Julians PoV
Skeptisch betrachtete ich mein Outfit im Spiegel.
"Du siehst gut aus", versuchte Jannis, der gemeinsam mit Jascha auf meinem Bett lag, mir einzureden. Doch es fiel mir schwer, es ihm zu glauben, da ich selbst nicht zufrieden war mit meiner Auswahl.
"Was macht ihr überhaupt?", wollte Jascha wissen.
"Entscheiden wir dann. Ich hatte überlegt, ob wir ins Kino gehen oder was Essen, aber in der Öffentlichkeit ist es halt immer etwas schwierig. Vielleicht können wir uns einfach was zu Essen kommen lassen und nen Film schauen", erklärte ich ohne den Blick von meinem Spiegelbild abzuwenden.
"Warum gibst du dir dann überhaupt so viel Mühe bei deinem Outfit, wenn ihr das Haus gar nicht verlasst?"
"Erstens, weil man sich für ein Date schick macht und Zweitens, weil er Kai gefallen will", antwortete Jannis für mich. Ich biss mir auf die Unterlippe und schaute nur ganz kurz zu meinem jüngeren Brüder. Der kurze Blick hatte jedoch scheinbar ausgereicht, um mich zu verraten. Jannis kannte mich einfach viel zu gut. "Was hast du angestellt?", wollte er direkt von mir wissen.
"Ich ... also, vielleicht ... es könnte sein ...", stammelte ich herum, was mir ein Seufzen von Jannis einbrachte.
"Raus mit der Sprache", forderte er.
"Ganz eventuell weiß Kai gar nicht, dass es ein Date ist", gestand ich kleinlaut. Jannis öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schüttelte dann jedoch nur fassungslos den Kopf.
"Du hast also gleich ein Date mit Kai ohne dass Kai weiß, dass es ein Date ist?", versicherte sich Jascha. Zögerlich nickte ich. "Und ich dachte, ich wäre schlecht in solchen Sachen."
"Was genau hast du Kai gesagt?", fragte Jannis nach.
"Ich habe ihn gefragt, ob er heute Abend Zeit hat. Als Antwort habe ich die Gegenfrage erhalten, ob wir was zusammen unternehmen wollen, was ich bestätigt habe."
"Kai hatte also überhaupt keine Chance zu erkennen, dass es sich um ein Date handeln könnte, richtig?", hakte Jannis weiter nach.
"Naja ... nein, irgendwie nicht so richtig."
"Du hast dich also so schick gemacht für ein Date, dass in deiner eigenen Wohnung stattfindet und was eigentlich gar kein Date ist, weil Kai es für ein Treffen unter Freunden hält", fasste Jascha die Lage noch einmal zusammen.
"Sollte ich mich umziehen?", erkundigte ich mich.
"Für ein Nicht-Date in deiner Wohnung bist du eindeutig zu schick angezogen", antwortete mein jüngster Bruder.
"Dann fragst du ihn aber zumindest heute Abend nach einem Date", forderte Jannis.
"Er fliegt morgenfrüh zurück nach London, da er nur wenige Tage frei hatte und die vorherigen Tage bei seiner Familie verbracht hat. Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen."
"Du hast also deine aktuell einzige Chance auf ein Date vermasselt."
"Du bist gerade keine Hilfe, Jascha", meckerte ich den Jüngeren an.
"Jetzt gib nicht Jascha die Schuld dafür, dass du nicht in der Lage warst, Kai nach einem Date zu fragen", mischte Jannis sich ein. "Wir brauchen jetzt schnell eine Lösung."
"Kannst du ihn nicht noch eben anrufen und fragen, ob er Lust hätte, aus dem Treffen spontan ein Date zu machen?", schlug Jascha vor.
"Vielleicht ist es ja auch ein Zeichen dafür, dass das mit uns einfach nicht sein soll. Er ist morgen wieder in London. Wie sollte eine Beziehung mit so vielen Kilometern zwischen uns funktionieren?"
"Jetzt geht die Diskussion wieder los", seufzte Jannis genervt. "Du wirst nie erfahren, ob eine Beziehung zwischen euch funktionieren kann, wenn du es nicht versuchst. Du liebst Kai und ich bin mir ziemlich sicher, dass er deine Gefühle erwidert. Irgendwie würdet ihr das schon gemeinsam hinbekommen, aber dafür müsstet ihr es erstmal hinbekommen, dass ihr ein Paar werdet." Jascha zeigte Jannis etwas auf seinem Handy, weswegen dieser das Gesicht verzog, ehe er sich mir wieder zuwandte. "Vielleicht hast du Recht und es war doch ein Zeichen, dass das mit euch einfach auf freundschaftlicher Basis bleiben sollte."
"Was ist auf dem Handy?", verlangte ich zu erfahren. Irgendwas muss Jascha entdeckt haben, sonst hätte Jannis nicht so schlagartig seine Meinung geändert haben.
"Lasst uns doch den Abend einfach zu dritt verbringen. Kai könnte dann auch die Jungs in Leverkusen mal wieder besuchen." Bevor einer meiner Brüder es verhindern konnte, hatte ich Jascha sein Handy aus der Hand gerissen und schaute mir seine Entdeckung an. Auf dem Display waren Bilder von Kai und seiner Ex-Freundin, Sophia, zu sehen. Auf den Bilden lächelten Beide, standen nah beieinander oder umarmten sich sogar. Im Bericht zu den Bildern, den ich nur grob überflog, ging es darum, dass die Beiden gemeinsam gesehen wurden und die Vermutung besteht, dass die Beiden ihrer Beziehung eine zweite Chancen geben würden. "Ich sag Kai ab", meinte Jannis, wobei er bereits nach seinem Handy griff, während ich weiterhin einfach das Bild anstarrte auf dem Kai und Sophia sich umarmten.
Warum hatte Kai mir nicht gesagt, dass er wieder mit seiner Ex-Freundin zusammen war? Hätte er es mir vielleicht am Abend erzählt? Was wäre passiert, wenn ich ihn nach einem Date gefragte hätte? Würde er mich jetzt hassen?
"Ich hab ihm geschrieben, dass Jascha Liebeskummer hat und uns jetzt beide braucht", erklärte Jannis.
"Wieso habe ich Liebeskummer und nicht du?", wollte Jascha wissen.
"Würde es um mich gehen, würde Kai sicherlich trotzdem kommen", meinte der Gefragte. Bevor die Beiden das Thema weiter ausdiskutieren konnten, klingelte es an der Haustür. "Zieh dir was gemütliches an", forderte Jannis mich auf, ehe er vom Bett aufstand und das Schlafzimmer verließ. Ich lauschte seinen Schritte nach unten, wo er die Haustür öffnete. Leider konnte ich nicht mehr erkennen, wer geklingelt hatte, da Jascha in dem Moment das Wort wieder ergriff.
"Du darfst heute sogar den Film aussuchen." Alt Antwort brummte ich lediglich und ließ meinen Blick zurück zum Spiegel gleiten. Ich hatte es wirklich vermasselt. Ich hätte Kai einfach nach dem Date fragen sollen, stattdessen würde unser Treffen nun vermutlich komplett ausfallen und wir uns weitere Monate lang nicht persönlich sehen. Ich vermisste den Jüngeren, doch vermutlich wäre ein Treffen am heutigen Abend ein Desaster geworden. Die Information, dass er scheinbar wieder mit Sophia zusammen war, drang nur langsam zu mir durch.
Wochen, wenn nicht sogar Monate lang hatten meine Brüder versucht mir klar zu machen, dass meine Gefühle für Kai nicht hoffnungslos waren, dass sie erwidert werden könnten. Ich hatte begonnen ihnen zu glauben und mir Hoffnung zu machen. Doch diese Hoffnung löste sich dank Sophia wieder in Luft auf. Ich würde Kai niemals haben können.
"Jetzt bitte nicht weinen, Julian, ich bin schlecht in sowas. Warte zumindest bis Jannis zurück ist", riss Jascha mich aus meinen Gedanken, wodurch ich erst die Tränen, die über meine Wangen kullerten, realisierte. Ein Schluchzen entfuhr mir.
Arme schlangen sich von hinten um mich. Als ich zurück in den Spiegel blickte, entdeckte ich außer den Tränen in meinem Gesicht noch Kai, der direkt hinter mir stand. Einen winzigen Moment trafen sich unsere Blicke im Spiegel, ehe ich umgedreht wurde und Kai mich eng an sich zog. Seine Arme schlangen sich schützend um meinen Körper. Ich lehnte mich einfach gegen ihn und vergrub das Gesicht an seiner Schulter, während sich meine Hände in sein Shirt krallten. Der Größere hielt mich einfach nur fest bis ich mich beruhigt hatte.
"Was ist los, Jule?", fragte er leise. Seine Hand strich über meinen Rücken. Als Antwort schüttelte ich lediglich den Kopf, da ich Kai schlecht den Grund für meine Tränen verraten konnte. "Rede mit mir, bitte."
"Es ist zur Zeit einfach nur alles etwas viel."
"Was genau?"
"Lass uns da jetzt bitte nicht drüber reden."
"Ich mache mir aber Sorgen."
"Das brauchst du nicht, Kai. Wie geht es Sophia?" Der Chelsea-Spieler löste sich etwas von mir, um mir in die Augen sehen zu können. Sein Gesichtsausdruck war irritiert.
"Wie kommst du denn jetzt auf Sophia?"
"Jascha hat gerade einen Bericht gezeigt indem steht, dass ihr wieder zusammen seid."
"Seid wann glaubst du, was irgendwelche Reporter schreiben?"
"Naja, es waren Bilder dabei."
"Sophia und ich haben wieder Kontakt, aber nur auf freundschaftlicher Ebene. Nach unserer Trennung herrschte eine Weil Funkstille. Weil sie mir nie erklärt hatte, warum sie unsere Beziehung beendet hatte, hatte ich sie irgendwann angeschrieben. Ich wollte es gerne verstehen. Wir haben lange telefoniert. Nicht nur einmal, sondern ab da regelmäßig. Mir ist dadurch etwas klar geworden, was sie bereits vor mir gewusst hat und was auch der Grund der Trennung war. Nachdem alles geklärt war zwischen ihr und mir, haben wir entschlossen es als Freunde zu versuchen, was bisher sehr gut geklappt hat. Sie ist zurück nach Deutschland gezogen und vor ein paar Tagen haben wir uns das erste Mal nach unserer Trennung wieder persönlich getroffen. Ich habe sie vermisst, aber nicht weil ich sie noch liebe, sondern weil sie lange Zeit eine wichtige Person in meinem Leben war. Zwischen ihr und mir ist aber nichts mehr, was über Freundschaft hinaus geht."
"Oh", brachte ich lediglich heraus.
"Hast du deswegen geweint?"
"Nein, natürlich nicht." Ich versuchte Kais Blick auszuweichen. "Wie gesagt, es ist zur Zeit bloß alles ..." Weiter konnte ich nicht sprechen, weil plötzlich Kais Lippen auf meinen lagen. Ich erstarrte und versuchte zu verstehen, was gerade passierte. Bevor ich auch nur ansatzweise realisiert hatte, dass Kai mich gerade tatsächlich küsste, löste sich dieser bereits wieder von mir.
"Tut mir leid, ich ...", murmelte er. Dieses Mal war derjenige, der seinen Gegenüber durch einen Kuss zum Schweigen brachte. Ich legte meine Hände in Kais Nacken, zog ihn zu mir und presste meine Lippen auf seine. Es fühlte sich einfach unglaublich an ihn endlich zu küssen und vermutlich würde ich davon niemals genug bekommen.
Für meinen Geschmack viel zu früh, löste Kai sich wieder von mir, jedoch nicht ohne mich enger an sich zu drücken.
"Sophia hat Schluss gemacht, weil sie vor mir wusste, dass ich eigentlich dich liebe. Ich weiß nicht, warum ich zu blind war, um es selbst zu merken, doch sie hatte mit ihrer Vermutung recht. Ich liebe dich, Julian Brandt." Ich lächelte ihn glücklich an.
"Ich liebe dich auch, Kai", brachte ich noch hervor, bevor ich meine Lippen zurück auf die von Kai legte. Kai zu küssen würde auf jeden Fall meine neue Lieblingsbeschäftigung werden.