Königlich Verliebt

By PromisesLala

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Ein Funke entfacht, als Kai und Luhan einander versprochen werden. Unfreiwillig, denn sie sind Fremde und sta... More

Verlobung
Begegnung
Beisammen
Bedauert
Vergangen
Verzaubert
Verliebt
Versteckt
Vermessung
Beschlossen
Verraten
Verheiratet
Verirrt
Versorgt
Verbunden
Besinnung
Bezwungen
Verschwunden
Verfolgung
Beschützt
Beendet Teil 1
Beendet Teil 3
Epilog
BONUS KAPITEL

Beendet Teil 2

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By PromisesLala

Ich war mir nicht sicher wie lange ich schon so da gelegen war, den Kopf auf das Wiesenkleid gebettet, die Augen empor gerichtet, um die Sterne zu betrachten. Mein Atem ging in ruhigen, gleichmäßigen Zügen, leiser als die Melodie die noch immer in der Luft tanzte.

 „Du bist ruhig geworden“, stellte der Mann am Klippenrand fest, die Melodie mitten im Stück brutal unterbrochen. Meine Stille war Antwort und Bestätigung genug.

 Er atmete ein, als wolle er weiter summen, doch, als hätte er sich in letzter Sekunde um entschieden, entließ er die Luft mit einem leisen Zischen. „Tut mir Leid.“

 „Wofür?“, fragte ich und hatte gleichzeitig sehr wohl ein paar Dinge im Sinn für die er sich verantwortlich gemacht hatte.

 „Dafür das ich nicht bin, wen du gerne hättest.“

 Ich rollte mich zur Seite, stand wackelig auf und machte die wenigen Schritte, bis ich ebenfalls am Klippenrand zu stehen kam. Ich setzte mich neben den Silberhaarigen zu Boden.

 „Das tut mir auch Leid.“

 Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Du bist ehrlich.“

 „Was bringt es mir schon jetzt noch zu lügen.“

 Er summte in Einverständnis, lehnte sich auf seine Hände zurück und ließ den Kopf in den Nacken fallen.

 „Was machst du hier?“, fragte ich aus reiner Neugierde heraus, auch wenn ich mir eigentlich selbst verboten hatte jemals ein Wort mit ihm zu wechseln.

 „Das Leben genießen“, antwortete er leise. „Atmen, riechen, sehen, leben eben. Ich habe schon zu viel Zeit damit verschwendet nicht zu leben.“

 Das schlechte Gewissen das sich in mir ausbreitete, war meiner Meinung nach unbegründet, nichtsdestotrotz konnte ich nicht anders als Mitleid mit diesem Menschen zu empfinden.

 „Außerdem habe ich auf dich gewartet.“

 „Auf mich?“ Er nickte ernst. „Und wieso?“

 „Ich wollte mit dir reden.“

 Meine Augen weiteten sich in Erkenntnis. „Dann ist das kein Versehen das ich hier gelandet bin, dann hast du mich hierher gesteuert wie eine Puppe an ihren Fäden?“ Obwohl meine Stimme lauter wurde, schien der Magier sich nicht darum zu scheren.

 „Ich musste mit dir sprechen.“ Er wurde kurz nachdenklich. „Ich wollte auch mit Kyungsoo reden, doch...“ Er verzog das Gesicht. „Ich fürchte er hat Angst vor mir.“

 „Deinetwegen ist Kai gestorben“, brach es aus mir heraus und es klang deutlich wie eine Anschuldigung.

 Tao drehte den Kopf zu mir, in seinen Augen funkelten kleine Lichter. Aus keinen bestimmten Gründen empfand ich plötzlich unglaubliche Angst vor dem sichtlich jüngeren Mann. Dennoch hielt ich seinem Blick stand, sollte er mich die Klippe hinunter stoßen, dann würde es eben so sein.

 „Seinetwegen habe ich über zehn Jahre meines Lebens eingebüßt“, flüsterte er. „Immer nah genug an der Klippe zum Tod.“ Die Ironie des Ganzen, Tao am Rande des Todes, Kai der von einer Klippe in den Tod gestürzt war, und unser Treffen ausgewählt am Rande eben jener Klippe, wurde mir erst jetzt so richtig bewusst.

 Ich schwieg, denn natürlich hatte ich keine Antwort darauf, natürlich war auch mir klar, dass Taos Leben rechtmäßig das von Kai eingefordert hatte. So wie der Reflectare vor über zehn Jahren das gleiche in anderer Richtung getan hatte.

 „Ich bemitleide Kai nicht“, fuhr Tao fort, den Blick starr auf mich gerichtet. „Ich vermisse es nicht in seinem Inneren gefangen zu sein.“

 „Wenn das das einzige ist was du mir sagen wolltest, dann-...“

 „Nein“, unterbrach er mich. „Es gibt da...Dinge die du verstehen musst, die du einsehen musst.“

 „Wieso? Was für Dinge?“

 Taos Blick wurde schlagartig weich. „Hör mir zu.“ Er atmete ein und blickte wieder zu den Sternen hoch. „Ich erinnere mich nicht an meine Eltern, einen Teil meiner Kindheit habe ich in einem Armenhaus in China verbracht. Die Menschen dort lebten am Rande der Existenz, jeder Tag eine neue Herausforderung und jeder Tag begann mit dem Gebet, es möge nicht der letzte sein.“

 „Das verstehe ich nicht“, ich schüttelte ratlos den Kopf. „Du bist Magier. Magier wachsen im Palast auf, sie sind besonders und werden deshalb versteckt.“

 „Ich weiß nicht wer meine Eltern waren, deshalb kann ich nicht sagen ob und was für Magier sie gewesen sind. Als ich die Heimleiterin des Armenhauses einmal gefragt hatte, wo ich herkam und wie ich bei ihr gelandet war, erklärte sie mir, ein alter Bauer hatte mich schreiend auf einem Wiesenhügel gefunden. Ein Neugeborenes ohne Decke, ohne Schutz. Einsam und von der Welt ignoriert.“ Die Erinnerung gab seiner Stimme eine raue Klangfarbe. „Der Mann hatte anscheinend gezögert, mich schließlich dann doch aufgehoben und in die Obhut der Armenhausleiterin gegeben. Er wusste nicht was er mit mir anfangen sollte, der Ort der seiner Heimat, einem kleinen Bauernhof in den Bergen, am nächsten war, war zu klein, als dass er ein eigenes Waisenhaus gehabt hätte. Das Armenhaus schien ihm die nächst beste Alternative.

 Dort wuchs ich also auf, unter Kindern die ungefähr und doch irgendwie nicht, das gleiche Schicksal wie das meine ereilt hatte, und ganz alten Leuten, die im Zuge von Krankheit, Alter, oder als Invalide ihre Arbeit verloren hatten und sich kein eigenes Haus mehr leisten konnten.“

 „Viele Menschen sind in diesem Haus ums Leben gekommen, eingeschlafen und einfach nicht mehr aufgewacht. Kälte, Hunger und Krankheit hatten sie schließlich eingeholt und letztlich auch überholt. Die Menschen im Ort sagten, über dem Hause hing der Teufel, weil sich so viel Elend dort kanalisierte.“ Tao zuckte die Achseln. „Ob das gestimmt hat, habe ich nie erfahren.“

 „Wie-wie hast du überlebt?“, fragte ich zögernd. Das Schicksal des Jungen machte mich vorsichtig, gar behutsam und bedächtig.

 „Ehrlich gesagt habe ich auch darauf keine Antwort. Irgendwie habe ich es geschafft zu überleben. Das genaue Wie ist mir jedoch unklar. Vielleicht war es die Magie die in mir gelebt und geatmet hat. Vielleicht hat sie mein Kinderherz durch all die schweren Krisen hindurch unterstützt.“

 „Merkt man das...ich meine, das man Magie besitzt, das man Zaubern kann?“

 „Nein das merkt man nicht“, antwortete Tao lächelnd. „Zumindest nicht als Kind. Es war einfach ein Gefühl das seit jeher in meinem Inneren war, so wie sein schlagendes Herz, oder die Leber. Man akzeptiert es einfach als Teil von sich, ohne darüber großartig nachzudenken.“

 „Wie hast du es dann erfahren?“

 Sein Blick wurde traurig. „Es war ein Streit. Ein Junge der seit etwa einem Jahr im Armenhaus lebte, machte sich über mein helles Haar lustig, feigste und lachte darüber das die Sonne mir die schwarzen Haare wohl vom Kopf gebrannt hatte. Ich weiß nicht mehr, es war irgendwas sehr dummes, sehr kindisches eben.“ Tao biss sich kurz auf die Unterlippe. „Ich habe ihn ignoriert, wollte ihm nicht zeigen wie sehr seine Worte mich aufregten, mich wütend machten. Doch er machte sich einen Spaß daraus, er stieg auf mein Bett, hüpfte darauf herum und wiederholte die gemeinen Dinge immer und immer wieder, wie in Endlosschleife. Weil alle Kinder sich ein Zimmer teilten, war ich eigentlich bereits gewöhnt daran, ich hatte schon viel erlebt und gehört, doch als dieser Junge von meinem Bett herunter sprang, seine matschigen Schuhe überall dunkle Flecken hinterlassend, packte er mich am Hemdkragen. Meine Reaktion schien ihn nicht zu befriedigen, nun wollte er es mir ins Gesicht brüllen bis er den Kummer in meinen Augen sehen konnte und ich-“ Er nahm einen tiefen Atemzug. „Ich bin plötzlich ausgerastet. Es...es ging so schnell, plötzlich war der Junge in helles Licht getaucht und eine Sekunde darauf, verschwand das ganze Zimmer und all seine Bewohner in diesem Licht. Es dauerte keine zehn Sekunden und alles wurde wieder ruhig. Ich stand plötzlich im Zentrum eines Erdlochs, vom Haus und den Kindern oder Erwachsenen keine Spur zu sehen.

 Erst als ich mich verwirrt aus dem Erdloch hievte bemerkte ich, dass es ein Krater war und das Haus an seiner gewohnten Stelle nicht mehr vorhanden. Nichts war mehr vorhanden. Ich hatte keine Ahnung was geschehen war, wusste nur dass es die Schuld des Lichts sein musste. Das Licht hatte alle verschluckt und aufgegessen.“

 „W-wie alt warst du damals?“

 „Fünf“, antwortete Tao. „Der Junge der mich geärgert hat, war sieben gewesen.“

 „Du hast mit fünf ein ganzes Haus verschwinden lassen?“

 „Ja“, antwortete er. „Weil ich die Kontrolle verloren habe, habe ich mein einziges Zuhause zerstört, doch das war mir damals nicht klar gewesen. Ich wartete den ganzen Mittag darauf, dass das Haus wieder auftauchte - doch nichts geschah. Da Haus kehrte nicht zurück und kein Mensch wusste darum, weil die Bewohner des Ortes aus Angst vor dem Teufel stets einen großen Bogen um das Armenhaus machten. Als der Abend anbrach rollte ich mich auf dem Boden neben dem Erdloch zusammen und schlief ein. Hoffnungsvoll das der nächste Morgen mir mein Zuhause zurück bringen würde.“

 „Es ist nicht wieder aufgetaucht, nicht wahr?“

 „Nein, es ist niemals zurückgekehrt. Stattdessen wurde ich am darauf folgenden Morgen von einem leichten Tritt in meine Seite geweckt. Ein unheimlich großer Mann stand über mir, eine grimmige Miene auf dem Gesicht. Er jagte mir noch größere Angst ein, als der Junge der mich immer geärgert hatte.“ Die Erinnerung brachte ein sanftes Lächeln auf Taos Lippen.

 „Er hat dich getreten?!“

 Tao prustete los, krümmte sich vor und warf mir amüsierte Blicke zu. „Wieso kümmert dich das Luhan?“

 Die Frage schien mir reichlich unnötig. Ein erwachsener Mann der ein fünfjähriges Kind so behandelte, gehörte weggesperrt! „Ist das nicht...normal so zu reagieren?“

 „Er hat nicht übertrieben, du bist wirklich ein netter Mensch“, murmelte er in sich hinein, während er sich langsam wieder beruhigte.

 „Was?“

 „Ich habe lange nicht mehr so gelacht“, sprach er einfach an mir vorbei. „Weit über zehn Jahre wenn man es genau wissen möchte.“

 Ich stockte. „Oh und...wie ging es weiter?“

 „Der Mann hat mich am Arm gepackt und hoch gehievt, er starrte mir Minutenlang in die Augen ohne etwas zu sagen und langsam aber sicher fühlte ich mich sehr unwohl unter seinem Blick. Das war das erste, wohl aber entscheidende Treffen zwischen Kris und mir.“

 „Das war Lón- ich meine Kris, der Feuermagier?“

 Er nickte bestätigend. „Später hat er mir erzählt, die gewaltige Freisetzung von Macht hätte ihn auf mich aufmerksam gemacht. Na ja, nicht speziell auf mich, sondern auf ETWAS. Er dachte zunächst koreanische Magier hätten sich nach China verlaufen und würden nun das Land attackieren, aber dem war natürlich nicht so.“

 „Wieso direkt Koreanische Magier und nicht Chinesische?“

 „Weil Kris damals noch im Palast Chinas gelebt hat, so wie alle anderen Magier auch.“

 „WAS?!“

 Tao zuckte zusammen und bedachte mich mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. „Ja. Aber das war lange bevor du geboren wurdest.“

 „Oh. Richtig, Kris ist wahrscheinlich uralt. Genauso wie-...“ Meine Stimme brach, der Gedanke an Minseok wollte sich noch nicht so recht in mein Gehirn wagen, der Verlust von Kai musste zuerst verarbeitet werden.

 „So unendlich alt ist er tatsächlich nicht“, erklärte Tao scheinbar nachdenklich. „In etwa vier Jahrhunderte?“

 „Ist das die Norm unter Magiern??“

 „Nein, nur bei den Mächtigen“, lächelte Tao und entschied sich dann seine Erzählung fortzusetzen. „Wie gesagt, Kris hielt die Macht die er gespürt hatte, zunächst für eine Bedrohung, doch als er am Schauplatz des Geschehens ankam und einzig und allein auf mich traf, verstand er das er sowohl richtig als auch falsch lag. Tatsächlich war ich kein mächtiger Magier der sich aus Korea hierher verlaufen hatte, aber er irrte sich nicht in der Annahme dass ich gefährlich war. Sehr sogar.“

 „Es ist mir zwar nicht klar gewesen, doch im Laufe der Jahre hatte sich die Magie in mir aufgestaut, wie eine Flut die sich gegen einen Staudamm drückt. Bei Jungmagiern, so hat mir Kris später erklärt, ist das nichts Ungewöhnliches. Doch normalerweise entlädt sich die angestaute Magie dann in einem Mindestalter von vierzehn und zwar in Form von einem leichten magischen Windhauch oder ähnlichem. Keine alleszerstörende Energie die Häuser und Menschen verschluckte.“

 „Klingt logisch“, nickte ich schluckend.

 „Kris sah die Gefahr die in mir steckte und nahm mich zu sich. Natürlich. Doch, er entschied sich dagegen mich in den Palast zu bringen, wie es eigentlich seine Verantwortung gewesen wäre. Ein Talent wie ich sollte seiner Meinung nach nicht in falsche Hände geraten. Der Korea und China Krieg war noch zu frisch, die Wunden noch offen. Mit dieser neuen Waffe würde sich China nur seinen Rachegelüsten hingeben und das beiden Ländern erneut eine Menge Opfer abverlangen.“

 „Das war wirklich klug von ihm“, gab ich widerwillig zu.

 „Das war es und zudem reichlich riskant. Seine Abwesenheit wurde natürlich bald bemerkt und das abtauchen mit einer tickenden Zeitbombe wie ich es war, war gewiss nicht einfach. Mehrere Male darauf bin ich einfach ausgerastet, schleuderte meine Magie in alle Richtungen und zerstörte was mir im weg lag. Es war natürlich keine Absicht, es war die Folge davon, dass ich meine Magie einfach noch nicht kontrollieren konnte und weil ich so viel davon besaß erschwerte das den ganzen Prozess des Lernens.“ Er zuckte die Achseln. „Doch irgendwann und irgendwie wurde es besser. Kris und ich gewöhnten uns langsam aneinander und ich lernte ihn auf neue Art kennen. Seine sonst so kalte und distanzierte Art taute auf, er begann mit mir zu reden ohne mich anzuschreien und bald nannte ich ihn Familie und Freund in einem Atemzug. Kris hat natürlich niemals zugegeben das ich etwas anderes sei als eine nervige kleine Göre, doch ich wusste die Lüge zu durchschauen und deshalb war es okay für mich.“

 „Hast du jemals herausgefunden was ihn zu einem solchen Eisklotz gemacht hat?“, fragte ich neugierig.

 Tao nickte langsam. „Einmal habe ich ihn darauf angesprochen. Wir haben gestritten, wieso weiß ich nicht mehr, es war eine dieser Auseinandersetzungen bei denen man noch in der Mitte schon vergessen hatte, was am Anfang denn überhaupt das Problem war. Ich habe ihm an den Kopf geworfen, dass er ein sturer, eiskalter Mistkerl sei und er hat gezögert. Wusste kurz nicht, was er nun darauf erwidern sollte...Kris ist einem Streit niemals aus dem Weg gegangen, er würde ihn angehen und auskämpfen, bis wir einander verprügelten, oder unseren Frieden gefunden hatten. Doch nachdem ich das gesagt hatte, verließ er die kleine Hütte die wir im Wald bezogen hatten und kehrte erst zwei Tage später zurück. Ich war sechzehn Jahre alt zu der Zeit und ich hatte noch nie solche Angst empfunden. Ich befürchtete er hätte mich schließlich doch aufgegeben, er wäre gegangen, weil ich seine Mühe nicht wert war und es tat mir leid - unendlich leid.“

 „Als er letztlich jedoch wiederkam habe ich mich an ihn geworfen und mich entschuldigt, tausende Male habe ich ihm gesagt, dass er mir verzeihen müsste, dass ich es nicht so gemeint hatte, und das ich ein Idiot war. Was ich ihm nicht gesagt hatte, war das diese zwei Tage ohne ihn mir die Augen geöffnet hatten. Sie hatten mir demonstriert wie wichtig Kris für mich war und wie nutzlos ein Leben ohne ihn.“

 „Wieso hast du ihm das nicht erzählt?“

 „Es hätte alles zwischen uns verändert“, antwortete Tao mit leiser Stimme. „Und ich wusste er betrachtete mich nicht mit denselben Augen wie ich ihn, dafür war ich ihm noch nicht reif genug. In seinen Augen war ich nur ein kreischendes Balg mit etwas zu viel Macht in seinen Händen. Dennoch, an diesem Tag, nachdem ich mich beruhigt hatte, setzte er sich auf dem Sofa neben mich und erzählte mir von den Dingen die er gesehen hatte. Vor allem von den Dingen die er im Krieg gezwungenermaßen hat vollrichten müssen. Diese Ereignisse haben ihn geformt und verändert. Die Gesamtanzahl an Magiern ist damals im Chinesischen Palast rasant gesunken, denn alle Magier die zu Felde geschickt wurden, wurden eiskalt exekutiert von dem mächtigsten aller Magier, der noch immer ein Werkzeug Koreas war.“

 „M-minseok“, flüsterte ich mit brechender Stimme.

 „Genau. Es war das erste Mal das Kris mir von seiner persönlichen Vergangenheit erzählt hatte und zum ersten Mal das er mir Schwäche offenbarte. Ich versprach mir selbst diesen Mann zu beschützen, komme was wolle. Und so intensivierte ich mein Training. In den nächsten Jahren gab ich mich fleißig und lernwillig und vor allem reif. Ich versuchte ihm zu zeigen das ich mittlerweile erwachsen war und ihm ebenbürtig, doch er hörte nicht auf mir die Haare zu zerzausen oder mich zu Fragen ob ich mir auch gründlich das Gesicht gewaschen hatte. Und irgendwann, Jahre später explodierte ich erneut. Und es sollte der größte Fehler meines Lebens werden.“

 „Er saß in seinem Ledersessel und las in einem Buch als ich mich ins Wohnzimmer zu ihm setzte, angespannt und nervös. Die Nacht zuvor, hatte ich mir endlich vorgenommen ihm meine ehrlichen Gefühle zu gestehen, etwas das ich schon Jahrelang vor mir her schob. Heute sollte es endlich so weit sein, doch als ich ihn fragte ob wir reden könnten, blickte er nicht mal von seinem Buch auf. Ich redete lange auf ihn ein, flehte um seine Aufmerksamkeit, doch er knurrte mich nur an, meinte ich solle einfach ausspucken was ich zu sagen hatte und ihn dann in Ruhe lassen.“ Tao lachte verhalten und schüttelte den Kopf. „Ich war so wütend auf ihn. Ich bin von meinem Platz auf dem Sofa aufgestanden, zu seinem Sessel marschiert und habe ihm das Buch aus den Händen gerissen. Ich warf es über meine Schulter, wo es quer durch das Wohnzimmer segelte. Ich werde nie vergessen wie genervt seine Augen aufgeblitzt hatten, bevor ich mich runter beugte und ihn direkt auf den Mund küsste. Ich war noch immer wütend, und das spiegelte der Kuss wieder. Unsere Zähne klirrten aneinander als ich heftig hinunter drückte und meine Finger krallten sich in seinem Hemdkragen fest. Ich wollte seine Aufmerksamkeit und damit hatte ich sie definitiv bekommen, also wollte ich ablassen und reden, wenn Kris Hand in meinem Nacken mich nicht aufgehalten hätte.“

 Meine Wangen fühlten sich ganz warm an. Diesen Teil der Geschichte hätte Tao meiner Meinung nach für sich behalten können.

 „Doch es dauerte nicht lange an. Kurz darauf, drückte Kris mich von sich weg und während ich zurückstolperte, stand er auf. Den Arm über die Lippen gepresst, die Augen in Schock geweitet. Er fragte mich was das sollte und wieso ich das getan hatte und ich gestand ihm, dass ich ihn liebte, sehr sogar. Doch er schüttelte den Kopf, nannte mich verrückt und wandte sich ab.

 Tränen der Wut sind über meine Wangen gelaufen, als ich aus der Hütte stürmte. Ich rannte ein ganzes Stück Berg hinauf und ließ mich dann zu Boden fallen. Ich war wütend und traurig zugleich, ich fühlte mich abgelehnt und von ihm verraten. Und das vor allem, weil ich doch selbst gespürt hatte wie er den Kuss erwiderte und wie er mich enger an sich gezogen hatte. Dich ich fand es nicht in mir den Kuss zu bereuen und nachdem ich mehrere Stundenlang alleine vor mich her gesessen hatte, nahm ich mir vor auch Kris davon zu überzeugen. Er war einfach zu stur um anzuerkennen, dass auch er irgendwas für mich empfinden musste. Ich stand auf und kehrte in die Hütte zurück. Ich kam jedoch nicht in ihr Inneres, denn bereits vor unserem Zuhause kniete Kris, verwundet und blutend, gefesselt und geschunden. Mehrere Magier standen um ihn herum, ein paar Soldaten standen bereit, Schwerter und Bögen in ihren Händen. Und ganz seitlich stand eine Frau und ein Kind das sich hinter ihrem Rock versteckte.“ Ich hielt die Luft an, bei dem was nun unweigerlich kommen würde.

 „Du kannst dir nicht vorstellen wie sich das angefühlt hat. Der Mensch den du am meisten liebst, deine einzige Familie, dein Ein und Alles, gefesselt und geschunden auf den Knien. Die Person die du seiner Stärke wegen immer bewundert hattest, nun plötzlich ganz klein und schwach. Es machte mich rasend, ich hasste die Menschen die ihm das antaten und ich war bereit sie dafür büßen zu lassen. Ich sammelte Magie in mir, wollte ihnen alles auf einmal entgegen schleudern, als einer der Magier hervortrat.

 Bisher war Kris der einzige andere Magier den ich jemals in meinem Leben gesehen hatte und ich hielt ihn für den mächtigsten unter allen, weil ich mir nicht ausmalen konnte, wie jemand noch stärker sein könnte, als er. Doch ich hatte mich geirrt, ganz offensichtlich, und mein Fehler wurde mir bewusst, als dieser kleinere Magier sich vor Kris stellte und mich breit anlächelte. Minseok hatte in diesem Moment über meinen Geist gestrichen, wie Finger auf meiner Haut hatte sich die Berührung angefühlt und ich war geschockt, als ich das Ausmaß seiner Macht zu spüren bekam. Seine Stimme hallte in meinem Kopf nach, ohne dass irgendjemand sie hören könnte, er nannte mich etwas Besonderes, ein Naturtalent. Er meinte ich würde einmal sehr stark werden, noch stärker als er selbst. Aber das diese Zeit heute noch nicht gekommen war, dass ich leider noch nicht stark genug war um ihn von seinem Befehl zu erlösen.“

 „Minseok wollte das-“ Ich schluchzte.

 „Damals habe ich es nicht verstanden, erst über die Zeit hinweg in der ich in Kai gefangen war und Minseok beobachten konnte, brachte Licht ins Dunkle. Er hatte erhofft in mir einen mächtigeren Magier als sich selbst zu finden. Dann könnte ich ihn nämlich vernichten und ihn und alle anderen Magier von seinem Schwur erlösen. Magier wären wieder freie Wesen. Keine Sklaven.“

 „Damals zumindest blieb ihm keine andere Wahl als seinen Befehlen zu gehorchen und während sie Kris festhielten forderten sie mich auf den Reflectare anzuwenden.“ Tao strich sich über die Arme als würde er frösteln. „Ich wollte zunächst erwidern, dass ich noch nie von solch einem Zauber gehört hatte, doch aus unerfindlichen Gründen wusste ich einfach wovon sie sprachen. Und ich wusste, dass ich dabei sterben würde. Ich war zu der Zeit noch nicht stark genug um einen Reflectare zu überstehen, auch das wusste ich einfach instinktiv.“

 „Aber...aber du hast es doch überstanden.“

 „Das war jedoch nicht alleine mir zu verdanken“, gestand Tao und meine Augen wurden groß.

 „Du meinst-...?“

 „Ja, Minseok hat mir dabei geholfen.“

Ich atmete zittrig aus und fuhr mir lächelnd durchs Haar, auf meine Wangen fielen Tränen. „Er ist immer wieder für eine Überraschung gut wie es scheint.“

 „Als man mir die Forderung auftrug, wusste ich natürlich noch nicht, dass ich den Reflectare überleben würde, wahrscheinlich wusste es Minseok selbst auch noch nicht. Dennoch, als man Kris das Schwert an den Hals hielt und Blut bereits seine Kehle hinunterfloss, gab ich nach. Mein Leben für das Seine, erschien mir wie ein kleines Opfer. Sein Wohlergehen war mir so viel mehr wert als mein kleines Leben, das ohne ihn ohnehin nie lebenswert gewesen wäre.“

 „Man warnte mich keine miesen Tricks auszuprobieren, als man den kleinen Jungen hinter seiner Mutter hervorzwang und ihn vor mich abstellte. Das Kind mit den dunklen Haaren und den großen, feuchten Augen blickte zu mir hoch und flehte mich an ihm nicht weh zu tun. Beinahe hätte ich damals gelacht, denn dem einzigen, dem nun wirklich wehgetan werden würde, war ich selbst. Kris schrie und flehte mich an, es nicht zu tun, doch ich war bereits in mein Inneres gekehrt, den Jungen mit mir nehmend.

 Es war das erste Mal das ich vor meinem eigenen Seelenspiegel stand“, seine Stimme klang ganz rau. „Er war groß und ich musste den Kopf weit zurück in den Nacken legen, um sein Ende zu erkennen. Das Kind fragte mich wo wir waren und was ich vorhatte, wo seine Mama war und wieso ich so zitterte. Ich antwortete nicht, ich musste mich darauf konzentrieren mich selbst zu zerstören. Nebel umspielte unsere Füße und als ich mit der Faust zum ersten Mal, schwächlich gegen meinen Spiegel schlug, stieg er auf und umhüllte uns in dichtes weiß. Plötzlich war mir eiskalt. Dort wo ich den Spiegel getroffen hatte, zeigte er mir eine Erinnerung. Ich sah Kris und mich lachend an einem Fluss sitzend, während er mir zeigt wie man Wasserfälle gefrieren ließ. Die Erinnerung machte mich schwach und stachelte mich gelichzeitig an. Ich begann fester auf den Spiegel einzuschlagen und schließlich bildeten sich die ersten Risse. Das Kind schrie und forderte mich dazu auf, aufzuhören, er krallte sich in meiner Seite fest und wollte mich weg ziehen, doch ich beachtete ihn gar nicht. Ich schlug Löcher in die Oberfläche, so dass Scherben in alle Richtungen flogen, und sowohl mich, als auch das Kind verletzten. Es fühlte sich an wie mehrere Stunden, als auch die letzte Scherbe aus dem Spiegel herausgerissen wurde und ich sackte zu Boden, erschöpft wie noch nie zuvor. Erschöpft genug, um daran zu sterben.

Das Band zwischen den Jungen und mir war vollendet, ich spürte die Verbindung, wie alle Macht in ihn hineinfloss und sich um ihn legte wie eine Schutzhülle. Gleichzeitig spürte ich mich selbst schwächer werden, ich trieb auf einem schwarzen Nebel und drohte von einer Flut mitgerissen zu werden, als sich plötzlich jemand über mich beugte. Er fragte mich ob ich wirklich schon dazu bereit war zu gehen, und obwohl mein Gehirn die Frage bejahte, schüttelte ich den Kopf. Zufriedengestellt mit meiner Antwort, zog er eine meiner Seelenspiegel-Scherben hinter seinem Rücken hervor und legte sie mir auf die Brust. Sie sickerte in meinen Körper zurück und fand ihren Platz in der Mitte meines Spiegels. Eine einzige kleine Scherbe. Minseok verschwand daraufhin und als ich das nächste Mal erwachte, oder so etwas ähnliches eben, befand ich mich im inneren des kleinen Jungen. In einem Raum vor seinem Seelenspiegel, der mir entgegen strahlte und Erinnerungen zeigte. Eingesperrt in diesem Raum, hinter Eisenstangen die mich von Kais Seelenspiegel fern hielten, blieb mir gar nichts anderes übrig als die nächsten Jahre zu warten und sein Leben durch seinen Seelenspiegel hindurch zu beobachten.“

 Tao war am Ende seiner Geschichte angelangt und wir beide blickten hinauf zu den Sternen. Wir sprachen lange kein Wort und ich bemerkte dass die Anspannung in meinem Körper sich aufgelöst hatte. Tao wirkte plötzlich nicht mehr wie der verfluchte Magier wegen dem Kai gestorben war, viel eher war er selbst das Opfer.

 „All die Jahre über habe ich mich gefragt was Minseok wohl mit mir vorhatte. Eingesperrt in dem Körper eines Jungen hatte er mich nicht sterben lassen, stattdessen musste ich warten und hoffen eines Tages, irgendwie frei zu kommen.“ Sein Blick klebte an einem besonders hellen Stern am Nachthimmel und es sah aus als würde er direkt zu ihm sprechen. „Manchmal habe ich mich gefragt, ob Minseok wohl vorhatte Kai eines Tages einfach umzubringen, um sich anschließend von mir töten zu lassen.“ Ich versteifte mich bei seinen Worten. „Vielleicht hatte er mich in Kai eingesperrt um mir noch etwas Zeit zu geben, um meine Magie reifen zu lassen, in der Hoffnung sie würde ihn eines Tages übertrumpfen. Doch, als ich erwachte, kurz nachdem jede Verbindung zu Kai verloren war, und nach Minseoks Macht griff um vor ihm aufzutauchen, da-...“

 „Minseok? Du hast nach Minseok und nicht nach Kris gesucht?“

 Er nickte. „Ich war es ihm schuldig. Ich war ihm schuldig ihn zu töten, sobald ich wieder erwachte.“

 „Das ist so unglaublich.“ Ich schüttelte den Kopf.

 „Das ist es. Ich weiß. Aber wenn du seit Ewigkeiten als Marionette fungiert hast und einfach nicht sterben kannst, selbst wenn du es wolltest, würdest du dann nicht auch zu drastischen Mitteln greifen? Ich habe gesehen wie Minseok den Reflectare ausgenutzt hat, um sich selbst vergessen zu lassen und ich habe die Verzweiflung in jeder seiner Faser gesehen, wenn er zufällig Kai begegnet ist. Das ist kein Leben was der Magier geführt hat, es war ein Dasein  ohne Sinn. Aber“, fuhr Tao fort, sein Blick plötzlich sanfter. „Minseok muss sich verändert haben. Selbst nachdem er seine Erinnerungen wieder erlangt hatte, wirkte er nicht wie sein früheres Ich. So richtig klar, wurde mir dies schließlich auf dem Schlachtfeld, als Minseok vor Hass geblendet Kris attackiert hatte. Kris hätte diesen Angriff nicht überlebt, wäre ich nicht dazwischen getreten und anders als erwartet, war Minseok nicht bereit sich einfach zu ergeben. Ich hätte gedacht er würde mich sehen und sich freuen, er würde glücklich über seine Erlösung sein, doch stattdessen wirkte er rasend vor Wut.“

 „Lay“, flüsterte ich und schluchzte auf.

 „Kai hatte Angst vor den Magiern, deswegen konnte ich nicht mitverfolgen wie Minseok sich verändert hatte, aber ja, es musste mit dem anderen Magier zusammenhängen. Denn als ich aufgetaucht war, wollte Minseok nicht mehr sterben, er wollte leben, er wollte euch beschützen. Ich...ich war verwirrt, um es gelinde zu sagen. Letztlich jedoch, am Fluss neben dem Leichnam des anderen Magiers, ist mir schließlich klar geworden, dass Minseok noch immer stärker war als ich. Das meine Stärke jedoch auch gar nicht mehr notwendig war. Er hatte einen Weg gefunden seinen Schwur zu brechen und sich zu opfern. Für einen Freund der ihm das Leben wieder lebenswert gemacht hatte.“

 Die Nacht schritt voran, die Sterne winkten zu uns hinunter.

 Irgendwann rappelte sich Tao langsam auf und wischte dich den Schmutz und den Staub von den Beinen.

 „Tao?“

 „Hm?“, erwiderte er, als er sich schon halb umgedreht hatte um ins Lager zurück zu kehren.

 „Warum hast du mir das alles erzählt?“

 Tao hielt inne. „Ich dachte du wüsstest es?“

 Ich schloss die Augen. „Bitte sag es mir trotzdem.“

 „Ich habe dich durch die Augen von Kai gesehen Luhan, ich habe gesehen wie Minseok seine Lebensfreude an dich und die anderen gebunden hat und ich habe gesehen wie Kris sich vor Schuldgefühlen dir gegenüber dem Tod überlassen wollte. Ich wollte also dass du weißt dass ich nicht gewollt habe das Kai meinetwegen verstirbt, ebenso wie er damals nicht wollte, dass ich meinen Seelenspiegel zertrümmerte. Ich wollte das du weißt das Minseok vielleicht noch viel früher ohne dich und die anderen gestorben wäre, das er vielleicht schreckliche Dinge getan hätte, wärt ihr nicht gewesen um ihm schönere Seiten des Lebens zu zeigen und-“ Er atmete tief ein. „Ich wollte dich bitten Kris zu verzeihen. Er hat mir nicht allzu viel erzählt und ich weiß nicht was zwischen euch gewesen ist, doch er klang schrecklich traurig über das was euch schlussendlich zu Feinden gemacht hat. Ich wollte das du verstehst das Kris gar keine andere Wahl geblieben ist, ich meine, wäre es andersrum gewesen, wäre Kai in mir gefangen gewesen und nicht andersherum, hättest du nicht auch das selbe für ihn getan? Hättest du mein Leben wirklich erspart?“ Wir blickten uns in die Augen und er lächelte. „Keine Sorge ich nehm‘s dir nicht übel. Müsste ich mich zwischen Kai und dir entscheiden ich hätte mich auch für Kai entschieden.“ Er zwinkerte mir zu.  

 „Hey warte! Heißt das du hast Kai nicht gehasst?“

 „Wie gesagt, ich bin froh darüber nicht in mehr in Kai eingesperrt zu sein und ich bedauere ihn auch nicht wirklich...was nicht bedeutet das ich ihn getötet hätte, wenn eine andere Möglichkeit bestünden hätte. Immerhin war er zu jener Zeit als alles entschieden wurde, nur ein Kind!“, rief er mir über die Schulter hinweg zu.

 „Was soll das denn nun bedeuten?“, murmelte ich vor mich hin. Als ich wieder aufblickte war Tao plötzlich wieder direkt vor mir. Ich schrie auf und zuckte zurück. Er hielt mich am Arm fest, bevor ich die Klippe hinunterfallen konnte, sein Gesicht schwebte direkt vor meinem. „Nur damit das klar ist, auch wenn ich wirklich möchte dass du Kris verzeihst heißt das nicht das ihr beiden-“

 „Bist du verrückt geworden?!“, unterbrach ich ihn mit feuerrotem Gesicht.

 „Nur um sicher zu gehen.“

 „Das kannst du dir sparen!“

 Er lachte laut auf und seine Augen verschwanden zu Halbmonden. „Ich weiß dass du das vielleicht nicht hören willst, aber es ist ein schönes Gefühl wieder am Leben zu sein.“

 Und so sehr ich auch versuchte ihm dies übel zu nehmen, ich konnte es nicht. Ich würde niemals aufhören Kai zu vermissen, das war mir klar, aber es war auch nicht richtig Tao für das Geschehene verantwortlich zu machen, und vielleicht müsste ich meine Sicht auf Kris auch noch einmal überdenken. Aber nicht heute Nacht, nicht so früh schon.

 Als hätte er meine Gedanken gelesen, zuckte Tao die Achseln, beugte sich weiter vor und flüsterte mir etwas ins Ohr. Er verstärkte seinen Griff um mein Handgelenk und als ich mich umblickte befanden wir uns wieder im Lager, direkt vor meinem Zelt.

 „Danke“, flüsterte ich, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Und ich meinte nicht nur den schnellen Transport wieder zurück.

 Tao lächelte wieder. „Ich weiß wie sich das anfühlt von Gefühlen beeinflusst zu werden die nicht sich selbst gehören. Dank Kai mochte ich dich, noch bevor ich dich selbst kennengelernt habe.“ Er wandte sich ab und verschwand kurz darauf in der Dunkelheit. Bevor ich in mein Zelt zurückging blickte ich noch einmal zum Himmel empor und dachte an die Worte die Tao mir ins Ohr geflüstert hatte. Ich würde sie in meinem Herzen tragen, so lange ich lebte.

 „Das letzte woran ich mich erinnere, kurz bevor meine Verbindung zu Kai plötzlich abgebrochen ist, war der Gedanke an dich, der ihn dazu getrieben hat sich vor Sehun zu werfen. Letztlich wollte er, dass du glücklich wirst. Er hat es immer als seine Aufgabe gesehen es geschehen zu lassen, auch wenn er Kyungsoo geliebt hat, warst du es den er als Freund niemals verlieren wollte. Ich glaube er hätte gewollt das du das erfährst Luhan.“

Ich erhielt nur wenige Stunden Schlaf bevor Sehun mich an sich zog und seine Hand an meiner Wange mich weckte.

 „Bereit?“, flüsterte er nachdem wir lange Zeit geschwiegen hatten.

 Ich nickte langsam. „Was ist mit dir?“

 „Immer.“ Er küsste meine Stirn und rappelte sich anschließend langsam auf. Ich versuchte weg zu schauen während er seine Sachen zusammensuchte. „Oh, soll ich dir vielleicht beim Baden helfen?“, fragte er mit einem Grinsen auf den Lippen und ich schüttelte entschieden den Kopf. „Na dann, bis später, ich gehe noch einmal nach Lay sehen, bevor wir aufbrechen.“

 „Sehun warte!“, rief ich ihm hinterher und stand auch schnell aus dem Bett auf um meine Sachen zusammen zu suchen. „Ich komme mit.“

 „Bist du dir sicher?“

 Ich nickte. Sehuns Unsicherheit war nicht Unbegründet, denn bisher hatte ich den Magier nur wenige Male besucht und dann immer dann, wenn er gerade schlief. Ich ertrug es nicht den Schmerz in Lays Gesicht zu sehen wenn wir ihm erzählen müssten was geschehen war.

 Bisher hatte Lay auf noch nichts reagiert, kein Wort gesagt und nur vor sich hin gestarrt. Man hatte mir erklärt, dass Kris vermute Lay sei noch im Stadium der Erholung, das diese jedoch vorüber ginge und er dann wieder ganz normal sein würde. Das hieße er würde anfangen Fragen zu stellen und nichts jagte mir mehr Angst ein als diese Aussicht.

 Wir gingen gemeinsam zu Lays Zelt hinüber, wo Kris und Chen bereits bei ihm waren. Chen hatte Lays Zelt in den letzten Tagen kaum verlassen und wachte schweigend über den stillen Magier. Als Sehun und ich eintraten, sah ich Kris sich anspannen, doch ich ließ meinen Blick nur kurz über ihn streifen, lang genug um ihm in die Augen zu sehen und ihm zu verstehen zu geben das er keine Angst davor haben müsste, das ich ihm gleich an die Kehle sprang. Stattdessen wandte ich mich Lay zu, der gerade Chen beobachtete, während dieser auf seinem Stuhl saß und ein Buch der Rebellen durchblätterte. Als wir näher traten wandte Lay den Kopf zu uns um.

 „Sehun, Luhan“, flüsterte er wie zur Begrüßung und alles erfror in der kleinen Hütte. Es war das erste Mal das Lay gesprochen hatte.   „Lay, wie geht es dir?“, fragte Sehun sanft und ergriff die Hand seines Freundes.

 Lay versuchte sich an einem Lächeln und es wirkte etwas schief auf seinen Mundwinkeln. „Ich bin mir nicht sicher.“

 „Was meinst du?“, fragte ich besorgt und sein halbes Lächeln versuchte nun beschwichtigend zu wirken, hatte jedoch den komplett gegenteiligen Effekt.

 „Ich...irgendwie fühle ich mich sehr schwer.“

 Ich hob die Augenbrauen und suchte Kris Augen, dieser zuckte die Achseln, das war wohl auch ihm noch fremd. „Schwer?“

 Er nickte. „Als hätte jemand einen Stein auf meinem Körper abgelegt.“ Sicherheitshalber ließ ich meine Hand durch die Luft über Lays schlaffen Körper gleiten.

 „Da ist nichts“, stellte ich fest und er seufzte. Er versuchte sich aufzusetzen, doch seine Arme zitterten unter seinem eigenen Gesicht und er schaffte es nicht sich hoch zu ziehen. Sehun musste ihm dabei helfen.

 „Was...was ist das bloß? Warum fühlt sich das so schwer an?“

 „Menschlichkeit“, antwortete plötzlich eine Stimme von der Tür aus und wir blickten uns alle zu Tao um, der Lay in seinem Blick hielt.

 „Was?“

 „Bei deiner Rettung wurde auch deine Magie verbraucht. Du bist kein Magier mehr.“

 Lay klappte die Kinnlade hinunter. „Ist das ein Scherz?“

 „Er...er ist kein- was?“ Dieses verfluchte Detail hätte mir Tao auch heute Nacht verraten können. Ich funkelte ihn an und er schritt, ohne mich zu beachten, an mir vorbei.

 „Dann...dann fühlen sich Menschen so SCHWER an?“

 „Scheint so“, antwortete Tao und zuckte die Achseln.

 „Wow“, geschafft ließ sich Lay tiefer in seine Kissen sinken.

 „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“, fragte Sehun der offensichtlich geschockter war, als Lay selbst.

 Lay zuckte die Achseln. „Das ist doch gut...oder nicht?“

 „Was?“, fragte ich überrascht.

 Tao lächelte, während Lay erklärte. „Nimm es mir nicht übel Lulu aber das bedeutet doch das ich jetzt frei bin, von dem Königreich und-“ Er brach ab, seine Augen weiteten sich plötzlich. „Luhan, wo ist Kai?“ Die Frage traf mich völlig unvorbereitet und ich starrte ihn erschrocken an. „Luhan?“

 „Lay...“ Ich blinzelte gegen Tränen an. „Lay er hat es nicht geschafft“, flüsterte ich und der Magier blickte mit großen Augen ins Leere.

 „Was?“

 Ich atmete tief ein, jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich würde Lay erzählen was Tao mir in der Nacht erzählt hatte. Es würde Lay den vollen Schmerz und die Schuldgefühle nicht ersparen, aber zumindest würde es ihn vielleicht einen Hauch von Trost geben. „Lay, eigentlich hat es keiner von euch beiden geschafft. Weder Kai noch du.“

 Seine Augen blickten verwirrt zu mir hoch. „Wie meinst du das?“

 Ich wischte mir mit dem Handrücken schnell über die Wangen, bevor ich weitersprach. „Wir haben nach euch beiden gesucht und dich schließlich im Tal neben dem Fluss gefunden.“

 „Fluss? Ich erinnere mich nicht mehr, da war nur der Sturz und dann...“ Er runzelte verwirrt die Stirn, blickte zu Tao und schüttelte den Kopf. „Ich, da...ich weiß nicht, aber....“

 „Hör mir zu“, bat ich ihn mit sanfter Stimme. Sehun griff nach meiner Hand und drückte sie. „Am Fluss warst du und...du warst Tod.“ Lay wirkte Leichenblass. „M-minseok war da und...ich weiß nicht wie, aber er hat dich gerettet.“

 Lay blinzelte mehrmals, ohne etwas zu sagen.

 „Es tut mir so leid Lay, ich...“

 „Luhan“, unterbrach er mich und ich drückte mir die andere, freie Hand gegen den Mund um nicht laut zu schluchzen. „Luhan, wovon redest du?“, flüsterte er.

 „Lay...“

 Er schüttelte den Kopf. „Wer ist Minseok?“

 Meine Tränen versiegten in Sekundenschnelle, meine Hand fiel von meinem Mund. Ich starrte ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen. „Was?“

 Lay drehte den Kopf langsam von mir zu Sehun, unsere erschütterten Gesichter verwirrten ihn sichtlich.

 „Was hat er getan?“, hörte ich Sehun flüstern und er schüttelte leicht den Kopf.

 „Er muss ihm die Erinnerung fortgenommen haben, um ihn zu schützen“, dachte Tao laut nach und schüttelte selbst auch fassungslos den Kopf.

 „Das konnte er doch nicht einfach… das...das ist nicht fair!“, rief ich. „Er hat ihn von seinen Schuldgefühlen erlöst, aber er hat ihm auch alles andere genommen! Sie waren doch Freunde, all die Erinnerungen, all die schönen Momente...“

 „Luhan“ Lay schüttelte ratlos den Kopf. „Wovon sprecht ihr denn alle?“

 Ich war fest entschlossen Lay alles zu erzählen, als sich Taos Hand auf meinen Arm legte um mich zu stoppen. „Vielleicht ist es besser so“, flüsterte er. Ich ließ die Schultern hängen und sah zu Sehun herüber der unsicher auf seiner Unterlippe herumbiss.

 „Das kann doch nicht euer Ernst sein!“, sagte ich ratlos und wollte einfach nicht akzeptieren, dass wir Minseok einfach aus Lays Gedächtnis herauslassen sollten. Das war einfach nicht fair! Es war das gleiche wie damals bei Kai und Kyungsoo.

 „Es war Minseoks Wunsch“, begann Tao und ich sah erneut zurück zu Lay der noch immer ratlos zu mir herüber sah, ängstlich dass irgendetwas nicht stimmte. Letztlich war es dieser Ausdruck auf dem Gesicht meines Freundes der mich zum Verstummen brachte. Ich lehnte mich vor und schloss Lays Oberkörper in eine Umarmung, das Gesicht vergrub ich dabei kurz in seinem Nacken. Als ich mich wieder aufrichtete, blickte ich Lay nicht mehr in die Augen, bevor ich mich umdrehte und die Hütte verließ.
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Das ist das Vorletzte mal das ich update ^^ Ich hoffe es hat euch gefallen <3 Ich hab nächste Woche Abi Prüfungen und bin ein wenig aufgeregt. Gehts jemandem gerade ähnlich? :)
Liebe Grüße! <3

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