Suche Held, biete Phönix (FF...

By QuillDee

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Wie kommt jemand zurecht, der nach siebzig Jahren Kälteschlaf in eine völlig neue, ja fremdartige Umgebung ge... More

Vorwort
1 - Neue Ufer
2 - Erstens kommt es anders
3 - Erdbeer-Confit an Mandelschaum
4 - Von Kartoffelchips und anderen Errungenschaften
5 - Rache ist Blutwurst
6 - Wenn jemand eine Reise tut
7 - Manifestation
8 - Zwei Avenger sehen mehr als einer
9 - Home, sweet Home
10 - Lose Enden
12 - Zuflucht 2.0
13 - Was einmal war, verlässt uns nicht
14 - Ein Spätsommer in der Provence
15 - Oh what a Feeling this is
16 - Von alten Freunden, Halluzinationen und guten Ratschlägen
17 - Familiengeheimnisse
18 - Der Anker
19 - Von der Kunst des Nudelschlürfens
20 - Das perfekte Date
21 - Familienzusammenführung
22 - Rotes Blut, grauer Glibber und andere Körperflüssigkeiten
23 - Trouble in Paradise
24 - Im Netz der Hydra
25 - Neukalibrierung
26 - Die Hoffnung stirbt zuletzt
27 - Operation Feuersturm
28 - Heiß und Kalt
29 - Who am I
30 - Trigger und Reset
31 - Der fast normale Wahnsinn
32 - Weihnachten bei Bartons
33 - (K)ein Glückliches Neues Jahr
34 - Beziehungskisten und andere Probleme
35 - Zwischen den Stühlen
36 - Abrechnung
37 - Phönix aus der Asche
38 - Wer loslässt, hat beide Hände frei
Epilog

11 - Der große Knall

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By QuillDee

‚S'ist nirgends schöner als daheim' – was Dorothys Fahrkarte nach Kansas war, galt leider nicht uneingeschränkt für Yuki. Nach Steves Abreise hatte sich Maman zunehmend zurückgezogen und wortkarger geworden. Doch auf die direkte Frage, was denn zum Geier nicht in Ordnung war, bekam sie keine Antwort. Stattdessen schob sie die schlechte Stimmung, darauf, dass sie wieder unter Migräne leide, und verließ fluchtartig den Raum. Yuki wusste, dass das nur eine vorgeschobene Erklärung war. Denn sie hatte bei ihrer Mutter nichts von Mattigkeit, Heißhungerattacken und Überempfindlichkeit gemerkt, Dinge die sie sonst immer in der Frühphase eines Schubs plagten. Sie wurde angelogen oder es wurde ihr zumindest etwas verschwiegen. Wahrscheinlich in der Absicht, sie vor irgendetwas zu schützen, denn für gewöhnlich hatten ihre Eltern immer offen über alles mit ihr gesprochen.

So war Yuki ganz froh über ihre regelmäßigen Abstecher in die Stadt, wenn sie bei Dr. Wanninger vorstellig wurde, der sich jedes Mal zufriedener zeigte mit dem Heilungsprozess ihrer Verletzungen. Man merkte ihm an, dass er ihr die Geschichte von dem Treppensturz nicht abnahm, aber er war so taktvoll, nicht weiter zu bohren. Wäre Furys Anweisung zur Geheimhaltung nicht gewesen, Yuki hätte nichts dagegen gehabt, ihn einzuweihen, war er doch seit sie denken konnte der Arzt, dem die Familie vertraute. Inzwischen war er so alt, dass er schon lange hätte in Pension gehen können. Stattdessen hielt er immer noch an drei Tagen in der Woche Sprechstunden ab, weil er nicht rasten wollte, um später festzustellen, dass er zudem auch noch rostete, wie er Yuki einmal anvertraut hatte.


Auch heute nickte er beifällig, während er ihre Rippen abtastete und ihre Prellungen an Gesicht und Brustkorb betrachtete, die langsam von einem dunklen Purpur in ein schillerndes Grün und Gelb übergegangen waren. Er stellte noch ein Rezept für Schmerztabletten aus und verabschiedete sich, jedoch nicht ohne einen letzten medizinischen Rat: „Sie sollten nun eigentlich ohne Schmerzmittel auskommen, die sind nur noch dafür, wenn es doch wieder kurzfristig akut wird. Machen Sie es gut und meiden Sie in nächster Zeit die Kellertreppe." Er sah sie ernst an, gab ihr jedoch ohne ein weiteres Wort die Hand, als sie lapidar entgegnete, sie werde sich die größte Mühe geben.

Vor der Tür holte sich tief Luft, was ihr Brustkorb nur noch mit einem leichten Ziepen quittierte, machte sich auf den Weg in die Innenstadt und versuchte, die zwei Agenten zu ignorieren, die ihr auffällig unauffällig folgten. Zwei weitere hielten zu Hause die Stellung. Aber da wollte sie heute so schnell nicht wieder zurück. Sie würde sich ein Eis gönnen und einen kleinen Stadtbummel machen, das hatte sie schon lange nicht mehr getan.

Sie hatte sich gerade wenige Minuten an einen Tisch des La Fontana gesetzt und wartete auf die Bedienung, da klingelte ihr Handy. Maman, sie seufzte und widerstand der Verlockung, den Anruf wegzudrücken, obwohl sie überhaupt keine Lust hatte auf ein schwieriges Gespräch, das unweigerlich folgen würde. Sie hatte am Morgen nämlich das Ende eines Gesprächs mitangehört, das ihre Mutter geführt hatte, in dem Glauben Yuki würde noch schlafen. „... habe lange genug gewartet! ... Jean, entweder du kommst heute nach Hause und wir ziehen das zusammen durch, oder ich erzähle es ihr heute, ob du willst oder nicht." Und mit einem erstickten „Fein!" war der Hörer auf der Gabel gelandet.

Nach dem vierten Klingeln nahm Yuki den Anruf an. „Ja, Maman?"

„Schätzchen, wann kommst du heim? Papa ist in einer halben Stunde da und wir haben dir etwas sehr Wichtiges zu sagen."

„Ach, das kann noch dauern, das Wartezimmer ist voll und ich muss bestimmt noch eine Stunde warten, wenn nicht noch mehr." Yuki staunte, wie glatt ihr die Lüge über die Lippen kam. Sie hatte sogar das Mikrofon abgedeckt, dass die Umgebungsgeräusche aus der Eisdiele gedämpft wurden.

Was auch immer es war, das ihre Eltern besprechen wollten, es konnte sicher noch ein paar Stunden warten. Denn wenn sie sich anstrengte und ihre zwei Schatten ausblendete, die sich zwei Tische weiter herumdrückten, konnte das noch ein schöner, fauler Nachmittag werden, ganz so wie sie sie als Teenager verbracht hatte. Nur dass sie heute nicht mit Freundinnen abhing.

Die Bitte, sie möge einfach so schnell wie möglich heimkommen, beschied sie mit einem entnervten „Ja, ja." und verdrehte die Augen. Erst tagelang die Heimlichtuerei und besorgten Blicke und jetzt musste es ganz schnell gehen. Sie legte auf und bestellte sich einen Cappuccino und eine Coppa Holiday, ohne nachzulesen, was in dem Becher enthalten war – sie würde sich einfach überraschen lassen und ihn genießen.




Als Yuki etwa zwei Stunden im Elektronikfachmarkt CDs probehörte, vernahm sie durch die Kopfhörer nichts von dem Knall, der in einiger Entfernung losging. Sie spürte lediglich eine leichte Vibration und wunderte sich darüber, dass Passanten vor dem Geschäft den Kopf hoben, einen Moment zu lauschen schienen und dann weiter ihres Weges gingen. Sie hatte sich für Alben von den Fugees, Amy Winehouse und den Black Eyed Peas entschieden und bewegte sich langsam in der Schlange vorwärts in Richtung Kasse, ihre Aufpasser wenige Meter hinter sich. Das Radio lief im Hintergrund und als die Meldung von einer Gasexplosion in einem nahen Wohngebiet verlesen wurde, drehte ein Mitarbeiter die Lautstärke hoch. Man hatte einige Straßenzüge abgesperrt, damit die Feuerwehr ungestört arbeiten konnte. Das war doch da, wo sie wohnte!?

„Das Gebäude ist fast vollständig zerstört und der Schaden beläuft sich vorläufigen Schätzungen zufolge auf zweihunderttausend Euro. Bisher konnten drei Tote geborgen werden. Ob es noch mehr Opfer gibt, lässt sich erst sagen, sobald die letzten Brandnester gelöscht sind."

Yuki warf ihre CDs auf den Tresen und presste die Hände auf die kühle Resopalfläche bis die Fingerknöchel weiß hervortraten. Unter normalen Umständen wäre sie nicht gleich vom Schlimmsten ausgegangen. Doch seit zwei Wochen war nichts mehr normal, und sie hatte noch nie an Zufälle geglaubt. Vor ihrem inneren Auge sah sie das verkohlte Skelett ihres Elternhauses vor sich, das anklagend in den blauen Nachmittagshimmel ragte. Die unbeteiligte Stimme des Nachrichtensprechers machte sie rasend und als das Schwindelgefühl nachließ, stürmte sie aus dem Geschäft, ohne auf ihre schmerzenden Rippen zu achten, die bei jedem tiefen Atemzug protestierten, oder auf die S.H.I.E.L.D. Agenten, die keuchend und fluchend Schritt hielten.

Schon aus zwei Kilometern Entfernung sah sie ihre dunkle Vorahnung bestätigt. Das brennende Haus am Fuße des Berges, das auf dem unteren Viertel der Steigung gut sichtbar eine dunkle, schwarze Rauchsäule in die Höhe spie. Das war der Ort, an dem sie immer Zuflucht hatte finden können, wo sie immer willkommen gewesen war – bis heute. Sie erstarrte und schrak auf, als ihre zwei Schatten sie an den Armen nahmen und sie wieder vom Ort des Geschehens wegzuziehen versuchten. „Ms. Leclerc, Sie können da jetzt nicht hin."

„Ich muss! Meine Eltern ... ich muss doch wissen, ob es ihnen gut geht!", schrie sie laut. Doch die Agenten redeten weiter auf sie ein, hielten sie fest, und Yuki machte sich mit einer Wildheit los, die sie selbst überraschte. Ihr Gesichtsfeld wurde für einen Sekundenbruchteil weiß, und als sie sich umdrehte und wieder auf ihr zerstörtes Zuhause zu rannte, erhaschte sie aus den Augenwinkeln einen Blick auf zwei helle Ovale, die ihr zutiefst erschrocken und mit offenen Mündern hinterher starrten. Doch sie hatte die beiden längst vergessen, als sie sich in einem großen Bogen ein Stück von weiter oben dem brennenden Gebäude näherte. Sie war nicht so dumm, für alle sichtbar auf dem Schauplatz der Katastrophe aufzuschlagen. Denn das war kein Gasleck, sie waren nie ans Gasnetz angeschlossen gewesen. Man hatte versucht, sie zu Hause zu schnappen, und, weil sie nicht greifbar war, das Haus in die Luft gejagt. Entweder aus Frust, oder um Spuren zu beseitigen. Denn die Schweine waren bestimmt nicht zimperlich gewesen, um ihren Aufenthaltsort aus ihren Eltern herauszupressen.


Sie lag nun schon Stunden im Baumhaus verborgen auf der Lauer und Schrecken sowie würgende Angst waren in den Hintergrund getreten. Kalte Wut war an ihre Stelle getreten, und Yuki beobachte mit klinischer Genauigkeit die Einsatzkräfte, wie sie ameisengleich hin- und her wuselten, Anweisungen brüllten, Leichensäcke auf Tragen fortschafften. Ihre Eltern auf Tragen fortschafften.

Sie schlug die Hände vor das Gesicht und die Wut, die sie zwang, alle Vorgänge dort unten zu registrieren, löste sich in nichts auf. Was machte sie sich denn noch vor? Sie hatte zuvor schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Seitdem hatte sie nur Menschen gesehen, die damit beschäftigt waren, das Feuer zu löschen. Keine Spur von Maman, Papa oder den zwei anderen Agenten, die beim Haus geblieben waren. Ihre Eltern waren tot, und aus den rauchenden Überresten würde sie nichts und niemanden mehr retten können, selbst wenn sie sich jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, unbemerkt auf dem Gelände würde bewegen können. Ihre Eltern waren tot und sie hatte ihre Mutter bei ihrem letzten Anruf abgewimmelt, sie angelogen. Sie würgte. Erst trocken, dann kam der Eisbecher wieder hoch und landete mit einem feuchten Klatschen auf den Büschen unter ihr. Die Last ihres Gewissens drückte sie nieder, dass sie sich nur mit Mühe dazu aufraffen konnte, die Leiter hinabzusteigen. Sie zwang sich eine Sprosse nach der anderen nehmen und mit jedem Schritt, den sie sich weiter entfernte, fühlte sie sich leichter, fiel ihr das Laufen leichter und die Tränen, die nun frei strömten, brachten ein wenig Erleichterung und gleichzeitig sah sie klarer: Sie musste hier verschwinden, wenn sie nicht in die Hände dieser Arschlöcher geraten wollte. Unter keinen Umständen durften sie Erfolg haben mit was auch immer sie geplant hatten.


Ich bin in einem schlechten Film gelandet. Und gebe eine noch viel schlechtere Agentin auf geheimer Mission ab!' Yuki seufzte. Sicher, sie hatte sich in der Stadt so viel Bargeld abgehoben wie möglich, weil sie wusste, dass jegliche Kartenzahlung überwacht werden würde. Sicher, sie war per Anhalter etwa 120 Kilometer weit getrampt und sich in einem Elektromarkt mit etwa zwanzig Wegwerfhandys und einem Laptop eingedeckt. Sie hatte sich Wechselklamotten und Toilettenartikel gekauft und alles in einer monströsen Sporttasche verstaut und war immer in Bewegung geblieben, hatte mehrfach die Mitfahrgelegenheiten gewechselt. Alles Vorgehensweisen, die sie sich aus allen möglichen Agenten-Thrillern abgeguckt hatte. Doch sie hatte keine Ahnung, was ihre nächsten Schritte sein würden. Außer natürlich möglichst viel Strecke zu machen und nicht allzu lange an einem Ort zu verweilen.

Sie wusste nicht einmal genau, wen sie mit den Wegwerfhandys anrufen sollte. Denn S.H.I.E.L.D. würde sie sicher nicht kontaktieren. Außer Steve, Fury, Romanoff, Hauser und dem Einsatzteam in Paris hatte nämlich niemand gewusst, wo sie nach der missglückten Entführung Zuflucht gefunden hatte. Und irgendjemand aus diesem Kreis hatte sie verraten. Für den Moment war sie auf dieser Autobahnraststätte sicher, wo sie sich, im Schnell-Restaurant sitzend, Pommes reinstopfte, die eine Konsistenz ähnlich wie Schaumgummi hatten. Während sie ihre Gedanken sortierte, vermied sie das Bild ihrer Eltern. Die Zeit zu trauern würde kommen - nun musste sie erstens unentdeckt bleiben und zweitens einen Zufluchtsort finden, von dem möglichst wenige Menschen wussten. Wenn sie auch noch einmal an die Überwachungsbilder aus Paris herankam, die samt ihrem alten Laptop im Haus verbrannt waren, umso besser. Denn sie war noch nicht durch gewesen, und es war wichtiger denn je eine Spur zu den Drahtziehern hinter der Aktion zu finden, bevor sie sie fanden.

Sie dachte noch eine Weile nach, während sie ihren Nachtisch aß. Der war ganz nach ihrem Geschmack: eine Apfeltasche, deren Füllung, noch warm, nach Zimt duftete. Ihr entwich ein genüssliches Stöhnen. Plötzlich fielen einige Puzzleteile in ihrem Kopf an ihren Platz. Sie musste zu Grandpère. Er lebte zwar schon lange nicht mehr, doch sie erinnerte sich an Sommerferien auf seinem Weingut im Süden Frankreichs. Doch noch wichtiger für Yukis Überlegungen war, dass Papa das Gut nach dem Tod des Großvaters verkauft hatte und sich kaum jemand daran erinnern würde, dass es einmal in Familienbesitz gewesen war – außer dem Verwalter M. Claude Martin und seiner Frau Mathilde, die vom neuen Eigentümer übernommen worden waren.

Das waren die zwei Personen, die sie mit aufgeschlagenen Knien, tröstenden Worten und dem Wohlgeruch nach frischen Apfeltaschen verband, auch wenn sich dort ausnahmslos jeder um die Enkelin des Patrons gekümmert hatte. Ob ‚tonton' und ‚tantine', Onkelchen und Tantchen noch dort lebten und arbeiteten? Wenn ja, würde sie dort unterschlüpfen können, vorausgesetzt, die beiden erkannten sie wieder. Denn schon als sie Grandpère mit zwölf Jahren das letzte Mal besucht hatte, befand sich das großherzige Paar in seinen späten Fünfzigern.

Jetzt hatte sie endlich einen Plan, und das gab ihr wieder Auftrieb. Leider konnte sie sich nur an den Namen des nächsten Städtchens, Minerve, erinnern. Und das auch nur, weil er an Minerva, der römischen Göttin der Weisheit angelehnt war. Doch wie das Weingut hieß, wusste sie nicht mehr. Sie würde bis zu diesem Ort im Languedoc-Roussillon noch oft die Mitfahrgelegenheit wechseln müssen und sich in der Zwischenzeit hoffentlich wieder an den Namen der Domaine erinnern, damit sie sich von Minerve aus durchfragen konnte. ‚Yuki Leclerc ist wieder im Spiel', dachte sie grimmig und leckte die letzten Krümel des Gebäcks vom Teller.

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