Geschichtensammlung

By MareSkywhale

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Ich werde hier Kurzgeschichten und kurze Geschichten zu verschiedenen Fandoms veröffentlichen. Ich werde auch... More

Inhaltsverzeichnis
Friedhofsblumen
Hausgemachter Zitronenkuchen
Auf hoher See
- Die Weiße Dame -
When Someone Smiles [An Inspector Calls]

Aus der Stille und der Verzweiflung können Wunder entstehen

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By MareSkywhale

1978:

Weiter und immer weiter wagte sich der kleine Junge in das verlassene Gebäude vor. Er hatte Angst vor dem, was ihn im Herzen des Schwimmbads wohl erwarten würde.
Die anderen Jungs, mit denen er versucht hatte, sich anzufreunden, erwarteten eine Mutprobe von ihm, um zu sehen, ob er würdig war, in ihren Freundeskreis mit aufgenommen zu werden.
Nach der Schule hatten sie ihn auf dem Nachhauseweg abgefangen und ihm befohlen, in das gruselige Gebäude zu gehen, ganz hinein, bis zum leeren Schwimmbecken. Erst dann würde er einer von ihnen sein.

Das alte Schwimmbad war berüchtigt, war hier doch angeblich mal jemand gestorben und in dem Chlorwasser ertrunken, bevor das Bad geschlossen worden war. Nicht nur wegen dem Tod des Menschen, sondern auch, weil der Inhaber Pleite gegangen war, und den Betrieb nicht mehr am Laufen halten konnte.
Der alte Mann hatte nicht einmal mehr Geld gehabt, um das Gebäude abreißen zu lassen, weswegen es nun hier am Stadtrand stand, in der Nähe eines kleinen Waldes. Es war eigentlich abgesperrt und ein großes Schild am Drahtzaun deklarierte das Gebiet als »Privatgrundstück! Betreten verboten!«.
Aber wie Kinder nun mal sind, hatten sie doch einen Weg gefunden, auf das Grundstück zu gelangen, indem sie eine Lücke im Zaun gefunden und sie vergrößert hatten, damit sie hindurchkriechen konnten.

Die Natur holte sich Stück für Stück den Ort zurück, selbst der grüne Trieb eines Baumes spross inmitten des Foyers, in dem man früher an drei nebeneinander liegenden Schaltern für ein paar Pfennige Eintrittskarten lösen konnte.
Dunkelgrüner Efeu rankte sich beständig an den Wänden empor, in aufgebrochenen Ritzen und Fugen festhaltend, während sich vereinzelt Unkraut durch die zerbrochenen Keramikfliesen ans Licht kämpfte, das durch die kaputten Dachsparren in den Raum fiel.

Langsam und vorsichtig trugen ihn seine Füße weiter ins Innere des Gebäudes.
Der Achtjährige analysierte die Umgebung, blickte sich nach potenziellen Gefahren um.
Sein kleiner Körper war angespannt, die Hände zu Fäusten geballt.

Schon mit fünf Jahren war er aufgrund seines schnellen Auffassungsvermögens und einem wissbegierigen Verstand in die Schule im Nachbardorf eingeschult worden. Seine Leistungen waren sehr gut, doch den Lehrern fiel sehr schnell auf, dass er bezüglich sozialer Interaktion enorme Schwierigkeiten hatte.
Freunde zu finden, stellte für ihn schon bald eine große Herausforderung dar, die er kaum zu meistern wusste. Aber weil er so unbedingt dazugehören wollte, nahm er auch das Risiko einer Mutprobe in Kauf, um welche zu finden.

Als er glaubte, ein Geräusch vernommen zu haben, blieb er ruckartig stehen.
Da! Da war es wieder ...
Es hörte sich wie das Stampfen von riesigen Füßen an, die durch die Korridore auf ihn zu liefen.
Seine Angst wuchs beständig, diese alten Gemäuer waren unheimlich. Wie Gift strömte diese negative Empfindung durch seinen Körper und lähmte ihn. Mit der Taschenlampe in der linken Hand, die er letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, rührte er sich nicht vom Fleck. Seine Sinne hatten ihn noch nie getäuscht und sein gutes Gehör hatte sich die Geräusche bestimmt nicht eingebildet.
Unruhig huschte der Lichtkegel über die rissigen grauen Wände, die schon längst jeglichen Putz verloren hatten und dadurch nun nackt und entblößt wirkten.

Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, und keine weiteren merkwürdige Geräusche in der Stille vernahm, drang er weiter vor. Er ging an den alten Duschräumen mit den kaputten und verrosteten Brauseköpfen vorbei und warf einen kurzen Blick in die nebeneinander liegenden Umkleideräume der Jungen und Mädchen, in denen immer noch die Bänke standen, auf denen die Besucher früher ihre Habseligkeiten abgelegt hatten.
Nach einigen Augenblicken wandte er sich wieder um und ging den langen, dämmrigen Flur entlang auf die große Flügeltür zu, hinter der sich die Schwimmhalle befand.
Als er den großen, mit Kacheln gefliesten Raum, betrat, fiel ihm als erstes der große Sprungturm ins Auge, der am Rand des nun leeren Beckens stand. Mit vorsichtigen Schritten ging er darauf zu, während er mit seiner Lampe in der Halle herum leuchtete. Die Fliesen, die mit Sicherheit einmal weiß gewesen waren, waren nun verdreckt und aus den Fugen spross frisches, grünes Gras.
Aber als der Dunkelhaarige an den Beckenrand trat, konnte er kaum seinen Augen trauen. Um noch ein wenig näher zu kommen, betrat er die alte Holzplanke, die ins Becken hineinragte. Aber wirklich, in dem Becken, dessen Boden vollkommen mit Gras bewachsen war, standen tatsächlich zwei Nilpferde. Ein Großes und ein Kleines. Verwundert rieb er sich über die Augen und zwickte sich gleich danach in den rechten Arm. Doch die Nilpferde waren immer noch da, er träumte nicht! Jetzt hob das große Tier sogar seinen Kopf und sah ihn aus seinen kleinen, klugen Augen an. Der Junge ging vorsichtig wieder von der Planke runter - er hatte keine große Lust, in das Becken zu fallen - und ging am Rand entlang zu der metallenen Leiter, um sogleich daran herunterzuklettern. Als er auf dem grünen Boden stand, näherte sich ihm das kleine Nilpferd, dass wie er noch ein Kind sein musste, und hob seinen breiten Kopf. Der Junge blickte in die schwarzen, unschuldigen Augen des Tieres und es war ihm, als würde er sich selbst in ihnen wiedererkennen.
Er streckte vorsichtig seine Hand aus, um das Nilpferd nicht zu verschrecken, und berührte die braune, glatte Haut.

Er wusste nicht, wie lange er in dem Schwimmbad geblieben war, aber als er wieder aus dem Gebäude heraustrat, setzte bereits die Dämmerung ein. Die anderen Jungs waren längst wieder weg, wahrscheinlich war ihnen langweilig geworden, als er nicht während der ersten halben Stunde wiedergekommen war und sie hatten sich verzogen, um keinen Ärger zu bekommen, wenn ihm in dem baufälligen Gemäuer etwas zugestoßen wäre.

Der Junge hatte nicht die geringste Ahnung, wie diese Nilpferde in das leere Becken des Schwimmbads gekommen waren, eigentlich war das sogar unmöglich, weil sie da gar nicht überleben konnten, aber die Begegnung mit ihnen hatte ihm das Gefühl von Zugehörigkeit gegeben und er war glücklich darüber, einige Stunden bei den Tieren verbracht zu haben.
Er hatte einfach nur neben den Nilpferden am Boden des Beckens gesessen und sich eines seiner geliebten Bücher, das er immer mit dabei hatte, aus seinem Rucksack genommen und gelesen.
Er wusste, dass ihm diese Geschichte sowieso niemand glauben würde, weswegen er sich vornahm, sie für sich zu behalten.
Das war sein kleines Geheimnis.

Beeskow, 1983:

Nun war er in der siebten Klasse. Vor zwei Jahren war er mit seinen Eltern in die Stadt Beeskow gezogen, weswegen er auch die Schule hatte wechseln müssen.
Nach dem, was er im Schwimmbad erlebt hatte, hatten ihn die anderen Jungen einfach ignoriert. So hatte er immer noch keine Freunde gefunden gehabt.
Aber er hatte angefangen, die Nilpferde zu zeichnen und er hatte beschlossen, sich über die Tiere zu informieren. Erst hatte er sich jedes Buch, das er über diese Tiere finden konnte, aus der Bibliothek ausgeliehen, und als er keine weiteren Bücher über Nilpferde finden konnte, hatte er kurzerhand sein Taschengeld gespart und sich im Buchladen für ein paar Mark noch ein bisschen mehr Lektüre besorgt.

Er war ziemlich froh, jetzt in Beeskow zu sein, weil er diese Stadt vom ersten Augenblick an geliebt hatte. Auch mit dem Finden von Freunden war es irgendwie leichter. Er hatte zwar noch keine, aber zumindest kam er mit ein paar seiner Mitschüler sehr gut zurecht.

Die Nilpferde hatte er immer mal wieder gesehen, sie ließen ihn nicht im Stich. Sie schienen immer in seiner Nähe zu sein, sie verließen ihn nie, auch wenn sie manchmal für ein paar Stunden nicht da waren, so kamen sie doch immer wieder. Als er sich am ersten Schultag auf den Weg zur Oberschule gemacht hatte, waren die beiden großen Tiere die ganze Zeit über neben ihm hergetrottet, aber es schien, als wäre er der Einzige, der sie wahrnehmen konnte.

Als er gerade in seinem kleinen Zimmer saß, die Schulaufgaben vor sich liegen habend, erinnerte er sich daran, als er mit seinem Vater einen Film im Fernsehen gesehen hatte. Sie hatten Westfernsehen geguckt und es war sein zwölfter Geburtstag gewesen, als sie sich den Film »Tron« angesehen hatten. Er mochte den Film, die Handlung war zwar ungewöhnlich aber sehr kreativ und die Idee dahinter war faszinierend und regte seine Kreativität an. Es wurde ab diesem Tag sein Lieblingsfilm.

Er blickte wieder auf seine Physikaufgaben und schrieb schnell die Lösung der Aufgabe auf das karierte Blatt Papier. Der Bleistift in seiner linken Hand huschte über das Papier, während er in wenigen Minuten noch die anderen Aufgaben löste.

Als er nach weiteren zehn Minuten seine Hefte, Bücher und das Federmäppchen mit den Stiften in seine Ledermappe gesteckt hatte, sprang er von seinem Stuhl auf und verließ sein Zimmer, dessen Wände mit seinen Zeichnungen der Nilpferde und einigen Bildern zu »Tron«, die er ebenfalls angefertigt hatte, nebst einiger Kurzgeschichten, die er in sein Notizbuch geschrieben hatte, großzügig beklebt waren.

Er stürmte durch den Flur, zog sich schnell seine Schuhe an, warf sich seine Jacke über und verließ das Haus, nicht ohne sich noch den Rucksack zu schnappen, in dem sich seine Taschenlampe, Zeichenblock und Notizbuch, ein paar Stifte und sein Buch befanden, das er momentan las, und verließ schnellen Schrittes das Haus.

Er ging den Weg entlang, die beiden Nilpferde begleiteten ihn wieder, und steuerte auf die Burg von Beeskow zu, die in einiger Entfernung zu der Wohnung lag, in der er mit seinen Eltern lebte.

Als er die alte Burgruine nach einer halben Stunde erreichte, die die Ritter von Strele im 13. Jahrhundert errichtet hatten und die aus rotem Backstein gebaut war, ließ er sich auf dem Burghof in das Gras fallen, holte sein Notizbuch und einen Bleistift aus seinem roten Rucksack und fing an zu schreiben. Die Atmosphäre, die diesen Gemäuern innewohnte, beflügelte seine Fantasie und regte seinen Geist an. Die beiden Nilpferde hatten sich links und rechts neben ihm ins Gras gelegt und dösten vor sich hin. Der Junge empfand es als beruhigend, seine beiden Freunde und Beschützer neben sich zu wissen. Es tröstete ihn, nicht vollkommen allein zu sein und sich auf die großen Tiere verlassen zu können. Es war nicht so, als würde er sich mit ihnen unterhalten, sonst würde er noch für verrückt erklärt werden, und es reichte ihm schon, wenn er sonst als seltsam abgestempelt wurde, da er sich oft nicht so verhielt, wie die anderen Jungen aus seiner Klasse. Er steckte seine Nase lieber in Bücher, als sich mit den anderen Kindern zu beschäftigen und er schrieb und zeichnete lieber, als mit ihnen draußen Fußball zu spielen. Glücklicherweise war die Stasi noch nicht aufgrund seines Verhaltens auf ihn aufmerksam geworden, sonst kämen sie vielleicht noch auf die Idee, er würde irgendetwas planen oder sonst etwas aushecken, was gegen den Kommunismus sprach.

Dabei fand er den Kommunismus gar nicht mal so schlecht. Zumindest war er seiner Ansicht nach besser als der Kapitalismus im Westen, auch wenn man da mehr kaufen konnte.
Aber seit wann waren materielle Dinge die Essenz von Glück und einem schönen Leben?
Beziehungen waren doch eigentlich das, was ein Leben erst lebenswert machte, und auch wenn er bisher nur die Nilpferde als wirkliche Freunde bezeichnen konnte, würde er nicht aufgeben und weiterhin versuchen, auch Freundschaften mit Menschen zu knüpfen. Außerdem gab es immer noch seine Eltern, die immer zu ihm standen und seine Andersartigkeit nicht kritisierten und ihn so liebten, wie er war, seitdem er am 20. November vor dreizehn Jahren das Licht der Welt erblickt hatte.

Er erinnerte sich, dass mal ein Mädchen aus seiner Klasse im Deutschunterricht vom Rektor in dessen Büro gerufen worden war, und sie am nächsten Tag und in den darauffolgenden Wochen nicht mehr zum Unterricht erschien. Er hatte sich umgehört und erfahren, dass sie wohl von zwei Stasibeamten in eines der Jugendwerkhöfe gebracht worden war, weil ihr Vater versucht hatte, aus der DDR zu fliehen. Er hatte von den Werkhöfen gehört und wusste zumindest so viel darüber, dass er hoffte, niemals in eines dieser Gebäude zu kommen und er für seine ehemalige Mitschülerin tiefes Mitgefühl empfand.

Die Seiten in seinem Notizbuch füllten sich Zeile für Zeile mit der Geschichte, die er sich ausgedacht hatte und an der er schon seit einigen Tagen saß. Er ging immer nach der Schule und nachdem er seine Hausaufgaben gemacht hatte, hier her oder in die große spätgotische Backstein-Hallenkirche St. Marien, die zwischen 1388 und 1511 erbaut worden war und die 1945 komplett ausgebrannt war, setzte sich entweder ins Gras auf dem Burghof oder in eine der hölzernen Kirchenbänke und schrieb. In seiner Geschichte ging es um zwei Geister, die jeweils im Kirchturm und im Bergfried lebten und herumgeisterten und sich außerdem nicht leiden konnten und ständig stritten.

Auch wenn er nicht gläubig war, so empfand er die Atmosphäre, die in der Kirche omnipräsent war, doch als sehr inspirierend und außerdem faszinierte ihn die Kirchengeschichte.

Er kannte die zehn Gebote der Bibel und er erkannte die positive Seite Glaubens und die Nachricht und den Appell an die Menschheit auch an, aber die institutionelle Religion war die andere negative Seite der Medaille, die ohne jeden Zweifel verwerflich war. Die Menschen hatten schon immer den Glauben und die Religion genutzt, um andere Menschen zu manipulieren und ihnen zu schaden und diese Seite richtete seiner Meinung nach mehr Schaden an, als der Glaube gut machte. Er hatte seine Nilpferde als Schutzpatrone und deshalb brauchte er auch keinen Gott, an den er glauben konnte, wenn die Tiere für ihn wahrscheinlich genau dieselbe Funktion hatten, wie für andere Menschen Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist.
Er verurteilte niemanden für das, an was er glaubte, aber er verabscheute es, dass andere Menschen den Glauben als Werkzeug nutzten, um andere zu kontrollieren. Weil sie damit den Glauben für ihre eigenen Zwecke ausnutzten.

Nachdem er noch den Bergfried auf die Seite seines Notizbuches skizziert hatte, erhob er sich wieder, um den Burghof zu verlassen, weil er seiner Mutter versprochen hatte, rechtzeitig zum Abendbrot zu Hause zu sein und er mit einem Blick auf seine Armbanduhr mit Schrecken feststellen musste, dass es bereits 18:45 Uhr war, und seine Mutter das Abendbrot immer um sieben auftischte, wenn sein Vater von der Arbeit kam. Schnell ließ er sein Notizbuch und den Bleistift wieder in seinem Rucksack verschwinden, schulterte ihn und rannte über die heruntergelassene Zugbrücke, die schon seit Ewigkeiten keine Zugbrücke mehr war, und lief die Straße entlang. Die Nilpferde rannten neben ihm her und er musste schnell feststellen, dass die Tiere schneller waren als er, woraufhin er seine Schritte sogleich beschleunigte.

Beeskow, 1992

Bedächtigen Schrittes lief der Zweiundzwanzigjährige durch die Straßen seiner Heimatstadt. Seit der Wende vor drei Jahren und mit Beginn des Ausübens seines Berufs vor ungefähr zwei Jahren hatte sich in seinem Leben eigentlich nicht viel verändert, außer dass er vor zwei Jahren nach Fürstenwalde ausgezogen war, da er dort arbeitete. Er hatte letzte Woche ein Mädchen namens Miriam in der Bibliothek kennengelernt, in der er arbeitete. Sie war ein Jahr jünger als er und sie hatten sich sehr lange über die verschiedensten Themen unterhalten und er hatte das Gefühl gehabt, dass sie ihn wirklich verstehen würde. Ihm fiel es leicht, mit ihr zu reden, und es schien sie auch gar nicht gestört zu haben, dass er den Blickkontakt mit ihr die ganze Zeit gemieden hatte und anfangs auch sehr verunsichert war, weil er nicht wirklich gewusst hatte, wie er das Gespräch am Laufen halten sollte, aber meist war sie es gewesen, die wieder ein neues Thema angeschnitten hatte, wodurch sie einige Stunden in der Bibliothek gesessen und sich unterhalten hatten. Da sich an diesem Tag nicht viele Leute in dem Gebäude aufgehalten hatten und er dementsprechend nicht viel zu tun gehabt hatte, war es auch nicht weiter schlimm gewesen. Sein Chef schien sogar ziemlich froh zu sein, als er ihn in einem angeregten Gespräch mit der jungen Frau gesehen hatte, da es ihm nach wie vor schwerfiel, mit anderen Menschen zu kommunizieren.

Er hatte auch Angst gehabt, überhaupt keine Arbeit zu finden, aber sein Chef, der ein älterer Herr war, hatte ihm beinahe sofort nach dem Vorstellungsgespräch die Zusage zukommen lassen. Seine Zeugnisse waren sehr gut und dem Mann war es vor allem auch wichtig gewesen, dass er jemanden einstellte, der die Bücher, mit denen er arbeitete, auch wertschätzte, und sie dementsprechend sorgsam behandelte. Dass er immer einen geregelten und strukturierten Arbeitstag hatte, kam ihm auch sehr zugute, da er manchmal nicht so recht wusste, wie er mit unvorhersehbaren Veränderungen umgehen sollte.

Er bemerkte, dass nun viele Augenoptiker ihre Geschäfte in Beeskow eröffneten, vor allem der Laden gegenüber der Sparkasse war neu.

Er selbst fand es zwar nicht so gut, dass es nun keine DDR mehr gab und Deutschland nun nach dem Zweiten Weltkrieg wiedervereinigt war, was er zwar nicht als negativ ansah, aber der Kapitalismus machte sich natürlich jetzt auch im Osten breit. Aber er allein konnte schwerlich etwas dagegen tun.
Auch wenn manche Machenschaften der Russen jetzt nicht unbedingt positiv waren, das Wegsperren von Kindern und Jugendlichen in die Jugendwerkhöfe zum Beispiel, oder das Erschießen von Menschen, die sich einfach nur eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder wünschten, und deshalb versuchten, über die Grenze zu fliehen, und auch die Überwachung der Staatssicherheit war nicht unbedingt zielführend, um das Vertrauen und die Zustimmung der Bevölkerung zu erlangen, aber der Grundgedanke war keinesfalls verwerflich.
Das System müsste nur etwas anders strukturiert werden, denn so wie sie es in der DDR gemacht hatten, war es offensichtlich komplett nach hinten los gegangen, was aber auch vorherzusehen gewesen war.
Kein Mensch ließ sich gerne seiner Freiheit berauben, und genau das war aber geschehen, als die Leute nicht mehr ausreisen durften und selbst von ihren Nachbarn bespitzelt wurden, um herauszufinden, ob sie sich denn auf den gefährlichen Weg in den Westen machten und einen Fluchtversuch wagten, der auch häufig fehlschlug.
Wahrscheinlich durften der Kommunismus beziehungsweise der Sozialismus und der Kapitalismus nicht nebeneinander existieren, zumindest war das seine Theorie.

Die Nilpferde trotteten neben ihm die gepflasterte Straße entlang, während er auf die Wohnung seiner Eltern zu steuerte. Seit seinem Auszug hatte er seine Eltern immer mal wieder besucht, da Beeskow glücklicherweise nicht allzu weit von Fürstenwalde entfernt lag. Seine Zeichnungen hatte er alle mitgenommen und einige von denen, die seiner Meinung nach am Gelungensten waren, hatte er sich eingerahmt und in seine Wohnung gehängt. Ein paar hatte er auch seinen Eltern geschenkt. Auch einige seiner kleinen Geschichten hatte er begonnen zu überarbeiten. Er wollte sie irgendwann als Sammelband mal veröffentlichen, die Skizzen und Zeichnungen, die er dazu gemacht hatte, würde er als Illustrationen mit abdrucken lassen, aber bis es so weit war, würde es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern.

Sein Leben verlief nun in geordneten Bahnen, worüber er sehr froh war. Hätte ihm vor vierzehn Jahren jemand gesagt, was aus ihm werden würde, hätte er wahrscheinlich gesagt, dass es zwar eine schöne Vorstellung war, er aber nicht glaubte, dass sich diese bewahrheiten würde. Aber vor vierzehn Jahren war es ihm auch noch unglaublich schwergefallen, überhaupt jemanden anzusprechen, etwas, was sich nun glücklicherweise gebessert hatte.
Außerdem war er vor vierzehn Jahren auch auf die Nilpferde getroffen, die ihn ab da an begleitet hatten.

Er wusste nicht, was ihm in seinem Leben noch erwarten würde, aber er hoffte, dass er in Miriam eine Freundin finden konnte und er wusste, dass die Nilpferde ihn auf seinem Weg begleiten würden, egal, wie dieser auch aussehen mochte.

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