Katara - Bound To Trust (2)

By hope_ful

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Träume können wahr werden, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Das ist eine Lüge, denkt Katara. Nach dem V... More

Vorwort
Prolog
1 | Das mit dem Problem
2 | Das, in dem ich schreien will
3 | Das mit der Verbündeten
4 | Das mit dem Versprechen
5| Das mit dem Traum
6 | Das, in dem ich Glück brauche
7 | Das mit der guten Fee
8 | Das mit dem Wunderland
9 | Das, in dem ich verloren bin
10 | Das mit der Hydra
11 | Das mit den weisen Sprüchen
13 | Das mit der Mitbewohnerin
14 | Das, in dem ich nachdenklich bin
15 | Das mit den Geheimnissen
16 | Das mit den fünf Phasen
17 | Das, in dem ich Schokolade brauche
18 | Das mit dem Tee
19 | Das mit dem Vertrauen
20 | Das mit der Hoffnung
21 | Das, in dem Schluss ist
22 | Das mit dem schwarzen Loch
23 | Das mit der Bilderbuchoma
24 | Das mit dem Einhorn
25 | Das mit der Schwester
26 | Das mit den letzten Worten
27 | Das mit dem Brief
Epilog
Nachwort

12 | Das mit dem guten Porzellan

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By hope_ful

Noch einmal: Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben. Ich merkte bereits beim Betreten unseres Hauses, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Musik, welche sonst durch das gesamte Haus schallte, war ausgeschaltet, dabei stand Moms Leihwagen wie gewohnt in der Einfahrt. Es roch auch nicht nach Zitronen (der Duft des Putzmittels, das meine Mutter sonst immer benutzte). Stattdessen roch es so stark nach Blumen, Grünpflanzen und feuchter Erde, als befände ich mich nicht in unserem Haus, sondern in einem Blumenladen. Besonders der Duft nach Rosen stach hervor.

„Hallo?", rief ich zögernd in den Flur hinein und gleich darauf streckte Mom ihren Kopf aus der Küche.

„Katara.", sagte sie erleichtert und ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Sie sagte zwar nicht, wer da zu Besuch gekommen war, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Egal, wer da hinter der Küchentür zum Vorschein kommen würde, er oder sie war auf jeden Fall ungebeten. In ihren Augen las ich förmlich, wie froh sie über meinen Schulschluss war. Und ich wünschte mir mit einem Mal, einfach wieder verschwinden zu können. ‚Sorry, Mom. Ich muss noch extrem viele Hausaufgaben machen.' hätte ich sagen sollen oder ‚Ich muss gleich wieder weg. Ich hab etwas Wichtiges in der Schule vergessen.'. Und dann wäre ich erst in frühestens einer Stunde wiedergekommen, damit Paul mir über SMS mitteilen konnte, was überhaupt vor sich ging. Denn eines war klar: den folgenden Familienrat wollte ich definitiv nicht miterleben. Mein Gehirn schaltete leider nicht so schnell, wie ich es mir erträumt hätte.

Stattdessen kam nur ein „Äh... hallo?" heraus.

„Komm herein. Wir haben auf dich gewartet." Die Worte meiner Mutter waren plötzlich sehr gewählt und steif. Ein Grund mehr misstrauisch zu werden. Sie ließ keinen Einblick in das, was sie dachte und das war vielleicht auch gut so. Gut möglich, dass in ihrem Inneren der Vulkan bereits mächtig brodelte und nur darauf wartete auszubrechen. Ihr Tonfall ließ leider keine Widerrede zu.

Wortlos nickte ich zur Küche und formte „Wer ist da." mit dem Mund. Sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie und machte mir damit deutlich, dass ich keine Fragen stellen sollte. Sie verschwand in der Küche und erwartete offenbar, dass ich ihr folgen würde. Als wären meine Sinne in den letzten Sekunden geschärft worden, nahm ich plötzlich alles um mich herum genau wahr.

Der Duft nach Rosen hing penetrant in der Luft und waberte um mich herum wie Nebel. Ich konnte ihn förmlich mit der Hand greifen. Selbst, wenn ich das Haus wieder verließ, würde der Geruch an meiner Kleidung kleben wie Kaugummi in den Haaren, dessen war ich mir sicher. Am Kleiderständer hing ein feiner hellblauer Mantel, den ich nicht kannte und gegen die Tür der Abstellkammer lehnte ein Regenschirm, der mir ebenfalls unbekannt vorkam. Wer war da in der Küche, der Mom so aus der Fassung brachte? Ich würde jedenfalls nicht dahinterkommen, wenn ich nur im Flur herumstand und darauf wartete, dass sich der Besuch bei mir vorstellte. Wenn ich darauf warten würde, würde ich noch bis Neujahr hier stehen und das würde mir dann doch zu lange dauern.

Also schlüpfte ich aus meinen Schuhen, stellte sie ordentlich an die Seite und hängte sogar meine Jacke auf einen Kleiderbügel. Mom steckte schon wieder den Kopf aus der Küche.

„Katara, bitte komm."

Okay. Es war also ernst. Mehr als ernst. Mit einem stummen Stoßgebet gen Himmel folgte ich ihr. Der Rosenduft verstärkte sich und kitzelte mir unangenehm in der Nase.

Der ungebetene Gast hatte es sich auf Moms Platz gemütlich gemacht. Mom selbst stand mit finsterer Miene an der Anrichte und hatte unserem Gast den Rücken zugekehrt. Der Wasserkocher dampfte.

Ich sah sie erst nur von hinten. Sie hatte eine weiße Dauerwelle, die zusammen mit der royalblauen Blusen und dem dazu passenden Rock der Queen ernsthafte Konkurrenz in punkto Eleganz machte. Ihr Rücken war so gerade, als hätte sie einen Besen verschluckt. Paul saß ihr mit versteinerter Miene gegenüber. Auch er schien glücklich darüber zu sein, dass ich da war, was mir zusätzlich Angst machte.

Obwohl ich sie seit mindestens dreizehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, wusste ich sofort, wer dort saß und missbilligend durch die Küche schaute, als wäre all das unter ihrer Würde und als hätte sie nur höchst ungern auf dem altmodischen – und in die Jahre gekommenen - Stuhl Platz genommen. Ich hatte ihre jährlichen Glückwunschkarten immer schnell weggeschmissen. Abgesehen vom Inhalt, denn wer konnte 50 Euro extra nicht gebrauchen? Den Brief, den sie mir zu meinem 18. Geburtstag geschickt hatte, hatte ich noch nicht einmal geöffnet. Er musste irgendwo in meinem Zimmer liegen.

„Katara. Groß bist du geworden.", bemerkte sie mit blecherner Stimme, nur wenig interessiert. Wenn das nicht der wahrscheinlich abgedroschenste Satz der abgedroschenen Sätze war. Groß bist du geworden. Kleiner wäre ja auch merkwürdig gewesen. Ich hörte zwar, was sie sagte, aber brachte immer noch kein Wort heraus. Zu geschockt war ich, sie hier zu sehen. Sie hatte anscheinend auch nicht viel zu sagen. Wenn sie Paul und Mom seit ihrer Ankunft so angeschwiegen hatte, wie sie es jetzt mit mir tat, hätte es mich jedenfalls nicht gewundert.

Zögernd setzte ich mich neben meinen Bruder und ließ die Frau dabei keine Sekunde aus den Augen. Auf Anhieb konnte ich keinerlei Ähnlichkeit mit meinem Vater feststellen. Er war wohl eher nach seinem Vater geschlagen. Paul griff unter dem Tisch nach meiner Hand und drückte sie. Mom trat mit der fertigen Kanne Tee zu uns und ich merkte, dass ihre Hand zitterte. Sie hatte das gute Porzellan aus dem Wohnzimmer geholt, das sonst nur an Weihnachten und zu wirklich besonderen Anlässen herausgeholt wurde. Sie schenkte ihrer Schwiegermutter ein und ehe sie den Tee über den ganzen Tisch verschüttete, nahm ich ihr die Kanne ab und verteilte den Tee auf die letzten drei Tassen.

„Normalerweise bevorzuge ich zum Tee immer etwas Gebäck, aber das wäre wohl zu viel verlangt.", sagte die Queen ... äh ... das Schwiegermonster und nippte vorsichtig (und mit erhobenem kleinen Finger!!!) an der heißen Flüssigkeit. Der unterschwellige Vorwurf hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Ich biss mir auf die Zunge und schmeckte Blut.

Keiner von uns sagte ein Wort und ein paar Minuten hörte man lediglich das Ticken der Küchenuhr. Ich trank meinen Tee viel zu schnell, einfach, damit meine Hände etwas zu tun hatten. Meine Zunge brannte höllisch.

Offenbar wurde ihr klar, dass niemand den ersten Schritt wagte, denn sie räusperte sich vernehmlich und streckte das Kinn vor. Wie ein Kind, das unbedingt seinen Willen durchsetzen wollte.

„Ich habe mein Haus verkauft und ziehe bei euch ein.", sagte sie ohne große Vorrede.

Ich starrte die Frau mit den schlohweißen Haaren begriffsstutzig an. Was hatte sie da gerade gesagt? Paul blinzelte ungläubig und verschluckte sich prompt. Seine Augen tränten. Meine Arme überzogen sich mit Gänsehaut.

„Der Umzugswagen wird in den nächsten Tagen eintreffen. Bis mein Zimmer hergerichtet ist, werde ich in einem der Kinderzimmer unterkommen.", eröffnete sie uns ihren Plan. Wie selbstverständlich sie das alles herunterratterte, machte Paul und mich sprachlos. Hatte Mom denn überhaupt nichts dazu zu sagen?

Dann musste ich niesen. Der Rosenduft war wirklich nicht auszuhalten.

„Eure Oma wird für ein paar Wochen hier unterkommen. Nur übergangsweise - bis sie eine Wohnung in der Stadt gefunden hat.", bestätigte Mom meine schlimmsten Befürchtungen, rieb sich dabei den Nasenrücken und schloss die Augen, als würde ihr der Gedanke selbst nicht behagen. Oder vielleicht hatte sie auch wieder einen ihrer Migräneanfälle. Wenn ich so darüber nachdachte, bahnten sich auch bei mir drückende Kopfschmerzen an.

„Ihr könnt mich Grand-mère oder Großmutter Adelaide nennen."

Ach du scheiße. Ich wusste nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Paul sah mindestens genauso geschockt aus wie ich. Wäre er nicht immer noch auf die Krücken angewiesen, die leider außer Reichweite am Kühlschrank lehnten, wäre er wahrscheinlich genauso wutentbrannt aus dem Zimmer gesprintet, wie ich es nur zu gerne vorgemacht hätte. Mom hatte sich wohlweislich mit ihrem Stuhl so gedreht, dass weder Paul noch ich so schnell an ihr vorbeikamen - wenn wir wirklich so töricht gewesen wären, einen Fluchtversuch zu starten.

Immerhin wusste ich jetzt, woher die ausgefallenen Namen in unserer Familie kamen. Das Übel aller höllischen Ausgeburten saß in Persona vor uns und lächelte wie die Queen erhaben in die unsichtbaren Kameras.

„Es ist ja nur vorübergehend.", krächzte Mom und versuchte vergeblich die Wogen zu glätten. „In ein paar Tagen sind die Möbel hier und eure Oma wird sich eine Wohnung suchen."

„Ganz recht.", sagte sie, doch ich hörte an ihrer Stimme, dass es ihr nicht passte „Oma" genannt zu werden. Wenn ich mir sie näher ansah, war ihr die ordinäre Bezeichnung wahrscheinlich nicht vornehm genug. Immerhin wollte sie lieber Grand-mère genannt werden. Soweit ich wusste, hatten wir nicht einmal französische Verwandtschaft.

„Warum hast du dein Haus verkauft?" Paul fand seine Stimme als erster wieder.

„Jeder Mensch muss einmal in seinem Leben umplanen. Es war an der Zeit, das Alte hinter mir zu lassen, und etwas Neues anzugehen.", meinte sie vage und ich runzelte die Stirn.

„So ein Quatsch!", entfuhr es Mom mit einem Mal scharf. Ein Tonfall, den sie nur dann anschlug, wenn man sie wirklich auf die Palme brachte. Es schien so, als war ihr Geduldsfaden in Anwesenheit ihrer Schwiegermutter um einiges kürzer als normalerweise. Aus heiterem Himmel hatte sie ein paar amtlich aussehender Papiere in den Händen.

„Hier steht, dass du deine Rechnungen nicht bezahlt hast und dass der Gerichtsvollzieher kommen musste!"

Sie schaute absichtlich in die andere Richtung. Überall hin, nur nicht in das Gesicht meiner Mutter.

„Früher wäre es nicht so einfach gewesen, einer alten Frau Hab und Gut zu nehmen.", polterte die Frau erstaunlich energisch zurück.

„Du hast deine Rechnungen nicht bezahlt! Was sollten sie sonst machen? Kühe melken?" Mom warf die Hände in die Luft und die Unterlagen auf den Tisch. So konnte ich auch endlich einen Blick darauf erhaschen. Oma – Pardon – Großmutter Adelaide betrachtete die Dokumente, die ihr das Zuhause genommen hatten, verächtlich.

„Und wo wird sie schlafen?"

Schuldbewusst presste Mom die Lippen aufeinander und sah mich flehend an. Mein Herz wurde schwer. Natürlich. Wenn ich genau darüber nachdachte, war es die einzige Möglichkeit. Paul hatte mit seinem Bein zu kämpfen. Er brauchte ein eigenes Bett. Wir konnten der Frau schließlich auch nicht vorschlagen, sie solle auf der Couch im Wohnzimmer schlafen. Ich war schon oft auf der Couch eingeschlafen, wenn wir einen unserer Filmeabende veranstaltet hatten, aber nach ein paar Stunden war ich immer wegen Rückenschmerzen aufgewacht. Irgendwann drückten sich die Federn unangenehm in den Rücken und machten jede Schlafposition unerträglich. Blieb also nur noch Moms oder mein Zimmer. Da in mein Bett (welches ich immerhin besaß, seit ich zehn war) eine Person gerade so hineinpasste, fiel die Wahl nicht schwer. Ich würde bei meiner Mutter einziehen. Mom lächelte verlegen.

„Es ist nur für ein paar Tage, bis das Gästezimmer hergerichtet ist. Mein Bett ist groß genug für uns beide. Sie wird sich eine Wohnung hier in der Stadt suchen. Es ist alles nur vorübergehend."

Es ist alles nur vorübergehend. Innerlich krampfte sich bei mir alles zusammen. Ich wollte mein Zimmer nicht hergeben, aber Widerspruch war zwecklos. Ich wollte meiner Mutter keine Szene machen. Sie hatte sich den Montagabend sicher auch anders vorgestellt. Wir (Paul, Mom und ich) waren unfreiwillig in diesen Schlamassel gerutscht. Nur wegen nicht bezahlter Rechnungen. Ich fragte mich, wie hoch ihre Schulden waren, aber ich behielt diese Frage vorsorglich für mich. Wer wusste schon, was ich damit losgetreten hätte.

Als ich später zu Mom ins Bett kroch und sie einen Arm um mich legte, wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte.

„Danke, dass du so locker damit umgehst. Ich verspreche dir, es ist nur für kurze Zeit. Bis ihre Sachen im Gästezimmer untergebracht sind.", flüsterte Mom und gab mir eine Kuss auf die Wange. Ich seufzte. Locker sah anders aus, aber ich war froh, dass ich Mom damit wenigstens etwas von ihrem Stress genommen hatte. Ich fragte mich nur, wie lange das Schwiegermonster in Wirklichkeit bei uns wohnen würde. Nie wieder würde ich mich beschweren, wenn mir Paul auf die Nerven ging. Im Vergleich war Paul ein wahrer Engel – wenn auch manchmal mit einem B davor.

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