between the shadow and the so...

By hesitantspacewitch

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»Mein Name ist übrigens Aristes. Hier ist meine Telefonnummer, falls du mich anrufen musst.« »Deine Telefonnu... More

Vorwort
Kapitel 1 - Buttermesser und andere Gefäße in die man Dämonen verbannen kann
Kapitel 2 - Ein Grundkurs im verflucht-werden
Kapitel 4 - Die U-Bahn in die Unterwelt
Kapitel 5 - (un)brauchbare Dämonen
Kapitel 6 - Die Wahl zwischen sterben und dahinscheiden
Kapitel 7 - Die Möglichkeiten der Hexerei
Kapitel 8 - Der Fluch schlägt zurück
Kapitel 9 - Die Rückkehr des Buttermessers
Kapitel 10 - Buttermesser Teil 3
Kapitel 11 - Ein Plan
Kapitel 12 - Die Opferung
Kapitel 13 - Ein Dämon und ein Nephilim betreten gemeinsam die Unterwelt.
Kapitel 14 - In dem Avery verletzt wird.
Kapitel 15 - Wie man einen Fluch bricht
Epilog

Kapitel 3 - Ein fantastischer Tag zum sterben

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By hesitantspacewitch

»Einen schönen Tag noch!«, sagte die Frau in der Apotheke und Jaspers Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das hoffentlich nicht wie eine Grimasse aussah. Er nahm die Türe mit Medikamenten und trat langsam nach draußen in das bewölkte Frühlingswetter, gestützt auf ein Paar Krücken, die er dank seines gebrochenen Fußes brauchte.

Schönen Tag?, dachte er bitter. Es ist schon eine Weile her, dass er so einen hatte. Um genau zu sein, waren seine letzten siebenundzwanzig Tage schrecklich gewesen. Nicht wegen der bevorstehenden Prüfungssaison an der Uni oder weil er in einer winzigen Wohnung lebte, die ehrlich gesagt eher einem begehbaren Kleiderschrank als einer Wohnung glich. Auch nicht, weil sein Computer, den er irgendwie für die Uni brauchte, kaputt gegangen war oder weil er neulich Kaffee über seine neue Jacke verschüttet hatte, nein. All dies war beschissen, aber im Moment nicht seine Hauptsorge. Er konnte mit dem Pech umgehen.

Womit er nicht umgehen konnte, war die Tatsache, dass das Universum in den letzten siebenundzwanzig Tagen auf ihn aus war. Buchstäblich. Er hatte ein brennendes Mal auf seiner Brust, um es zu beweisen. Es war wie eine schwarze Wolke des Unglücks und der Katastrophe, die sich an ihn klammerte und versuchte, ihn umzubringen. Die Schutzzauber seiner Mutter, Tante und Großmutter waren der einzige Grund, warum er noch am Leben war. In den letzten siebenundzwanzig Tagen hatte er einen Autounfall überlebt, wurde von einem Radfahrer überfahren, versehentlich ins Gesicht geschlagen, jemand hatte kochendes Wasser über seinen Schritt gegossen, er fing sich eine Lebensmittelvergiftung ein durch einen etwas zu alten Salat und verbrachte ein paar Tage damit, alles zu erbrechen, was er schluckte. Außerdem zerbrach er seinen Wandspiegel indem er ohne Vorwarnung aus der Halterung kippte und auf Jasper fiel. Glücklicherweise waren die meisten Schnittwunden nicht besorgniserregend. Lediglich der Schnitt an seiner Hand hatte so stark geblutet, dass er genäht werden musste. Die Schwestern im Krankenhaus fingen an, ihn misstrauisch zu beäugen, nachdem er dank einem Rippenbruch noch einmal dort war, weil er ein paar Stufen hinunter fiel, als er versuchte, seine Krücke, ein Paket, seinen gebrochenen Körper und die Einkaufstüten auf einmal zu balancieren.

Nein, er hatte keinen Todeswunsch. Jasper war verflucht. Obwohl er den Krankenschwestern nicht wirklich sagen konnte, dass er verflucht worden war. Er war nicht scharf darauf, dass sie dachten, er sei verrückt. Also machte er seine neu gewonnenen Ungeschicklichkeiten für seine Verletzungen verantwortlich.

Im Moment lief Jasper langsam nach Hause, seine Umgebung beäugend wie ein wachsamer Falke der hinter jeder Ecke eine neue Katastrophe erwartete. Seine Paranoia wurde verständlicherweise schlimmer, je länger er mit dem Fluch herumlief.

Anfangs hatte er sich noch einzureden versucht, dass es vielleicht doch kein Fluch war, das der Dämon hinterlassen hatte. Man konnte es ihm nicht verdenken, oder? Immerhin passiert es nicht jeden Tag, dass man versehentlich einen Dämon beschwörte und verflucht wurde. Als er seiner Mutter erzählte, was geschehen war, schickte sie ihr direkt ins Badezimmer für eine Runde Reinigungsbäder, bevor sie ihn zwang, einen Liter ihres hausgemachten Tees zu trinken, der nach Salbei und Erde schmeckte. Es hatte dem Fluch fürs erste die Schärfe genommen. Zumindest redete Jasper sich das ein, als er in der Notaufnahme des Krankenhauses aufwachte, nachdem er auf dem verdammten Bürgersteig von einem Auto überfahren worden war. Offenbar wurde der Fahrer bewusstlos und lenkte von der Straße ab. Kein Wunder, dass Jasper Schlafprobleme hatte und auch im Wachzustand ständig in Alarmbereitschaft war.

Das Schlimmste war, es geschah nicht nur draußen. Jasper wagte es nicht mehr, irgendetwas in seiner Küche anzufassen, nachdem die Mikrowelle einen Kurzschluss hatte und ohne ersichtlichen Grund fast explodierte. Er musste die Messer in eine Schublade sperren, nachdem er sich fast den Zeh abgeschnitten hatte, weil die Klinge vom Griff abgebrochen war. Der Herd ging in Flammen auf, als er versuchte, eine Suppe aufzuwärmen wodurch er sich die Augenbrauen versengte (die zum Glück nachwuchsen, bevor er wieder ins Krankenhaus eingeliefert wurde). Oh, und nicht zu vergessen, der Abend an dem er naiver Weise gewagt hatte, die Dusche zu benutzen, ausrutschte und sich den Kopf so hart anschlug, dass er sich sicher war, dass er für eine Weile ohnmächtig geworden war. Seitdem lebte er von Müsli und seifenlosen Bädern. Alles in allem war Jasper fix und fertig und fest entschlossen, diesem Fluch ein Ende zu bereiten.

Aber zuallererst musste er nach Hause, ohne in einen weiteren Unfall verwickelt zu werden. Was selbstverständlich genau der Moment war, in dem Jasper von einem fallenden Blumentopf getroffen wurde.

Oder er wäre getroffen worden, wenn ihn nicht jemand aus dem Weg gezogen hätte. Der Blumentopf krachte neben ihm auf den Gehweg und zerbrach mit einem lauten klirren auf dem Beton. Erschrocken erstarrte Jasper, sah auf die Erde und die weißen Lilien, die zwischen den Tonscherben auf dem Boden lagen und dachte, dass dies sein Kopf hätte sein können. Dann sah er den Kerl an, der ihn am Arm gepackt hatte und lächelte erleichtert.

»Danke, Mann«, sagte er und sah in das Gesicht eines dunkelhaarigen Typen der ihn ansah, als hätte er einen Geist gesehen. Er bemerkte, dass er immer noch Jaspers Arm hielt und ließ ihn los, als ob er sich verbrannt hätte.

»Hey, alles in Ordnung?«, fragte Jasper besorgt. Der Typ zwang sich zu einem Lächeln, das zu strahlend aussah.

»Ja klar. Alles bestens.« Jasper wollte etwas sagen, wurde aber von der Frau, der der Blumentopf gehörte, unterbrochen.

»Oh mein Gott, geht es dir gut? Es tut mir so leid!«, rief sie und Jasper sah zu den Frauen auf, die durch das Fenster im zweiten Stock schauten, aus dem der Blumentopf gefallen war. Er nickte.

»Ja, alles ist gut. Er hat mich gerettet«, erwiderte Jasper, doch als er wieder nach unten schaute, war der Typ schon weg.

Huh, seltsam, dachte Jasper.



Aristes hatte es nicht mit Absicht getan, okay? Es ist ein Unfall gewesen. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort und es ist einfach so passiert. Er hat eher nach Instinkt als nach Logik gehandelt und jetzt würde er dafür bezahlen.

Die drohende Gestalt von Hargamon, einem der unzähligen Dämonen der Hölle, blickte mit rot leuchtenden Augen hasserfüllt und angewidert auf Aristes herab. Hargamon wählte seine natürliche Form für dieses Treffen, hauptsächlich in dem Versuch seine Dominanz zu beweisen. Was lächerlich war, denn selbst in seinem Albtraum-Outfit, das aus dürren, ledrigen Gliedmaßen und bluttropfenden Reißzähnen bestand, war Aristes nicht so eingeschüchtert, wie Hargamon es sich gewünscht hätte. Nicht, weil die Situation nicht ernst war (was sie war! Hargamon war wütend und ein wütender Dämon war ein tödlicher Dämon), sondern vielmehr, weil Aristes nichts zu verlieren hatte. Und Hargamon konnte ihn nicht einfach so töten. Der Papierkram wäre furchtbar.

Was Aristes mehr beunruhigte, als die sich zusammenbrauende Gefahr, die Hargamon darstellte, war sein Ruf. Er konnte die anderen Dämonen bereits halblaut hinter seinem Rücken tratschen hören als wäre er das neueste Gespött auf der Clownversammlung die die Unterwelt darstellte. Nachrichten wie diese und Nacherzählungen von dem, was er getan hatte, verbreiteten sich in der Unterwelt schneller als ein Lauffeuer. Aristes wusste, wenn er jemanden fürchten musste, dann seine Vorgesetzten, nicht Hargamon. Er war, wie Aristes auch, nur eine Schachfigur in den kalten, mysteriösen Fingern des Herrscherhauses der Unterwelt. Leider hatte sich ausgerechnet diese Schachfigur in den Kopf gesetzt, Aristes das Leben zur Hölle zu machen. Wortspiel voll beabsichtigt.

Sie standen sich gegenüber wie zwei rivalisierende Katzen mitten in Hargamons ... Höhle. Aristes wollte es nicht Wohnung nennen, weil... nun, weil es eben eine schlecht ausgegrabene Höhle mitten in der Unterwelt war. Es gab keine Fenster, die einzige Lichtquelle waren die biolumineszenten Stalaktiten, die von der Decke hingen. Es vermittelte Aristes den Eindruck, im offenen Maul eines Monsters zu stehen, das ihn jeden Moment auffressen würde.

»So«, schnurrte Hargamon wie ein Jäger, der seine Beute in einem falschen Gefühl von Sicherheit wiegte, bevor er sie mit einem sauberen Schnitt durch die Kehle tötet. »Kannst du mir erklären, warum du den Menschen gerettet hast?« Aristes verzog das Gesicht. Das würde die Unterwelt ihm nie vergessen.

»Könnte ich, aber ich glaube, die Antwort würde dir nicht gefallen«, erwiderte er und Hargamon schnaubte.

»Überrasch mich.«

»Es war ein Unfall«, sagte Aristes und der Dämon blies eine übel riechende Rauchwolke aus.

»Du lagst falsch. Nicht nur gefällt mir deine Antwort nicht. Ich hasse sie.« Hargamon stürmte auf Aristes zu und warf sich auf den kleineren Dämon. Aristes wich gerade noch rechtzeitig mit einem undämonischen Quietschen aus und tauchte hinter eine Säule. Er schrie wieder, als Hargamon gegen die Säule über seinem Kopf schlug und den Stein pulverisierte, als wäre er aus Sand. Aristes rannte.

»Ich wollte den Menschen nicht aus der Schusslinie bringen! Ich wusste gar nicht, dass er dein Ziel ist«, schrie Aristes und duckte sich hinter die Ledercouch, um den Kugeln aus Höllenfeuer und Asche auszuweichen, die Hargamon auf ihn schleuderte, nachdem er ihn nicht zu fassen bekam.

»Ist mir egal«, spuckte Hardamon aus. »Halt dich raus aus meinem Kram oder du wirst es bereuen. Der Mensch lebt noch, weil du dafür gesorgt hast, dass ihm nicht der Kopf zerschmettert wurde und ich werde dich für deine Inkompetenz bezahlen lassen.«

»Meine Inkompetenz?«, plapperte Aristes ungläubig nach. Diese Vorlage war zu gut, um kein Salz in die Wunde zu streuen. »Dann sag mir, wie ist er dir überhaupt entkommen? Könnte es sein, dass du nicht stark genug warst, die Seele dieses Typen zu fressen und ihn stattdessen gehen lassen mussten?«

»Warte nur bis ich dich im meine Finger kriege, du kleines Stück ...«, unterbrach Hargamon sich, als Aristes Körper plötzlich zu verblassen begann, wie verdünnte Wassermalfarben. Aristes sah an sich herunter, als das vertraute Gefühl einsetzte, als würde die reale Welt um einen herum sich auflösen. Es war wie in einem dieser Träume, in denen man rückwärts in ein bodenloses Kaninchenloch fiel. Es war der gnadenlose Zug an seinem ganzen Wesen, der ihn zur Hexe hinzog, ob er wolltest oder nicht. Man hatte keine andere Wahl, als dem Ruf zu folgen. Es war ein Naturgesetz so gnadenlos wie die Schwerkraft selbst.

Aristes grinste Hargamon an, als ihm klar wurde, dass dies der perfekte Weg war, um davonzukommen. Er hob zum Abschied einen Arm, um aus dem Rauch seiner nicht menschlichen Gestalt seine Hand zu materialisieren. Das letzte, was von ihm verschwand, war sein Mittelfinger. Hargamon beschwörte die Waffe seiner Wahl – einen altmodischen aber massiven Speer – und warf sie nach ihm, aber Aristes war bereits verschwunden.



Später am selben Tag schlurfte Jasper durch seine Wohnung und war dabei, alles einzusammeln, was er für das Ritual brauchte. Es war Neumond, der die Welt mit neuen Möglichkeiten und frischer Energie erfüllte. Es war an der Zeit, seinen Fluch loszuwerden.

Jasper hatte es geschafft, ein Reinigungsbad zu nehmen, um sich selbst in Salz, Basilikum und Kamille einzuweichen (wobei letzteres mehr für seine Kopfschmerzen als für alles andere war, da mit einem Gipsverband ein Bad zu nehmen ein höllischer Akt war). Die weiße Kerze, die er angezündet hatte, brannte noch, als er sie vom Badezimmer ins Wohnzimmer trug und auf den Holzfußboden stellte, auf dem er gleich ein Pentagramm malen würde. Jasper sah sich noch einmal seine Werkzeuge an und vergewisserte sich, dass alles, was er brauchte, in Reichweite lag. Dann nutzte er die weiße Kerze um die schwarzen, die auf dem Boden standen zu entzünden und schlüpfte in das Gewand, das ihm seine Eltern zu seinem siebzehnten Geburtstag geschenkt hatten.

Die Robe war in schlichtem schwarz gehalten mit einem seidigem Glanz und Dreiviertelärmeln. Seine Mutter hatte sie selbst gemacht und sowohl Schutzzauber als auch Kristalle hinein genäht, genau so wie ihre Mutter es auch für sie getan hatte. Es war ein Ritual, so alt wie die Zeit selbst, hatte ihm seine Oma erklärt. Zum siebzehnten Geburtstag erhielt das Kind der Familie ein handgefertigtes Gewand, als Zeichen des Erwachsenseins. Eine gemischte Botschaft aus ›Wir werden immer für dich da sein, aber du bist jetzt alt genug, um auf eigenen Füßen zu stehen und dein Leben so zu leben, wie du es für richtig hältst‹. Jasper stammte aus einer okkulten Familie und war immer noch der Meinung, dass es eines der bedeutendsten Geschenke war, die er je erhalten hatte.

Jaspers Familie als normal zu bezeichnen, wäre nicht nur falsch, sondern auch ein wenig lächerlich. Sie waren so offensichtlich nicht normal, dass Jasper sich nie die Mühe gemacht hatte, etwas anderes zu behaupten. Die Adjektive, mit denen Jaspers Familie (und er selbst) in der Vergangenheit bezeichnet worden waren, lauteten wie folgt: schräg, seltsam, verrückt, gruselig (von Jaspers Mitschülern), cool und abgefahren (laut Avery, die ebenfalls Hexe und Jaspers beste Freundin war), eine Misserfolgswahrscheinlichkeit für die erfolgreiche, weiterführende Edukation an der Schule (Jaspers Lehrerin, nachdem man seine Tarotkarten konfisziert hatte, weil er sie seinen Mitschülern für zwei Euro pro Sitzung in der Mittagspause legte. Leider waren seine Eltern der Meinung, dass er mit seinem Talent noch mehr Geld hätte verlangen sollen und man sparte es sich, sie in Zukunft wegen solcher Vorfälle zu kontaktieren.)

Jetzt könnte man denken, Jasper hätte seine Schulzeit damit verbracht, ein Außenseiter zu sein, den man hoffnungslos schikanierte. Gerade wegen seiner unterdurchschnittlichen Größe, neigte man dazu, ihn zu unterschätzen. Aber was ihm dort fehlte, machte er an Kraft und Schnelligkeit wieder wett, was ihm nicht nur einen Platz in der gefeierten Eishockeymannschaft der Schule eingebracht hatte, sondern auch dafür sorgte, dass seine Mitschüler ihn in Ruhe ließen, obwohl er manchmal Eyeliner trug, eine seltsame Familie hatte und Ketten trug, die andere für Schmuck hielten. (Nun, das und vielleicht ein oder zwei harmlose Verhexungen, die den Leuten auferlegt wurden, wenn sie versuchten, ihm das Leben schwer zu machen.)

Jetzt war Jasper an der Universität und es interessierte niemanden so wirklich, ob er sich Hexe nannte oder nicht, da es dringendere Dinge gab wie Vorlesungen und ob man es sich leisten kann, zum Mitnehmen zu bestellen oder es doch wagen musste selbst zu kochen. Nicht, dass die Leute ihm wirklich glaubten, wenn er erwähnte, dass er Hexerei praktizierte. Was vermutlich auch besser so war.

Mit einem Stück Kreide in der Hand setzte Jasper sich meinem seinem eingegipsten Bein umständlich auf den Holzboden, den er zuvor freigelegt hatte, indem er seinen Teppich zur Seite gerollt hatte. Der Peridot-Anhänger um seinen Hals schwang in sein Blickfeld, als er begann, Linien und Kurven zu zeichnen, die ein einfaches, aber mächtiges Pentagramm bildeten. Jasper hatte den Anhänger der Halskette vor einigen Jahren in einem seiner Kunstkurse selbst angefertigt, indem er den Edelstein in Silberdraht wickelte und an einer zarten Metallkette befestigte. Peridot wurde benutzt, um vor physischem sowie emotionalem Gift schützen. Etwas, das er momentan wirklich gebrauchen konnte.

Die Vorbereitungen für das heutige Ritual waren sehr viel sorgfältiger als beim letzten Mal - das heißt, wenn man das letzte Mal ein Ritual nennen konnte. Jasper beendete das zweite Pentagramm, das er für sich selbst gemalt hatte und kämpfte sich wieder auf die Beine. Seine Krücken lagen auf der Couch, da Jasper beide Hände brauchte für das, was kommen würde.

Er nahm eine Schüssel mit Salz, streute es um das Pentagramm herum, bevor er die Gläser mit Salbei und Rosmarin nahm und sie zwischen seinen Fingern rieb, um einige der ätherischen Öle darin freizusetzen. Die Kräuter wurden auch auf dem Boden und um das Pentagramm herum ausgebreitet und bildeten so eine Schutzbarriere. Bei dem Gedanken ans Aufräumen graute es ihm bereits.

Jasper sah sich ein letztes Mal um, überprüfte in Gedanken die Liste mit den Vorbereitungen für das Ritual und inspizierte die Symbole, die das Pentagramm umgaben. Aber es war alles so, wie seine Mutter es ihm beigebracht hatte. Er war bereit.

Jasper stand in seinem eigenen Pentagramm, darauf bedacht, sein gebrochenes Bein nicht zu stark zu belasten, aber dennoch mit geradem Rücken und einem festen Blick, zu stehen und jedes Quäntchen Selbstvertrauen, das er besitzte in seine Haltung fließen zu lassen. Schwäche war wie Katzenminze für Dämonen und er würde nicht mehr als nötig zeigen. Denn jetzt, wo es Zeit war, den Dämon zu beschwören, war Jasper nervös. Er hatte Beschwörungsrituale gesehen und daran teilgenommen, entweder mit seiner Familie oder dem Zirkel, aber er musste nie selbst eines vorbereiten. Würden die Zauber- und Schutzbarrieren funktionieren? Würde er den Dämon überreden können, einen Vertrag mit ihm abzuschließen? Oder würde es in Chaos und Tod enden. Andererseits war er bereits verflucht. Wie viel schlimmer konnte es noch werden?

Jasper schloss seine Augen und konzentrierte sich auf seine Atmung. Die Wohnung war still und dunkel, abgesehen vom Kerzenlicht und dem schwachen Schein einer Straßenlaterne, die durch das Fenster leuchtete. Er machte sich nicht die Mühe irgendwelche Vorhänge zu schließen, denn der Blick aus seinem Wohnzimmer endete an der Backsteinmauer des Nebengebäudes.

Jasper beendete seine Erdung, bevor er sein Bewusstsein öffnete und in die Unterwelt rief. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Der Dämon erschien leise und ohne Vorwarnung. In einem Moment war die Wohnung leer und im nächsten konnte Jasper die Bewegung in der Luft spüren, die fremde Energie, die durch den Raum strömte. Langsam öffnete er die Augen.

Der Dämon sah aus wie eine Säule aus schwarzem Rauch und Federn, die über dem Pentagramm wirbelte und sich bewegte, als wäre sie von einem unsichtbaren Windstoß erfasst worden. Ein Paar schwarzer Augen mit silberner Iris sah sich in der Wohnung um und landete mit einem schmalen Ausdruck auf Jasper. Es entstand eine kurze Pause, dann blitzte so etwas wie Wiedererkennung in seinen Augen auf.

»Oh, du machst wohl Witze«, rief der Dämon und überraschte damit Jasper. »Ich meine, nichts gegen dich. Ich denke, ich sollte mich nicht beschweren. Du bist besser als eine weitere Studentenparty, auf der sie mit Dingen herumspielen, von denen sie keine Ahnung haben. Also, was willst du von mir, Mensch?«, fragte der Dämon und klang so gelangweilt wie die Typen im Büro von seinem Vermieter, die Jasper anrufen musste, als sein Schlafzimmer dank einer kaputten Wasserleitung überflutet worden war. Es war nicht die Art von Verhalten, die er von einem Dämon erwartet hatte, besonders nicht nach der letzten Begegnung im Haus seiner Tante.

Stirnrunzelnd beschloss Jasper, direkt zur Sache zu kommen.

»Ich wurde mit einem Totensiegel verflucht ...« Der Dämon sah tatsächlich überrascht aus. Oder zumindest weiteten sich die schwebenden Augen ein wenig. Jasper wertete das als Überraschung.

»Und du lebst noch?«, fragte der Dämon ungläubig. »Diese Menschen werden immer zäher. Aber es erklärt so einiges... «

»... ich brauche deine Hilfe, um es loszuwerden«, fuhr Jasper fort. »Ich habe alles versucht, aber ein Dämon hat mich verflucht, also kann mich nur ein Dämon wieder befreien.«

»Nun, das stimmt, aber ich fürchte ich bin da der Falsche. Ich weiß nicht besonders viel über Flüche. Von daher glaube ich, ist es angebracht, dir viel Spaß beim Sterben zu wünschen. Aber hey, das Leben nach dem Tod ist gar nicht so schlimm, solange du nicht an diesen katholischen Mist glaubst, den man den Leuten einredet. Ich habe Luzifer einmal getroffen. Er ist kein schlechter Kerl«, faselte der Dämon, als ihm etwas einfiel. »Hast du versucht, zu einem Exorzisten zu gehen?«, kicherte er.

»Als ob Menschen etwas über diese Art von Fluch wissen«, schnaubte Jasper.

»Na ja, du bist ein Mensch und kennst sie, also?«

»Ich zähle nicht.«

»Lass mich raten, der Name des Typen, der dich verflucht hat, war Hargamon?« Jasper blinzelte überrascht.

»Ja. Laut dem Zeichen, das er hinterlassen hat. Zumindest vermutet das meine Tante. Deshalb habe ich dich gerufen. Ich möchte mit dir einen Vertrag abschließen«, sagte Jasper entschlossen.

In einem der Bücher über Dämonologie, die er als Jugendlicher gelesen hatte, stand, dass ein Vertrag normalerweise bedeutete, seine Seele an den Teufel zu verkaufen. Aber was die meisten Leute nicht wussten, war, dass es noch andere Dinge gab, die Dämonen begehrten. Weniger greifbare Dinge wie deine Träume und Erinnerungen oder praktische Dinge wie ein Jahr im Dienst des Dämons oder die Übernahme deines Körpers für einen Tag. Womit auch immer man verhandelte, wenn der Vertrag zustande kam, würde der Dämon tun, was man sagt und dabei helfen, jedes Ziel zu erreichen, das Bestandteil des Vertrags war. Jaspers Großmutter sagte immer, einen guten Vertrag mit einem Dämon zu schließen, war so, als würde man einen bissigen Hund zähmen und an die Leine nehmen. Während Menschen im Allgemeinen verloren, wenn sie sich mit Dämonen anlegten, galt dies nicht unbedingt für Hexen. Nach Jahrhunderten des Studiums und der Erfahrung hatten sie gelernt, mit ihnen statt unter ihnen zu arbeiten. Eine Tatsache, die Dämonen widerwillig tolerierten, solange jeder noch wusste, auf welcher Seite der Nahrungskette er letztendlich stand.

Der Dämon beäugte Jasper, wie einen Wurm den er in seinem Salat gefunden hatte. Dann blies er eine schwarze Rauchwolke aus.

»Kein Interesse.«

»... Was?«, fragte Jasper perplex.

»Es ist zu viel Arbeit und darauf habe ich keine Lust.« Der Dämon wedelte mit einer klauenbesetzten Hand in seine Richtung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Und jetzt verpiss dich bitte.«

»Warte, nein! Das kannst du nicht einfach machen. Sind Dämonen sonst nicht scharf auf neue Verträge? Oder wenigstens hungrig auf Seelen?«

»Ugh«, der Dämon verdrehte die Augen. »Diese Vorurteile sind uralt. Schon mal was von veganem Seelenersatzpulver gehört? Sowas gibts. Und es schmeckt besser als man denkt. Außerdem hast du es selbst gesagt: Ich bin ein Dämon, Liebling. Als Gegenleistung für deinen Wunsch würde ich im Grunde deine Schlampe werden und darauf hab ich keinen Bock. Gerade jetzt wo ich die Beförderung zum Chaosdämon bekommen habe, werde ich nie wieder die Dinge tun, die ihr kleinen Menschen mir befiehlt. Umgekehrt macht es viel mehr Spaß.« Die Augen der Dämonen glühten verheißungsvoll. »Vor allem, wenn der Beschwörer vergessen hat, ein Eindämmungssiegel auf mein Pentagramm zu setzen, das mir erlaubt, dem Siegel zu entkommen. Anfängerfehler.« Jasper spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich. Welches Eindämmungssiegel? Warum hatte er davon nichts gelesen? Der Dämon breitete sich aus, Rauch und Schatten entfalteten sich wie eine riesige Mundöffnung, die ihn vollständig zu verschlingen drohte. Kerzen flackerten und die Schränke klapperten wie von einem Erdbeben erfasst. Jasper hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Sein Verstand wurde leer und sein Herz raste so schnell wie das eines Kaninchens, das von einer hungrigen Katze gejagt wurde. Jasper musste dem knochentiefen Drang zur Flucht widerstehen, einen Schritt zurücktreten und sein Pentagramm und damit seinen Schutzkreis verlassen. Aber er tat es nicht. Er schluckte und bereitete sich auf den Angriff des Dämons vor. Aber der vernichtende Schlag kam nie. Stattdessen fing der Dämon wieder an zu lachen. Sofort beruhigte sich das Wohnzimmer.

»Oh mein Gott, dein Gesicht«, kreischte er. Hätte er Knie besessen statt der formlosen Rauchmasse, die seinen Körper repräsentierte, hätte sich der Dämon lachend auf sie gestützt. »Du bist so leicht auszutricksen. Wie heißt du, Mensch?«, fragte er schließlich.

»Jasper«, grummelte er. Der Dämon kicherte immer noch.

»Okay Jasper. Das war ein nettes Gespräch. Aber ich werde jetzt gehen.« Das wollte Jasper überhaupt nicht hören.

»Warte, wenn du keinen Vertrag willst, gibt es etwas anderes, was du haben willst?« Der Dämon blieb stehen und war sichtlich verblüfft.

»Was könnte ich von einem Menschen wollen?«

»Keine Ahnung. Aber ich muss diesen bescheuerten Fluch loswerden.« Der Dämon verstummte für einen Moment. Jasper hielt das für ein gutes Zeichen.

»Jetzt, wo ich darüber nachdenke, könnten wir vielleicht einen Deal machen. Kein Vertrag«, fügte er schnell hinzu, »aber ich könnte versuchen, dir bei deinem kleinen Fluch zu helfen. Im Gegenzug gewährst du mir einen Gefallen, den ich irgendwann in naher Zukunft einlösen kann. Es ist nicht so, als hätte ich momentan etwas Besseres zu tun.« Jasper musste nicht lange überlegen.

»Abgemacht.«

Um einen Vertrag zwischen einem Dämon und einem Menschen zu besiegeln, brauchte es normalerweise Blut, einige Runen und ein paar gesprochene Worte, um einen verbindlichen Pakt zu schließen. Aber in diesem Fall streckte der Dämon einfach eine krallenbesetzte Hand aus Rauch und Federn aus, die Jasper nahm und schüttelte.

»Mein Name ist übrigens Aristes. Scheint nur fair zu sein, nachdem du mir deinen so bereitwillig erzählt hast. Hier ist meine Telefonnummer, falls du mich anrufen musst.« Eine weiße Visitenkarte erschien zwischen Aristes dünnen Fingern und wurde ihm hingehalten, damit Jasper sie nehmen konnte.

»Deine Telefonnummer?«, wiederholte Jasper verblüfft. Er hatte nicht gewusst, dass Dämonen Telefone hatten.

»Ja. Ich meine, du könntest mich auch rufen, indem du einen Altar aufstellst und ein Lamm opferst, aber ich denke, es ist einfacher, mich übers Telefon zu erreichen«, sagte Aristes. »Und, du weißt schon, weniger blutig.« Jasper warf einen Blick auf die Karte in seiner Hand. Sie war aus makellosem weißem Papier hergestellt. Auf der Karte war nur der Buchstabe »A« in schöner Kursivschrift zu lesen. Als Jasper die Karte umdrehte, fand er eine Reihe von Zahlen, die den Telefonkontakt von Aristes bildeten. Er steckte die Karte in die Innentasche seiner Robe.

»Kann ich jetzt gehen?«, fragte Aristes ungeduldig.

»Ja, natürlich«, sagte Jasper und fühlte sich nach allem, was gerade passiert war, leicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Er schloss den Kreis, indem er die Kerzen ausblies und sich für einen Moment auf seine Atmung konzentrierte. Er dankte der Unterwelt, dass sie seinen Ruf erhört hatte und spürte die Energieverschiebung, als sich das Pentagramm schloss. Für einen Moment stand er einfach nur da, konzentrierte sich darauf, sich zu erden, spürte, wie das Gewicht des Rituals und der seltsamen Begegnung langsam dahin flossen.

Als Jasper die Augen wieder öffnete, war der Dämon verschwunden. Er war wieder allein.

Erleichtert humpelte er aus seinem Pentagramm und sank erschöpft auf die Couch. Von den beiden Beschwörungen verlief keine wie in den Büchern, die er zu diesem Thema gelesen hatte, was wahrscheinlich bedeutete, dass er nicht daran denken sollte, eine Karriere als Dämonenbeschwörer zu beginnen. Aber immerhin bekam er, wonach er verlangt hatte. Mehr oder weniger. Ihm blieb nichts anderes übrig, schließlich lag der Fluch wie eine tickende Bombe über ihm.

Da es weit nach Mitternacht war, entschied Jasper, dass das Aufräumen bis morgen warten konnte. Er putzte sich schnell die Zähne und vergewisserte sich, dass die Schutzzauber in seinem Schlafzimmer an Ort und Stelle angebracht waren, bevor er auf sein Bett sank und ein paar Minuten später einschlief.

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