Suche Held, biete Phönix (FF...

Autorstwa QuillDee

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Wie kommt jemand zurecht, der nach siebzig Jahren Kälteschlaf in eine völlig neue, ja fremdartige Umgebung ge... Więcej

Vorwort
1 - Neue Ufer
2 - Erstens kommt es anders
3 - Erdbeer-Confit an Mandelschaum
4 - Von Kartoffelchips und anderen Errungenschaften
5 - Rache ist Blutwurst
6 - Wenn jemand eine Reise tut
7 - Manifestation
8 - Zwei Avenger sehen mehr als einer
9 - Home, sweet Home
10 - Lose Enden
11 - Der große Knall
12 - Zuflucht 2.0
13 - Was einmal war, verlässt uns nicht
14 - Ein Spätsommer in der Provence
15 - Oh what a Feeling this is
16 - Von alten Freunden, Halluzinationen und guten Ratschlägen
17 - Familiengeheimnisse
18 - Der Anker
19 - Von der Kunst des Nudelschlürfens
20 - Das perfekte Date
21 - Familienzusammenführung
22 - Rotes Blut, grauer Glibber und andere Körperflüssigkeiten
23 - Trouble in Paradise
25 - Neukalibrierung
26 - Die Hoffnung stirbt zuletzt
27 - Operation Feuersturm
28 - Heiß und Kalt
29 - Who am I
30 - Trigger und Reset
31 - Der fast normale Wahnsinn
32 - Weihnachten bei Bartons
33 - (K)ein Glückliches Neues Jahr
34 - Beziehungskisten und andere Probleme
35 - Zwischen den Stühlen
36 - Abrechnung
37 - Phönix aus der Asche
38 - Wer loslässt, hat beide Hände frei
Epilog

24 - Im Netz der Hydra

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Autorstwa QuillDee

„Whitaker, du solltest mal zum Arzt wegen deines Männerschnupfens – du hörst dich furchtbar an. Und richte Jameson aus, dass ich ihm persönlich die Eier abreiße, wenn er während des Schichtwechsels unbedingt pissen gehen muss und deswegen keine ordentliche Meldung macht!"

Yuki sah Natasha fragend an. „Ist etwas nicht in Ordnung?"

„Ne, alles bestens. Jameson ist einfach nur nicht der Hellste, weswegen er immer Whitaker zugeteilt wird. Der sorgt normalerweise dafür, dass er sich ans Protokoll hält. Kompetentes Personal ist heutzutage ja so schwer zu finden." Die rothaarige Frau legte theatralisch den Handrücken an ihre Stirn und Yuki musste über die gekonnte Darstellung einer gestressten Firmenchefin lachen.

Sie verabschiedeten sich per Handschlag vor dem mehrgeschossigen Wohnhaus, worin das Safe-House, genauer genommen die Safe-Wohnung, der Tarnung halber untergebracht war. Dabei schlug ihr die Agentin so heftig auf die Schulter, dass sie fast das Gleichgewicht verlor.

‚Da hat jemand eindeutig über den Durst getrunken', dachte Yuki. ‚Obwohl man ihr sonst kaum etwas anmerkt.' Laut sagte sie: „Mach's gut, und ich schwöre, dass ich mich nachher benehmen werde, und du morgen nicht meine oder Steves Eingeweide von der Wand kratzen musst."

Dass sie ihm eigentlich schon in dem Moment verziehen hatte, als Natasha sie in der Bar darüber aufgeklärt hatte, wie das Ganze aus Steves Perspektive aussah, musste diese ja nicht wissen. Auch nicht, dass Steve und sie vermutlich ziemlich schnell im Bett landen würden. Natürlich vorausgesetzt, dass er ihr ihre bösen Worte verzeihen konnte. Sie war zuversichtlich, weil er einfach ein Schatz war, doch man konnte sich nie sicher sein. Und so wartete sie ungeduldig auf den Fahrstuhl, denn sie wollte den vielleicht unangenehmen Teil möglichst schnell hinter sich bringen, damit sie gleich zum sehr viel angenehmeren Teil übergehen konnten. Der Teil, bei dem sie auf eine mütterlich besorgte Romanoff verzichten konnten.

Der Retina-Scan an der Wohnungstür stellte sie vor eine Herausforderung, weil sie so etwas noch nie gemacht hatte. Sie hätte sich die Prozedur von Natasha zeigen lassen sollen, fiel ihr jetzt, viel zu spät, ein. Sie versuchte, es von verschiedenen Positionen aus, damit ihr Auge gescannt werden konnte, doch jedes Mal fiepte das verdammte Teil und die Kontrollleuchte blinkte rot, wie um sie zu verhöhnen. Dann verlegte sie sich darauf, zu klopfen, schließlich konnte Steve ihr ja genauso gut einfach auf die gute alte Art und Weise öffnen. Doch sie hörte keinen Laut auf der anderen Seite der Tür. Vielleicht war er ja noch immer sauer.

Yuki seufzte, beugte sich ein weiteres Mal vor und ging so nah wie möglich an den Sensor. Dieses Mal versuchte sie die Augenlider weit geöffnet zu halten und so lange wie möglich nicht zu blinzeln. Es summte freundlich und die grüne Kontrollleuchte ging an. Nach einem leisen Klicken schwang die gut geölte Tür geräuschlos auf, als Yuki sie sachte anstieß. Sie hätte nie erwartet, dass das so kompliziert war. Oder vielleicht stellte sie sich nur dusselig an und brauchte noch etwas Übung.

✮✮✮✮✮✮

Steve lag auf dem bäuchlings, mitten auf der großen Ottomane ausgestreckt, die Bestandteil der Sitzlandschaft war, die Yuki zuvor nicht mit dem Blut an ihrem Körper hatte beflecken wollen. Ein Fensterflügel war gekippt, er hatte wohl lüften wollen und musste eingeschlafen sein, während er auf sie wartete. Bei dem Gedanken daran wurde ihr noch wärmer, als ohnehin schon von diversen Cocktails und Longdrinks war.

Sie schloss das Fenster so leise wie möglich und küsste ihn lange auf eine stoppelige Wange. Weder bewegte er sich einen Millimeter, noch reagierte er mit irgendeinem Laut auf ihre Berührung. Seltsam, er musste wirklich sehr erschöpft sein, was eigentlich noch nie der Fall gewesen war seit sie ihn kannte. Vielleicht war der Stress heute zu viel, wie Natasha schon sagte, war er auch nur ein Mensch. Das war es dann wohl mit der Versöhnung, die musste eben bis morgen warten. Gähnend ging Yuki ins Bad, um die restlichen Rückstände von Blut und Hirn im Haaransatz zu entfernen und sich etwas zum Schlafen anzuziehen. Doch als sie ihre Reisetasche durchforstete, fand sie keinen ihrer Pyjamas oder Bigshirts. Die hatte Steve in der Eile bestimmt nicht mit einpacken können, also würde sie sich eines seiner Hemden ausleihen.

Sie durchsuchte sein Gepäck und ihre Wahl fiel auf ein hellblaues Hemd mit feinen weißen Längsstreifen. Es war lang genug, um ihr als behelfsmäßiges Nachthemd zu dienen, und außerdem trug er dieses am liebsten, sodass sie sich ihm viel näher fühlte, wenn sie es jetzt auf nackter Haut trug. Es war eine irrationale Empfindung, das wusste sie, doch es fühlte sich nun einmal einfach so an. Ihr Magen knurrte laut und unterbrach ihre Überlegungen. Deshalb beschloss sie, sich in der Küche nach etwas Essbarem umzusehen, bevor sie sich neben Steve schlafen legen würde. Sie fand die richtige Tür auf Anhieb und bestaunte die hochmoderne, chromglänzende Einrichtung. Alles war an seinem Platz. Nur der Kühlschrank war leer.

Toll, sie hätte besser vorhin in der Bar noch einen Snack zu sich genommen, denn in einem Safe House, das nicht immer bewohnt war, konnte man ja schlecht Lebensmittel vorhalten. Doch Yuki besah sich den Raum genauer. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass man von den Schutz suchenden Agenten erwartete, gleich einkaufen zu gehen. Wenigstens für ein oder zwei Wochen müssten unverderbliche oder lang haltbare Lebensmittel doch irgendwo gelagert sein.

Schließlich wurde sie fündig. Eine schmale Tür, die im gleichen taubengrau gestrichen war wie die sie umgebende Wand, gab den Blick auf einen kleinen Raum frei, in dem Konserven, Einmachgläser und Trockenwaren aller Art gestapelt waren. An einem Ende mehrere Getränkekisten übereinander bis hin zur Decke, von Mineralwasser über Cola bis hin zu verschiedenen Saftkonzentraten, und sogar ein bis zwei Kisten Sauvignon Blanc waren zu sehen. Yuki staunte nicht schlecht und schnappte sich eine Dose mit Pfirsichen, die sie öffnete und direkt im Vorratsraum komplett vernichtete. Dann leckte sie sich die Finger ab, knipste das Licht mit dem Ellenbogen aus und wusch sich am Spülbecken in der Küche die noch klebrigen Hände. Die Dose ließ sie auf der Arbeitsplatte stehen. Denn weder im Abfalleimer noch sonst wo in der Küche waren Müllbeutel zu finden.

✮✮✮✮✮✮

Als sie den Wohnbereich wieder betrat, fand sie Steve in genau derselben Position vor, in der sie ihn verlassen hatte, immer noch friedlich schlafend. Sie würde sich irgendwie neben ihn quetschen können, und so eng an ihn gekuschelt einzuschlafen, war das Zweitbeste, nachdem Versöhnungssex vorerst keine Option sein würde, dachte sie, selbst von wohliger Müdigkeit erfüllt. Yuki hatte gerade eine halbwegs bequeme Position auf der Ottomane eingenommen und Steves gewohnten Duft nach holzigem Aftershave und frischer Baumwolle inhaliert, dieses Mal angereichert mit dem schwachen Aroma von frischem Schweiß, da wurde ihre Aufmerksamkeit von einem roten, plüschigen Etwas angezogen, das unter seinem Nacken hervorlugte. Als sie ihn bei ihrer Rückkehr geküsst hatte, war dieses Ding von der anderen Seite aus nicht sichtbar gewesen. Jetzt, wo sie es aus dieser Perspektive sah, konnte sie sich nicht erklären, warum sie es vorher nicht gesehen hatte. Es sah aus, wie der hintere Teil eines Betäubungspfeiles, wie ihn die Tierärzte im Zoo oder die Ranger in Tierreservaten benutzten.

Sie erstarrte. Was ging hier nur vor?!

Yuki sprang auf, als hätte sie etwas gestochen, und griff sich Steves Handy vom Couchtisch. Sie musste Alarm schlagen, sie musste Natasha anrufen. Die würde wissen, was zu tun war. Doch mit Entsetzen stellte sie fest, dass es nur rauschte. ‚Die haben mit Sicherheit einen Störsender auf dem Balkon platziert', dachte sie und ließ das Telefon fallen, das auf dem dicken Teppich nur ein gedämpftes ‚Wumpf' von sich gab.

Ihre Gedanken rasten. Sie musste unbedingt Hilfe anfordern und sah in ihrer Verzweiflung keine Möglichkeit dazu. Panisch wandte sie sich Steve wieder zu und fragte sich, was für eine Dosis sie ihm verpasst haben mussten. Damit hätte man bestimmt ein oder zwei Nashörner betäuben können. Wie um sich zu vergewissern, dass sie ihn nicht aus Versehen doch umgebracht hatten, legte sie eine Hand an seinen Hals und fühlte seinen Puls, langsam, aber regelmäßig und stark. Es ging ihm den Umständen entsprechend gut, allen Göttern sei Dank.

Plötzlich hörte sie auf dem Gang vor der Wohnung kleine Füße vorbei trappeln und die schmale Briefdurchwurfklappe im Eingangsbereich scheppern. Yuki stand langsam auf und näherte sich vorsichtig der Wohnungstür. Vielleicht wollten sie sie ausräuchern und ebenfalls betäuben? Doch sie würden nie durch die mehrfach gesicherte Tür aus Sandwich-Stahlkonstruktion an sie herankommen, und überhaupt, wer würde Kinder für so etwas missbrauchen? Allerdings wäre es Hydra schon zuzutrauen.

Sie sah einen kleinen, flachen Gegenstand auf dem Teppich vor der Tür liegen, und es ging zumindest im Moment keine sichtbare Gefahr davon aus. Mit spitzen Fingern hob sie das Teil auf und erkannte ein hochmodernes Walkie-Talkie. Kein Vergleich mit dem klobigen Kinderspielzeug, mit dem sie und ihre Freundinnen sich früher von Kinderzimmer zu Kinderzimmer unterhalten hatten. Sie hatte schon von diesen Wunderwerken gehört, aber nie selbst eines in Händen gehalten.

Es rauschte und knackte plötzlich laut und Yuki hätte es vor Schreck um ein Haar fallen gelassen. Doch niemand hatte ein Wort gesprochen. Bei dem Versuch, die winzige Sprech-Taste mit zittrigen und schweißnassen Fingern zu drücken, wäre ihr das Gerät ein weiteres Mal beinahe aus den Händen gerutscht. „Wer ist da? Was wollen Sie?!" Sie hoffte, dass sie sich ruhiger anhörte, als sie sich fühlte.

„Mein Name tut nichts zur Sache, Ms. Leclerc. Bitte begeben Sie sich wieder in das Wohnzimmer, wo wir sie durch die Fenster sehen können."

Yuki fröstelte, sie hatten sie, seit sie hier war, beobachtet. Gesehen, wie sie nur im Hemd herumgelaufen war und wie sie Steve geküsst hatte. Das war an und für sich nichts Schlimmes, doch das Wissen, dass ihre Privatsphäre verletzt worden war, ließ sie schlucken. Die Stimme aus dem Funksprechgerät gehörte eindeutig einer Frau und war durch einen Verzerrer so verfremdet, dass Yuki beim besten Willen nicht sagen konnte, ob sie ihr bekannt vorkam.

„Los, Bewegung!", bellte die Frau. Yuki zuckte zusammen und flog beinahe in den Wohnbereich. Sie warf sich neben Steve auf den Teppich und setzte sich mit dem Rücken zum Sofa, sodass sie an seinem herabhängenden Bein lehnte und SIE wenigstens ihr Gesicht durch das Fenster nicht sehen konnten.

„Ich bin hier. Nochmal, wer sind Sie und was wollen Sie? Wenn Sie nicht antworten, werfe ich das Walkie-Talkie aus dem Klofenster, das ist so klein, da erwischen Sie mich nicht." Sie schauderte: Immerhin hatten sie Steve durch das gekippte Fenster getroffen. Sie ignorierte die aufsteigende Panik und sprach weiter.

"Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen. Steve wird gleich aufwachen und sie aus ihrem Versteck holen." Sie begann zu plappern, jedoch nicht, weil sie aufgeregt war, sondern weil sie Zeit schinden wollte. Vielleicht würde Steve wegen seines besonders schnellen Stoffwechsels früher aufwachen, als von Hydra berechnet. Vielleicht fiel Natasha im Nachhinein auf, dass etwas faul gewesen war und würde bald auftauchen. Vielleicht würde irgendein anderes Wunder geschehen. Aber vor allem, brauchte sie Zeit, Steves Handy aus den Zotteln des Teppichs zu nesteln und unbemerkt die App zu starten, mit der man Gespräche mitschneiden konnte. Wenn Hydra sie mitnahm, sollten die anderen erfahren, wie es passiert war. „Und Natasha, die reißt Ihnen den Kopf ab und scheißt Ihnen in den Hals!"

Das Kommunikationsgerät blinkte wie verrückt: Ihre Gesprächspartnerin hielt überhaupt nichts von Small Talk. Da Yuki die App gefunden und bereits aktiviert hatte, ließ sie die Sprechtaste los, um die Frau nicht noch weiter zu provozieren.

„Du nichtsnutzige, unverschämte Göre! Habe ich jetzt endlich Deine ungeteilte Aufmerksamkeit?!"

Yuki nickte übertrieben, damit sie es draußen auch bestimmt sahen.

„Sieh dir deinen Schatz mal genau an", zischte die Frau bösartig.

Sie tat es und keuchte entsetzt auf. Ein kleiner, roter Punkt leuchtete auf Steves T-Shirt auf und zitterte sich weiter nach oben, um genau auf seiner Schläfe zu ruhen. Weitere rote Punkte gesellten sich dazu, positionierten sich an verschiedene lebenswichtige Stellen – Stirn, Nieren, die meisten auf dem Rücken, in der Herzgegend.

„Ich habe acht Männer postiert, jeder mit einem Hochpräzisionsgewehr und Ziellaservorrichtung ausgestattet. Sie warten nur auf mein Zeichen. Also mach keine schnellen oder verdächtigen Bewegungen, lass das Gequassel und hör mir aufmerksam zu. Und dann folge meinen Anweisungen. Wenn nicht, ist er tot: Das Serum macht ihn vielleicht stärker, schneller und verbessert seine Selbstheilungskräfte – es macht ihn aber nicht unsterblich." Die Frau am Walkie-Talkie lachte verächtlich.

Das waren vor nicht einmal drei Stunden Natashas Worte gewesen, mehr oder weniger. Yuki begann zu zittern und hatte Angst, nie wieder damit aufhören zu können.

„Du wirst also unverzüglich herauskommen und unten auf der Straße warten. Wir werden dich abholen, und du wirst keinerlei Widerstand leisten. Verstanden?!"

„Ja ... aber ich würde mich gerne vorher anziehen ..."

„Ich sagte unverzüglich! Wenn du mich noch mal dazu zwingst, mich zu wiederholen ..." Die Frau musste ihre Drohung nicht vollenden und klang, als wäre sie kurz davor, sie wahr zu machen.

„Nein, nein, schon gut. Ich habe verstanden", sagte Yuki hastig. Sie hasste es, wie ihre Stimme überschlug. „Ich mache alles, was Sie wollen ... nur tun Sie ihm bitte nichts. Bitte!" Sie hob beide Hände, die Frau sollte sehen, dass sie leer waren, und wandte ihr Gesicht zur Fensterfront, damit sie sahen, dass sie es ernst meinte. „Wenn Sie ihn dann unversehrt gehen lassen, werde ich keine Schwierigkeiten machen! Sie haben mein Ehrenwort." Sie konnte das Flehen in ihrer Stimme nicht mehr verbergen, nicht mehr so tun, als sei sie stark und der Situation gewachsen. Alles, was sie in diesem Moment wollte, dass sie ihr glaubten und Amerikas Nationalhelden, ihren Steve, nicht einfach erschossen wie einen tollwütigen Hund. Und das nur, weil er das Pech gehabt hatte, ihr begegnet zu sein.

Tränen stiegen langsam und unaufhaltsam auf und liefen, von ihr unbeachtet, die Wangen herunter. Sie drückte Steves schlaffe Hand so fest sie konnte, ohne eine Reaktion zu erwarten, und machte sich mühsam daran, aufzustehen und der Forderung der Frau nachzukommen. Doch ihre Beine waren wie aus Gummi.

„Ich bin kein Unmensch, ich gebe dir ein paar Minuten, dich zu verabschieden. Du wirst ihn nämlich nie wieder sehen. Außer vielleicht als Feind."

Yuki weinte nun hemmungslos und so heftig, dass Rotz von ihrer Nase zu tropfen begann. Es spielte keine Rolle mehr, dass sie sie so sahen. Nichts spielte mehr eine Rolle. Dankbar für dieses letzte Zugeständnis wischte sie sich mit dem Hemdsärmel die Nase, schniefte und legte sie sich noch einmal zu Steve. Ihren Kopf auf sein Schulterblatt gebettet, atmete ein letztes Mal seinen warmen Geruch tief ein und flüsterte ihm ins Ohr, wie sehr sie ihn liebte. Natürlich hörte er es nicht, doch vielleicht würde er die Aufnahme davon auf seinem Telefon entdecken.

Es war zu schnell vorbei. Viel zu früh befahlen sie ihr, herunterzukommen, und sie gehorchte, mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend.

✮✮✮✮✮✮

„Wo ist sie?", brüllte Steve, und sowohl Natasha als auch Furys Hologramm sahen ihn mitleidig an. Er musste neben seiner Verzweiflung auch physisch einen reichlich ramponierten Eindruck hinterlassen. Jedenfalls fühlte er sich, als hätte ihn ein Vierzigtonner überfahren. Er wusste natürlich, dass das nur die Nachwirkungen des Betäubungsmittels waren, das sein Kreislauf gerade kontinuierlich, wenn auch langsam abbaute. Aber er sah wirklich beschissen aus und hatte sich im Badezimmer vor wenigen Minuten noch selbst vor seinem hohläugigen Spiegelbild erschreckt.

„Wissen wir nicht. Gerade wollen wir uns die Überwachungskameras auf der Straße vornehmen, du kommst gerade richtig." Natasha klappte ihr Laptop so auf, dass es im Blickfeld von Furys Hologramm stand. Als Yuki in der Aufnahme aus dem Haus auf den Gehweg trat, gruben sich Steves Fingernägel so tief in seine Handflächen, dass er auch am nächsten Tag noch die Spuren würde sehen können. Wie konnte sie ihn einfach so verlassen?! Nachdem er desorientiert aufgewacht war und sie ihn über die Geschehnisse der letzten Nacht informierte, hatte Natasha ihm versichert, dass nach dem Abend in der Bar alles bereinigt war, dass Yuki sich erneut mit ihm hatte aussprechen und ihm eine Chance hatte geben wollen.
Stattdessen war sie einfach gegangen, ohne ein Wort der Erklärung, und spurlos verschwunden.

„Sie sieht nicht so aus, als würde sie freiwillig gehen. Sieh dir an, wie sie sich bewegt: So steif und mechanisch. Als stünde sie unter Drogen!" Die Widow klang nachdenklich und fuhr leiser fort, damit Fury es nicht hörte: „Du musst mir glauben, sie wollte sich mit dir aussprechen, sich sogar mit dir versöhnen. Es schien alles in Ordnung." Steve blickte wieder zweifelnd auf den Bildschirm.

Inzwischen hatte ein dunkles Auto neben Yuki gehalten, das Fabrikat konnte er auf die Schnelle nicht erkennen, und eine Hand mit knallroten Fingernägeln winkte sie zu sich.

„Sieh doch", sagte Natasha eindringlich. „Sie steigt freiwillig ein, doch das letzte Stück, muss die unbekannte Frau sie regelrecht reinziehen."

Man konnte es so sehen, wie die Agentin schilderte, doch die meiste Zeit schien Yuki aus freien Stücken gehandelt zu haben. Steve bat darum, das Video abermals abzuspielen. Und als es zu Ende war, noch ein weiteres Mal. Yukis schmale Gestalt, die barfuß, mit gesenktem Kopf die Straße entlang ging, einerseits ohne ersichtlichen Druck von außen und andererseits, als befände sie sich auf dem Weg zum Schafott, während sie nichts weiter am Leib hatte, als eines seiner Lieblingshemden, das ihr zu weit war und von den Schultern zu rutschen drohte – dieses Bild würde ihn auf ewig verfolgen.

✮✮✮✮✮✮

Direktor Fury massierte sich mit zusammengekniffenem Auge die Nasenwurzel. Die neuesten Ereignisse waren alles andere als erfreulich, um nicht zu sagen katastrophal. Eine Person, die Potenzial für seine von langer Hand geplante Avengers Initiative hatte, hatte sich unerlaubt entfernt und war spurlos verschwunden, lief Gefahr von ihren ‚Schöpfern' umgedreht zu werden. Die andere Person, die er auf jeden Fall für die Initiative gewinnen wollte, war vor Liebeskummer und Sorge um Person eins am Boden zerstört und zu nichts zu gebrauchen. Zumindest vorerst nicht. Ein drittes potenzielles Mitglied hatte sich als selbstverliebter und instabiler Narzisst entpuppt – und last but not least fehlte von einem weiteren möglichen Avenger noch jede Spur. Denn dieser hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht gefunden werden wollte und keinerlei Interesse an einer Zusammenarbeit hatte.

Fury seufzte. Wieso musste nur alles so kompliziert sein? Bis jetzt konnte er lediglich auf Black Widow und Hawkeye setzen. Sie waren gut, aber doch hoffnungslos in der Unterzahl angesichts der neuen Bedrohungen, nicht alleine durch die wieder erstarkte Hydra. Sie brauchten mehr Leute, sie brauchten einen Anführer. Sie brauchten Cap dringender denn je. Doch der brütete seit zwei Wochen schwermütig vor sich hin, und es war schlimmer geworden, als er, Fury, die Untersuchungen im Fall Yuki Leclerc für fruchtlos und beendet erklärt hatte. Es sah nun einmal so aus, als habe sich die junge Frau aus freien Stücken Hydra angeschlossen, und er sah nicht ein, weitere Ressourcen zu verschwenden, die anderweitig benötigt wurden. Das hatte Cap den Rest gegeben, denn er ließ sich seitdem jeden Tag voll laufen, das jedoch mit keinem nennenswerten Erfolg.

Aus seinem Vorzimmer drang ein Tumult zu ihm durch, und Fury rieb sich die Schläfen. Was war denn jetzt schon wieder los? Er hatte nicht mehr den Nerv für neue Komplikationen. Er stand auf und stieß seine Bürotür auf. „Grace, was gibt es?", fragte er gereizt.
„Entschuldigen Sie Sir, Captain Rogers wollte sich partout nicht abweisen lassen."

„Fury, h-hören Sie mal, ich m-muss Ihnen was saaagn, äh, und was zeigen ..."
Ein zerzauster, bärtiger Mann drängte sich in sein Gesichtsfeld. Körpergröße, Haar- und Augenfarbe deuteten auf Captain Steve Rogers hin. Doch die verwahrloste Erscheinung und mehr noch, der leichte Schwips, sprachen dagegen. Andererseits hatte Grace ihneindeutig identifiziert, ebenso der Netzhaut-Scan, der den Zugang zu dieser Etage sicherte.

„Captain, vielleicht sollten Sie morgen nüchtern wieder herkommen, bevor sie etwas sagen oder tun, das Ihnen später leidtut."

„Fury, ich bin n-nüchtern. Ich kann misch nisch betringn! Wussensie nich?" Der Captain hob einen Zeigefinger und richtete ihn auf Furys Nase. Oder er versuchte es, denn er landete auf dessen Kinn.

„Captain, erklären Sie sich! Oder ich lasse Sie entfernen." So langsam riss ihm der Geduldsfaden.

Bevor Rogers zu einer Erwiderung ansetzen konnte, stolperte Black Widow nach Atem ringend in das Vorzimmer.

„Habe ich etwas verpasst, und das ist hier eigentlich ein Bahnhof?!"

Furys Finger schwebte bereits über dem roten Knopf auf Graces Konsole, mit dem er ein STRIKE-Team herbeirufen konnte. Romanoff hob die Hand und keuchte: „Entschuldigung, Direktor, das ist meine Schuld. Ich habe Steve schwarzgebrannten Wodka aus Warschau mitgebracht. Zwei Flaschen, die hat er wie nichts heruntergestürzt. Aber Sie müssen ihn unbedingt anhören, wir sind ganz zufällig auf etwas Wichtiges gestoßen."

„Dann beten Sie, dass es wirklich wichtig ist." Seine Hand verharrte noch immer über dem Knopf, bereit, sich jederzeit wieder zu senken.

„Steve, gib ihm dein Handy", forderte Romanoff den Cap auf. Doch als dieser linkisch seine Taschen zu durchsuchen begann, fischte sie das Gerät kurz entschlossen selbst aus seiner hinteren Hosentasche. „Hey!", protestierte er. „Is meins!"

„Hier, Direktor. Steve und ich hatten zusammen getrunken und er wollte mit mir Fotos von sich und Yuki ansehen. Ich war der Meinung, es tut nicht gut, in der Vergangenheit zu leben – aber Sie kennen ihn ja." Furys Hand entfernte sich ganz von dem Alarm, doch er machte eine rotierende Geste, damit sie rasch fortfuhr.

„Ja, und dann ist er im Suff, daran muss ich mich echt gewöhnen, abgerutscht und hat statt des Fotoalbums besagte App geöffnet. Da war eine Aufzeichnung, doch er war sicher, die App nie verwendet zu haben. Hören Sie es sich an. Sie werden Ihre Entscheidung Ms. Leclerc betreffend wahrscheinlich revidieren."

Er hatte sich gründlich getäuscht in der kleinen IT-Forensikerin, und es tat ihm leid. Als er ihre kaum hörbare Liebeserklärung am Ende hörte, bevor das Gerät nach weiteren fünfzehn Minuten Stille die Aufnahme automatisch stoppte, hatte er verstohlen zur Seite geblickt, nur um zu sehen, wie Cap wieder in dumpfes Brüten verfiel.

Natürlich kam es nicht infrage, dass eine Mitarbeiterin, die nachweislich nicht übergelaufen, sondern von äußeren Umständen dazu gezwungen worden war, dem Feind überlassen wurde. S.H.I.E.L.D. kümmerte sich schließlich um die eigenen Leute. Doch das Problem war, dass es keinerlei Hinweise auf die Hydra-Basis gegeben hatte, weder in der Wohnung noch in den Wochen danach in der Stadt. Denn dass sie die junge Frau dorthin gebracht hatten, war so gut wie sicher. Dass sich die Basis in Tokio befand, war wiederum ganz und gar nicht sicher. Es war wahrscheinlich, doch sie konnte sich theoretisch überall auf der Welt befinden.

Schweren Herzens teilte er Rogers mit, dass er aufgrund dieser Überlegungen trotzdem keine aktiven Agenten direkt mit dem Fall Leclerc betrauen konnte. Aber als er zusicherte, dass alle in Japan befindlichen Agenten und sonstigen Mitarbeiter dazu angehalten werden sollten, Augen und Ohren offen zu halten und unverzüglich zu berichten, sobald sie auf neue Hinweise stoßen sollten, richtete sich der Mann wieder auf. Schwankend zwar, doch er stand aufrecht, ohne sich an Graces Tisch festzuhalten.

Und als er ihm auch noch versprach, dass er ihn für den Fall einer heißen Spur freistellen und ihm außer Romanoff auch Barton und vier weitere Agenten zuteilen würde, zog ihn der jüngere Mann in eine kraftvolle Umarmung, die ihn unterdrückt aufstöhnen ließ. Der Mann verfügte eindeutig über eine ungewöhnliche Körperkraft.

Fury machte sich los und sah peinlich berührt an die Decke. Er war nie gut in solchen Situationen gewesen. Täuschung, Kampf, taktische Planung, da war er in seinem Element. Emotionale Momente konnte er weder einschätzen noch händeln. „Schon gut, schließlich kann sie auch S.H.I.E.L.D. von Nutzen sein, wenn sie erst einmal ihre Fähigkeit kontrollieren kann", brummte er und wandte sich wieder seinem eigenen Büro zu. Doch er konnte nicht verhindern, dass Rogers ihn noch einmal zurückhielt, ihn bei beiden Schultern ergriff und ihm dankbar in das gute Auge sah.

„Danke Mann, ich wusste, Sie sind nicht der harte Hund, den sie nach außen hin immer abgeben."

Er klang schon beinahe wieder nüchtern. Wirklich erstaunlich.

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