Starshakers (Sunhunters pt. 2)

By wolkenbonbons

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„Bring mir eine Klangschale mit", sagt der Sunhunter todernst, „Ich muss meine Chakren in Einklang bringen, s... More

playlist + visuals
1 - Matthias Green
2 - Clara de Flocon
3 - Clara de Flocon
4 - Matthias Green
5 - Clara de Flocon
6 - Matthias Green
7 - Matthias Green
8 - Clara de Flocon
9 - Clara de Flocon
10 - Matthias Green
11 - Matthias Green
12 - Clara de Flocon
13 - Matthias Green
14 - Clara de Flocon
15 - Matthias Green
note
17 - Matthias Green
18 - Clara de Flocon
19 - Clara de Flocon
20 - Clara de Flocon
21 - Clara de Flocon
22 - Matthias Green
23 - Matthias Green
24 - Matthias Green
25 - Clara de Flocon
26 - Clara de Flocon
27 - Matthias Green
28 - Clara de Flocon
29 - Matthias Green
30 - Clara de Flocon
31 - Clara de Flocon

16 - Matthias Green

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By wolkenbonbons

~☀️~

„Siehst du irgendeine Signatur in meinem Umfeld, die mir Sorgen machen sollte?", frage ich Hendrik und biege so knapp ab, dass ich mich mit dem Fuß am angrenzenden Wolkenkratzer abstützen könnte, „Ich habe hier einen Fan."

Hendrik verneint. Kein bekanntes Gesicht also, noch nicht zumindest. Das Phantom jagt mich durch die Nacht, versucht dabei nicht unauffällig zu bleiben. Die Sache entwickelt sich zu einem Katz- und Mausspiel, während Hendrik versucht, die Signatur meines Verfolgers abzugreifen. Ich rase senkrecht an Häuserwänden hinauf, werde dabei mehrmals von der Polizei angefunkt, was zum Henker ich da treibe, bin dann aber immer schnell genug weg, um nicht festgenommen zu werden. Irgendwie glauben die mir nicht, dass ich einer von ihnen bin.

Zwischen riesigen Digitallitfaßsäulen hindurch, an den berühmten Glockentürmen vorbei, knapp über eine Skybahn hinweg: mein Groupie folgt mir ungerührt. Ich lasse ihn nicht in Schussweite, bis Ava per Chat das okay gibt. Doch als ich mich gerade dazu entschlossen habe, dass ich den Guten im Ogasawara II Nationalpark stellen werde, bevor ich mich meiner Verabredung widme, ist er plötzlich verschwunden.

Ich bleibe über einer der hell erleuchteten Hängebrücken in der Schwebe, links und rechts von mir Intravessels, in denen Pärchen sitzen und beim Anblick der Stadt knutschen. So romantisch, denke ich und lehne mich auf den Ellenbogen über meinen Lenker, die linke Hand auf einer meiner Waffen. Ausgeschlossen, dass ich so ein Glück habe heute und mein Verfolger von selbst abgestürzt ist. Zugegebenermaßen etwas unbefriedigend, wenn nach so einer hübschen Verfolgungsjagd die Schlägerei ausbliebt. Ich bleibe eine geschlagene halbe Stunde dort in der Schwebe, so lange, bis der Typ rechts von mir mir eine Shisha anbietet. Er lässt auffällig unauffällig fallen, dass er single ist. Das nehme ich als Anlass zu verschwinden und ans Nordufer hinüber zu fliegen.

Als ich dann zu Fuß unterwegs bin, blicke ich immer wieder über die Schulter. Sehr seltsame Sache. Dass das Phantom nicht in unseren Akten registriert ist, kommt kaum vor im Core. Man braucht schließlich für alles eine Watch – und eine Watch kann man nur benutzen, wenn man eine Signatur angemeldet hat. Gibt es inzwischen wieder neue Hacks auf dem Schwarzmarkt, die unsere Systeme austricksen können? Unbequem.

„Hast du die Signatur?", frage ich den Butler und weiche einem klapprigen Lastenfahrrad voller Töpferwaren und einem alten Mann, der in Castadiniumblasen schwebende Fische wie Luftballone verkauft, aus.

„Negativ."

Überrascht mich nicht.

„Mann, könnte alles zwischen dreißig und fünfzig sein. Ist gut geflogen, wahrscheinlich erfahren. Sobald ich auf die Hauptschneise bin, war er da. Hat auf mich gewartet."

Noch ein alter Mann mit leuchtenden Goldfischballons für die Touristen zieht vorbei. Ich biege in eine Seitengasse ab, die mit den Straßen in New Helsinki ungefähr so viel gemeinsam hat, wie mein Oktopus mit einer Siamkatze. Statt nach Kiefern, Geldscheinen und Hotellobbies riecht es hier nach Farbe, Jasmin und billigem Bratfett. Viele Künstler und Musiker leben zwischen den schwankenden Lampions in diesem Viertel der Traumbubble, treffen sich in den Bars entlang der in konzentrischen Kreisen angelegten Stadt. Girlanden und Gebetsflaggen flattern im Nachtwind über meinem Kopf und ich zünde ein Räucherstäbchen in einer der Götternischen an der Hauswand an, um eine Ausrede zu haben, stehen zu bleiben und die Lage zu sondieren.

„Negativ", antworte ich auf Henriks Frage danach, ob mein Freund in schwarz noch einmal aufgetaucht ist, „Wahrscheinlich nur eine Einschüchterungstaktik."

Doch von wem? Den üblichen Verdächtigen oder unserer neuen Bedrohung? Oder vielleicht ist Misericordias Mörder mir gar nicht so fremd, wie ich denke? Ich stelle die Kerze zurück neben die Götterstatue, stecke das Räucherstäbchen in die dafür vorgesehene Sandschale und verbeuge mich flüchtig vor der Gottheit, bevor ich weiter husche.

Ich schiebe mich durch die Gassen, halte mich in den Schatten wo ich kann und vermeide unnötige Menschenkontakte. Fünf Jugendliche mit dem hungrigen Blick, den man nur in den Straßen erlernen kann, wollen mir mein Geld abnehmen, überlegen es sich auf halbem Weg anders und ziehen sich blitzschnell in die Schatten zurück.
Euer Glück. Bei der Alarmbereitschaft, in die mich der Vorfall mit meinem Verfolger versetzt hat, hätte ich die Kids wahrscheinlich wie jeden anderen Möchtegern Gangster behandelt, der mir an die Watch will.

Die Stadt ist muffig und bunt wie sonst auch, keinerlei Unterschied zu vor ein paar Nächten, als sich hier meine Kollegin noch quicklebendig durch eben diese Straßen bewegt hat. Zumindest würde man das denken. New Tokyo ist nicht so steinreich wie New Helsinki, zumindest nicht jeder seiner Bezirke, aber es ist auch nicht die Bubble mit der höchsten Kriminalität. Klar, die reichen Pinkel aus dem inneren Core würden ihren Kindern nie direkt erlauben, hier feiern zu gehen, aber was heißt das schon? Vor allem wenn man berufsbedingt so viel Zeit in Port Canad verbracht hat wie ich, wirkt das Verbrechermilieu hier eher gemäßigt. Die übliche Mafia hier und da, ab und zu eine Schießerei, aber alles im Rahmen.

Wieso also wird Misericordia irgendwo hier in einer Kneipe ermordet? Von wem? Wer hat die Nerven, eine Sunhunterin anzugreifen und die Mittel, sie tatsächlich auf grausamste Weise umzubringen? Das Sicherheitsleck, das die Umstände implizieren ist zwar mehr Avas und vor allem van Havens Problem als meines, aber auch ich bezweifle, dass ich gut schlafen werde im Wissen, dass es jemanden gibt, der im Core herumrennen und meine Kollegen killen kann.

Ich weiche zwei schwer betrunkenen Geschäftsmännern aus, dann ein paar Mönchen auf dem Weg zum Mitternachtsgebet und klettere letztendlich über die Metallgehäuse einer Lüftung und mehrere Feuertreppen hinauf auf die Dächer, um schneller voran zu kommen. Dabei komme ich am ein oder anderen Fenster vorbei, aber auf die Szenen dahinter will ich jetzt nicht unbedingt eingehen. Viktor ist auf jeden Fall nicht alleine heute Nacht.

Unter mir fliegt das Nachtleben vorbei, Wind rauscht in meinen Ohren und in der Ferne glitzern diesmal andere Bubbles, während ich auf einen der jadegrünen Glockentürme der Stadt zuhalte. Bevor ich das milchig grüne Glas erreiche, bleibe ich noch einmal im Schatten eines überhängenden Blechdachs stehen, denn in meinem Rucksack hat sich etwas bewegt. Um genau zu sein klopft jemand seit geschlagenen drei Minuten mit den Tentakeln gegen meinen Rücken und will Aufmerksamkeit. Ganz schlechtes Timing, aber ich bin ja kein Unmensch. Ich öffne den Reißverschluss und mache ein ziemlich dummes Gesicht. Mein Babyalien kringelt die leuchtenden Tentakeln in die Höhe. In der einen hält es einen Müsliriegel, in der anderen eine Granate.

„Okay", mache ich langsam, „Gib das mal wieder her."

Grabsy hält mir den Müsliriegel hin, würde anscheinend gerne die Blendegranate behalten, warum auch immer.

„Darling, nein", mache ich langgezogen, als würde ich einem Kleinkind verbieten, einen zweiten Lolli zu essen, „Gib mir die Granate. Dafür kannst du das Mehrkornding gerne behalten."

Erwachsen, wie er ist, kringelt sich mein Oktopus beschützerisch wie trotzig um die Waffe. Ich hatte eigentlich nicht vor, jetzt hier erzieherische Maßnahmen ergreifen zu müssen, während ich von Phantomen verfolgt und Gangstern erwartet werde. Seufzend verdrehe ich die Augen. Und halte schlagartig inne. Die Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln gesehen habe, hat meinen Puls in die Höhe getrieben. Ich schließe ganz vorsichtig die Klappe meines Rucksacks, jedes Zähnchen des Reißverschlusses scheint mir zu laut in der Stille. Ich bin der Jäger hier, nicht die Beute. Was soll die Scheiße?

„Symphony", schallt es da aus meinen In-Ear-Systemen, „Was genau soll das werden?"

Ava. Ganz schlechter Zeitpunkt gerade. Stumm weiche ich in die Schatten zurück.

„Ihr Puls sprengt die Skala. Sind Sie verletzt?"

Ich tippe zweimal auf meine Watch, was Ava als ‚Nein' empfängt. Spätestens jetzt wissen sie und Hendrik, dass ich nicht reden kann. Und – bis jetzt – noch unversehrt bin. Ich verfluche mich dafür, dass ich keinen der Tarnanzüge angezogen habe, die im Keller der Villa fein nebeneinander aufgereiht lagern. Und noch mehr dafür, dass ich meinen leuchtenden Oktopus auf offener Straße ausgepackt habe. Pure Arroganz.

„Symphon ..."

Avas Stimme bricht ab. Ganz plötzlich, als hätte man ein natürlich nicht vorhandenes Telefonkabel durchgeschnitten. Ich bewege keinen Muskel, während am anderen Ende des Dachs eine Gestalt auftaucht. Statisches Rauschen auf meinen Kopfhörern. Der Fremde steht einfach da, am Rande des Dachs, im Licht einer Werbetafel zu seiner linken. Kein zu tiefer Atemzug, keine plötzliche Bewegung. Jeder Moment zieht sich ins Unermessliche, während ich beide Waffen entsichert in den Händen halte und regungslos darauf warte, dass mein Gegenüber mich umbringen will.

Dann tritt dieses einen Schritt nach hinten und springt gerade wie ein Pfeil vom Dach. Ich bin schneller an der Kante, als ich ausatmen kann, doch von dem Phantom ist nichts mehr zu sehen. Eine Tentakel hat sich aus meinem nicht perfekt geschlossenen Rucksack geschlichen und hält mir etwas verspätet, aber sehr hilfsbereit, die Blendegranate hin. Kochend vor Adrenalin und Wut renne ich ein paar Momente später die Palisade entlang.

„Irgendjemand will mir Angst machen", erkläre ich meinem Bodenkommando, das inzwischen wieder da ist, „Nervig sowas. Checkt mal die Frequenzen, er hat es geschafft, euch auszuschalten."

Immernoch rast mir das Herz in der Brust.

„Ist uns aufgefallen", sagt Ava trocken, „Wann haben Sie vor, abzubrechen und das zu Bericht zu geben?"

„Noch nicht", ich habe den Turm erreicht, „ich denke gar nicht daran, wegen dem Arschloch meine Termine umzuwerfen."

„Sie sind sicher, dass Sie nicht mehr in Gefahr schweben?"

„Nein", mache ich, während ich die steile Wendeltreppe hinauf renne, „Aber er wird mich nicht angreifen. Nicht jetzt."

Ava fragt nicht wieso. Sie kann sich denken, dass es irgendetwas mit meiner Quelle zu tun hat, auch wenn sie keine Ahnung hat, wer diese Quelle ist. Ich bezweifle stark, dass mein Verfolger Lust hatte, sich mit den Leuten anzulegen, mit denen ich hier gleich Geschäfte machen werde. Vielleicht war der luftige Abgang schon geplant, bevor er die Schatten auf der Mauer gesehen hat, vielleicht war es eine spontane Entscheidung im Angesicht meiner Freunde. Da soll noch einmal jemand sagen, dass Networking unwichtig ist. Ich glaube, mein Treffen mit einem der gefährlichsten Menschen der Bubble hat mir gerade ironischerweise das Leben gerettet. 

„Geh' schlafen, MacSage", empfehle ich und erreiche den obersten Treppenabsatz, „Ich habe noch was vor. Hendirk kann babysitten und ich ruf' dich an, sobald sich noch irgendwas interessantes ergibt."

„Ich brauche ihr Protokoll so schnell wie möglich, damit ich eine Fahndung einleiten kann."

„Ja ja, ich weiß. Sei froh, dass mich der Typ gerade nicht abgemurkst hat. Und Ava?"

„Symphony?"

„Seit wann micromanagst du so krass?", frage ich, während ich meine Waffen wieder entsichere, „Ist gar nicht dein Stil sonst."

„Gute Nacht", sagt meine Koordinatorin nur und ist verschwunden, noch bevor ich meinen Nacken gedehnt und mir noch einmal Mut zugesprochen habe. Dank meines neuen Freunds in schwarz, der gerne Menschen stalkt und von Häusern springt, bin ich nun zu spät und darf beten, dass mich mein eigentliches Date dafür nicht vom Bauchnabel bis zur Nase aufschlitzen und dann von diesem schimmelgrünen Turm werfen lässt. Juhu.


~☀️~

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