald sie den Job in Bolivien erledigt haben."

„Danke, Direktor!" Steve wandte sich schon zum Gehen, hörte jedoch noch mit halbem Ohr: „Ich habe auch Banner und Stark angefordert. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie."
Steve hielt nur so lange inne, um zu entgegnen: „Da wir für den Fall, dass sie ihre Kräfte freisetzen kann, nicht wissen, welche Zerstörungsgewalt sie entwickelt und inwieweit sie sich unter Kontrolle hat, begrüße ich Ihre Entscheidung. Thor konnten sie nicht zufällig auch erreichen?"

„Sie haben Ihren Humor wiedergefunden. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist."

✮✮✮✮✮✮

Irgendwo auf dieser Welt, machte sich just in diesem Augenblick jemand eine Tasse Kaffee und bereitete sich auf einen anstrengenden Tag im Büro vor. Wo anders zog eine Mutter ihre Kleinen an, um sie zur Kindertagesstätte zu bringen, und freute sich, auf ein paar Stunden Produktivität, sei es zu Hause oder irgendwo auf Arbeit. Und wiederum an einem anderen Ort warf ein Student seinen Wecker an die Wand, stand fluchend wieder auf, um ihn aufzuheben, weil ihm einfiel, dass heute eine wichtige Prüfung anstand. Und hier lag sie, die ihren eigenen Namen vergessen hatte, und malte sich all diese Leben aus, die gerade parallel zu ihrem eigenen verliefen, nur um die erschreckenden Bilder eines toten Mannes auszublenden.

Er war groß und sah gut aus, doch das blonde Haar war blutverschmiert und die einst klaren, blauen, jetzt trüben Augen starrten blicklos in einen grauen, wolkenverhangenen Himmel, das Gesicht zu einer Fratze der Agonie verzogen. Sie kannte ihn nicht, wusste nicht einmal, wer sie selbst war. Doch sie wollte das nicht sehen und ertrug es nicht mehr, zu erleben, wie dieser Mann immer wieder aufs Neue gequält, verstümmelt und getötet wurde. Weil sie nicht tat, was SIE von ihr verlangte.

Die Flucht in die kleinen, unscheinbaren Leben anderer, imaginärer Leute half ein wenig. Oft konnte sie so die schrecklichen Aufnahmen wegdrücken. Fotos und manchmal Videos von tödlichen Verwundungen oder dem furchtbar entstellten Gesicht, das ihr seltsam bekannt vorkam. Doch wenn die Schmerzen einsetzten, half nichts.

Dann krümmte sie sich und schrie oder übergab sich. Manchmal alles zugleich.

Und wenn SIE sie für wenige Minuten in Ruhe ließen, um ihre Forderungen zu wiederholen, zitterte sie, gebadet in kaltem Schweiß, und erholte sich langsam, so wie jetzt, nur um erneut in einen Strudel von seelischer und körperlicher Qual gestürzt zu werden. Dieses Mal schien die Frau mit den roten Fingernägeln, ihren Namen hatte sie auch vergessen, besorgter als sonst, denn sie wies eine längere Pause an. Die Lakaien gehorchten und die Frau nutzte die Zeit, ihre roten Krallen genau zu inspizieren.

Sie selbst fragte sich wieder und wieder, wer sie war. Und warum sie hier festgehalten wurde. Die Forderungen, welche die andere Frau mehrfach wiederholte, machten auch keinen Sinn und sie vergaß kurz darauf, worum es da ging. Es hatte etwas mit Feuer zu tun. Es hatte etwas mit einem Treueschwur zu tun, den sie auf Hydra leisten sollte. Wer oder was war Hydra? Es war ihr einerlei. Hauptsache, sie würden ihr nicht mehr weh tun. Hauptsache, sie musste diesem armen Mann nicht mehr jedes Mal beim Sterben zusehen.

Dann war auch diese Atempause vorbei.

Die andere Frau setzte ihr wieder zu, wieder unterbrochen von Schmerzen, die bis in die Haarspitzen wie Feuer brannten. Feuer. Es wurde ihr plötzlich sehr warm und ihr Gesichtsfeld färbte sich weiß. Sie konnte das Gesicht der anderen Frau nur mehr in Umrissen erkennen, doch als sie sich an das Weiß gewöhnt hatte, sah sie mehr.

Eine schreckverzerrte Grimasse, weit aufgerissene Augen und ein Mund, der zu einem teils staunenden, teils ängstlichen O geformt war. Die Frau hatte Feuer gewollt. Jetzt bekam sie es. Warum war sie nicht zufrieden? Warum diese Angst?

Sie hob die eigene Hand, die so durscheinend war, dass sie die Adern unter der Haut sah, ebenso wie weiß glühende Flammen, die um sie herum züngelten. Sie lächelte. Es war an der Zeit, dass sie bezahlten. Für alle Erniedrigungen und Qualen. Und zwar ausnahmslos alle, die sie hier aufspüren konnte. Sie würde mit dieser da anfangen. Zwei schwarze Umrisse mit Hüten versuchten sie zu packen, einer davon schwang einen Feuerlöscher. Sie lächelte wieder, schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie diese Umrisse mit einem Feuerball von sich schleuderte.

Als sie sich umblickte, war sie zufrieden. Die zwei Schemen lagen weiter entfernt auf dem Boden und würden ihr nie mehr wehtun. Sie ging langsam auf den ersten zu, um das auch wirklich sicherzustellen. Der Mann wimmerte und versuchte auf dem Rücken liegend immer weiter von ihr fortzukriechen, bis er an die Wand stieß und nicht mehr weiter konnte. Sie legte ohne Hast beide Hände um seinen Hals und wusste instinktiv, dass sie nicht zuzudrücken brauchte. Es reichte ein kleiner Energiestoß, und er ging, vom Hals ausgehend, in Flammen auf. Sein Kreischen klang wie Musik in ihren Ohren.

Der zweite Umriss gab ihr nicht die gleiche Befriedigung. Er war schon tot. Enttäuscht wandte sie sich wieder der Frau mit den roten Fingernägeln zu, die sitzend am anderen Ende an der Wand lehnte. Diese lebte noch und war bei Bewusstsein. Gut, das war sehr gut. Nur schien etwas anderes nicht mit ihr zu stimmen, weil sie nicht einmal den Versuch unternahm, zu fliehen. Kein Muskel bewegte sich, nur die Augen zuckten wie in Panik geratene Kaninchen hin und her. Vielleicht war ihr Rückgrat gebrochen, doch das war kein Hindernis für das, was die lodernde Gestalt noch vorhatte.

Auch wenn der Raum schon größtenteils in Rauch und Flammen gehüllt war, hatte das Inferno in dieser einen Ecke des Raumes noch nicht Einzug gehalten. Sie hatte also Zeit, ihre Vergeltung auszukosten. Derjenige, der einmal gesagt hatte, dass Rache ein Gericht wäre, das am besten kalt serviert würde, hatte keine Ahnung. Ihre Rache würde heiß brennen. Die andere Frau schien es zu wissen, und ihre Pupillen weiteten sich so sehr, dass nur noch ein dünner Ring ihrer Iris sichtbar war. Die Frau, die das Feuer für sich entdeckt hatte und darin badete, registrierte diese Angst mit Genugtuung.

Sie streckte langsam eine Hand aus und zeichnete mit dem Zeigefinger die Gesichtskonturen ihres Gegenübers nach. Gebannt beobachtete sie wie ihr Finger kohlschwarze, qualmende Spuren in der hellen Haut hinterließ und wie Tränen zu strömen begannen und Ruß verschmierten, wo sie über die noch unversehrte Haut liefen. Es fühlte sich so gut an, auch wenn sie nicht genau wusste, warum. Sie würde den Augenblick weiter auskosten und hoffte, ihn ausdehnen zu können. Dafür musste sie ihre Energie im Zaum halten, durfte nicht alles zugleich freigeben. Würde sie es schaffen, sich zu kontrollieren, jetzt wo ihre Fähigkeiten noch so neu waren, dass sie bisher nur ihrer Intuition gefolgt war, anstatt bewusst zu steuern, wie sie das Feuer einsetzte?

Es stellte sich heraus, dass sie lange genug Kontrolle ausüben konnte. Befriedigung überrollte sie, als die Wangen der Frau, die sie so abgrundtief und scheinbar ohne bestimmten Grund hasste, Blasen schlugen. Unbeschreibliche Freude durchzog süß ihre Gedanken, als die Augäpfel mit einem leisen „Plopp" aufplatzten und über die verwüsteten Gesichtszüge liefen. Sie beobachtete lächelnd, wie allmählich erst die Haut und dann das Gewebe darunter von den Wangenknochen schmolz und nach und nach der Rest des Körpers eine ähnliche Metamorphose durchmachte.

Wenn sie darüber nachdachte, war es schade, dass es ihr durch die Lähmung der anderen Frau nicht gegönnt war, sich an deren Schreien zu erfreuen. Doch als der rote Lack sich von den Nägeln schälte und schließlich die Fingernägel selbst Feuer fingen und zu schwarzen Knoten an ebenso schwarzen Fingern schrumpften, war sie wieder versöhnt.

Auf dem Weg nach oben gab es noch eine weitere Ebene voll mit weitverzweigten Fluren zur Erschließung von noch mehr Zimmern. Sie würde sie alle durchsuchen und gewiss noch mehr Menschen finden, die ihren Rachedurst stillen konnten. Was sie danach machen würde, darüber konnte sie später noch nachdenken.

Als Erstes legte sie eine Hand auf den Türknauf und drückte die massive Tür mit der anderen auf, als das Schloss mit einem Geräusch, halb Knirschen, halb Schmatzen, der Hitze nachgab, die stetig aus jeder ihrer Zellen strömte. Dann trat sie auf den ersten von vielen Gängen, wandte sich nach links und ignorierte die ersten Schreie, ließ die ersten Menschen flüchten. Sie würde sie ohnehin alle erwischen.

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