Ich hatte mich auf das weiche Bett gesetzt, mein Gesicht hatte ich in den Händen begraben.
In mir war ein einziges Chaos. Alles lief gegen mich, ich hatte keine Kraft mehr, auch nur irgendetwas zu machen. Wie sollte ich das alles nur durchstehen?
Ich sah das Handy, was neben mir lag. Es war noch immer an. Doch mir fiel eine neue Sache auf: Die drei Punkte auf der rechten, oberen Seite. Ich griff nach dem Telefon und drückte sie.
Steckbrief:
Name: Johanna Brown
Alter: 21 Jahre
Familie: Anna Brown (Mutter), Jeffrey Brown (Vater), Ben Brown (älterer Bruder), Hilda Brown (Großmutter), Ronald Brown (Großvater)
Interessen: Bücher, Natur, Kochen, Kontakt zu Freunden
Vorgeschichten:
Hella Green: sind zusammen zur Schule gegangen, haben in der High School ein wenig den Kontakt verloren, reden trotzdem noch immer freundlich miteinander, ist nach der Trennung von Silas und Johanna mit ihm zusammengekommen, Johanna hat sich für sie gefreut
Silas Green: hatten eine romantische Beziehung, sind ohne Probleme auseinandergegangen, reden häufig miteinander, sind noch immer enge Freunde ohne romantische Gefühle
Sarah Dark: kennen sich schon seit dem Kindergarten, haben eine unbeschwerte Freundschaft, helfen sich immer gegenseitig, sind immer füreinander da
Linus Eckert: haben den Kontakt verloren, gingen auf dieselbe Mittelschule, er hatte romantische Gefühle für sie, Gefühle sind erloschen, reden oft miteinander bei einem Treffen auf der Straße
Harald Schwarze: Onkel, sehr enge Verbindung, unterstützt seine Nichte, steht ihr bei Notlagen bei
Tarik Lennox: haben keine gute Beziehung, er ärgert sie immer, macht dreckige Anspielungen, würde sie am liebsten flachlegen
Anna Brown: kein gutes Verhältnis, sie kontrolliert ihre Tochter gerne, Johanna hat Schwierigkeiten durch die Strenge ihrer Mutter
Jeffrey Brown: haben ein gutes Verhältnis zueinander, unterstützt seine Tochter, ist in keinem guten Verhältnis zu seiner Frau
Ben Brown: haben ein schlechtes Verhältnis, er ist eher der Liebling von Anna Brown, unterstützt Mutter, hat gerne Kontrolle über Johannas Leben
Lukas Kant: stalkt Johanna regelmäßig, ist verrückt nach ihr, kann gegebenenfalls auch gefährlich werden
Collin Miller: kennen sich seit dem Kindergarten, haben ein gutes Verhältnis, Johanna hegt romantische Gefühle zu ihm, Gefühlslage von Collin ist nicht einschätzbar
Fiona Lee: schlechtes Verhältnis, Eifersucht hat Freundschaft zerstört, hegt noch immer Groll gegen Johanna
Hilda Brown: sehr gutes Verhältnis, ist immer für ihre Enkeltochter da
Ronald Brown: gutes Verhältnis
Sinja Elvis: mit Vorsicht zu genießen
Es war hilfreich, diese kleine Übersicht zu sehen. Vielleicht würde sie mir aber helfen, auch wenn die Informationen teilweise sehr knapp gehalten worden waren.
Ich schmiss das Handy wieder beiseite und legte mich auf den Rücken. Lustlos starrte ich an die Decke. Wie lange würde dieses Spiel wohl dauern? Und warum war es ein Herzspiel? Weil man eine Auswahl treffen musste? Was war überhaupt damit gemeint?
"Abendessen! Ben, Johanna! Kommt bitte runter!", ich zuckte zusammen, als eine weibliche Stimme durch das Haus rief. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Eine Stimme ertönte in meinem Ohrstöpsel.
Möglichkeit 1: Nach unten gehen.
Möglichkeit 2: Im Zimmer bleiben.
War das mit Entscheidung gemeint? Man flüsterte mir ins Ohr, damit ich schließlich ausführte, was ich für richtig hielt?
Gefährlich.
Ich zögerte erst, doch entschied mich schließlich für Variante eins. Mit leisen Schritten verließ ich das Zimmer und schlich die Treppe herunter. Im Essbereich brannte Licht, also vermutete ich, dass die nächste Szene dort stattfinden würde. Ich betrat den Raum und... sah Hatter. Was machte er denn hier? Moment, wer war noch einmal Jeffrey Brown?
Richtig, Takeru Danma. Klar, das war sein echter Name. Aber musste er echt mein Vater sein? Das war vielleicht unangenehm.
"Setz dich, Johanna", eine Frau im mittleren Alter stand am Herd und rührte in einem Topf. Sie musste wohl Anna Brown sein. Ich setzte mich, da ich kein Piepen hörte. Hatter musterte mich aufmerksam. Ich hörte ein Schlurfen auf der Treppe und ein Junge trat in mein Blickfeld.
"Was gibt es zu Essen, Mom", fragte er und "Mom" drehte sich lächelnd zu ihm.
"Dein Lieblingsessen, Schatz!", sie wirkte angespannt, spielte ihre Rolle aber nicht schlecht.
Sie stellte den Kochtopf auf den Tisch und setzte sich dann zu uns. Im Topf dampfte eine Tomatensuppe.
Ich hasste Tomaten.
Möglichkeit 1: Verweigere das Essen.
Möglichkeit 2: Esse ganz normal.
Möglichkeit 3: Esse nur minimal etwas.
Was waren das denn für Möglichkeiten? Und wie sollten sie in das Rollenspiel passen? Ich entschied mich schließlich für die dritte Variante. So landeten nur ein paar Löffel in meinem Mund und ich zog eine Grimasse, als ich das Tomatenaroma wahrnahm. Anna, aka Mom sah mich an.
"Warum isst du nicht, Johanna?", fragte sie dann. Ich vermutete, dass sie gerade ebenfalls etwas durch ihren Ohrknopf gehört hatte.
"Lass sie, unsere Tochter ist alt genug", Hatter, aka Dad schaltete sich ein. Was für ein Chaos. Wer auch immer dieses Spiel geplant hatte, war auf Drama aus.
"Dich habe ich nicht gefragt, Jeffrey", Mom wirkte kühl. Ich bewunderte ihr Talent für das Schauspiel.
Möglichkeit 1: Sage, dass du keinen Hunger hast.
Möglichkeit 2: Sage, dass du Tomatensuppe hasst.
Möglichkeit 3: Pflichte deinem Vater bei.
Ich senkte kurz den Kopf, da ich Zeit zum Überlegen brauchte.
"Ich habe einfach keinen Hunger", meinte ich schließlich und schob den Teller von mir weg. Die rote Farbe sorgte für blutige Erinnerungen.
"Ich habe extra gekocht! Also zeige wenigstens ein wenig Anstand!", Mom schlürfte einen weiteren Löffel ihrer Suppe.
Möglichkeit 1: Entschuldige dich.
Möglichkeit 2: Stehe vom Esstisch auf.
Möglichkeit 3: Esse noch etwas.
Dieses Mal fiel es mir nicht schwer, eine Antwort auszusuchen.
"Entschuldigung", flüsterte ich und Ben begann neben mir zu lachen. Ich starrte ihn an. Was war denn auf einmal mit dem?
"Johanna, gib doch zu, dass du Tomaten hasst!", kicherte er.
Verstehe, er wollte also den Weg gehen.
"Ist das wahr, Johanna?", so langsam wurde mir klar, wie all das hier zusammenhing. Ich, also Johanna Brown, war zwar 21 Jahre alt, lebte aber immer noch mit meiner Familie. Mein Bruder und meine Mutter schienen etwas gegen mich zu haben, weshalb sie versuchten, immer einen Grund zu finden, der mich in die Enge treiben würde. Und mein Vater sah dabei zu, da er es nicht schaffte, sich selber durchzusetzen. Ich war gefangen in einem Käfig.
Johanna Brown wurde in die Enge getrieben, von ihrer eigenen Familie. Sie schaffte es nicht, sich aus eigener Kraft zu befreien, weshalb das jetzt mein Ziel geworden war. Ich musste es irgendwie hinkriegen, mich aus dem Spinnennetz zu befreien, was nicht einfach werden würde. Die Situation war nie richtig einschätzbar, da jeder unerwartet handeln könnte. Es war ein Herzspiel, weil man mit unseren Gefühlen spielte. Sie versuchten, uns, die Spielfiguren, mit der Handlung in den Wahnsinn zu treiben.
Da man nie wusste, was als nächstes passieren könnte, war das ein leichtes für den Gamemaster.
Er zog an dünnen Fäden, die wir nicht sehen konnten. Das Einzige, was wir machen konnten, war keine leichte Aufgabe - denn wir mussten diese Fäden durchtrennen.
Ich sah in die Augen von Johannas Mutter.
Möglichkeit 1: Sag, dass es nicht wahr ist.
Möglichkeit 2: Gestehe ihr, dass du bereits gegessen hattest, als du bei Sarah gewesen warst.
Möglichkeit 3: Stimme deinem Bruder zu und stehe dann einfach vom Tisch auf.
Jetzt war mir klar, was ich zu tun hatte. Dieses Spiel war riskant, aber ich würde einen noch riskanteren Weg gehen. Ich würde das Spiel überleben, koste es, was es wollte.
"Ben hat Recht", meinte ich also und stand auf. Dann verließ ich den Raum und stiefelte zurück in mein Zimmer. Ich hörte, wie sie wütend nach mir rief, doch ich schenkte der Handlung keine Beachtung mehr.