Suche Held, biete Phönix (FF...

By QuillDee

2.2K 308 1K

Wie kommt jemand zurecht, der nach siebzig Jahren Kälteschlaf in eine völlig neue, ja fremdartige Umgebung ge... More

Vorwort
1 - Neue Ufer
3 - Erdbeer-Confit an Mandelschaum
4 - Von Kartoffelchips und anderen Errungenschaften
5 - Rache ist Blutwurst
6 - Wenn jemand eine Reise tut
7 - Manifestation
8 - Zwei Avenger sehen mehr als einer
9 - Home, sweet Home
10 - Lose Enden
11 - Der große Knall
12 - Zuflucht 2.0
13 - Was einmal war, verlässt uns nicht
14 - Ein Spätsommer in der Provence
15 - Oh what a Feeling this is
16 - Von alten Freunden, Halluzinationen und guten Ratschlägen
17 - Familiengeheimnisse
18 - Der Anker
19 - Von der Kunst des Nudelschlürfens
20 - Das perfekte Date
21 - Familienzusammenführung
22 - Rotes Blut, grauer Glibber und andere Körperflüssigkeiten
23 - Trouble in Paradise
24 - Im Netz der Hydra
25 - Neukalibrierung
26 - Die Hoffnung stirbt zuletzt
27 - Operation Feuersturm
28 - Heiß und Kalt
29 - Who am I
30 - Trigger und Reset
31 - Der fast normale Wahnsinn
32 - Weihnachten bei Bartons
33 - (K)ein Glückliches Neues Jahr
34 - Beziehungskisten und andere Probleme
35 - Zwischen den Stühlen
36 - Abrechnung
37 - Phönix aus der Asche
38 - Wer loslässt, hat beide Hände frei
Epilog

2 - Erstens kommt es anders

130 13 36
By QuillDee

Captain Rogers ließ auf sich warten, obwohl sein Flieger schon eine halbe Stunde am Boden war, und jetzt verstellte ihr auch noch ein, zugegebenermaßen recht gut aussehender, Mann die Sicht auf das Gate und lächelte sie an. „Guten Tag, Ma'am." Unter normalen Umständen wäre sie einem kleinen Flirt zwischendurch mit so einem Typen nicht abgeneigt. Vor allem, wenn er auch noch so ausgesucht höflich war.

Die meisten Jungs aus ihrem Jahrgang, mit denen sie bisher ausgegangen war, hatten sich als ziemliche Stoffel herausgestellt. Oder als Lügner, Aufschneider oder Aufreißer. Doch heute war kein normaler Tag, und so ignorierte sie ihn, versuchte links und rechts an ihm vorbei zu spähen. Schließlich ging sie entnervt zwei Schritte zur Seite. Verflucht, wenn sie Rogers wegen dieses Kerls verpasste, würden sich die neuen Kollegen bestimmt über sie schlapp lachen.

„Entschuldigen Sie, ich warte auf jemanden!", sagte sie mit Nachdruck als der Mann sich wieder in ihr Gesichtsfeld schob. Immer noch freundlich, aber sichtlich verwirrt. „Na los, gehen Sie mir schon aus dem Weg und lassen mich meinen Job machen."

„Ma'am, Sie warten doch auf Captain Steven Grant Rogers?", fragte er.

„Na, das können Sie doch klar und deutlich lesen." Sie tippte auf das Pappschild.

„Nun ja, das bin wohl ich. Erfreut Sie kennenzulernen." Sprach's und hob ihre Hand zum Kuss.

✮✮✮✮✮✮

Die junge Frau, die ihn vom Flughafen abholen sollte, machte einen reichlich zerstreuten Eindruck auf Steve. Erst schien sie ihn zu ignorieren, und dann ging es ihm auf, dass sie ihn gar nicht erkannt hatte. Doch die Reaktion, als er sich ihr vorstellte hatte er nicht kommen sehen.

„Heiliger Kuhmist!", rief sie zuerst und starrte ihn sekundenlang wie vom Blitz getroffen an. Dann stammelte sie: „Verzeihung, entschuldigen Sie mich bitte kurz?" Sie drehte sich um und schrie jemanden, den er nicht sehen konnte, wütend an. „Himmelherrschaftsakrament! Ihr Arschgeigen findet das wohl auch noch lustig! Na wartet, das bekommt Ihr zurück."

So einen seltsamen Empfang hatte Captain America nicht erwartet, noch nicht einmal sein früheres Ich konnte sich erinnern, je einer so offensichtlich gestörten Person gegenüber gestanden zu haben. Damals wurde er oft mit herablassender Freundlichkeit behandelt oder wie ein lebender Punchingball herum geschubst – das kannte er zur Genüge. Diese Situation hier konnte er nicht einordnen und er beschloss abzuwarten, bis sie sich wieder beruhigt haben würde. Vielleicht konnte sie ihm erklären, was sie so aufgebracht hatte.

„Mike, ich HABE mir die Akte angeschaut!" Yuki war außer sich vor Wut, holte eine Mappe hervor und blätterte die Seiten durch. Sie wandte sich entschuldigend zu dem Mann um, der behauptete, Captain Rogers zu sein, und formte lautlos die Worte „Einen kleinen Moment noch."

Als sie bei den letzten Seiten ankam, schlug sie sich mit der Hand vor die Stirn. Ihre Kollegen hatten sie sauber mit einer gefälschten Akte über Steven Rogers reingelegt. Vielleicht gehörte das ja zu einem kranken Ritual, die Neulinge ordentlich auf die Schippe zu nehmen. Doch Yuki hatte es ihnen auch verdammt leicht gemacht. Hätte sie sich sorgfältiger vorbereitet und alles durchgesehen, wäre ihr die echte Akte am Ende aufgefallen, ebenso wie der grüne Klebezettel, auf den ein Smiley gemalt war. Seufzend gestand sie sich ein, dass sie sich vor Captain America und ihren neuen Kollegen komplett zum Affen gemacht hatte. Das ließ sich nicht ändern. Also blieb ihr nur der Versuch, sich ihre Würde wiederherzustellen, indem sie sich bei Rogers entschuldigte und sich dann nicht mehr wie eine verrückte Irre zu verhalten.

„Capt. Rogers, ich muss mich wirklich für mein Verhalten bei Ihnen entschuldigen. Sie müssen mich für komplett geisteskrank halten! Können wir das für den Moment vergessen? Ich erkläre Ihnen alles im Hotel, versprochen."

„In Ordnung, Ma'am. Wo soll es jetzt hingehen und was ist mit dem Ding?" fragte er und deutete auf den Rollstuhl. „Ähhm, den muss ich morgen wieder zurückgeben – fürs Erste nehme ich ihn mit. Packen Sie doch Ihren Seesack drauf, dann sparen wir uns einen Gepäckwagen." Yuki stockte, als sie sich der Dämlichkeit ihres letzten Satzes bewusst wurde. Der Kerl hatte seinen riesigen, olivgrünen Seesack mit einer Leichtigkeit geschultert, die vermuten ließ, dass er einen Gepäckwagen genauso wenig brauchte wie einen Rollstuhl.

Yuki schob den Beweis für ihre Dämlichkeit mit hochrotem Kopf aus dem Flughafengebäude bis zur Limousine, die sie ins Hotel fahren sollte. Als Seesack, Wolldecke und Rollstuhl im Kofferraum verstaut waren, setzte sie sich zu ihrem „Schützling" in den Wagenfonds. Sie tippte ihr Headset an und sagte: „Die Show ist vorbei, Jungs. Captain Rogers und ich fahren jetzt. Und vergesst nicht, das zahl ich Euch noch heim."

Sie schwieg einen Moment und wandte sich dann an Rogers: „Ich sollte mich Ihnen endlich richtig vorstellen: Mein Name ist Yuki Leclerc und ich bin für die Zeit Ihres Aufenthalts Ihre Assistentin. Ich werde Ihnen bei allen Fragen, die auftreten könnten, helfen und Ihnen als Dolmetscherin behilflich sein. Und ich bin kein durchgeknallter Freak, auch wenn es vorher danach ausgesehen hat." Sie schlug beide Hände vor das Gesicht. „Mein Gott, ist mir das peinlich!"

„Nun, dann fangen wir eben noch einmal ganz von vorne an: Mein Name ist Steven Grant Rogers. Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen", sagte er ruhig, ohne einen Hauch von Sarkasmus und nahm wieder ihre Hand, um wieder einen Kuss darauf anzudeuten. Yuki sah ihn verdutzt an.

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie so blöd anstarre. Das macht kaum noch jemand."

„Nun, das ist wohl eines der Dinge dieser Zeit, die mir nicht gefallen. Die Leute halten wohl nicht mehr viel von höflichen Umgangsformen."

Da ist was dran, dachte Yuki, aber warum betont er das so komisch? Laut sagte sie: „Aber alles in allem sind die meisten Leute ganz okay."

Nachdem sie eingecheckt hatten, fuhren sie im Lift nach oben, wo ihr Gast für die Dauer seines Aufenthaltes in der Brandenburg Deluxe Suite wohnen sollte, und sie in einem 5-Sterne-Zimmer gleich gegenüber davon. Wie in allen Aufzügen der Welt wurde nicht gesprochen und fünf Menschen versuchten krampfhaft, einander nicht in die Augen zu schauen, während sie vorgaben, dem nichtssagenden Gedudel im Hintergrund zu lauschen.

Yuki war in Gedanken. Dieser Rogers musste eine ziemlich wichtige Person für S.H.I.E.L.D sein, denn eine solche Unterbringung wurde nicht jedem zuteil. Sie hatte schon im Foyer Mund und Nase aufgesperrt, angesichts der gediegenen Atmosphäre, die nach Reichtum und Einfluss der Gäste buchstäblich roch. Nach weichem Leder und Gewürzen. Überall gedämpfte Stimmen, um ja keine Unruhe aufkommen zu lassen, welche die Gäste auch nur im Geringsten stören könnten. Selbst das Klackern vieler Absätze auf dem spiegelglatten Marmorboden klang dezent.

Yuki hatte schon einige Hotels dieser Art von innen gesehen, jedoch nur, wenn ihr Vater sie auf die eine oder andere Reise rund um den Globus als französischer Diplomat mitgenommen hatte. Als Erwachsene selbst hatte sie noch nie so genächtigt. Während des Studiums war sie immer bei Freunden untergekommen oder in Jugendherbergen: Super Feten und feuchtfröhliche Abende. Ihr Vater war der Meinung gewesen, es würde ihren Charakter formen, wenn sie finanziell auf eigenen Beinen stünde – und Yuki war froh über die Freiheit, nicht über jeden Cent zu Hause Rechenschaft ablegen zu müssen.

Heute würde sie in einem luxuriösen Hotel übernachten, Tür an Tür mit einem Mann, der laut Akte dreiundneunzig Jahre alt war, aber aussah wie Mitte oder Ende zwanzig. Sie musste die vollständige Akte so schnell wie möglich durchlesen, weil sie zuvor schon auf den ersten Blick gesehen hatte, dass das Geburtsdatum auf der falschen Akte mit dem auf der echten übereinstimmte.

Ein leises Bimmeln riss sie aus ihren Überlegungen. Sie waren auf ihrer Etage angelangt. Der Liftboy verneigte sich leicht, und Yuki drückte ihm ein großzügiges Trinkgeld in die Hand. Sie hatte keine Ahnung, was angemessen war, und dachte sich: Lieber zu viel als zu wenig. Außerdem lief das ja unter Spesen.

In Rogers Suite musste sie sich wieder zusammenreißen, um nicht anerkennend und total unprofessionell zu pfeifen. Doch der Reflex war schnell überwunden. Immerhin schuldete sie Captain Rogers immer noch eine Erklärung über den seltsamen, wenn nicht gar ungebührlichen Empfang, den sie ihm bereitet hatte.

„Nehmen Sie doch Platz, ich habe Ihnen ja versprochen, zu erklären, was da am Flughafen mit mir los war." Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen feingliedrigen Stuhl, der so aussah, als würde er Rogers Gewicht nicht standhalten, und reichte ihm seine Akte.

„Meine Kollegen wollten sie einen Scherz mit mir erlauben und haben Ihre Akte gekürzt und verändert. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie dreiundneunzig Jahre alt sin. Und sehen Sie sich doch mal an: Sie haben mich echt kalt erwischt. Ich konnte mich dann nicht mehr beherrschen und musste mir den Vollidioten gegenüber Luft machen. Das galt selbstverständlich nicht Ihnen."

„Aber wie haben sie das gemacht? Ich habe kein Funkgerät oder Ähnliches gesehen."

Yuki nahm das knopfgroße Headset, das sie im Ohr gehabt hatte, vom Tisch und zeigte esihm auf der offenen Handfläche. „Ich hatte dieses Headset drin. Für alle Fälle."

Der Mann wirkte ehrlich erstaunt. „Unglaublich, dass es so klein ist!"

Echt jetzt? Wo hat der denn gelebt? Sie überging das komische Gefühl, das sie bei seinem ungläubigen Gesichtsausdruck beschlichen hatte.

„Wie Sie sehen können, ist hinten in der Mappe die Original-Akte beigefügt. Hätte ich mich gründlich vorbereitet, dann hätten die mich nicht so reinlegen können. Also bin ich eigentlich selbst schuld. Ich möchte mich noch einmal in aller Form bei Ihnen entschuldigen."

„Und ich nehme sie noch einmal gerne an. Das hätte jedem passieren können. Ich fand es nebenbei gesagt ganz amüsant", sagte Steve Rogers ernst, grinste schief und kniff eines der tiefblauen Augen zu.

Meine Güte, sah der heiß aus. Zu schade, dass da nichts laufen würde. Privates und Berufliches zu vermischen, war schließlich nie eine gute Idee.

„Nun ja, ich werde mich jetzt erst einmal zurückziehen. Sie werden wohl auspacken wollen und sich vielleicht etwas hinlegen, wenn Ihnen der Jetlag zu schaffen macht. Heute Abend werden wir mit dem Innenminister dinieren. Ich hole Sie dann um 19:30 Uhr ab. Wenn Sie vorher etwas brauchen, klopfen Sie ruhig bei mir an." Mit diesen Worten stand sie auf und ging auf seltsam wackligen Beinen Richtung Hotelflur. „Okay, wir sehen uns", hörte sie ihn noch sagen und schloss die Tür hinter sich.

✮✮✮✮✮✮

Yuki erwartete nicht, Steve Rogers noch einmal zu sehen, bevor es an der Zeit wäre zum Abendessen aufzubrechen. Daher hatte sie es sich nach einer kurzen Dusche in einem quietschgelben Tanktop und einer locker sitzenden, schwarzen Yogahose bequem gemacht, die feuchten Haare zu einem nachlässigen Knoten geschlungen. An beiden Füßen hatte sie Zehentrenner und ihre Nägel glänzten in einem intensiven Violett, wie es ihre Fingernägel schon taten.

Sie hatte Rogers aufgeschlagene Akte auf den Knien liegen und wollte sie in Ruhe durchlesen, während der Nagellack trocknete, als es plötzlich an der Zimmertür klopfte. Seufzend legte sie die Mappe auf den Beistelltisch. Zum Glück war sie schon fast durch und stakste ungeschickt mit auf den Fersen verlagertem Gewicht quer durch den Raum, um zu sehen, wer sie ausgerechnet jetzt hier aufsuchte. Ulf Hauser, ihr Chef, konnte es kaum sein, und die Kollegen hatten ja schon ihren Spaß mit ihr gehabt. Die waren bestimmt schon auf dem Weg nach Hause in den wohlverdienten Feierabend – Okay, nicht ganz so wohlverdient. Überrascht erblickte sie die große Gestalt Captain Rogers im Türrahmen.

„Ich hoffe, ich störe nicht, Ms. Leclerc, aber ich bekomme das Wasser im Bad nicht an. Da ist kein Hebel und nichts, woran man drehen könnte", sagte er und blickte verlegen auf sie hinunter. Yuki dachte, dass es verdammt interessante Tage werden könnten, bei so vielen verschlafenen Jahrzehnten, die es nun aufzuarbeiten galt. Angefangen bei den technischen Errungenschaften der Menschheit seit 1941, als er von der Bildfläche verschwunden war. Laut erwiderte sie: „Kein Problem, so lange sie mein Aufzug nicht stört... ich komme gleich mit herüber."

Continue Reading

You'll Also Like

53.8K 8.1K 166
Informationen zu Kpop und allem drum und dran Start: 01.01.2024 Ende: ? ➪ Sollte ich Fehler machen, zum Beispiel einen Namen falsch schreiben, eine...
15.6K 1K 105
Kaum wurde ein junges Mädchen zu einer Kunoichi, genauer gesagt, zu einer Chunin, welche erst gerade etwa sechs Jahre alt war, kam es schon dazu, das...
2.6K 134 21
Was wäre, wenn das JCU nach dem Ende von SadB Akt 3 anders weitergehen würde? Wenn der Mann im Mond mit seiner neu gewonnenen Freiheit anders umgehen...
18.5K 2.9K 10
Sie pflückte sich einen Apfel und ging. Das tat sie jeden Tag. Jeden, bis auf den letzten. - 2. Teil: "Birnenjunge" - {#22 in Kurzgeschichten; 05.04...