Katara - Bound To Trust (2)

By hope_ful

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Träume können wahr werden, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Das ist eine Lüge, denkt Katara. Nach dem V... More

Vorwort
Prolog
1 | Das mit dem Problem
2 | Das, in dem ich schreien will
3 | Das mit der Verbündeten
4 | Das mit dem Versprechen
5| Das mit dem Traum
7 | Das mit der guten Fee
8 | Das mit dem Wunderland
9 | Das, in dem ich verloren bin
10 | Das mit der Hydra
11 | Das mit den weisen Sprüchen
12 | Das mit dem guten Porzellan
13 | Das mit der Mitbewohnerin
14 | Das, in dem ich nachdenklich bin
15 | Das mit den Geheimnissen
16 | Das mit den fünf Phasen
17 | Das, in dem ich Schokolade brauche
18 | Das mit dem Tee
19 | Das mit dem Vertrauen
20 | Das mit der Hoffnung
21 | Das, in dem Schluss ist
22 | Das mit dem schwarzen Loch
23 | Das mit der Bilderbuchoma
24 | Das mit dem Einhorn
25 | Das mit der Schwester
26 | Das mit den letzten Worten
27 | Das mit dem Brief
Epilog
Nachwort

6 | Das, in dem ich Glück brauche

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By hope_ful

Nur ein absoluter Schwachkopf (in dem Fall war es unser Schuldirektor) konnte auf die Idee kommen den alljährlichen Wandertag in den November zu legen. Es war viel zu kalt, um den ganzen Tag draußen durch die Wälder zu streifen, sich bestenfalls nur einmal zu verlaufen und schließlich mit einstündiger Verspätung verschwitzt und erkältet zuhause anzukommen. Dass der Wandertag immer auf einen Freitag gelegt wurde, sollte meiner Meinung nach nur verhindern, dass sich die Schüler für den nächsten Tag krankmelden konnten. Wenn sie sich tatsächlich eine Erkältung eingefangen hätten, würden sie diese idealerweise am Wochenende auskurieren und könnten montags putzmunter zum Unterricht erscheinen. Dass mir mit dem Wandertag der Großteil meines freien Tages gestohlen wurde, wurde regelrecht ignoriert.

Die schlimmste Vorstellung, die ich mir ausmalte, war, dass wir uns wirklich den halben Tag durch die Sträucher schlagen mussten, bewaffnet mit Landkarten, Kompass und irgendwelchen Koordinaten, denen wir bis zum Geht-nicht-mehr hinterherjagen mussten. Die Verlustrate einer solchen Aktion war schier immens. Wenn es nach den Lehrern ging, konnte man ein oder zwei Schüler weniger am Wandertag ja vielleicht sogar verkraften. Und wer weiß? Vielleicht würde uns das Wandern ja irgendwann doch Spaß machen.

Aber nein. Es kam noch schlimmer. Ein Ausflug in den Freizeitpark. Müsste ich nicht mit der Schule dorthin fahren, hätte ich mich darüber sicher gefreut. Ich war seit mindestens einem Jahr nicht mehr im Freizeitpark gewesen. Mit Paul oder Emma oder Lucy hätte ich diese Flucht aus der Realität bestimmt genießen können. Aber beim Wandertag würde auch Aiden dabei sein. Meine Freude hielt sich daher merklich in Grenzen. Acht Stunden lang so tun, als hätte ich den Spaß meines Lebens, während Aiden sich mit seinen Freunden direkt vor meinen Augen amüsierte? Spaß klang für mich definitiv anders. Dann zog ich doch lieber den richtig altmodischen Wandertag durch die heimischen Wälder, bei dem man zur Not wusste, wie man wieder nach Hause kam, vor. Bei unserem Ausflug in den Freizeitpark gab es keine Fluchtmöglichkeit.

Frau Lammer, als unsere Stammkurslehrerin, hatte für die Wahl des Ausflugsziels äußerst grimmig eine ihrer heiligen Deutschstunden geopfert. Dass der Wandertag immer näher rückte, machte ihr merklich Stress. Sie war gerne vorbereitet und viel Zeit zum Planen hatte sie nicht gehabt, weil Herr Kowalski erst in der letzten Woche eingefallen war, dass der diesjährige Wandertag noch ausstand. Neuerdings hatte er die Aura des zerstreuten Professors angenommen, was einige fantasievolle Überlegungen mit sich zog - sowohl unter Schülern als auch unter Lehrern. Der sonst so durchsetzungsstarke Schuldirektor ließ den Schülern in letzter Zeit ziemlich viel durchgehen. Insbesondere ein Schüler regte sich darüber besonders auf.

„Hätte ich das gemacht, hätte ich sofort den nächsten Schulverweis bekommen.", schnauzte Malte einen verängstigten Fünftklässler an, der wenige Sekunden zuvor mit seinem Skateboard durch die Hallen gedüst war. Herr Kowalski hatte ihn lediglich mit einem lauten „Sofort runter da.", gerüffelt und war dann fix weitergegangen. Für Malte stand außer Frage, dass das Verhalten des Schulleiters von der Begegnung mit einer Frau herrührte.

„Hätte ich gewusst, dass dem Alten nur eine Frau fehlt, damit er sich mal wie ein Mensch benimmt, hätte ich ihm damals mal eine klar gemacht.", hatte Malte weitergeplappert, ohne zu bemerken, dass Frau Lammer klammheimlich hinter ihm aufgetaucht war und aufmerksam zuhörte. Ich schlug mir die Hand auf den Mund, um nicht laut loszulachen. Sebastian und Lukas ließen ihren Kumpel gnadenlos mitten ins Messer laufen. Malte meinte wohl, dass ihre belustigten Mienen seinem Plan galten, und zuckte ungerührt mit den Schultern.

„Ist doch wahr. Meine Tante könnte auch mal einen Mann gebrauchen. Die ist 50 oder so. Bei jeder Familienfeier meckert sie nur, dass sie keinen Mann abbekommt und ext eine Weinflasche nach der anderen. Früher war das ja mal ganz witzig, aber langsam wird es echt nervig. Vor allem, weil ich immer mein eigenes Bett hergeben muss, das sie dann vollkotzt. Das ist doch scheiße, Mann. Deswegen bekomme ich auch immer schlechte Noten. Der Kowalski ist sexuell so frustriert, dass er..."

„An Ihrer Stelle würde ich diesen Satz nicht zu Ende führen, Herr Franken.", machte Frau Lammer endlich auf sich aufmerksam und Malte sprang bis unter die Decke. Sein Gesicht wurde erst kalkweiß und dann puterrot. Vor seinem inneren Auge sah er die zweite Verwarnung seiner schulischen Laufbahn. Er tat mir leid. Er hatte nur ausgesprochen, was jeder dachte, aber er war immer derjenige der dabei erwischt wurde.

„Klappe.", raunzte er seine beiden besten Freunde wütend an. Vor lauter Lachen hielten sie sich ihre Bäuche.

Frau Lammer schien Malte seine Worte über den Schulleiter nicht übel zu nehmen. Ganz im Gegenteil. Auch sie unterdrückte ein Glucksen. Nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, fiel auch Malte in das Lachen seiner Mitschüler ein. Als sie uns dann über den Wandertag aufklärte, verflog auch das letzte bisschen Anspannung, die auf ihm gelegen hatte. Wenn es um außerschulische Veranstaltungen ging, die nichts mit Lernen zu tun hatten, war Malte Feuer und Flamme. Meistens versuchte er die Entscheidungen so lange es ging hinauszuzögern, damit möglichst viel der Unterrichtszeit draufging.

Der Vorschlag mit dem Freizeitpark kam von Aiden. Mein Herz klopfte plötzlich schneller.

Er hatte mir erzählt, dass er noch nie einen Freizeitpark besucht hatte. Damit konnte er den ersten Punkt seiner Wunschliste abhacken. Neben meine Wut auf ihn mischte sich zu allem Übel ein klein wenig Freude, und das machte mich sogar noch wütender. Obwohl ich sauer auf ihn war, freute ich mich für ihn. Langsam verstand ich, was mein Bruder immer gemeint hatte, wenn er sagte, ich sei zu nett.

„Fürs nett-sein bekommst du in dieser Welt nichts. Damit erreichst du nichts. Nur Kopfschmerzen. Du darfst nicht immer einfach alles tun was man von dir verlangt oder erwartet. Du musst auch an dich selbst denken, hörst du?" Das war einer der wenigen guten Ratschläge, dir mir mein Bruder je gegeben hatte. „Außer wenn ich dir etwas sage. Dann musst du natürlich darauf hören." Mein zehnjähriges-Ich war ziemlich leicht zu kontrollieren gewesen und bis ich 13 wurde, folgte ich ihm wie ein dressierter Hund. Diese Zeiten waren längst vorbei, doch ich war immer noch zu nett. Nett und naiv. Keine besonders gute Kombination.

Eva war ähnlich begeistert über unser geplantes Ausflugsziel. Sie war kaum zwei Wochen in der Schule und schon sollte sie einen Tag davon im Freizeitpark verbringen.

„An meiner alten Schule gab es keine Wandertage. Das heißt früher schon, aber einmal haben ein paar Leute Alkohol unter die Schüler gebracht. Am Ende des Tages war die Hälfte meiner Klasse ordentlich berauscht. Einer musste sogar von unserem Schulleiter in Schach gehalten werden. Danach wurden die Wandertage abgeschafft.", erklärte sie uns in der Fünf-Minuten-Pause. Davon hätten Emma und ich nur träumen können. Wir waren nicht immer in derselben Klasse gewesen. Der Wandertag war deswegen weit davon entfernt einen Platz auf unserer Top-10 Lieblingstage des Jahres zu erhalten. Schlimm genug, dass man sich die Hälfte des Tages körperlich anstrengen musste. Dann sollte man auch noch sozial sein und sich mit seinen Mitschülern, die man kaum kannte, unterhalten? Das war eindeutig zu viel verlangt. Aus diesem Grund war ich froh, dass nicht nur Emma, sondern auch Eva mit von der Partie waren. Ich hoffte der Ausflug würde dadurch um einiges entspannter werden. Außerdem konnten sie mich zu zweit viel besser von meinem Gedankenkarussell ablenken.

Später in der Pause stellte sich das Schicksal erneut gegen mich. Frau Lammer hatte sich mit den anderen Lehrern abgesprochen und war dazu auserkoren worden, mir die schlechten Nachrichten zu überbringen. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass ich ab jetzt wieder normal am Unterricht teilnehmen sollte. Offenbar hatte sie auch mit Mom gesprochen, die ihr von Paul und seiner Reha erzählt hatte. Von ihr wusste sie auch, dass er Ende der Woche wieder nachhause kam und sich auf einem guten Weg der Besserung befand.

„Ich möchte dich nicht überfordern, aber langsam sollten wir wieder zum gewohnten Alltag zurückkehren. Ich weiß ja, dass du immer sehr aufmerksam bist und gut mitarbeitest, auch wenn du dich nur selten meldest. Die letzten Wochen werde ich nicht mit in die Benotung einfließen lassen. Ebenso wenig meine Kollegen. Da musst du dir keine Sorgen machen. Ich habe selbst Geschwister und kann mir nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn..."

Sie stockte, weil ich scharf die Luft eingezogen hatte. An meinem Leben war momentan nichts Alltägliches. Meine Lippe begann zu beben. Nicht, weil ich über den Unfall nachdachte, sondern weil ich ahnte, dass meine ruhige Zeit in der letzten Reihe nun vorbei sein würde. Frau Lammer lächelte mitfühlend.

„Ich weiß, dass es schwer für dich gewesen sein muss, Katara, aber..."

„Nein, nein." Ich lächelte tapfer. „Schon in Ordnung. Ich werde wieder besser mitarbeiten. Versprochen."

„Das ist schön. Das freut mich."

In der Deutschstunde danach strengte ich mich an gut mitzuarbeiten. Es ging immer noch um Stolz und Vorurteil, deswegen kam ich besser mit als so manch anderer, der in den letzten Stunden nicht geträumt hatte. Frau Lammer war freudig überrascht und zwinkerte mir beim Verlassen des Raumes sogar aufmunternd zu. Bei anderen Unterrichtsfächern sah das leider anders aus. Herr Fries musste öfter an meinen Tisch treten und meine Fragen über Vektorrechnung und analytische Geometrie beantworten, während alle anderen stumm ihre Aufgaben erledigten. Herr Kowalski war am Ende der Biologiestunde selbst am Ende seiner Kräfte angelangt, weil ich so viele Fragen gestellt hatte. Nicht selten kam in mir der Wunsch auf, ich hätte die Schule in den letzten Wochen nicht so vernachlässigt. Am liebsten wäre ich in der Zeit zurückgereist und hätte mein rührseliges Ich einmal kräftig geschüttelt, damit ich endlich wieder zur Besinnung kam und mich auf das konzentrierte, was wirklich wichtig war.

Ich war nur froh, dass Frau Lammer mich in der letzten Reihe neben Eva sitzen ließ. Sie hatte gesehen, dass wir uns angefreundet hatten und wollte wahrscheinlich Evas Eingewöhnungsphase nicht behindern, indem sie mich wieder wegsetzte. Das hieß, der Platz neben Aiden blieb zwangsläufig frei. Ich vermied es, wenn möglich und zugegebenermaßen nicht sehr beharrlich, in seine Richtung zu schauen.

In der Mittagspause erzählte ich Emma dann von meinem Traum am Morgen. Wir hatten darauf geachtet, so viel Abstand zwischen uns und die nächsten Schüler zu lassen, sodass wir ungestört und ohne Angst haben zu müssen, dass uns jemand belauschte, miteinander reden konnten. Neben uns befanden sich lediglich die Behälter für die Tabletts mit den mehr oder weniger leeren Tellern. Heute standen wieder einmal Hamburger und Pommes auf dem Speiseplan. Wobei man das, was man uns vorgesetzt hatte, schwerlich als Hamburger bezeichnen konnte. Er bestand aus einem normalen Brötchen mit Bulette und zu viel Ketchup. Das Salatblatt war giftig grün und labbrig. Unangetastet hatte ich meinen Teller von mir weggeschoben. Nicht einmal die Pommes schmeckten mir.

„Dasch war doch blosch ein blöder Traum. Darüber brauschst dschu dir keine Schorgen schu machen.", sagte Emma mit vollem Mund auf meine Geschichte. Mit dieser Angewohnheit erinnerte sie mich unwillkürlich an Lucy, was mir natürlich sofort einen Stich versetzte. Ich hätte sie niemals so angehen dürfen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich stützte den Kopf nachdenklich auf der Tischplatte ab und fegte das aufkeimende schlechte Gewissen von mir.

„Ich weiß, dass es nur ein Traum war... theoretisch. Aber was ist, wenn es stimmt?"

Wieder suchte ich die Mensa verstohlen nach den zwei Köpfen ab, den blonden langen und den verstrubbelten braunen Haaren, und wieder hatte ich kein Glück. Sie waren nicht da. Nur Tom konnte ich entfernt am Fußballtisch ausmachen, wie er übermütig und arrogant über die ihn bewundernde Menschenmenge blickte, die ihn und seine Freunde umgab. Der einsame Löwe unter einer Meute Hyänen.

Eigentlich wusste ich bereits, dass ich Aiden hier nicht finden würde, denn die Energie, die so selbstverständlich an ihm hing, wie eine zweite Haut, fehlte. Emma nahm einen großen Schluck Wasser, bevor sie antwortete.

„Ich glaub nicht, dass es stimmt. Helena und Aiden sind seit der fünften Klasse befreundet. Wenn da irgendetwas zwischen den beiden wäre, wäre uns das aufgefallen. Die beiden sind eher so wie Geschwister, findest du nicht?"

Ich zögerte und knabberte an meinen Fingernägeln. Aiden und Helena verband ohne jeden Zweifel ein unsichtbares Band. Ob es tatsächlich nur daran lag, dass sie sich wie Bruder und Schwester sahen, wie Emma meinte? Oder steckte mehr dahinter?

„Und trotzdem... Was, wenn es doch stimmt? Wenn die beiden ineinander verliebt sind und sie es bis jetzt nur gut versteckt haben?"

„Nach den letzten Wochen kann ich das nur sehr schwer glauben, Tara. Nach allem, was passiert ist. Du siehst nicht, welche Blicke er dir zuwirft, wenn du nicht hinschaust. Selbst ein Blinder mit Krückstock weiß, was das zu bedeuten hat." Der Satz hing bedeutungsschwer in der Luft.

„Welche Blicke denn?" Verblüfft zog ich die Augenbrauen in die Höhe und Emma ließ den Hamburger mitten in der Bewegung sinken. Der Ketchup triefte auf den Teller. Ich fragte mich, wie sie den Mensafraß überhaupt herunterschlucken konnte. Bis auf die Pommes war das Essen nämlich ungenießbar. Doch selbst die Pommes schmeckten an diesem Tag wie in Streifen geschnittenes Styropor. Emma starrte mich derweil an, als wäre ich sonderbar.

„Kannst du dir das nicht denken? Ihr habt euch geküsst, ihr wart so gut wie zusammen, er hat dir sein Herz ausgeschüttet und das heißt...?"

„Das heißt, dass er sehr gut schauspielern kann?", startete ich einen Versuch. Emma seufzte vernehmlich.

„Er hat mir das alles nur wegen der Wette vorgespielt, schon vergessen? Er hat gelogen." Verbissen ballte ich die Hände zu Fäusten. Das Gefühl, dass sich alles in mir zusammenzog, sobald ich an die Wette dachte, war wieder da und sorgte dafür, dass ich anfing unkontrolliert zu zittern.

„Falsch. Du sagst, dass er gelogen hat, aber was ist, wenn er die Wahrheit gesagt hat?"

Ich warf die Hände über dem Kopf zusammen und heimste dafür ein paar erstaunte Blicke ein.

„Das macht doch alles überhaupt keinen Sinn! Warum sollte er mir die Wahrheit sagen, wenn er mich doch schon die ganze Zeit angelogen hat?", erwiderte ich.

„Ich glaube, du hast dich da in etwas verrannt, Tara. Du sprichst immer davon, dass er dich angelogen hat und so weiter, aber was ist, wenn er nie gelogen hat? Wenn er ehrlich zu dir war und es eine plausible Erklärung für dieses Video gibt? Vielleicht hat Eva ja doch recht."

„Warum verteidigst du ihn auch noch? Und womit soll Eva recht gehabt haben?"

„Dass es vielleicht nur ein Missverständnis war."

Ich setzte mich augenblicklich kerzengerade hin. Emmas Schultern sanken erschöpft in die Tiefe.

„Es war kein Missverständnis.", presste ich bestimmt hervor, um das ein für alle Mal klarzustellen. Auch sie hatte das Video gesehen und sollte das wissen.

„Ich bin auf deiner Seite, Katara, vergiss das nicht. Aber, und das ist jetzt wirklich nichts gegen dich... der Junge tut mir einfach leid." Bevor ich protestieren konnte, hob sie beschwichtigend die Hände. „Das Einzige, was keinen Sinn macht, ist die Tatsache, dass du immer noch nicht richtig mit ihm gesprochen hast."

Ich ließ mir ihre Worte eine Weile schweigsam durch den Kopf gehen. In der Zeit verschlang Emma den Hamburger und ein paar meiner Pommes, die ich immer noch nicht angerührt hatte.

„Du redest schon wie Lucy. Sie denkt auch, ich sollte mit ihm reden.", meinte ich gedankenverloren.

„Ich gebe ihr recht. Du musst mit ihm reden. Sonst wird dich das ein Leben lang verfolgen."

„Ein Leben lang? Das ist ein wenig übertrieben, oder?"

„Nein.", widersprach Emma nüchtern. „Das ist Stolz und Vorurteil im 21. Jahrhundert."

Ich lachte zum ersten Mal seit langem herzlich auf. Emma fuhr ungerührt fort.

„Du bist Elizabeth Bennet und Aiden ist Mr. Darcy. Eigentlich fahrt ihr voll aufeinander ab, aber ihr seid zu stolz, um es zuzugeben. Und als Aiden es doch zugegeben hat, warst du zu voreingenommen es anzunehmen, weil dieses blöde Video aufgetaucht ist. Irgendwann wirst du dann bemerken, dass du ihm die ganze Zeit über Unrecht getan hast und er eigentlich schon immer einer von den Guten war. Dann entschuldigst du dich und er schüttet dir sein Herz aus und ihr versöhnt euch, heiratet und seid glücklich bis ans Ende eurer Tage.", endete Emmas Rede mit einem breiten Grinsen.

Einerseits befürchtete ich, dass sie nach dieser doch sehr romantisierenden Beschreibung meines zukünftigen Lebens, zu sehr an die wahre Liebe glaubte. andererseits pressten ihre Worte gerade jegliche Luft aus meinen Lungen und die Wut, die bis eben noch in meinen Adern pulsiert war, verpuffte. Meine Stimme verlor an Schlagkraft.

„Okay... Ich verstehe, was du meinst. Versetz dich nur mal in meine Lage. Was würdest du an meiner Stelle tun? Würdest du sofort zu ihm gehen und das alles besprechen wollen? Würdest du nicht auch erstmal auf Abstand gehen wollen? Sei ehrlich, bitte."

„Ich hab ehrlich keine Ahnung. Ich war noch nie in so einer Situation. Ich kann mir nur vorstellen, wie du dich fühlen musst. Aber, obwohl ich so etwas noch nie durchgemacht habe, weiß ich, was das richtige wäre. Und das richtige wäre sich mit ihm auszusprechen."

„Na schön." Laut knallte ich meine Hand auf das Tablett vor mir. Besteck und Teller klirrten leise und Emma schreckte perplex zurück.

„Ich werde mit ihm sprechen. Jetzt."

„Was ist denn hier los?" Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ sich Eva auf den Platz neben mich gleiten und betrachtete den Hamburger auf ihrem Teller kritisch.

„Den würde ich an deiner Stelle nicht essen.", riet ich ihr.

„Sie will mit Aiden reden.", erklärte Emma.

„Und zwar jetzt gleich.", präzisierte ich ihre Aussage.

„Oh." Eva grinste wissend von einem Ohr zum anderen und schob das Tablett weit von sich weg. „Das klingt gut. Ich glaub, ich hab ihn eben bei den Schließfächern gesehen."

„Perfekt."

Jetzt hieß es Ruhe bewahren. In wenigen Minuten würde ich mit Aiden reden. Beinahe sofort, als ich diesen Gedanken fasste, hämmerte mein Herz gegen die Rippen, als wollte es aus seinem Käfig ausbrechen. Jetzt hatte ich etwas Nervennahrung bitter nötig. Hektisch stopfte ich mir zwei Styropor-Pommes in den Mund und warf mir meinen Rucksack voller Tatendrang über die Schulter.

„Wünscht mir Glück."

„Viel Glück.", antworteten Emma und Eva gleichzeitig. Leiser und wahrscheinlich in der Hoffnung, ich würde es nicht hören, fügte Emma hinzu: „Das wird sie auch brauchen."


***

Im nächsten Kapitel wird es also spannend! Katara will endlich mit Aiden reden. Glaubt ihr das geht gut aus?

Und dann ist da noch der Wandertag. Mögt ihr Wandertage? Was habt ihr an den Wandertagen immer gemacht? War das wirklich der klassische Wandertag oder gab es auch Ausflüge wie hier in den Freizeitpark zum Beispiel? Von so einem Wandertag hätte ich nur träumen können...

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!

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