between the shadow and the so...

By hesitantspacewitch

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»Mein Name ist übrigens Aristes. Hier ist meine Telefonnummer, falls du mich anrufen musst.« »Deine Telefonnu... More

Vorwort
Kapitel 1 - Buttermesser und andere Gefäße in die man Dämonen verbannen kann
Kapitel 2 - Ein Grundkurs im verflucht-werden
Kapitel 3 - Ein fantastischer Tag zum sterben
Kapitel 4 - Die U-Bahn in die Unterwelt
Kapitel 5 - (un)brauchbare Dämonen
Kapitel 6 - Die Wahl zwischen sterben und dahinscheiden
Kapitel 7 - Die Möglichkeiten der Hexerei
Kapitel 9 - Die Rückkehr des Buttermessers
Kapitel 10 - Buttermesser Teil 3
Kapitel 11 - Ein Plan
Kapitel 12 - Die Opferung
Kapitel 13 - Ein Dämon und ein Nephilim betreten gemeinsam die Unterwelt.
Kapitel 14 - In dem Avery verletzt wird.
Kapitel 15 - Wie man einen Fluch bricht
Epilog

Kapitel 8 - Der Fluch schlägt zurück

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By hesitantspacewitch

Sie beschlossen, durch den Park zurück zu Jaspers Wohnung zu gehen. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und es war warm genug, um die Wohnung ohne Jacke zu verlassen. Nicht, dass Aristes jemals einen getragen hätte. Das heutige T-Shirt der Wahl war weiß mit einer kleinen Brusttasche, auf der neben dem Symbol einer kleinen Mehrweg-Kaffeetasse die Aufschrift ›Given enough coffee, I could rule the world‹ stand. Jasper musste lachen, als er den Aufdruck sah.

»Was?«, wollte Aristes wissen und Jasper schüttelte den Kopf.

»Deine Kleiderwahl«, begann er. »Sie ist nicht wirklich... Du weißt schon...«

»Sag mir nicht, du würdest es ehrlich bevorzugen, wenn ich wie Hargamon aussehe.«

»Oh Gott, nein, ich schätze ich bin einfach voreingenommen. Ich habe mir Dämonen in menschlicher Gestalt immer weniger leger vorgestellt.« Aristes schnaubte amüsiert.

»Du meinst du hast Leder oder Anzüge erwartet?« Jasper hob zustimmend die Augenbrauen.

»Mhm. Aber ich denke, was du trägst, ist bequemer.«

»Wir verstehen uns«, grinste Aristes. »Außerdem, weißt du wie teuer Kleidung sein kann? Vor allem, wenn du sie regelmäßig mit deinen Flügeln zerreißt oder ein Dämon dich mit Höllenfeuer angreift. Anzüge passen nicht wirklich zu meinem Lebensstil. Ein T-Shirt hingegen ist billig, bequem und ich kann Löcher für meine Flügel hineinschneiden, von daher... «, erklärte Aristes und drehte sich leicht um, um die beiden Schlitze auf seinem Rücken zu zeigen. Sie waren groß genug, um ein Paar Flügel hindurch zu quetschen. Die Schlitze selbst wurden durch Klettverschlüsse zusammengehalten.

»Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Was machst du übrigens mit deinen Flügeln? Ich weiß, du hast welche. Warum kann ich sie nicht immer sehen?«, wollte Jasper wissen.

»Sie sind Teil meiner natürlichen Form, das heißt, sie existieren in der menschlichen Welt nicht wirklich. Ich kann sie bei Bedarf herbeirufen, aber ansonsten haben sie wenig bis gar keine Substanz.«

»Wie kommt es dann, dass ich ständig Feder in meiner Wohnung verstreut finde?«, wollte Jasper wissen und Aristes sah plötzlich etwas verlegen aus.

»Oh das. Na ja, meine Flügel neigen dazu, zu jucken, wenn ich sie zu lange nicht benutze. Sie brauchen frische Luft zum Atmen und die richtige Federpflege ist gar nicht so einfach, wenn man sie ständig verstecken soll.«

»Du meinst, du hast meine Wohnung zur Federpflege benutzt wie die Tauben auf meinem Balkon?«, neckte Jasper, was Aristes dazu brachte, vor Verlegenheit und Empörung rot zu werden.

»Wie kannst du es wagen meine Flügel mit Tauben zu vergleichen!«

»Aber liege ich falsch?«

»... Nein... «, gab Aristes widerwillig zu. »Aber wenn du meine Flügel schon mit Tieren vergleichen musst, sind sie mindestens so hübsch wie die von dem Schwan da drüben. Nur schwarz.« Jasper schaute nach rechts, wo der erwähnte Schwan aus dem See mitten im Park watschelte. Der Schwan sah sie und beschloss, näher zu kommen. Und Jasper fühlte plötzlich ein ungutes Gefühl in seinem Bauch, das normalerweise ein zutreffendes Omen für bevorstehende Ereignisse war. Von da an ging es tatsächlich nur noch bergab.

Der Schwan war nicht der einzige, der von der Wolke aus Unglück über Jasper Kopf angezogen wurde. Die halbe Vogelwelt beschloss, ihm zu folgen, wie das Entenpaar, das aus den Tiefen eines Busches auftauchte, gefolgt von einer Gans, die aussah, als könne sie es kaum erwarten, Chaos anzurichten. Hinter einem Baum tauchten drei weitere Enten auf, die nichts Gutes im Schilde führten, und ein kleiner Schwarm Tauben landete neben ihnen im Gras. Jasper sah die Vögel angeführt von dem herannahenden Schwan, der mit ausgebreiteten Flügeln auf sie zu kam und beschloss zu rennen. Und die Vögel folgten kreischend und mit schlagenden Flügeln.

»Nein! Lasst mich in Ruhe!«, rief Jasper, während er durch den Park rannte, so schnell es sein geschundener Körper zuließ. Der Vogelschwarm folgte ihm wie ein Hund, der seinem Lieblingsspielzeug hinterherlief.

Aristes war keine Hilfe. Er trat lediglich einen Schritt zurück und damit aus dem Weg und krümmte sich vor Lachen. Jasper auf der anderen Seite hinkte und sprintete so gut er konnte durch den Park. Sein Ziel war das Restaurant am See, wo er hoffentlich eine Tür finden konnte, mit denen er sich vor der Tierwelt verbarrikadieren konnte. Er stolperte über das Gras, fing sich auf und riskierte einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass er sich das Zwitschern und Geschrei der Vögel nicht einbildete. Genauso wie er sich den Laternenpfahl, der ihm im Weg stand nicht einbildete, den er Aufgrund der nahenden Bedrohung hinter sich übersah. Jaspers Schädel, der mit dem Metall kollidierte, gab ein lautes Geräusch von sich, das er nicht mehr wahrnahm. Jasper sah Sterne und brach bewusstlos auf dem staubigen Pfad zusammen. Die Vögel erreichten ihn, bevor Aristes sie verscheuchen konnte und hinterließen zusätzlich noch ein paar blaue Flecken und Kratzer.

Aristes beugte sich hinunter, um Jaspers Atmung und Puls zu überprüfen. Dann hob er ihn vorsichtig hoch und trug ihn nach Hause.



Als Jasper aufwachte, war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss ›Ich bin nicht tot‹ mit einer nicht unerheblichen Menge an Überraschung und Erleichterung. Dann setzte nicht nur der Schmerz, sondern auch die Übelkeit ein und er wünschte sich fast, dass es anders wäre. Jasper öffnete die Augen und blinzelte langsam gegen das Sonnenlicht, das durch das Fenster in sein Schlafzimmer strömte.

»Aristes?«, rief er. Er war der logische Grund, warum Jasper in seinem Bett lag anstatt von Vögeln die Augen ausepickt zu bekommen. Der Kopf des Dämons tauchte durch die angelehnte Tür auf.

»Ah, zurück aus dem Land der Träume, wie ich sehe. Wie fühlst du dich?«, fragte Aristes und lehnte sich lässig an den Türrahmen.

»Schlecht«, antwortete Jasper und setzte sich langsam auf. Sein Schädel brummte so stark, dass ihm alleine von der kleinen Bewegung schwindelig wurde. Er fühlte sich, als hätte er den Kater seines Lebens. »Kannst du mir ein paar Schmerzmittel bringen? Du findest sie im Schrank im Badezimmer.«

»Bin schon auf dem Weg«, sagte Aristes und schlurfte aus dem Zimmer. Jasper hingegen kämpfte sich mühsam auf die Beine, um seine Klamotten loszuwerden und gegen etwas gemütlicheres einzutauschen. Er hatte kein Bedürfnis danach, sein Bett für den Rest des Tages zu verlassen. Auf einem Bein durch das Zimmer hüpfend und schlürfend machte er sich auf den Weg zum Kleiderschrank.

Er sah die Socke nicht auf dem glatten Parkettboden nicht, zu sehr mit seinen pochenden Kopfschmerzen und seinem allgemeinen Unglück beschäftigt. Selbstverständlich trat Jasper auf die Socke, rutschte aus und schlug sich ein zweites Mal KO. Diesmal traf sein Kopf gegen die Wand. Aristes eilte zurück ins Zimmer, als er den dumpfen Aufprall von Mensch auf Gebäude hörte. Blinzelnd betrachtete er Jasper, als er ihn bewusstlos am Boden liegen sah.

»Oh Jasper... Das kann nicht gesund sein«, murmelte er, holte diesmal sein Handy heraus und rief einen Krankenwagen.



Als Jasper das nächste Mal aufwachte, war der erste Gedanke, der ihm diesmal durch den Kopf schoss ›Erschieß mich‹. Er öffnete die Augen und sah Aristes, der auf einem Stuhl neben dem Fenster saß, von dem er annahm, dass es zu einem Krankenzimmer gehörte.

»Ich bin im Krankenhaus?«, fragte Jasper und zog damit Aristes Aufmerksamkeit auf sich. Aristes trat an das Bett und sah aus, als wüsste er nicht, was er mit sich anfangen sollte.

»Ja, ich habe dich hierher gebracht«, erklärte er und kratzte sich am Arm. »Schien eine gute Idee zu sein. Lass mich den Krankenpfleger rufen, um ihm zu sagen, dass du aufgewacht bist.« Seufzend schloss Jasper die Augen, als Aristes den Raum verließ. Er kehrte mit einem Krankenpfleger zurück, der hellblaue Krankenhauskleidung trug mit einem Mickey-Mouse-Patch auf der Brust. Sein Name war Mark.

»Hallo Jasper. Lange nicht gesehen«, begrüßte er ihn. Nicht weil sie Freunde waren. Mehr, weil er ihn die letzten paar Male zusammengeflickt hatte, als Jasper im Krankenhaus war und Mark sich immer noch an ihn erinnerte. »Lass mich raten. Du wurdest von einem fallenden Klavier getroffen wie eine Comicfigur«, sagte Mark sarkastisch, aber mitfühlend, während er auf die Monitore schaute, an die Jasper angeschlossen war und sich ein paar Dinge notierte.

»Nein«, seufzte Jasper. »Dieses Mal bin ich auf einen Laternenpfahl gestoßen. Und dann bin ich auf einer Socke ausgerutscht und mit dem Kopf gegen eine Wand geknallt.« Mark schnippte mit den Fingern und seufzte mit gespielter Enttäuschung.

»Ah, ich lag fast richtig.« Er sah zu Jasper auf und hakte seine Krankenakte ans Bettende. »Wir werden ein paar Tests mit dir machen, sobald der Arzt dich untersucht hat um sicherzugehen, dass du keine innere Blutungen hast. Was dein Freund da erzählt hat, klang nicht gut. Fühlst du dich schwindelig? Ist dir schlecht?«

»Ja und ja. Ich hab außerdem Kopfschmerzen.«

»Ich schau, dass wir dir was dagegen geben. Nimmst du noch die Schmerzmittel, die wir dir beim letzten Mal aufgeschrieben haben?«, wollte Mark wissen und Jasper bejahte. »Alles klar. Ich schick dann mal den Arzt zu dir. Bis bald.« Mark wollte den Raum bereits verlassen, drehte sich im Türrahmen aber nocheinmal um. »Weißt du, Jasper, du lässt mich an Schutzengel glauben. Du kannst mir nicht sagen, dass niemand auf dich aufpasst, so oft wie wir dich in letzter Zeit zusammen geflickt haben«, sagte er mit einem schiefen Grinsen und tippte sich zur Abschied an die Stirn.

Jasper warf Aristes einen Blick zu und der Dämon schüttelte sofort den Kopf.

»Schau mich nicht so an. Ich bin ein Chaosdämon, keine gute Fee. Das heute war eine einmalige Ausnahme. Wenn ich Hargamon eins auswischen will, brauche ich dich noch.« Jasper wollte etwas erwidern, kam aber nicht weit, da die Tür zum Krankenzimmer nicht nur geöffnet, sondern aufgerissen wurde. Es war Avery, die wie eine besorgte Mutter in den Raum stürmte.

»Wo ist er? Jasper? Geht es dir gut?« Jasper versuchte sich aufzusetzen, entschied aber, dass das eine dumme Idee war, als sich der Raum um ihn herum zu drehen begann.

»Hi Avery. Ich lebe, wie du siehst.«

»Oh, dem Universum sei Dank, du bist okay«, seufzte sie und stellte sich neben Aristes, der ihr einen seltsamen Blick zuwarf, den Jasper nicht entziffern konnte. »Was ist passiert?«, wollte Avery wissen und Jasper gab ihr eine Zusammenfassung der Ereignisse, die zu seiner Einweisung ins Krankenhaus führten.

»Du willst mir sagen, der Fluch hat dafür gesorgt, dass ein Vogelschwarm dich durch den Park gejagt hat?«, wiederholte Avery und versuchte verzweifelt, nicht zu lachen. Sie bedeckte ihren Mund mit ihrer Hand, als Jasper ihr einen verärgerten Blick zuwarf. »Entschuldigung, tut mir leid, das ist wirklich nicht lustig«, sagte Avery und klang, als würde sie mit dem Atmen kämpfen.

»Oh glaub mir, es war sogar sehr lustig«, warf Aristes mit einem süßen Lächeln ein, das er prompt verlor, als Jasper einen seiner Schuhe auszog und ihn nach seinem Kopf warf. »Hey! Es war nur lustig, bis du gegen den Laternenpfahl gelaufen bist. Obwohl nein, eigentlich war das auch irgendwie lustig«, dachte er laut und Jasper schloss stöhnend die Augen.

»Danke für die emotionale Unterstützung, Leute.« Avery tätschelte sanft seinen Arm und lächelte.

»Dafür sind Freunde doch da.«



Drei Stunden, ein CT und einige Gleichgewichts- und Sehtests später wurde Jasper mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung aus dem Krankenhaus entlassen und der Anweisung, im Bett zu bleiben und anzurufen, wenn sich sein Zustand verschlechterte. Sie fanden weder innere Blutungen noch anderweitige Verletzungen in seinem Kopf. Allerdings meinte der Arzt, sie hätten seltsame Schatten auf den Bildern gefunden. Wahrscheinlich war es nichts, aber er sollte es überprüfen lassen, wenn er sich besser fühlte, nur um sicherzugehen.

»Bei meinem Glück habe ich in den letzten zwei Monaten einen Tumor entwickelt«, murmelte Jasper mit dem Befund in der Hand. Sie waren dabei das Krankenhaus zu verlassen. Jasper saß in einem geliehenen Rollstuhl, den Aristes die Straße entlang schob, während Avery neben ihnen her lief.

»Mein Tipp wäre, dass der Fluch versucht, dich von innen anzugreifen«, sagte Aristes. Jasper ließ sich tiefer in den Rollstuhl sinken und vergrub sein Gesicht in den Ärmeln seines Hoodies.

»Tut mir jemand den Gefallen und nockt mich wieder aus?« Er spürte, wie Aristes ihm auf die Schulter klopfte.

»Ich bin ungern derjenige, der dich darauf hinweist, aber es scheint, als würde dir die Zeit davonlaufen.«

»Wir sollten so schnell wie möglich mit Selene sprechen«, sagte Jasper und erntete einen besorgten Blick von Avery. »Wir wissen, wo sie ist. Mehr oder weniger. Wir könnten sie heute besuchen, um sie um Hilfe zu bitten.«

»Nein. Keine Widerrede«, sagte Avery und zeigte mit dem Finger auf Jaspers Gesicht. »Du gehst nach Hause und ins Bett. Lass mich das machen. Und Aristes. Wir können das tun, während du an dem Ort bleibst, der dich höchstwahrscheinlich nicht umbringt.«

»Du weißt schon, dass ich die Gehirnerschütterung zumindest teilweise zu Hause zugezogen habe«, warf Jasper ein, doch Avery schüttelte nur den Kopf.

»Ich wähle hier das kleinere Übel. Und im Bett zu bleiben ist besser, als wieder von einem Auto überfahren zu werden.« Jasper, der die Vorstellung hasste, unter Hausarrest gestellt zu werden, musste zugeben, dass es nicht so schlimm klang, einige Zeit im Bett zu verbringen. Avery nahm Jaspers Schweigen als Zustimmung.

»Großartig. Ich komme morgen zum Mittagessen vorbei und danach besuchen wir Selene. Was sagst du, Aristes?«

»Hm?«, fragte der Dämon zerstreut. »Oh ja. Natürlich. Was immer du sagst«, er nickte und Avery lächelte.

»Es ist ein Date.« Aristes runzelte die Stirn.

»Ich will nicht unhöflich klingen, Avery, aber du bist wirklich nicht mein Typ.« Avery und Jasper sahen den Dämon gleichermaßen verdutzt an, bevor sie in Gelächter ausbrachen.

»Au, bring mich nicht zum Lachen«, beschwerte sich Jasper und hielt seinen schmerzenden Kopf, während Avery kicherte und nach Luft schnappte.

»Du hast nichts von dem mitbekommen, was ich gesagt habe, oder?«, wollte sie wissen. Aristes hatte zumindest den Anstand, ein kleines bisschen schuldbewusst drein zu blicken. »Sei einfach morgen Mittag hier«, lachte Avery und klopfte ihm auf die Schulter.

Sie verabschiedeten sich von Avery an der Haustür des Apartmentkomplexes das Jasper bewohnte. Sie beugte sich hinunter und drückte einen sanften Kuss auf Jaspers Stirn.

»Pass auf dich auf. Wir sehen uns morgen. Und wag es nicht, dein Bett zu verlassen«, sagte sie streng, bevor sie Aristes einen freundlichen Blick zuwarf. »Und danke, dass du ein Auge auf ihn hast.« Der Dämon sah sie überrascht an.

»Ähm, kein Problem.« Sie sahen zu, wie Avery mit einem Winken die Straße hinunter verschwand.

»Du hast meine Eltern nicht auch angerufen, oder?«, fragte Jasper amüsiert. So sehr er Averys Anwesenheit schätzte, er wollte seine Eltern auf keinen Fall beunruhigen. Aristes schüttelte den Kopf.

»Nö. Avery hab ich auch nicht angerufen.«

»Was?« Jasper sah zu dem Dämon auf, der die Haustür für ihn öffnete. »Woher wusste sie, dass ich verletzt war? Intuition?"

»Keine Ahnung«, erwiderte Aristes. »Sie ist eine Hexe, aber Intuition würde ich das nicht nennen. Etwas an ihrer Magie fühlt sich komisch an und ich kann nicht genau sagen, was«, überlegte er laut. Er sah Jasper an. »Vielleicht solltest du mal mit ihr reden.«

»Ist notiert.«



Aristes schob Jasper in den Hausflur hinein in Richtung Aufzug – und blieb abrupt stehen, als sie den Höllenhund oben auf dem Treppenabsatz sitzen sahen. Es war eine große, wolfsähnliche Kreatur mit langem, dunkelgrauem Fell. Die roten Augen glühten wie LED-Lichter und bei jedem Atemzug kamen Rauch und kleine Flammen aus seinem Maul. Auf dem einfachen Halsband aus Metall waren eine Reihe von Siegeln und Runen eingebrannt. Der Höllenhund hob seine Schnauze in die Luft und schnüffelte, während dunkle Flüssigkeit aus seinem Maul auf den Fliesenboden tropfte. Könnte Blut sein. Oder auch nicht. Jasper war nicht scharf darauf, es herauszufinden.

Der Blick des Höllenhunds traf auf Jasper. Mit einem Knurren sprang er die Treppe herunter und stürzte sich auf ihn. Bevor einer von ihenn reagieren konnte, landete der Höllenhund auf Jasper und vergrub seine scharfen Krallen in seiner Brust. Jasper schrie auf und stieß das Wesen mit Händen und Fuß von sich. Aristes kam von der anderen Seite und packte den Höllenhund am Halsband um ihn weiter weg zu ziehen.

»Nein! Böser Hund. Aus«, rief er und packte das Halsband fester, als der Höllenhund sich wehrte. Er knurrte und versuchte Aristes zu beißen, doch sein Griff am Halsband war unnachgiebig. »Sag mir, wer dich geschickt hat, oder wir spielen mit dir als Ball, bis du weinst.« Der Höllenhund kämpfte wieder gegen den Griff und zerrte Aristes beinahe durch den Korridor. Aristes trat mit genug Kraft auf seinen flauschigen Schwanz, um Jasper zusammenzucken und den Höllenhund vor Schmerzen aufheulen zu lassen. »Raus mit der Sprache. Ich bin kein geduldiger Dämon.«

»Hargamon hat mich geschickt«, bellte der Höllenhund mit rauer Stimme und starkem Akzent. »Er hat mir befohlen, den verfluchten Menschen zu töten und ihm die Seele zu bringen.« Die Runen an seinem Kragen bewiesen, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. Aristes erkannte den Bannzauber und Hargamons Siegel. »Lass mich los, Dämon. Ich muss meinen Auftrag erfüllen«, knurrte der Höllenhund und versuchte, sich aus Aristes Griff zu befreien, um Jasper anzugreifen, mit ausgestreckten Krallen und feuerqualmendem Mund.

»Nope. Das ist meine Seele und Hargamon weiß das. Er ist verrückt«, schnaubte Aristes.

»Oder gierig«, murmelte Jasper.

»Ein Vertrag ist das einzige Heilige, an das ein Dämon glaubt«, widersprach Aristes und Jasper sah ihn ungläubig an.

»Oder anders gesagt, du bist das Einzige, was zwischen ihm und meiner Seele steht. Seitdem du mich vor diesem fallenden Topf gerettet hast.«

»Musst du wirklich den Blumentopf vor ihm erwähnen?«, stöhnte Aristes und meinte damit den Höllenhund, der immer noch gegen seinen Griff kämpfte.

»Ja, ich kann nicht wirklich sagen, dass es mir leid tut«, lächelte Jasper, was Aristes für einen Moment erwiderte, bevor er wieder ernst wurde.

»Du«, sagte Aristes und sah dem Höllenhund direkt in seine dunklen Augen. Mit einem Mal sah Aristes viel einschüchternder aus, als Jasper ihn je gesehen hatte. »Ich werde den Befehl brechen, den Hargamon dir gegeben hat. Sag ihm, wenn er jemals wieder versucht, einen Finger an diese Seele zu legen, werde ich ihn und jeden, den er schickt, finden und wie eine Zwiebel auseinandernehmen. Schicht für Schicht, wie sie es in der Hölle mit den Seelen von Sündern tun. Verstanden?« Der Höllenhund knurrte unzufrieden, nickte aber schließlich, da er keine andere Wahl hatte.

Aristes Hand verwandelte sich in Rauch und dann in klauenbesetze Finger, die zu seiner wahren Gestalt gehörten. Er rief eine kleine Flamme herbei, die wie Kerzenlicht über seinen Zeigefinger flackerte. »Das wird weh tun, tut mir leid«, sagte er leise, bevor er mit dem Zeigefinger das Metallhalsband berührte. Die Flamme wurde vom Metall absorbiert wie Wasser von einem Schwamm. Der Höllenhund heulte vor Schmerz, während Jasper zusah, wie sich die Symbole auf dem Halsband verwandelten.

»Was machst du?«, wollte er wissen.

»Ich kann den Bann, den Hargamon über ihn gelegt hat, nicht aufheben. Nur er kann, das, da er der ursprüngliche Beschwörer ist, aber ich kann ihn ein wenig verwandeln«, antwortete Aristes und sah zu, wie das Halsband sanft glühte, bevor er den Höllenhund losließ. Das Wesen sank auf die Fliesen und sah so erschöpft aus, als wäre er stundenlang gerannt. Aristes Hand nahm wieder ihr menschliches Aussehen an, bevor er zur Haustür ging und sie öffnete. »Komm schon, raus mit dir, bevor dich jemand sieht«, sagte er. Der Höllenhund stand auf und trottete hinaus, nicht ohne ein letztes Mal an Aristes Schuhen zu schnuppern, als wollte er ›Danke sagen.

Ohne weitere Zwischenfälle brachte der Dämon Jasper in seine Wohnung, wo Jasper direkt ins Badezimmer humpelte.

»Ich würde gerne sagen, sei vorsichtiger, aber noch vorsichtiger und du musst dich auf dem Dachboden einschließen und nie wieder raus kommen«, sagte Aristes. Er stand neben Jasper im Badezimmer. »Und selbst dann, bei deinem Glück würde vermutlich der Boden unter deinen Füßen einbrechen.« Jasper zerrte an seinem Hoodie und dem T-Shirt darunter, bis beides ausgezogen war, um einen Blick auf die Schnittwunden auf seiner Brust werfen zu können, die der Höllenhund hinterlassen hatte. Sie war tief, aber nicht tief genug um besorgniserregend zu sein. Jasper hatte schon Schlimmeres erlebt. Was leider nicht dazu fürte, dass es weniger weh tat.

Jasper nahm den Waschlappen, hielt ihn unters Wasser und tupfte ihn dann über die Wunde, um sie zu säubern. Als der Stoff auf seine Haut traf, sog er zwischen zusammengebissenen Zähnen scharf die Luft ein.

»Zumindest sieht die Wunde sauber aus«, zischte Jasper. »Ich habe wirklich keine Lust auf eine Blutvergiftung.« Aristes Lippen verzogen sich kurz zu einem kleinen, mitfühlenden Lächeln. Er sah dabei zu, wie Jasper seinen Medizinschrank durchwühlte, auf der Suche nach der Tinktur, die seine Großmutter ihm gegeben hatte. Jedes Mal, wenn er die Arme hob, zischte er vor Schmerz. Seine Rippen müssen mehr abbekommen haben, als momentan sichtbar war. Mit einem leisen Seufzen legte Aristes seine Hände auf Jaspers Schultern, um ihn aus dem Weg zu schieben.

»Komm, setz dich. Ich helf dir.« Verblüfft tat Jasper wie befohlen und setzte sich auf den Wannenrand, während Aristes die richtige Tinktur, ein paar Verbände und etwas, das wie eine von Jaspers Ersatzrasierklingen aussah, ausfindig machte.

»Was hast du...«, begann Jasper, aber Aristes brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen. Er öffnete die kleine Flasche, die nach bitteren Kräutern und Alkohol roch und stellte sie auf den Waschbeckenrand, bevor er die Rasierklinge nahm und gegen seine Handfläche drückte. Dunkles Blut tropfte aus der Schnittwunde und in die Tinktur als Aristes seine Hand darüber hielt. Jasper sah ihn erschrocken an.

»Was zum Teufel machst du da, Aristes?«

»Ich sorg dafür, dass der Schnitt etwas schneller heilt. Dämonenblut«, erklärte er, während er die Rasierklinge reinigte und seine Hand sauber leckte. Die Wunde hörte sofort auf zu bluten und Jaspers Herzschlag beschleunigte sich.

»Hier«, Aristes nahm die Flasche und tupfte die Mischung auf ein Wattepad. Dann kniete er sich vor Jasper, dem es erneut die Sprache verschlug und begann, die Schnittwunden und Prellungen mit der flüssigen Medizin zu tränken. »Sollte morgen oder so wieder in Ordnung sein.« Jasper schluckte schwer, die sanfte Berührung von Aristes Fingern auf seiner Haut ließ seinen Puls rasen, während sein ahnungsloser Dämon vor ihm kniete und sich mit so viel Geduld und Sanftmut um ihn kümmerte, wie er es nie für möglich gehalten hätte. Aristes steckte voller Überraschungen.

»Danke«, sagte Jasper als Aristes aufstand und anfing, die Sachen wegzuräumen. Aristes sah ihn einen Moment lang an, die hellen Augen sanft im Licht der Badezimmerlampe.

»Gern geschehen.«



Aristes entschied, dass er völlig und hoffnungslos am Arsch war. Er stürzte sich wissentlich und kopfüber in eine Katastrophe und empfand keinerlei Reue. Er konnte Kadriels selbstgefällige Stimme in seinem Hinterkopf hören, die ihm sagte, dass er zu schnell und zu leicht an Menschen hing.

Und das schlimmste war, das Kadriel Recht hätte. Aristes würde es zwar nie laut zugeben, aber er sah keinen Sinn darin, sich selbst vorzulügen, dass er Jasper mehr mochte, als er sollte. Es war so einfach ihn um sich herum zu haben. Es fühlt sich an, als würden sie sich seit Jahren kennen, anstatt in den wenigen Wochen, die es tatächlich waren.

Mit einem Seufzer starrte Aristes hinauf zum Mond, der teilweise hinter einer Wolkendecke verborgen war, während er durch die schlafende Stadt stapfte.

Das absolut Schlimmste war die Tatsache, dass er nicht nur ernsthaft an diesem lächelnden und süßen Menschen hing, sondern auch die damit verbundene Sorge. Aristes stöhnte innerlich. Denn natürlich hasste ihn das Universum und er musste außgerechnet einen Menschen mögen, der zu Tode verflucht war. Aristes war für diese Art von Stress nicht gerüstet. War er noch nie. Er brachte ihn dazu, dumme Dinge zu tun, wie die, die er nun vorhatte.

Hat er seinen Plan zu Ende gedacht? Nicht wirklich. (Seien wir mal ehrlich, wann hatte er das jemals getan?)

Würde er es trotzdem durchziehen? Auf jeden Fall.

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