Rukaya - A Slaves Life

By Rebellicgurl

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"Nun haben wir ein schönes, junges Mädchen im Angebot. Sie ist für alles zu gebrauchen und eine gute Köchin... More

Prolog
Kapitel 1 - Tausend
Kapitel 2 - Willkommen
Kapitel 3 - Der Markt
Kapitel 4 - Mondschein
Kapitel 5 - Die Reiter
Kapitel 6 - Die Wüste
Kapitel 7 - Rückkehr
Kapitel 9 - Scherben

Kapitel 8 - Smaragde

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By Rebellicgurl

Entfernt drang ein Trommeln an meine Ohren, erregte Stimmen, gedämpft durch dunklen Stoff, der bis über meine Nase reichte und mich wärmte. Smaragde funkelten vor meinen Augen - leuchtend grün, selbst in der tiefen Dunkelheit. Ich blinzelte, aber sie verschwammen, je mehr ich versuchte, sie festzuhalten. Die Müdigkeit gewann und trug mich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, hatte sich die beißende Kälte in eine angenehme, warme Brise verwandelt. Ich lag auf dem Boden, die Beine angezogen und mit dem Rücken zur Wand. Beim Aufsetzen öffneten sich meine Lippen, als ich einen stechenden Schmerz am Rücken spürte. Dabei rutschte etwas von meiner Brust zu meinem Bauch; ich nahm den weichen, schwarzen Stoff zwischen die Finger - ein Schal.

Verwirrt schaute ich mich um und entdeckte niemanden. Mein Blick wanderte über den mit einer dünnen Schicht feinen Sandes überzogenen Boden. Schuhabdrücke waren in ihn graviert, meine eigenen, die von rechts kamen und zu dem Ort, an dem ich lag führten - und fremde. Größere, breitere Abdrücke, die von festeren Schuhen als meinen Sandalen stammen mussten und von der Biegung links von mir bis vor meinen Körper verliefen.

Ein paar Abdrücke waren nur Zentimeter entfernt und mit den Fußspitzen zu mir gerichtet. Weitere Abdrücke führten erneut den selben Weg aus der Gasse heraus. Ein kalter Schauer kroch meine Wirbelsäule hoch. Die Erinnerung an meinen Traum schoss mir ins Gedächtnis, während ich meinen Fokus wieder auf den Schal brachte. Jedenfalls dachte ich, dass es lediglich ein Traum war, wie jedoch sollte dann der Schal gemeinsam mit den Schuhabdrücken hergekommen sein?

Jemand war hier gewesen, es gab keine andere Erklärung. Jemand, der mich beobachtet hatte - für Sekunden, Minuten, Stunden, während ich ahnungslos schlief. Als säße ich auf Dornen, schoss ich hoch, den Schal noch immer in meiner Faust und bedeckte mein Gesicht.
Ich ging den Weg, den ich gestern hergekommen bin, wieder zurück und blieb stehen, als ich das gewohnte Plätschern von Wasser vernahm. Wenige Meter entfernt befand sich ein kleiner Springbrunnen aus Granit. Drei schmale Wassersträhle schossen aus der Mitte und trafen auf die glatte Oberfläche des Wassers. Ich hatte ihn den Abend zuvor nicht bemerkt und lief auf ihn zu. Ich tauchte meine Hände in das kalte Wasser, wusch den Staub von ihnen und schließlich mein Gesicht. Ich trank mehrere Hände voll und genoss, wie die Tropfen mein Kinn hinunterliefen und eine Gänsehaut auslösten.

Auf dem Weg zur Arbeit entdeckte ich einen Dattelbaum und füllte meine Tasche mit den süßen Früchten. Meine Finger klebten bereits, als ich von Sara begrüßt wurde, die mich zum Frühstück einlud und sich wunderte, dass ich bereits da war. Ich entschied mich, ihr die Wahrheit zu erzählen, nämlich dass ich vorerst keine Unterkunft hatte.
Die nächste Woche schlief ich in ihrem Gästezimmer, welches sie mir solange anbot, bis ich selbst was gefunden hatte. Jeder Tag verlief wie der vorige. Ich wachte auf, ging zur Arbeit, aß zu Mittag, kam nach Hause und ging ins Bett. Abends übte ich mit meinem Dolch, so gut es auf dem engen Raum ging und dachte an die Sichel, die ich an einem Felsen versteckt hatte, bevor ich durch die Tore Dammams lief. Es war unüblich für gewöhnliche Bewohner der Städte eine solche Waffe zu besitzen, soweit man nicht zur Wache des Sultans gehörte. Auf gewisse Weise war ich dankbar für die Eintönigkeit, denn mit ihr fühlte ich mich sicherer und als hätte ich die Kontrolle über mein Leben.
Am Freitag, nach Maghrib, dem Gebet bei Sonnenuntergang leerte sich der Markt. Die Menschen gingen nach Hause und auch das Geschäft war unbesucht. Sara war schon seit mehr als einer halben Stunde durch die Tür des Hinterzimmers gegangen, doch sie hatte vergessen, die Kasse zu leeren. Deshalb bin ich zurückgekommen und wartete nun, doch ich wurde ungeduldig und wunderte mich, was sie tat.

Letztlich ließ ich die Neugier gewinnen und bewegte mich leisen Schrittes hinter den Tresen. Meine Hand schob einen braunen Vorhang im Türrahmen vorbei und ich landete in einem winzigen Hinterraum. In einer Ecke stand ein Eimer mit trüben Wasser, ein schmales Regal mit Tüchern und Putzsachen. Keine Spur von Sara oder irgendwelchen Waren, wie ich eigentlich erwartet hatte. Ich brauchte zwei Schritte, um den Raum zu durchqueren und stand vor einem großen Wandteppich. Fast ausschließlich aus einem tiefen Rot, mit bronzefarbenen Verzierungen und weißen, gleichmäßigen Fransen. Ich ließ meine Finger leicht über eine kleine, gestickte Hibiskusblume streichen.

Ein dumpfer Knall ließ mich aufschrecken. Es klang so, als käme das Geräusch von hinter dem Teppich. Ich griff nach dem Dolch unter meiner Abaya, vorsichtshalber, und zog den Teppich zur Seite. Mein Atem stockte, als das riesige Loch in der Wand zum Vorschein kam. Ich unterdrückte den Drang, Saras Namen zu rufen. Irgendetwas sagte mir, dass dies gefährlicher sein könnte, als angenommen. Ich könnte einfach umdrehen, weggehen und so tun, als hätte ich nie hinter den  Wandteppich geschaut.
Aber das wollte ich nicht. Ich setzte einen Fuß über die ungleichmäßige Schwelle und musste meinen Kopf einziehen, um durchzupassen. Einen Moment lang stand ich im Dunkeln, langsam passten meine Augen sich an die Abwesenheit jeglicher Lichtquellen an und ich konnte links von mir die Umrisse einer Treppe erkennen. Nur wenigen oberen Stufen waren erkennbar, der Rest ertrank in der Schwärze. Mit den Fußspitzen ertastete ich Stufe für Stufe, die Finger um den Griff meines Dolches geklammert.

Nach einigen Schritten begann ich Geräusche zu vernehmen, Stimmen, welche immer lauter und deutlicher wurden, je mehr Stufen ich hinter mir ließ. Mein Herz schlug gegen meinen Brustkorb und ließ das Pochen bis in meine Fingerspitzen wandern. Am Ende der Wendeltreppe befand ich mich in einem Flur, an dem in regelmäßigen Abständen Öllampen an den Wänden befestigt wurden.

Fragen stapelten sich in meinem Kopf, doch ich schob sie beiseite und konzentrierte mich auf meine Umgebung. Nahezu geräuschlos bewegte ich mich über den Steinboden, in Richtung der Stimmen. Der Flur endete in einem weiteren, lichtdurchfluteten Raum. Ich blieb nah an der Wand stehen und konnte meinen Augen kaum trauen. Mehr als zwei Dutzend Leute waren im Raum, zum Teil bewaffnet. Sie kämpften miteinander, Frauen und Männer, ließen Fäuste aufeinander regnen, warfen einander zu Boden und hielten dem anderen triumphierend die Spitze ihres Schwertes an die Kehle.

Plötzlich griff eine Hand um meine Taille und ich wurde mit dem Rücken gegen die Wand gepresst. Mit seinem Unterarm drückte er meine Schultern gegen die Steinwand und hielt mit der freien Hand meine Dolchhand umklammert. Sein Griff an meinem Handgelenk brannte sich meinen Arm hoch, während er meinem Gesicht so nah kam, dass sein Atem gegen den dünnen Stoff an an meine Lippen ging. Meine Atmung verschnellerte sich. Ich war froh, dass er hinter dem Niqab nur meine Augen erkennen konnte.

"Wer bist du?", fragte er mit fester Stimme, nur so laut, dass ich es hören konnte.

Ich versuchte, mich zu bewegen, doch sein Griff war steinern, als wäre er selbst in den Boden gemeißelt. Einzig der Rausch seiner Augen, die sich in die meinen bohrten und die Hitze seines Körpers sprachen dagegen. Schatten fielen auf sein Gesicht, sodass ich die Konturen kaum erkennen konnte. Trotzdem breitete sich ein bekanntes Gefühl in meinem Bauch aus.

"Ich sagte, wer bist du", wiederholte er, diesmal ungeduldiger.

Wieder erwiderte ich nichts.

Instinktiv trat ich ihm mit meinem Knie in den Bauch und nutzte die Gelgenheit, um meine Hand zu befreien und schlug ihm mit dem stumpfen Ende des Dolches gegen die rechte Schläfe. Es gelang mir, ihn von mir zu stoßen, worauf ich zu rennen begann. Sekunden später wurde ich nach hinten gerissen, doch ich konnte auf den Füßen bleiben und wirbelte herum. Bevor er mich berühren konnte, holte ich mit dem Dolch aus, aber er fing meine Hand ab und blockierte jeden weiteren meiner Hiebe. Mit einem gezielten Schlag flog meine Waffe auf den Boden. Erneut wollte ich fliehen, aber er packte mich am Nacken und schlang seine Arme um meinen Körper. Hilflos versuchte ich, loszukommen.

"Lass mich los!", schrie ich.

Ich spürte, wie er sich meiner Wange näherte und erstarrte.

"Vielleicht wenn du mich bittest.", flüsterte er nah an meinem Ohr.

Die feinen Härchen an meinem Nacken stellten sich auf. Ich spürte, wie mein Gesicht warm wurde und wurde nur noch wütender.

"Was ist hier los?", ertönte eine Stimme hinter mir, doch ich konnte mich nicht umdrehen.

Mehrere Leute betraten den Flur und ein paar von ihnen traten vor mich.

Er ließ es wie eine beiläufige Bemerkung klingen, als er antwortete:
"Eine Spionin. Die Frage ist nur, für wen sie arbeitet."

Letzteres klang mehr an mich gerichtet als den Fragenden, der mich mit zusammengezogenen Brauen musterte.

"Ich kümmere mich darum.", sagte er und ließ mich los, nur um in der selben Sekunde meine Arme hinter meinem Rücken zu verschränken, aber ich war schneller und somit glitten meine Hände durch seinen noch lockeren Griff.

Der Mann vor mir war zu überrascht, um zu reagieren, sodass ich mich vorbeidrängte und rannte. Diesmal griff niemand nach mir. Ich glaubte, ein Lachen gehört zu haben.

Meine Lungen brannten, als ich die letzte Stufe gestiegen war und durch das Loch in den Hinterraum trat.

Der Mann aus den Katakomben war lässig an den Türrahmen gelehnt, den Kopf leicht geneigt und ein Lächeln auf den Lippen. In seiner Rechten befand sich mein Dolch, den er locker über seine Finger gleiten ließ.

Meine Augen weiteten sich: "Du?"

Er runzelte die Stirn und brauchte nur einen Schritt, um den Raum zu durchqueren.

Nun stand er vor mir, nicht so nah wie zuvor,  doch diesmal erkannte ich jedes Detail seines Gesichts. Einen maskulinen Kiefer, volle Lippen, gebräunte, gleichmäßige Haut, eine schmale, große Nase, die aussah als wäre sie bereits gebrochen worden und bekannte smaragdgrüne Augen.
Augen, denen ich bereits auf dem Markt begegnet bin, sowie im Haus meines Herrn. Augen, in denen Tränen gefunkelt hatten wie Tau auf frischem Gras am frühen Morgen.
Smaragde, die ich in der Nacht, welche ich in der Gasse verbrachte, gesehen habe.

"Woher kennst du mich?", fragte er mit gesenkter Stumme.

Meine Lippen öffneten sich, aber ich schloss sie wieder. Ich konnte nicht sagen, wer ich bin.
Es war ein ungesprochenes Gesetz Slaven, die entlaufen sind, ihrem Inhaber zu übergeben. Selbst wenn Zahid vermutete, dass mein Herr die Ermordung seines Vaters veranlasst hatte, konnte ich es nicht riskieren.

"Du bist die Einzige, bei der ich mich immer wiederholen muss.", murmelte er mehr zu sich selbst als mir.

"Ich kenne dich nicht.", antwortete ich.

Seine weißen Zähne blitzten hervor, als er leise lachte.

"Du erwartest nicht, dass ich dir das glaube oder?"

Mir ist nicht aufgefallen, dass er seine
Hände neben mir abgestützt hatte. Erneut fühlte ich mich gefangen und stieß gegen seine Brust, aber wie zuvor nutzte es nichts. Seine Brust fühlte sich hart unter meinen Händen an.

"Glaub was du willst.", zischte ich.

Verzweiflung bahnte sich den Weg durch meine Glieder. Ich fürchtete mich vor dem Moment, in dem er mich erkannte. Gleichzeitig spürte ich, wie sich etwas in meiner Brust zusammenzog, dass er es nicht schon hatte.

"Lass mich gehen.", forderte ich.

Ich schlug gegen seinen Arm und er ließ es tatsächlich zu. Ich befreite mich aus seinem Griff und atmete tief ein, die Augen immernoch auf ihn gerichtet. Hinter mir packte jemand meine Hände und band sie zusammen. Ich trat hinter mich und hörte eine bekannte Stimme jauchzen.

"Sara?", sagte ich und bereute, ihr wehgetan zu haben.

Im selben Moment fiel mir ein, dass es ihre Schuld war, dass ich in dieser Lage war. Wäre sie nicht verschwunden, hätte ich nie nach ihr suchen müssen. Jedoch war es auch meine Neugier, wodurch ich mir mein eigenes Grab geschaufelt hatte.

Sie nahm mich am Arm und führte mich erneut hinter den Wandteppich. Ich ließ es zu, warum auch immer. Ich hatte keinen Ort, an den ich gehen konnte. Keine Verwandten, kein Zuhause.
Wohin sollte ich auch fliehen?

Zahids Blick folgte mir, während sie mich die Treppe runterführte und schließlich in einen Raum.

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